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BEILAGE

Vorwärts

Teplitz- Schönau

Die Stadt mit dem doppelten Gesicht/ Von Herbert Reinhold

Bon Klostergrab, nahe der sächsisch­böhmischen Grenze, nach der Doppelstadt Tepliz Schönau ist es nur ein Sprung.

Eine schmale, holprige Straße windet sich am Fuße des Erzgebirges durch Reihensiedlungen und hohe Fichtenwälder nach Eichwald, dem Billen- und Sommerfrischenorte Teplizer Bürger. Von der Straße hat man manchmal wundervolle Ausblicke über das Gewirr der Industrieanlagen und siedlungen des nordböhmischen Rohlenbeckens nach den massigen, runden Kuppen des Böhmischen Mittelgebirges  , nach dem grünen Milleschauer, nach den Ruinen der Burg Kosti al auf stolzer Höhe, nach den eigenen Felsblöden der Berge Borschen und Sladnig. Zumeist aber liegt eine graue Dunstschicht über dem Ganzen. Es riecht nach Kohle und Gas. Die Luft ist erfüllt von Milliarden kleinster Kohlestäubchen, die auf die wenigen Grünflächen niederfallen und alles verschmutzen Sonnenstrahlen dringen selten bis hinunter auf die industrie- verdorbene Landschaft. Aus hohen Schloten friecht und schwelt Tag und Nacht schwarzer Rauch, dunkle Wolken bildend.

Hinter dem grauen Vorhang. Dann und wann zerreist die üble, stickige Dunst­schicht, die den Atem eines Landfremden bedroht. Ein grauer Vorhang wird für Minuten aufge­30gen, nur ein winziges Stüd: man sieht in die Tiefen, die Höhen schwimmen im Dunst. Man erhascht einen Fezen verzerrte, aufgewühlte, tobende böhmische Erde. Zwischen flaffenden Löchern, Tagebauschächten und grundwasserbestan­denen Bingen  , wuchten breite Fabrikanlagen, die Könige des Kohlenbeckens, die Tiefbauschächte. Fördertürme sind stählerne Tupfen in schwarzen Häuferwürfeln. Häßlich friechen fünstliche Berge über weite Strecken, die Berghalden, die brennen und dampfen. Nuzlose Steinhaufen, die nimmer grünen können. Brikettfabriken, Kokereien, Sortieranlagen, Verladebahnhöfe rammen ihre Flanken nach den Orten, nach den langen Ar­beitergemeinden und runden Städten, die ein Nichts sind im Gesamtbild dieses Produktions­ftättengewirrs.

Es gibt Industrielandschaften, deren herbe Schönheit fingen macht. Aber das Bild des Nordböhmischen Kohlen bedens hinter läßt Traurigkeit und starkes Sehnen nach steilen Bergen oder weiten blauen Wassern. Man träumt von grünen Bäumen und lechzt nach klarer Luft. Erschreckt schließt man die Augen: Das ist die Tiefe, die keinen Ausweg nach den Höhen kennt. Wer im Kohlenbecken lebt, muß rastlos mittun an der Zerstörung der Landschaft, muß das Werk der Väter fortsetzen. So will es das Verlangen der Menschen nach Kohle.

Von Eichwald, das mit seinen Villen, Land­häusern, Sanatorien, Parts, Gärten, Wiesen und Wäldern Eigentum eines böhmischen Feudalherrn ist, kann man hinunterschauen auf die Stadt mit dem doppelten Gesicht, auf Teplitz- Schönau  . Eine elektrisch Bahn führt in wenigen Minuten in das Herz der Stadt.

Zwischen Eichwald und Teplig fiebert die In­dustrie: Bleiwerke, Glasbuden, Mosaikwaren­fabriken, Eisengießereien, Metallwarenbuden, Textilfabriken und wiederum Schächte. Zwischen­drein lauern Friedhöfe auf die vom Leben Gemordeten, denn alt wird in diesem Herenkessel niemand. Ringsum, in grauen steinernen Sied­lungen wohnen die Werktätigen, die alles beleben und formen.

Eine Frage ist das Gesicht der Stadt Tepliz­Schönau: Die Stirn ist der kühne Schloßberg im Grünen, spize Türme sind die Augen, eine Bahn­linie, sich in ein breites Gleisgewirr verlierend, die Nase, Fabriken das Maul, aus dem es brüllt und zischt, Häuserquader, Runzeln und Mitesser. Diese Frage ist seit langem nicht gewaschen: Dred fizt überall und verbrüdert sich mit dem Schweiß, der stinkend aus allen Boren dringt. Um die Stirn herum nur ist es hell und glänzend. Dort liegt das Bad Teplit- Schönau, denn Teplitz- Schönau   ist eine Badestadt, eine mit Welt­ruf dazu! Da sind Parkanlagen, Villen, Hotels, Badehäuser, Theater, Kinovaläste und Ver­gnügungsstätten. Wird diese Insel im Grau noch Langes Leben haben? Von allen Seiten greifen die unersättlichen Arme der Industrie langsam aber stetig weiter vor. Die Nachbarorte Weiß= kirchlig. Thurn, 3udmantel und Settens dringen gegen die Stadt vor, die in engen Fesseln liegt und stöhnt. Ihrer Ausbreitung find Grenzen gezogen. In Tepliz- Schönau kämpft das Bad mit der Industrie. Die Stadt­väter möchten beide vereinen. Einmal schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts, schien der Sieg der Industrie mit einem Schlag gesichert zu sein. Damals krochen die heißen Quellen, deren Heilkraft schon den Römern bekannt war, über Nacht in die benachbarten Kohlengruben. Man hat tiefer bohren und die Quellen stüben müssen, und heute pumpt man das heilende Wasser aus dem Innern der Erde.

Dieser Seifenfabrikant Schicht... Friz Doppelauge, ein junger Arbeiter aus Sachsen  , war gegen Mittag in die Stadt ge= kommen. Vergeblich versuchte er, in eine der

Glasbuden an der Straße zu kommen. Der Pförtner wies ihn schroff ah. Vor dem Fabriktor traf er auf einen Arbeiter, der Flaschen= macher war. Der Arbeiter klagte ihm sein Leid: Acht Stunden harte Arbeit in Hize und Gas an riesigen Maschinen. Immerfort heißt es Hand­anlegen. Einige Bissen Brot müssen zwischen zwei Handgriffen in den Mund geschoben werden. Ich bin 18 Jahre alt und da lasse ich mir das nicht mehr gefallen! Uebermorgen gehe ich auf das Jugendschußbüro vom Sozialisti- schen Jugendverband. Dem Arbeiter­jugendsekretär sage ich alles. Der wird Wandlung schaffen", sagte er vertrauensvoll.

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Als sie längs einem Bretterzaune gingen, wies der Flaschenmacher auf Reklameplakate der Schicht Seifen Gesellschaft: Dieser Seifenfabrikant Schicht ist auch der Besitzer unserer Glasbude. Wir machen Flaschen für seinen Apfelsaft, der in der ganzen Republik   gekauft wird." Frizz Doppelauge hatte von dem Mil­lionär Schicht schon gehört. Schicht ist Herr der Aussiger Riesenbetriebe. Seine tausende Arbeiter fochen Seife und Margarine für den tschechoslowakischen Markt. Er läßt das köstliche böhmische Obst, das der hohen Zölle wegen nicht mehr nach Deutschland   ausgeführt werden kann, für einen Pappenstiel auftaufen und zu Säften pressen, ein kleiner Teil wird zu Konfitüren ver=

arbeitet. Schicht ist aber auch der Herr der Elbe  - und Moldauschiffahrt. Seine Ge sellschaften besigen im nordböhmischen Kohlen­beden Kohlengruben und Glashütten.

Der Flaschenmacher wollte seinen Bater, einen Berginvaliden, abholen. Der Berginvalide hatte sich um eine staatliche Tabaftrafik be­worben, um sein färgliches Renteneinkommen gering erhöhen zu fönnen. Der Flaschenmacher hatte es eilig. Bald verabschiedete er sich und lief in eine Seitengasse. Friz Doppelauge schlenderte weiter durch enge, winkelige Gassen der Teplizer Innenstadt nach dem Marktplatz. Eine Militärkapelle fonzertierte, denn es war Feiertag. Die Musiker waren da aufmarschiert, wo Wochentags die Landfrauen mit Gemüse, Feld­früchten, Blumen und Kleinvieh handeln. Wenig Menschen lauschten den feiertägigen Klängen, heim­tehrende Kirchgänger, dickbäuchige Spießer, vom Frühschoppen kommend, und verliebte junge Leute. An den Marktecken standen diskutierende Gruppen, streikende Bergarbeiter und Arbeits= lose, von Gendarmen nervös beargwöhnt.

Wenn man so hinschlendert... Nach Mittag erlebte Friz Doppelauge die Stadt mit dem doppelten Gesicht. Er wanderte ziellos durch die Gassen und Straßen, an stattlichen neuen Staatsbauten und an alten Kirchenfeftungen

O wie so trügerisch

Erlebnisse eines Verbauerlen/ Von Heinrich Hemmer

Nach einer ländlichen Einsiedelperiode weist die neubesuchte Reichshauptstadt wieder jene phan­tastischen Schlagschatten auf, wie sie Kinder im Walde erblicken, Bauern auf einer Verkehrsinsel oder Provinzler in Großstadtars. Längst durch­schauter Schein verblüfft von neuem, Stucco trügt, Marmor verführt wieder und die Patina auch auf Menichen wirkt für ein Weilchen echt: bis man dahinter kommt, daß gerade dort, wo am dicksten aufgetragen wird, die meisten Blößen borhanden sind. bis man wieder helle wird und erwartungslos und zugeknöpft.

Der brotlose Schwerenöter.

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In Lancstraßenstiefeln bei Großstadtfreunden eintretend, kam ich neben einen Unbekannten zu sizen, den ich nach der schwerenöterischen Art, wie er sein Monofel in das Nußknackergesicht flemmte und mit seinem Bauch den Raum verdrängte, für einen Prominenten hielt, einen vielleicht Eminenten oder am Ende gar Omni­potenten... und ich befaßte mich angelegent­lichst mit dem großen Mann, weil er mir nüßlich sein mochte. Je mehr ich mich in meiner länd­lichen Gläubigkeit mit dem Prominenten befaßte, desto prominenter wurde er auch, wie bei einem Gummimännchen blies seine Rede die Bedeutung seiner Person immer mehr auf. Der Mann erfuhren wir so nebenher eingestreut hatte einst mit dem früheren Kaiser eigenmündig tele­phoniert( also schon mit einer Majestät an einer Strippe gehangen), er war auch auf Großwild­jagd gewesen und ahmte zu unserem Frommen die Zischlaute eines von einer Riesenschlange zer­quetschten Krokodils nach( die der ausströmenden Kohlensäure in Bierpipen zu ähneln scheinen), und sein bedeutender Bruder, sagte er schließlich mit unverhohlenem Stolz, dirigiere das erste New Yorker Hotel: was will man mehr! Man wollte vielleicht weniger: giftige Pfeile des Spottes wurden gegen den Prominenten losge­schossen, aber er konnte sie nicht parieren. Der große Mann mar mehrlos preisgegeben und schrumpfte, als ich ihn schon interviewen wollte, in meinen Augen wieder zusammen, als hätte man Löcher in den Ballon seines Ansehens ge­schossen. Nun wirkte der Schwerenöter flach und unecht auf mich, und als er mir von einem be: fannten Sportsmann zu erzählen begann, der ihn heimtüdisch mit Messing vergiftet hätte, erwachte ich aus meiner ländlichen Lethargie und sagte dem Mann auf den Kopf zu: er bilde sich Jeine Krankheit nur ein, wie so manches andere.

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Wie ein gereizter Löwe sprang er da auf, schoß zur Tür hinaus und kam mit Attesten und Rönf­genaufnahmen zurück: die Krankheit war echt. Die Messingvergiftung war offenbar das einzige, das der Mann, der zu seiner seelischen Recht: fertigung die Rolle des Genußgesättigten spielte wahrhaft besaß. Und plöglich wurde mir klar, er lebte von seiner Krankheit. Es war ein Notleiden­der, der vom Nebenzimmer herübergekommen war, sich ein Stück Brot zu borgen: der Schwerenöter darbte.

Also ist es mit dem falschen Schein wohl dieses: Man ist zwar gezwungen, rein äußerlich u Beute zu respektieren, von denen man genau weiß, daß die bunten Federn, womit sie sich schmücken, geborgte sind: solange sie nämlich ge= nug Taschengeld besigen, die einmal ange­

nommene Rolle fonsequent weiterzuspielen. Jede Rolle aber wirkt lächerlich, wenn man vom Leben offenkundig besiegt ist und die eines Schwerenöters am allerlächerlichſten.

Der Organisator und seine Frau.

FREITAG, 13. JANUAR 1933

vorüber. Er sah die vielen Gasthäuser, Hotels, Pensionen und Fremdenheime, die auf die Saison warteten und nach Gästen schrien. Er schmeckte den stickigen Qualm und den schalen Bierdunst der vielen Kneipen und Destillen, die das Liter Bier um 3,20 Kronen ausschenken. Er las die lockenden Schilder kleiner Zuckerbäckereien und Kaffeestuben; er las aber auch die der großen Kaffeehäuser, Weinstuben und Bars, die das billigste Miggetränk um 10 Kronen preisen. Im ehemaligen Ghettoviertel geriet er vor diskreten Animirlokalen an jene Mädchen, die ihre Liebe verkaufen.

Vor dem Tempel der Kunst, vor dem Stadt= theater, fuhren die Wagen der kunstliebenden Bourgeoisie vor, als er am Eingange des stolzen Baues stehen blieb, den Theaterspielplan zu lesen. Zwischen Roda- Roda   und einer Schlageroperette ehrte man den großen Klassiker des Bürgertums, den Altmeister Goethe, der einst Teplizer Kur­gast war. Aus

Theatercafés ben geöffneten Fenſtern des

tönte leichte Tanzmusik. Friz

Doppelauge hörte die schlürfenden Schritte der Tanzenden. Eine Wolfe bitter- füßen Parfüms kroch aus den Fenstern nach dem Kurplay, der sich hinzieht bis nach den städtischen Badehäusern und nach der Schwestergemeinde Schönau, der eigentlichen Badestadt.

Ehe Friß, Doppelauge nach dem Schloßberg hinaufstieg, einen Blick nach dem heimatlichen Erzgebirge   zu erhaschen, besuchte er die Stätten der Teplitzer. Wirkungszeit der Großen aus dem Reiche der Kunst Goethe   und Beethoven  haben sich in Teplitz   getroffen. Viele Legenden haben sich um diese Begegnung gesponnen. Das eine jedoch ist sicher: Goethe, dessen bürgerlicher Stolz sich im öfteren Zusammensein mit der österreichischen Kaiserin verflüchtigte, hat Tage und Stunden in Beethovens bescheidenem Miet­zimmer verbracht. Gern ließ er sich von dem Für­sten der Musik vorspielen. Niemand weiß genau, ob sich die beiden im Temperament so verschiedenen Männer näher gekommen sind. Goethe soll über Beethoven   geäußert haben: Er spielte föstlich. Zusammengefaßter, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen! Allein, er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie freilich dadurch weder für sich noch für andere genußreicher macht. Hat Goethe   damals Beethovens Ungebändigtheit ver­spüren müssen? Fast möchte man es glauben, wenn man Beethovens Urteil über Goethe liest:, Goethe behagt die Hofluft zu sehr, mehr als es einem Dichter geziemt!" Beethoven   hat

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wiederum hat die nordböhmische deutsche Kultur nicht unwesentlich beeinflußt, den Goethe hat bis zu seinem Tode mit böhmischen Geistesgrößen forrespondiert. Seine Arbeiten naturwissenschaft­lichen Inhalts weisen auf enge Beziehungen gerade zum Teplizer Gebiet hin, wenn er auch Westböhmen zu seinem Aufenthaltsorte mehr be­vorzugte.

Das große Borderzimmer meiner Berliner  Birtin word, als ich früdtomme, fatt angeheftein Teplitz   manche Anregung genoffen, und Goethe ter Visitenkarte, von einem Organisator" bewohnt. Organisator? Müßte ein solcher Mensch nicht die trei ende Kraft einer jungen Großstadt wie Berlin   sein, in der so viel organisiert und ,, um" organisiert wird und die gewohnten Kauf­hausartikel sich aus geheimnisvollen technischen Gründen immer wieder an anderer Stelle befin­den als dort, wo man sie zu suchen gewohnt ist? Unter einem Organisator stelle ich mir( in meinem verbauerten Gehirn) jenes unerbittliche Zweck­mäßigkeitsgenie vor, das dafür verantwortlich ist, daß alle lauschigen Ecken und Winkel verschmin­den, daß alle billigen Konsumartikel aufgekauft sind, daß immer mehr Maschinen statt Menschen eingestellt werden, daß mit einem Wort sämtliche bequemen und gemütlichen Einrichtungen zugun­sten der interessierten G. m. b. H.s.abgeschafft

werden.

ist er

Der Teufel hole den Organisator nicht eine umgekehrte Art von Nero, der die Menschheit durch das Nüglichkeitsprinzip zu Tode heyzt? Ha, man kann alles mögliche im Leben organisieren, aber nimmermehr das Leben selber. Als ich mich abends auf mein Lager hinter der Paraventecke eines vieldurchschrittenen Berliner  Zimmers zurückziehe, wohin ich mich wie ein ver gessener Caféhausgast zur Ruhe begebe, wird mir dieser Zwiespalt in unserem Dasein illustriert oder vielmehr akustisch demonstriert: durch die Ereig nisse, die sich im Nebenzimmer hinter einer Glas­wand abspielen. Das Leten, das Eheleben dringt da immer lauter und deutlicher auf mich ein, so daß ich ab und zu nach der Glaswand greife, an der ich schlummere, um mich zu überzeugen, daß fie überhaupt noch da ist. Die Frau von nebenan ist rebellisch geworden und betreibt eine Politi ter Nadelstiche, die den Mann, der mit seinem trockenen System offenbar nicht durchkommt, auf: brüllen läßt wie einen verwundeten Löwen  .

Ach, die Liebe bleibt doch trotz aller modernen Organisation dasselbe unstete Zigeunerkind; das allerpersönlichste, Menschenglüd, läßt sich nicht or. ganisieren, unter vereinfachende Formeln zwingen!

Nebenan regiert das Chaos der Urzeit. Es belt das Parkett, die Wände dröhnen, Kissen fliegen und so manches andere: Hilferufe ertönen die Pension läuft zusammen und es erscheint der Wirtin hehre Gestalt.

Was treiben Sie, Herr Organisator? Das ist hier ein ruhiges Haus!"

Als ich morgens wieder einen Blick auf die Bisitenkarte werfe, fällt es mir erst auf, daß dem Titel Organisator, wie so manchem selbstver liehenem Direttorentitel, die nähere Bezeichnung des zu Organisierenden oder Dirigierenden fehlt, so daß er wie eine leere Blase in der Luft hängt. Er ist wohl nur ein Möchtegern, mein Nachbar. ein Gernegroß, der vielleicht auch nur mit dem Schein gewaltiger Realitäten das niedliche Täubchen eingefangen hat, das jetzt trällernd durchgeschwebt kommt.. einem anderen. Tag vertrauend, einem anderen Glück.

Und nicht vergessen...!

Bom Schloßberg hatte Frik Doppelauge feine Sicht nach dem Erzgebirge  . Ein Gasthof frönt den Gipfel. Tanzfrohe Menschen lärmten in den Sälen. Sie freuten sich auf den Heimweg im Dunkeln die frummen Pfade hinab. Die Dunkel­heit ist der Mantel der Liebe. Und Liebe läßt leicht alles vergessen: Das Heute und Morgen, Kummer und selbst wirtschaftliche Sorgen. Im Dunkeln! Die Helligkeit des Tages wirft schonungslos die graue Wirklichkeit vor die Augen. Der Abstieg vom Schloßberg des Nachts ist für viele der Weg über die Liebe in den Alltag. Dieser Weg ist angenehmer als die üblichen anderen. Und schöner! Und erinnerungswerter! Im Abstieg dachte Frizz Doppelauge an die Arbeiterbewegung Tevlig Schönaus Gern hätte er der Redaktion der nordböhmischen Tageszeitung der deutschen Sozialdemokratie einen Besuch gemacht, um sich einiges Wissens­merte berichten zu lassen, aber das Redaktions­büro der Freiheit" war Feiertags über ge­schlossen Wesentliches wußte er von früheren Be­fuchen: Teplitz- Schönau   ist der Sitz eines Kreis­fekretariats der deutschen Sozial­demokratie, der Sitz der Zentrale der deutschen sozialistisch en Jugend, die Gruppen im ganzen deutschen Sprachgebiet hat. Weiter sind in Tevliz- Schönau die Leitungen des Arbeiter Astinenten bundes, des Ver­bandes der deutschen Arbeitergefangver eine, des Verbandes der Arbeiterrab­fahrvereine und der Union   der Berg arbeiter. Eine ganze Reihe gewerkschaftlicher Organisationen haben ebenfalls Sekretariate in Teplitz- Schönau   oder im benachbarten Turn. Oft füllt das demonstrierende Proletariat die Straßen und Gassen. Gewaltig wirken die Aufmärsche unter wehenden roten Fahnen, doppelt wuchtig, wenn deutsche und tschechische Arbeiter gemeinsam für das gemeinsame Ziel das Stadt­bild beherrschen.

Teplit- Schönau ist der Vorort der organisierten fozialistischen Arbeiterschaft im nordböhmischen Kohlenbecken.

Einer der Besten unter den sudetendeutschen  Sozialisten, Genoffe Joseph Seliger, hat in Tevlig gewirkt. Ihm, der im Schönauer Fried­hof eine würdige Grabftätte hat, ist das feste Ge­füge der nordböhmischen sozialdemokratischen Parteiorganisation zu verdanken. In seinem Geiste, im Schatten seines Wollens, arbeiten heute die deutschen Sozialisten Böhmens  , und sie fahren gut dabei!