Morgen- Ausgabe
Nr. 19 A 10 50. Jahrg.
Rebattion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: 7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin
Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
DONNERSTAG
12. Januar 1933
Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 15 Pf.
Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Kriegserklärung des Landbunds an die Industrie- Schleicher verhandelt nicht mehr mit Landbund
Amtlich wird mitgeteilt: Nachdem in letter Zeit in mehreren Besprechungen zwischen Mitgliedern des Präsidiums des Reichslandbundes und dem Reichskanzler eine weitgehende Einigung über die für die Landwirtschaft notwendigen Maßnahmen erzielt worden war, wurde heute( Mittwoch) nachmittag der Vorstand des Reichslandbundes vom Herrn Reichs präsidenten im Beisein des Reichsfanzlers
und der Reichsminister Warmbold und Freiherrn von Braun empfangen.
Die Bertreter des Reichslandbundes trugen ihre ernsten Sorgen über die Lage der Landwirtschaft und ihre Auffassung über die zu ergreifenden Abhilfemaßregeln vor. In der Aussprache ergab sich, daß durch die bereits getroffenen und noch beabsichtigten Maßnahmen der Reichsregierung den Wünschen der Abordnung schon soweit wie irgend möglich Rechnung getragen worden war.
Nach der Sitzung wurde bekannt, daß der Borstand des Reichslandbundes bereits vorher eine Entschließung gefaßt und der Presse übergeben hatte, die in demag. ogischer Form fachlich unbegründete Angriffe gegen die Reichsregierung enthielt. Die Entschließung ist weder dem Herrn Reichspräsidenten noch der Reichsregierung vor der Besprechung bekanntgegeben worden. Wäre dies der Fall gewesen, so würde der Herr Reichspräsident von einem Empfang des Reichslandbundes abgesehen haben.
Die Reichsregierung wird sich durch diese illoyale Handlungsweise des Vorstandes des Reichslandbundes davon nicht abbringen laffen, alles sachlich mögliche für die Landwirtschaft zu tun. Sie sieht sich jedoch gezwungen, von jetzt an Berhandlungen mit Mitgliedern des Borstandes des Reichslandbundes abzulehnen.
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Wer hätte es für möglich gehalten, daß Agrarier in Deutschland jemals zu laut schreien fönn- sogar für Herrn von Hindenburg und die Regierung Schleicher, fogar für den Freiherrn von Braun zu laut? Sie haben wie immer das Rezept verfolgt: schreien, schreien! und je mehr sie auf Kosten des Volkes erhalten haben, um fo lauter haben sie geschrien!
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Am lautesten war immer ihr Geschrei, wenn eine Regierung vor ihnen auf dem Bauche rutschte! Die Herren, die jetzt in der Regierung figen, wiffen das auch, und es ist wohl der eine oder der andere dabei, der das selbst einmal mitgemacht hat!
Die Herren in der Regierung Schleicher sind ja auch alles andere als Agrarbolschewisten", mie die Landbündler selbst Brüning bezeichnet haben! Sie sind wachsweich gegenüber den agrarischen Forderungen, und die amtliche Mitteilung läßt erkennen, wie weich sie sind! Sie haben sich für die Agrarier in die Margarine gesetzt, und sind bereit, noch ein übriges zu tun. Wenn von den künftigen Maßnahmen im Interesse der Agrarier gesprochen wird, so fragen wir uns: was werden wir alles noch erfahren und erleben!
Die Herren Agrarier sind überzeugt: uns tann nichts geschehen! Bei dieser Regierung und diesem Reichspräsidenten! Also laßt uns schreien, schreien! Das haben sie hinlänglich in den bekannten Tönen getan. Als der Vetter des Herrn von RohrDemmin aus Schlesien den Reichsernährungsminister Freiherrn von Braun als einen„, alten fümmerlichen Weihnachtsmann" bezeichnete, war das erst ein gelinder Anfang.
Ber aber glaubt, daß mit diesem Krach zwischen Regierung und Junkern der agrarische Kurs auf Kosten des Bolles aufhören würde, der täuscht fich! Während die bösen Buben vom Landbund noch die Rute Hindenburgs bekommen, erhalten
sie schon die väterliche Zusicherung, daß neue Liebesgabenbonbons ihrer warten!
Aber die Situation der Regierung Schleicher wird mit diesem Krach nicht besser! Wen hat sie überhaupt hinter sich, wenn sie sich mit ihren eigentlichen Stammtruppen verfracht?
Anfang vom Ende?
In später Abendstunde wurde die Entschließung des Reichslandbunds bekannt, die den krach hervorgerufen hat. Es geht daraus hervor, daß es fich um einen außerordentlich scharfen Zusammenprall zwischen der Industrie und den Agrariern handelt.
Diese Entschließung ist eine offene Kriegserklärung an die Industrie in Tönen, die in ihrer Demagogie und Dreiftigkeit von der Reaktion bisher nur gegen fogenannte„ marristische Regierungen" angewandt worden sind!
Mit dem Zutagetreten diefer Gegensätze aber zeigt fich auch, wie start die Regierung Schleicher innerlich erschüttert ist!
Die Berhandlungen hinter den Kuliffen, die in
den letzten Tagen geführt worden sind, erhalten nach der Enthüllung dieser Gegensätze besondere Bedeutung.
Die Entschließung des Landbundes
Die Resolution beginnt mit der Behauptung, daß die Verelendung der Landwirt schaft, insbesondere der bäuerlichen Veredelungswirtschaft
,, unter Duldung der derzeitigen Regierung ein felbst unter einer rein marriffischen Regierung nicht für möglich gehaltenes Ausmaß" angenommen habe, und daß die„ Ausplünderung der Landwirtschaft zugunsten der allmächtigen Geldbeutelintereffen der international eingestellten Exportindustrie und ihrer Trabanten" andauere.
De Notgemeinschaft des deutschen Landvolks, heißt es zum Schluß der Resolution, stehe zum Aeußersten bereit. Die Führung des Reichslandbundes fordere von jedem einzelnen den legten Einsatz in dem dem gesamten Berufsstand aufgezwungenen Kampf um die nackte Existenz.
Zuchthaus für Mädchenmord
Der verurteilte Hakenkreuzmörder ruft: Heil Hitler!
Eigener Bericht des„ Vorroärts"
Frankfurt a. M., 11. Januar. Nach fünfstündiger Beratung wurde im Prozeß um die Ermordung der Emma Busse das Urteil verkündet: Der Hauptangeklagte Robert Stuben rauch erhält wegen Totschlages 12 Jahre Zuchthaus und 8 Jahre Ehrverlust. Die Angeklagten Arzt und Eich werden freigesprochen.
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Zur Urteilsbegründung wird u. a. ausgeführt: Das Gericht ist der Ueberzeugung, daß ein Mordplan bestanden hat und zur Ausführung gebracht werden sollte. Der gemeinsame Weg der Angeklagten mit der verschwundenen Emma Busse an die Ufer des Mains ist ebenfalls verdächtig. Ueber die entscheidenden Minuten auf der Brücke haben die Angeklagten mehrere, einander widersprechende Angaben gemacht. Das Gericht folgt dem Angeklagten Stubenrauch nicht in seinen Ausreden, sondern nimmt an, daß Stubenrauch überhaupt noch feine wahre Darstellung des Sachverhalts gegeben hat. Daraus folgert das Gericht, daß der Angeklagte Stubenrauch dem Gericht sein Wissen über den unfreiwilligen Tod der Busse verbirgt. Das Gericht nimmt an, daß Stubenrauch die Tat allein aus= geführt hat, indem er der Busse bis in den legten Augenblick hinein seine Anteilnahme an einem gemeinsamen Selbstmord vorgetäuscht hat.
Das Gericht ist überzeugt, daß Stubenrauch die Busse gewaltsam in den Main gestürzt hat. Mangels einer eigenen Darstellung des Angeklagten ist das Gericht aber nicht in der Lage, zu entscheiden, ob die Tat mit oder ohne Ueberlegung erfolgte.
Die beiden Angeklagten Arzt und Eich nehmen die Mitteilung, daß der Haftbefehl gegen sie aufgehoben ist, mit freudigem Lächeln auf. Stubenrauch verzieht keine Miene. Erst als ihn fein Anwalt beglückwünscht,
strahlt er über das ganze Gesicht und berabschiedet sich von seinem Anwalt, indem er seine Wange an die Bange
des Anwalts legt, mit den Worten: ,, Heil Hitler !"
Die Freude des zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilten Angeklagten Stubenrauch über dies Urteil beweist mehr als alles Vorhergegangene feine volle Schuld!
Bbonnements- Bedingungen:
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12. 1. 1908
Ein Ehrentag in der Geschichte des roten Berlin
Heute vor fünfundzwanzig Jahren erlebte Berlin die erste große Straßendemonstration seit 1848. Sie war von der Sozialdemokra tischen Partei veranstaltet und galt dem Kampf gegen das preußische Dreilaffenwahlrecht.
Preußen beherrschte damals das Reich. In Preußen aber regierten der König, das Herrenhaus und das Dreiklassenparlament.
In jedem der unzähligen Stimmbezirke Preußens wurde die Summe der Einkommensteuererträge durch drei geteilt. Die großen Steuerzahler, die das erste Drittel zahlten, bildeten die erste Wählerklasse, die mittleren Steuerzahler, die das zweite Drittel aufbrachten, bildeten die zweite Wählerklasse, und alle andern zusammen waren die Wähler der dritten Klasse. Jede Klasse in jedem Stimmbezirk wählte mit öffentlicher Stimmabgabe die gleiche Zahl von Wahlmännern. Die gewählten Wahlmänner versammelten sich dann und wählten, wieder mit öffentlicher Stimmabgabe, den Abgeordneten.
Das so zustande kommende Parlament war die Vertretung einer winzigen Minderheit oder, wie man heute sagen würde, einer hauchdünnen Herrenschicht. Die große Mehrheit war in Wirklichkeit überhaupt ohne Recht, da von den Minderheiten der ersten und zweiten Klasse zwei Drittel der Wahlmänner gewählt wurden. Und davon abge= sehen, wehe dem wirtschaftlich abhängigen Wähler, der öffentlich gegen seinen sogenannten Brotherrn zu stimmen magte! In manchen Gegenden Ostelbiens galt schon das Stimmen für einen nationalliberalen Kandidaten als Selbstmord.
Es war die niederträchtigste Form der Klassenherrschaft, die man sich denken konnte, und es war selbstverständlich, daß
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Die Iniertions Gebühr
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Jerbrecher: et IV. Rr. 1983.
Montag, den 13. Jaunar 1908.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Gerafprecher: st IV. R. 1984.
Das Volk auf der Straße.
Buf die Höhnende Wahlrechtsverteigerung der Reglerung und ben( machvollen Bağl rechtsverrat der angeblich wahlrechtsfreundlichen Bartelen, des Freifinns und des Zentrums, haben am geftrigen Sonntag die Heditlofen in gans Preußen die Antwort gegeben. Eine erfte Antwort Denn die gefirigen Demonftrationen waren nur der Beginn des Proteft furruns, der im Lande aufflammen wird!
Die geftrigen Demonftrationen dürften der Realtion fchon einen Berveis bafür gellefert Baben, wie gemaltig die Empörung der Massen über die fajnöde Verweigerung des Bahlrechts it Und biefe Maffen werden nicht zur Ruhe tommen, bis fie ihr Bürgerrecht erfämpft haben! Eine unabläffige gitation wird auch noch diejenigen Teile des Boltes aufrlitteln, die fich bisher von den Wahlrechtsverrätern, dem Liberalismus und dem Zentrum, an der Nafe herumführen liegen!
Heraus mit dem Wahlrecht!
Dieser Auf der gestern millionenstimmig das Land durchbrauste, wird zuni Drtan toerben, der schließlich die auf die Bolizeifäbel und die Bajonnette geftügte Dreiflaffenfchmad Streglegt!
Trot alledem:
Das Proletariat hat sich die Straße erobert!
Es hat bon feinem Rechte Gebrauch gemacht, das ftets fchon die Bourgeoific ungestört für sich in Anspruch nehmen durfte! Und es wird sich die Recht, beffen es fich durch fein Berhalten würdig ertiefen hat, sticht wieber nehinen lassen!
Magen dreifte Rugnießer des Bribilegienwahlrechts, die für ihre Brivilegientridhaft sitter, mögen auch blade Bhilister fich über diese Demonftrationen entrüften! Das Bolt magte auf den Straßeu sein Recht fordern! Es mußte hier den Herrschenden felnen unbeugfamen Billen befunden! Denn im preußischen Abgeordnetenhause fist ja tein einziger Bertreter der Entrechteten! Dort figen nur die Erwählten der Besizenden und Privilegierten! Dort prellten in dreifter Romödie Leute die Waffen um ihr Bahlrecht, bon benen felbft der freifinnige Abgeordnete Traeger sagte, daß fie den Titel eines Bolts. vertreters nicht in Anspruch nehmen tönnten!
Die Reaktion, die Dreiflassenschmach felbft trieb also die Rechtlosen auf die Straße Die Stimme des Bolles, die im preußischen Junkerparlament nicht gehört wird, makte fich 3mpolent mas bie Rundgebung rot- Berlins! Die Reichshandtstadt, die auf der Straße Gehör verschaffen! preußische Residens, hat die Probe mit Ehren beftanden! Gewaltig waren die Broletarier maflen, die aus den Arbeitervierteln nad) ben Bersammlungslokalen herbeiftrömten Trogdem und würdig demonstrierten, hat das allen gemeinsame Gefühl der Empörung zufammen Die Hunderttaufenbe, die am geftrigen Sonntag in Berlin und ganz Breußen schlicht cris am Freitag fünfzig überfüllte Bollsversammlungen ftattgefunden hatten, bermochten die gefchart! Sie demonftrierten zu dem hehren Swed, fich thre Bürgerrechte zu erkämpfen! Sic mächtigen Berjammlungslotale nz einen einen Bruchteil der Heranströmenden zu faffen. Und durchzogen die Straßen unter der Gefahr, mit dem Boltgetfäbel trattiert ( chwarze, unabschbare Renfchenftröme waren es, die sich zu den Bersammlungen beransu werben, um die Nation von der Janterschmach, von den Feffelu des Geldsackswahlrechts toelaten. Mub den Broletarierquartieren firömten bie Raffen zusammen, anfangs in Beinen Gruppen, die an den Straßenfreuzungen zu Scharen anfchtvollen, bis fic fchließlich unübersehbare Süge bildeten Durdy die Polizei am Bermeilen in der Nähe der Lotale bez hindert, fepten fich die Massen in Bewegung. Sahlreiche Demonstrationszüge, die aus Laufenben, teilweise aus Zebstaufenden bestanden, bewegten fidh teils von der Peripheric nach dem gentnam ber Stadt. teils vam Innern nach der Peripherie! An einigen Bunften role dem Reucu Rastt hatten fich zeitweilig Waffen von 20-30 000 Demonftrantes gu fammengeballi
Unb blefe ungeheuren Raffen berhielten fi mfterhaft In Befter Drbrug, unter bftagen der Braletarierlieber und bez Bahlrechtstrophe aus der Arbeitermarseillaise sogen fie balin Rur too bie Bolizei gang überflüffigermeife die Straßen absperrte und ebenbrein nervös urbe, tam gu aufgeregten 6mm. Is des Stelles hieb der Bolizeifäbel rifles brein!
Unter den Cinden.
erlöfen, um das Bolt frei und mündig zu machen, um endlich in Preußen dem durd) Junter, Pfaffen und Schlotbarone darniedergehaltenen Kulturfortschritt die Gaffe zu bahnen!
Der Anfang der proletarischen Bahlrechtstampagne war gut! Jeber Broletarier, jeder Entrechtete forge für die weitere Ugitation! Zur Demonftration auß die energifche gitatios und Organisation fommen Die Mehrheit des ganzen Bolles wuh in den Wahlrechtsturm hineinger
Berlin demonstriert.
Vorwärts!
Reißigen, die hart hinten bes einfam daliegenbe nisichloß um trittene GrubTeute heren, Ina mim entidelte Rene Ge ringten. Cine Shibebten Berittener fprenate heran, jagle in der wilbefter Bravour unferet fiets angerieffen fid benehmenbea inder den glichenben die erittenen die in be seduct Minciniseengten, but ben liebenben die Reiheir ber Gutleute wie jeben gurudiricicul In der Reuftabtiiden mitte Reina
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