BEILAGE
Vorwärts
am Rande des Krieges
Eine Erinnerung Von Walter Groß
Dr. Berger schüttelte den Kopf: Nein, ich habe teine Kriegserlebnisse zu erzählen. Als mir an die Front sollten, kam der Frieden. Und doch habe ich den Krieg ganz nahe gesehen. Damals als mein Bruder getötet wurde."
Die Gesichter um ihn wurden still und aufmerk sam. Er blickte sie einen Augenblid an und be= gann zögernd:
,, Damals, im Sommer 1917, war ich gerade 17 Jahre. Unterprimaner. Sie wiffen vielleicht noch, 1917 wurde die Zivildienstpflicht eingeführt. Auch wir Schüler wurden zum Hilfsdienst geholt. Wir Primaner hatten im Frühjahr in einer Munitionsfabrik gearbeitet. Als der Sommer tam, hieß es plöglich, ein großer Hilfstransport werde zur Erntearbeit nach Nordfrankreich abgehen.
Es ging alles sehr schnell. Wir waren etwa awei bis dreitausend Schüler, die in Sonderzügen über die Grenze fuhren. Alles Sekundaner und Brimaner aus Süddeutschland , auch jüngere, Tertianer, die sich mit zum Transport gedrängt hatten und für tauglich erklärt waren. Unter ihnen war auch mein kleiner Bruder. Er mar dreizehn Jahre und wie wir alle gefund, kräftig und voll Begeisterung.
Ja, wir waren begeistert. Als wir durch Buremburg fuhren und bald die ersten zerstörten Häuser sahen, sangen wir und lehnten aus den Fenstern, um einen Hauch einzuatmen von der Luft des Krieges, von dem Dunst der Schlacht felder, in die wir hindrängten. Erstaunte Soldaten begrüßten wir rufend als Kameraden. Eine Welt boll Heldentum und Tapferfeit schien sich zu öffnen, wir fuhren singend und jubelnd hinein.
In Sedan, wo wir ausgeladen wurden, erlebten wir die erste Enttäuschung. Wir waren begeisterte Jungens, denen man in der Schule mur von der Tapferkeit und den Siegen ,, unserer stolzen Feldgrauen" erzählt hatte und glaubten nun, man würde uns hier auf feindlichem Boden in patriotischer Begeisterung begrüßen. Aber als wir mit einer Musikkapelle an der Spizze durch die Straßen zogen, sahen wir feine winkenden und jubelnden Feldgrauen, sondern müde und abgefämpfte Soldaten und hörten fein Hurra, sondern höhnische und haßerfüllte Rufe:., Jetzt holen sie schon die Babys." Rinder, haut ab, seid froh, daß ihr mif dem Schlamassel nichts zu tun habf!"
So tamen wir in unfere Quartiere. Es waren leerstehende Schulen in Sedan und in Dörfern umher, in die wir nach Kompanien verteilt wurden. Ich kam mit etwa 400 Kameraden nach Floing , mein Bruder fam nach Vigny ganz in der Nähe.
Wir richteten uns in unseren Stuben ein, stopften die Strohsäcke voll und schrieben Feldpostkarten an die Eltern. Am nächsten Morgen begann unser Dienst, der immer gleich blieb: Früh um 6 Uhr marschierten wir unter Führung von Unteroffizieren zur Erntearbeit auf die unübersehbaren Weizenfelder rings um Sedan , famen zum Mittageffen zurück und arbeiteten dann wieder bis 7 Uhr abends.
Für uns Großstadtjungens war es neuartig und schön, halbnadt unter der Glut der fengenden französischen Sonne auf den Weizenfeldern zu stehen, Garben zu binden, und die Erntemagen voll zu laden. Wir waren gesund und arbeitsfroh und in wenigen Tagen hatten wir braune, sonnenverbrannte Körper. Wenn wir abends müde heimfamen, saßen wir noch vor dem Einschlafen auf unferen Strohfäden und fangen die Soldatenlieder, die wir hier gelernt hatten, das Lied von der Annemarie" und das Argonnerwaldlied". Eines Nachts medte uns dröhnender Gesang. Wir rissen die Fenster auf und atmeten erregt die tühle Nachtluft. Unten marschierten Truppen, Bataillon auf Bataillon in endlosen dunklen Kolonnen. Wir sahen nur die Stahlhelme, auf denen weiß der Mond lag, und hörten den harten Marschtritt und den Gesang drohend durch das Dunkel. Der Zug der Truppen dauerte die ganze Nacht.
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Am nächsten Tag war das Dorf leer, kein Soldat war mehr zu sehen. Zum ersten Male hörten wir Geschüßfeuer in der Ferne. Im Heeres. bericht stand: Verdun - Schlacht. In den Nächten fonnten wir nicht schlafen, erregt horchten mir auf das Trommelfeuer, das dumpf von der Verdun - Front herüberfam.
In die Ferienarbeit dröhnte die nahe Schlacht. Einmal schlich ich mit einigen Kameraden nachts zu der Anhöhe auf das große Reiterdenkmal, da sahen wir den Horizont glühen und begriffen den Sinn des Wortes Feuerzone ". Wir standen am Rande des Krieges.
Wieder ein heißer Tag. Sonnenglut lag auf den Weizenfeldern, unbarmherzig quälte uns die Hize Blötzlich ein feines dünnes Surren: Flieger. Wir suchten mit geblendeten Augen den Himmel ab und dachten an feine Gefahr. Wir sind ja teine Soldaten, nur Jungens in Jugendwehruniform hinter der Front auf Erntearbeit. Wie fonnte uns etwas geschehen! Da schrillen laute Kommandos. die Unteroffiziere schreien über das Feld und winken hastig mit erregten Armen: Fliegeralarm! Dedung! Bir stürzen auf, laufen durcheinander, versteden uns planlos unter den Erntewagen, unter den Garben, pressen uns angsterfüllt dicht zujamunen und hören die Kom
mandos, das Scharren und Laufen der sich Berbergenden. Lauter surrt oben der Flieger. Oder find es mehrere? Sie müssen tiefer gegangen sein und sind wohl gerade über uns. Da fam etmas Unerwartetes, nie Gehörtes: ein Krachen und Bersten rauschte auf, einmal, zweimal, die Luft dröhnte in unseren Ohren. Dann Surren, leiser merdend, bis es sich in der Ferne verlor. Und Stille.
Rufe der Unteroffiziere. Bleiche Gesichter zeigten sich. Traten in Reihen an. Fremde Augen tasteten die Reihen entlang. Schweigender Abmarsch.
Erst im Quartier erfuhren wir, mas geschehen war: Die Fliegerbomben hatten das benachbarte Feld getroffen. Mitten in die finnlos vor Angst zusammengelaufenen Jungen, die zur Kompanie von Vigny gehörten. Zwei Tote, drei Schwerverletzte. Der eine Tote war mein dreizehnjähriger Bruder...
Bielleicht wird es Sie wenig interessieren, was jezt noch folgt. Für mich war es entscheidend für mein ganzes Leben.
Das ist schwer zu erzählen. Etwas hatte uns berührt, was uns nur aus Büchern befannt war.
Oder auch aus den Zeitungen mit ihren Traueranzeigen:„ Gefallen..." und ein Eisernes Kreuz über den Worten, die schwarz umrändert waren. Nun hatte uns der Atem des Todes gestreift, wir blickten dem Grauen in die Augen.
Zur Trauerfeier marschierten alle Jugendfompanien nach Sedan. Ich werde das wohl nie vergessen, diesen schweigenden Marsch über die Anhöhen der Maas , entlang an blühenden Gärten und mogenden Kornfeldern. Kein Lied, kein Gesang. Berstörte, nachdenkliche Knabengesichter. Vorbei an grasüberwachsenen Massengräbern.
In Sedan eine schwarz verschleierte Frau. Meine Mutter. Als sie mich umarmte, hatte sie feine Worte und feine Tränen. Sie strich mir fuchend über das Haar mit ratlosen Händen, ihre Augen waren troden und fremd.
Zwei kleine Särge standen in der Mitte. Fahnenüberdeckt. In einem also waren die zusammengescharrten Ueberreste meines zerfetzten fleinen Bruders. Die Tränen immer zurückge= drängt waren nun in meinem Geficht. Meine Mutter blickte tränenlos und verloren auf den Sarg.
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Worte zerbrachen die Stille. Der Feldgeistliche mar an die Särge getreten und hielt die Trauer: rede. Ausgerichtet standen hinter ihm die langen Reihen der Jugendfompanien. Eintönig rannen die Worte.
Da sah ich die Gestalt des Feld geistlichen einen Schritt näher tommen und begriff, daß er unsere Matter trösten mollte. Ich horchte auf die Worte,
Eine Schule der Liebe!
Von Dr. Martin Kaim
Der russische Philosoph und Mystiker Solowjem stellt in stellt in seiner Betrachtung ,, Nemesis" den Satz auf, der Krieg bilde für die Völker eine Schule der Liebe zu ihren Feinden. Im Kriege so meint Solomjem lernen die Gegner einander schätzen und verstehen. Dieses ritterliche Achtungsgefühl unterscheide sich aber nicht mehr wesentlich von„ Liebe".
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Und man
Auch Philosophen können irren. dürfte über die Auffassung Solowjews, die im Kriege den Erzieher zur Feindesliebe sieht, mit einer Handbewegung hinweggehen, menn fie eben. nichts als eine Philosophenschrulle wäre. Late sächlich ist jedoch darüber wollen wir uns nicht täuschen noch heute jene lleberzeugung weit verbreitet, die als ideologische Grundlage der Kriegsromantit bezeichnet werden muß: die lleberzeugung von der Ritterlichkeit des Krieges.
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Wie steht es mit dieser Ritterlichkeit? Da ist zunächst auffällig, daß schon im Altertum die Kriege viel weniger romantisch waren, als uns die Kriegsideologen glauben machen wollen. Zumal Homers lias" gibt uns eine einzigartige Schilderung antifer Kriegsfitten, eine Schilderung, die auch für das Altertum die Legende von der Ritterlichkeit des Krieges unerbittlich widerlegt. Homers Helden" beschimpfen einander wie die Rohrspaßen", und als ein Dämon des Hasses mirft Achill, der den Leichnam seines Todfeindes durch den Sand schleift.
Und was haben gar moderne Kriege mit Feindesliebe" zu tun! Je mehr im Kriege der
Soldat als Einzelpersönlichkeit zurücktritt und gleichsam zum Kriegs material, zum ,, Kanonen= futter", ja zu einem bloßen Zubehör der Chemie und Industrie herabfintt, um so furchtbarer zeigt sich der Krieg in seiner ganzen Unritterlichkeit und Grausamkeit. Nicht gegenseitige Achtung, sondern gegenseitige Aechtung der Völker, nicht liebevolles Verstehen, sondern blinde Diffamierung haben mir alle an dem Beispiel des entsetzlichen Weltkrieges erlebt. Man fomme nicht mit dem Einmand, der Völkerhaß richte fich gegen Gruppen und nicht gegen den einzelnen Ausländer"! Das ist faule Ausrede. Denn der Gruppenhaß mu jeden oder fast jeden Gruppenangehörigen als Individuum treffen
Nein, der Krieg ist teine Schule der Liebe. Wohl aber ist der Mangel an Liebe, der Mangel an Verstehen wollen, der Mangel an ritterlicher Gesinnung im Völkerverkehr der gefährlichste Wegbereiter des Krieges. Und hier schließen wir uns gern der These von Mag Scheler an, daß der Krieg den Haß nicht eigentlich fchaffe, sondern enthülle dem Eiter ähnlich, der eine schon bestehende Entzündung offenbart. Deshalb gilt es, Brücken zwischen den Völkern zu bauen, nicht allein Brücken der Organisation und der Diplomatie, sondern in erster Linie Brücken des tiesinnerlichen Verständnisses und des ungebrochenen, unbeirrten Friedens will ens. Auf daß eine neue fatastrophe der Menschheit erspart bleibe und das Wort Ulrich von Huttens sich erfülle:„ Es ist eine Lust, zu leben!"
Hassenswerter als der Teufel...
Samuel v. Blutschty( 1612-1678).
Der Krieg blühet schön, bringet aber böse Früchte; siehet porn im Angesichte fühn und freudig, aber auf dem Rücken totenbleich und voller Wunden. Seine Standarten, Helm, Küraß, Schwerter, Musketen und Kartaunen glänzen: n mutigen und frischen Augen sehr zierlich, in er fahrenem tödlich, und sind ein Spiel des ungewissen Glückes, ein Spiel mit strengem und graujamem Ernst vermengt, darauf Freiheit, Regiment, Leben und zeitliche Wohlfahrt gesetzt. Wer diese scharfe und lebensgefährliche Arznei einmal versucht, wird ihrer so leicht nicht mehr begehren, es treibe ihn denn die äußerste unumgängliche Not dazu. Ein Feuer ist bald angezündet, aber so bald nicht wieder verlöscht. Das Land kann man leicht mit einer Kriegsbrunst anstecken, aber dasselbe wieder in Ruhe und Frieden sehen, bedars große Mühe und weises Gehirn.
Pascal( 1623-1662). Diebstahl, Blutschande, Kindes und Batermord, alles hat schon zu den tugendhaften Handlungen gehört Gibt es mohl etwas Lächerlicheres, als daß ein Mensch das Recht hat, mit zu töten, meil er jenseits des Wassers wohnt, und meil sein Fürst eine Klage gegen den meinigen hat, obgleich ich durchaus keine gegen ihn habe?
Herber( 1744-1803).
Der Areig, wo er nicht erzwungene Gelbite teidigung ist, fondern ein toller Angriff auf eine ruhige benachbarte Station, ift ein unentschulb
Welt
bares ärger als tierisches Beginnen, indem er nicht nur der Nation, die er angreift, unschuldigerweise Mord und Verwüstung droht, sondern auch die Nation, die ihn führet, ebenso unverdient als fchrecklich hinopfert. Kann es einen abscheulicheren Anblick für ein höheres Wesen geben als zmei einander gegenüberstehende Menschenheere, die unbeleidigt einander morden? Und das Gefolge des Krieges, schrecklicher als er selbst, sind Krankheiten, Lazarette, Hunger, Best, Raub, Gewalttat, Verödung der Länder, Vermilderung der Gemüter, Zerstörung der Familien, Verderb der Sitten auf lange Geschlechter. Alle edlen Menschen sollten diese Gesinnung mit warmem Menschengefühl aus: breiten, Vater und Mütter ihre Erfahrungen dar= über den Kindern einflößen, damit das fürchter= liche Wort Krieg, das man so leicht ausspricht, den Menschen nicht nur verhaßt werde, sondern daß man es mit gleichem Schauder als den Beitstanz, Best, Hungersnot, Erdbeben, den schwarzen Tod zu nennen oder zu schreiben faum wage.
Guy de Maupaffant( 1850-1893). Die Kriegshelden find die Geißel der Welt, Da ringen wir mit der Natur, da fämpfen wir mit der Unwissenheit, gegen Hindernisse aller Art, um unser elendes Leben weniger hart zu gestalten. Da verwenden Menschen, Wohltäter, Gelehrte ihr Leben zur Arbeit. Da fudjen fie nach Mitteln, ihren Brüdern zu helfen, sie zu unterstützen, thr 20s zu erleichtern. Da häufen fte, eifrig bedacht auf ihre gemeinnüßige Aufgabe, Entdeckungen an. Da bereichern fie den menschlichen Seift, erweitern
MITTWOCH, 11. JANUAR 1933
die laut über den Plaz halten: llnd du, deutsche Mutter, sei stolz, daß aucy dein junger Sohn so früh schon sein Leben hat hingeben dürfen für sein Baterland!"
,, Hat hingeben dürfen!" Ich zuckte zusammen und wiederholte mechanisch diesen Sazz, während der Geistliche weitersprach. Ich begriff nicht und blickte hastig in das Gesicht unserer Mutter, die aufrecht und unbewegt neben mir stand. Ich blickte hilfesuchend hinüber zu den Kameraden. Und ich erhielt Antmort! Eine Welle der Bewegung ging durch die starren Reihen. In schmalen Gesichtern standen entsetzte aufgerissene Augen. Haß war in ihnen, Haß und Empörung. Sie grüßten uns im geheimen Einverständnis, in leidvoller Berbundenheit, sie waren alle Kinder, die ihre Mutter schüßen wollten gegen Kränkung und Roheit. Der Feldgeistliche fühlte, wie der Haß aus den jungen Gesichtern an ihm heranfroch, und beendete unsicher und rasch seine Rede.
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Sehen Sie, das ist es, was ich Ihnen zu er= zählen hatte. Jene sinnlose Phrase, mit der der uniformierte Diener Gottes meine Mutter be= leidigte, hat mich wachgerüttelt. Ein Vorhang ging hoch. Seitdem glaube ich nicht an das Heldentum des Krieges Das Bild eines gemordeten Kindes, das zufällig mein Bruder war, und die seelenlose Bhrase eines Feldgeistlichen stehen am Beginn meines ermachten Denfens. Es hat mich zu den Millionen geführt. die eine neue Welt oufbauen wollen."
die Grenzen der Wissenschaft. Da liefern sie Tag für Tag dem Verständnis eine Summe neuen Wissens, Tag für Tag schenken sie ihrem Vaterlande Gesundheit, Wohlstand, Stärke. Dann kommt der Krieg, und in 6 Monaten haben die Generäle die Früchte von zwanzig Jahren der Arbeit, der Geduld, der Genies zunichte gemacht. Was haben sie denn geleistet, die Kriegshelden, um ein wenig Verstand zu bemeisen? Nichts. Was haben sie erfunden? Kanonen und Gewehre
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das ist alles! Hat der Erfinder des Schubkarrens durch die ein fache praktische Idee, den zwei Handhaben ein Rad beizugeben, für die Menschen nicht mehr geleistet als der Erfinder der modernen Befestigungen? General Baden- Powell ( 1857-1915).
Jeder, der wie ich den Krieg in allen seinen Gestalten tennen gelernt, hält ihn für hassenswerter als den Teufel, die Schrecken des Krieges be deuten für mich den schlimmsten Anachronismus. Zusammengestellt von Gustav Hahn.
Erich Goitgetreu
Stammgast des Krieges
"
Er nennt sich eigentlich Wahrheitskämpfer Richard Silber". Bei medizinischem Lichte besehen entspricht sein Wesen wohl nicht ganz der menschlichen Norm. Doch man sieht das fleine Männchen meistens nur im Halbdunkel des preu ßischen Ehrenmals der Kriegsgefallenen. In der alien Neuen Bache, so wurde dekretiert, mehen den geopferten Kriegern die Palmen des Friedens. Unter ihnen zieht Silber in den Kampf für die Wahrheit.
hat
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Silber ist Reden. Wenn man den eifrigen Wahrheitsfämpfer hier trifft, und man trifft ihn oft hier, will er eine Ansprache gegen den Krieg halten. Aber jedesmal kommt der Aufsichtsbeamte und verbietet ihm das laute Wort. Die Stätte des Gedenkens soll eine Stätte der Stille, teine der Propaganda sein, auch feine der Propaganda gegen den Krieg, an den sie erinnert. Wahrheitssucher Silber erflärt darauf, daß ihm das Gebot Gottes, dem er folge, wichtiger sei als das Gebot der Behörden, seine Makellosigkeit am Tage des jüngsten Gerichts wesentlicher als seine Unbescholtenheit beim Termin vorm Amtsgericht. Doch der Aufichtsbeamte läßt sich nicht erweichen, obschon er in der Art, in der er mit seinem Stammgast spricht, zeigt, daß er ein weiches Herz. am Ende siegen seine Bestimmungen über feine Stimmungen. Wahrheitskämpfer Silber- schweigt schließlich. Er ist ein Rebell in Preußen. Wie oft hat sich diese Szene schon wiederholt! Wie oft wurde Richard Silbers Krieg gegen den Krieg schon im Anfang abgebrochen! hat es ihm das Herz gebrochen? Traurig blidt er jedesmal auf die Blumenkränze des Gedenkens, die das Ehrenmal umblühen, mit bekümmertem Blick lieft er auf den beigehefteten Schleifen die Namen der Spender. Er sieht unter den Blumen Schlachtfelder, auf den Schlachtfeldern Millionen Leichen, er steht den Krieg. Er hört den Donner der Geschütze, das Pfeifen der Granaten, das Schreien der Verwundeten, das Weinen der Mütter, er hört den Krieg. Er will dem Kriegsgott zu Leibe ziehen und erlebt immer wieder von neuem, mie fein eigenes Schwert zerbricht. Don Quichotte ist eine tomische Gestalt. Don Quichotte ist eine tragische Gestalt.
Das also wäre der Stammgast am Ehrenmal der Gefallenen: ein einfältiger Weiser, ein Narr in Christo. Er ist wie der Krieg, den er befämpfen mill: so finnlos, ein Gespött der Bernunft und, mehr noch als jenes Monument aus Stein, das er scheu umschleicht, ein Mahnmal, das erschüttert. Denn er, der lange perittet lag, im Gas, im Trommelfeuer es qt felbft des Krieges Opfer