Von unserem Korrespondenten H. B. Tokio , Ende Dezember 19Z2.*) � Die f a s ch i st i s ch e Welle hat auch das ferne Jnselreich im Osten erreicht. Mit der Verzweif- lung. die nach einem Wundermittel gegen die wirtschaftliche Not sucht, verbündet sich der alt- eingewurzelte japanische Nationalismus und Mili- tarismus, die durch das mandschurische Aben- teuer zur Rotglut erhitzt wurden, um dem Gedanken der Diktatur, der Ausschaltung des Parlaments Anhänger zuzuführen. Die jüngere» Offiziere sind ihm anscheinend durchweg versallen. Sie entstammen fast ausschließlich der Agrar- bevölkerung, wie die Soldaten vorwiegend aus dem Bauernstand kommen. Und der neigt jetzt nach der extremen Rechten. Auch unter den In- tellektuellen, den Studenten besonders, die wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage die Aussichten aus Anstellung als Beamte oder in der Industrie stark einschrumpfen sehen, hat der Faschismus viele Anhänger:«r hat einen vagen Sozia- l i s m u s, der in den älteren Jahrgängen herrschte, abgelöst. Aus diesen Intellektuellen- kreisen und aus dem jüngeren Offizierkorps kommen die fanatischen Träger der Propaganda der Tat, die den politischen Mord in der neuesten Geschichte Japans zu einem häufigen Ereignis gemacht haben. Sie wollen die .schwachen" Regierungen beseitigen, die ihnen gegen China und gegen den Völkerbund nicht energisch genug vorgehen. Der jetzige Premier- minister S a i t o ist auch schon mit dem Schicksal seines ermordeten Vorgängers bedroht worden. Im November wurden mehrere nationalistische Verschwörer verhaftet, die umfassende Pläne zur Ermordung führender politischer Personen und zur Errichtung einer Diktatur versolgt haben. Bei einer dieser Berschwörergruppen in der Universi- iätsstadt Sendai wurde ein ins einzelne gehender Plan gefunden, wie die Stadt nach der Erhebung unter Terror zu setzen sei: in dem vagen Pro- gromm. dos bei diesen Reaktionären stets mit einer Ergebenheitserklärung für den Kaiser be- ginnt, war auch ein nicht näher bestimmtes Vor- gehen gegen den Kapitalismus verheißen. Eine kräftige Stütze hat diese Bewegung in den Organisationen der ehemaligen Soldaten, in denen Offiziere den Ton an« geben. Aus diesen Kreisen kam jüngst, als die baldige Prozessierung der Mörder de« Minister- Präsidenten I n u k a i angekündigt wurde, die Forderung, daß diese„patriotischen Männer" frei- gesprochen werden sollten. Was nicht etwa einen Entrüstungssturm im Lande erregte. Ewige Blätter haben zwar erklärt, daß die äuß�trste Rechte ebenso gesährlrch sei wie vre äußerst« Linke, aber es muß sich erst noch er- werfen, ob die Rechtsverschwörer ebenso scharf bestraft werden wie die wirklichen oder angeb- Hchen Kommunisten. Eine heftige Gärung im japanischen Volke Ist unvermeidbar. Was wird aus ihr hervorgehen? Welchen Einfluß wird sie auf die auswärtige Politik des Landes haben? Bisher herrschten die beiden bürgerlichen Parteien, die Seiyukai und die Minseito. die einander ablösten: beide nur wenig vonein- ander unterschieden, wenn auch die letztere mehr die Interessen des mobilen Kapitals vertrat und etwas liberalifierte, während die andere mehr dem Grundbesitz diente und etwas konservativ schillerte. Diese beiden traditionellen Parteien behielten die Herrschaft auch weiter nach der kürz- lichen Erweiterung des Wahlrechts, das jetzt ein gleiches und allgemeines Männerwahlrecht ist. Die vielen Millionen neuer Wähler haben bei der letzten Wahl das Ergebnis nicht wesentlich ver- ändert— das einzige Neue war der Einzug von S Sozialisten in die Kammer, die 466 Abgeordnete zählt. Die Macht der beiden alten bürgerlichen Parteien erschien noch für lange ge- sichert. Da änderte der Terror der Rechten das Bild. Nach der Ermordung Inukais wurde unter Baron Saito, der keiner Partei angehört, ein Ka< binett gebildet, das, wenn ihm auch einige Männer aus beiden Parteien angehören, über den Parteien stehen soll. Eine Konzession an die faschistische Strömung, die ein Parteikabinett verwirft. Möglich, daß diese Entwicklung weitergeht, daß die starke faschistische Bewegung die alten Par- teien zersetzt und neue schafft. Haben sich doch die älteren Intellektuellen, die bis dahin sehr liberal und antimilitaristisch waren, fast aus- nahmslos der Welle der Kriegsbegeisterung und Reaktion gebeugt. Bei der Schwäche der jungen Arbeiterbewegung und ihrer Zerrissenheit in ver- schiedene Fraktionen und der geringen Wider- standskraft der bürgerlichen Parteien gegen na- tionalistifche Strömungen scheinen daher das Vorwärtsschreiten des Faschismus und ebenso die zähe Fortführung des mandschurischen Krieges vorerst sicher. Der Ausgang des Kampfes um die Mandschurei wird damit zu einer Schicksalsfrage für das Land. Die Weltkrise ist von Japan als ein günsti- ger Faktor in seine Rechnung eingestellt worden, weil sie die anderen Mächte zur Zurückhaltung zwingt. Aber sie nagt nun auch an Japans Kraft selber, und der Widerstand Chinas ist zäher, als erwartet wurde. Wird Japan trotz der Not im eigenen Lande bis zum erfolgreichen Ende durch- halten können? Wenn es das nicht kann, wie die *) Sieh«„Vorwärts" vom 8. Januar.
Chinesen hoffen, so kann das den Zusammenbruch im Innern nach sich ziehen. Die lapanisch« Ge- schichte lehrt, daß hier geistige und poli- tische Wendungen sehr schnell einzu- treten pflegen. Wird die steigende Last im Innern unerträglich oder endet der äußere Kampf mit einem Mißerfolg, so ist eine starke Umwälzung im Innern sehr wahrscheinlich. Die jetzt ohnmächtigen antiimperialistijchcn Kräfte, die in den intellektuellen Kreisen latent sind, können dann plötzlich wieder die Kraft gewinnen, die öffentliche Meinung zu beherrschen, und damit wäre das Ventil zu einer Entwicklung geöffnet, deren Ausgang nicht abzusehen ist. Auf den mandschurischen Schlachtfeldern und in den Sitzungen des Völkerbundes kämpft Japan nicht nur um die mandschurische Beute— seine Vertreter kämpfen um die Existenz des Militarist'.- schen, imperialistischen Japans , um die Herrschaft der feudalen und kapitalistischen Oberschicht, die sich bisher hinter der dünnen Dekoration der konstitutionellen Einrichtungen erhalten hat und sich nun bedroht fühlt von der sozialen Gärung, die den Volkskörper erschüttert.
Hönischs letzter Weg .Ahschied vom gemeuchelten Jugendgenossen Eigener Bericht des„Vorwärts" Breslau , 11. Januar. Die Arbeilerbevölkerung der schlefischcn Hauptstadt hat am Mttwochnachmittag den von verbrecherischer Nazihand gemordeten I u n g- arbeiter Fritz hanisch zu Grabe getragen. Etwa 18 000 bis 20 000 Menschen waren trotz des kalten Schneewetters zusammengeströmt, um dem toten kampsgesährlen das letzte Geleit zu geben. In einer Trauerseier rief der Bezirkssührer der Sozialistischen Arbeiterjugend dem gemeuchelten Freunde den letzten Gruß nach. Am ossenen Grabe gedachte Ernst Zimmer . Vorsitzender des Ortsoereins Groß-Breslau der Sozialdemokratischen Partei, des toten Kameraden. Er schildert? nochmals die Abscheulichkeit der Tat und kennzeichnete den Hakenkreuzlerischen U n g e i st der Gewalttäligkeil und des Fanatismus, der wieder ein junges Menschenleben brulol ausgelöscht habe.
Nazis gegen Gemeinden Zerstörung der Selbstverwaltung in Anhalt Dessau . 11. Januar. Das Gesetzblatt enthält eine neue Verordnung des Staatsministeriums über die Haushalts-
bemerken ausdrücklich, daß wir keinen Krieg führen.
s ü h r u n g der Gemeinden und Gemeinde- verbände. Der Grundsatz„Keine Ausgaben ohne Deckung" wird so erweitert, daß künftig ein Ge- meindeparlament nicht einmal Anträge verhandeln darf, die diesen Grundsatz nicht beücksichtigen. Weist ein Gemeindevorstand den- nach Z a h l u n g e n an.'durch die eine Haushalts- Überschreitung unvermeidbar wird, so haftet er der Gemeinde für die von ihm veranlahte Zahlung, und weist ein Beamter schuldhast eine Zahlung an, zu der die Gemeinde nicht verpflichtet ist. io ist er der Gemeinide zum Schavenersatz verpflichtet. Von Bedeutung ist auch die Bildung eines über- örtlichen Prüfungsverbande s, dessen regelmäßiger Prüfung ihres Haushalts, Kassen- und Rechnungswesens sich jede Gemeinde zu unter- ziehen hat. Endlich können die Gemeinden die B e s ch l u ß z u st ä n d i g k e i t für bestimmte Ge- schäfts, zweige beschließenden Ausschüs- s e n übertragen, die die Gemeindevertretung aus ihrer Mitte wählt.
Beigelegt. Die Beschwerde Polens über den Hinweis des Londoner Funkansggers am Silvester auf Polens gewaltige Rüstungsausgaben ist bei- gelegt. Der oberste Rundsunkchef Sir Reith hat dem polnischen Botschafter S k i r m u n t einen Entschuldigungsbesuch gemacht.
Die Arbeitsbeschaffung Die sozialdemokratischen Forderungen im AusschuL
Der Sozialpolitische Ausschuß des Reichstags fetzte am Mittwoch seine Beratungen über die Arbeitsbeschaffung fort. Aufhäuser s Soz.) begründet den sozial- demokratischen Gesetzentwurf über eine planmäßige Arbeitsbeschaffung, der durch den Gereke-Plan in keiner Weise abgelöst worden sei. Das Arbeitsbeschaffungsprojekt des Reichs- kommissars fei viel zu eng gehalten und bringe nur für etwa 260 000 bis 2S0 000 Erwerbslose Beschäftigung. Die Sozialdemokratie legt in ihrem Arbeits- beschaffungsplan entschiedenen wert aus besondere Maßnahmen für die Zugendlichen und für die langfristigen Erwerbslosen. Die kollektive Selbsthilfe der Erwerbslosen nach dem SPD. -Antrag habe den Zweck, Erwerbslose für Erwerbslose zu beschäftigen und in Verbindung mit den kommunalen Mahnahmen Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie Schuh- werk. Kleidung. Wäsche usw. herzustellen. Aus- Häuser wandte sich nochmals entschieden gegen die Beibehaltung der Einstellungsprämien. Es müsse zum allermindesten verhindert werden, daß weiterhin Steuergutscheine an Unter- nehmer ausgegeben werden, die ohnehin schon mit öffentlichen Aufträgen aus der Arbeits- beschaffung bedacht worden sind. Ein entsprechender Antrag, wonach bei solchen Unternehmungen die Einstellungsprämien in Wegfall kommen, wurde angenommen. Rädel(Komm.) wendet sich gegen die im sozialdemokratischen Antrag enthaltenen Vor- schlüge zur kollektiven Selbsthilfe der Erwerbs- losen und zur Schulung jugendlicher Erwerbs- losen! Dreher(Nsoz.) bezeichnet eine Aeußerung des Abg. Rädel(Komm.) über das Reichskuratorium zur Iugendertüchtigung als Landesverrat.(Zu- ruf von Rädel: dann müssen Sie die„Berliner
Jllustrirte" auch verbieten!) Dreher: Dasür sind wir, die„Berliner Jllustrirte" gehört zu Ihnen. £itke(Soz.) stellt gegenüber den kommu nistischen Angriffen fest, daß es für eine Arbeiter- parte! unerhört wäre, die Vorschläge zur kollektiven Selbsthilfe der Erwerbslosen und zur Schulung jugendlicher Erwerbsloser abzulehnen. In seiner Erwiderung stellt Rädel(Komm.) dann in Aussicht, doch für den sozial- demokratlschen Antrag zu stimmen. In Verbindung mit den Arbeitsbeschaffung-- debatten bringt die Sozialdemokratie einen weiteren Antrag ein, in dem die gesetzliche Ein- führung der Fünftagewoche bzw. Vierzig- stundenwoche verlangt wird. Frau£. Schroeder(Soz.) wendet sich gegen einen Teil der Zentrumsvorschläge, insbesondere soweit es sich um die Benachteiligung jugendlicher Erwerbsloser und die Einschränkung von Bauten in eigener Regie handelt. Die beanstandeten Teile des Zentrumsantrags werden alsdann auch ab- gelehnt. Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten wird die Beratung des Antrags auf Arbeitszeitverkürzung mit den Stimmen aller bürgerlichen Parteien einschließlich der National- sozialisten vertagt. Der sozialdemokratische Gesetzen t- w u r f über planmäßige Arbeitsbeschasfung wird dem H a u s h a l ts a u s sch uß zur end- gültigen Beratung überwiesen, um dort auch gleichzeitig über die vorgeschlagene Finanzierung entscheiden zu lassen. Ein Antrag des Zentrums, die freien Stellen- nachweise in der Arbeitsbeschasfung mit den Arbeitsämtern gleichberechtigt zu machen, wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen. In seiner nächsten Sitzung, am Dienstag, dem 17. Januar, wird sich der Sozialpolitische Aus- schuh des Reichstag» zunächst mit allen An- trägen zur Arbeitsdten st pflicht be- schäfttgen.
,Nationale'Bunbesgenossen Hugenberg, die SA. und die Verwilderung der Sitten Hugenberg hat an die Witwe des von Stettiner SA. -Leuten ermordeten Gutsbesitzers Steinicke, der deutschnationaler Kreisvorsitzender im Kreise Randow-Pommern war, das»ach stehende Telegramm gerichtet: „Zu dem erschütternden Verlust, der Sie und die Ihrigen dadurch traf, daß feige Banditen Ihren Gatten niederschossen, spreche ich Ihnen zugleich im Namen der Deutschnatianalen Volks- partei, für die sich der Verstorbene stets rastlos und treu«ingesetzt hat, die ausrichtigste und herzlichste Teilnahme aus. Möchte endlich die Zeit kommen, wo R u h e, S i ch e r h e i t und Ordnung in Deutschland wieder .. h.e r ge st el lt und her Verwilderung der Sitten mit harter Hand gesteuert wird." Wer ist mitschuldig an der dauernden Störung der Sicherheit und Ordnung in Deutschland , wenn nicht Hugenberg , wer hat geholfen, die braune Pest großzuziehen, wenn nicht Hugenberg , wer hat Hitler gemästet, bis er groß war, wenn nicht Hugenberg ? Allen Versuchen, der Verwilderung der politi- schen Sitten mit harter Hand zu steuern, haben Hugenberg und die Seinen lautes Geschrei eni- gegengesetzt— zuletzt noch beim Verbot der SA. unter der Regierung Brüning! Noch heute erblicken Hugenberg und die Seinen in Hitlers SA.„nationale" Bundesgenossen! Das Blut der von SA. -Leuten ermordeten Deutsch - nationalen und Stahlhelmer ist der Tribut, den Hugenberg und der Stahlhelm sür diese Bundes- genassenschast zahlen!
Gozialistifche Arbeit Die Vorschläge der schwedischen Regierung im Reichstag Eigener Bericht des„Vorwärts" Stockholm . 11. Januar. Am Mittwoch wurde der neue Reichs- tag feierlich eröffnet. Die fozialdemo- kratifche Regierung legte bereits in der Er- ösfnungssihung den Etat vor. Er enthält alle von dem Kabinett angekündigten radikalen Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaft»- krise. Durch eine 20prozentige Erhöhung der Vermögens- und Einkommenssteuern, eine Derdrei- fachung der Erbschaftssteuer sowie eine höhere Besteuerung von Alkohol und Tabak sollen die Staatseinkünfte um rund 70 Millionen Kronen gesteigert werden Von den Sparmaßnahmen wird in erster Linie das Militärwesen betroffen, dessen Budget um 20 Millionen Kronen gekürzt werden soll. Zur Finanzierung der Notstands- arbeiten, deren Umfang eine völlige Liquidierung der Arbeitslosigkeit verbürgt, sind 241 Millionen Kronen vorgesehen, die zum Teil durch eine inner« Anleihe aufgebracht werden sollen. Außerdem kündigt die Regierung die Einführung der Arbeitslosenversicherung und eine durch die Kreuger-Afsäre hervorgerufene verschärfte staatliche Kontrolle aller Jndustrieunternehmungen und Banken an.