Morgen- Ausgabe
Nr. 23 A 12 50. Jahrg.
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Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
SONNABEND
14. Januar 1933
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Meldung der Telegraphen Union"
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München , 13. Januar. Im Bölkischen Beobachter", süddeutsche Aus gabe, veröffentlicht Rechtsanwalt Dr. Frant II folgende Erklärung:
Berschiedene margistische Zeitungen bringen in den letzten Tagen in ihrer begreiflichen Nervofität großaufgemachte Nachrichten des Inhalts, Adolf Hitler schweige zum Vorwurf des Landesverrats, den der ,, Borwärts" im Zusammenhang mit erdichteten angeblichen Aeußerungen Adolf Hitlers in einer Rede in Lauenburg erhoben hat. Es wird dabei bewußt unwahrerweise behauptet, Hitler hätte die von ihm zur Zeit gegen den verantwortlichen Schriftleiter des Bormärts" eingereichte Privatflage wegen dieses verleumderischen Vorwurfes des Landesverrats infolge der Amnestie zur Einstellung gebracht.
Derrats
Demgegenüber stelle ich als Rechtsbeistand Adolf Hitlers folgendes fest: Das Verfahren gegen den verantwortlichen Schriftleiter Schiff des ., Borwärts" wegen des Vorwurfs des Landesder Ministerpräsident Braun wurde pon seinen besorgten Genossen unter dem Schuße der Immunität gehalten wird weiterge führt, da ich selbstverständlich einen Antrag, dieses Verfahren unter die Amnestie fallen zu lassen, nicht stelle.
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Ein ahnungsloser Rechtsbeistand
Union " einen schlechten Scherz erlaubt hat, muß man es als wahr unterstellen, daß obige Erflärung des Rechtsanwalts Frant II tat. sächlich im ,, Bölkischen Beobachter" er= schienen ist.
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Dann aber faßt man sich an den Kopf und fragt sich: Ist es denn überhaupt denkbar, daß ein Rechtsanwalt, der obendrein als führender Bertreter der nationalsozialistischen Fraktion im Rechtsausschuß des Reichstags die ganzen Beratungen über das Amnestiegesetz mitgemacht hat, einen derartigen haarsträubenden Unfinn verzapft? Sollte der Herr Reichstags= abgeordnete und Rechtsanwalt Dr. Frank II wirklich von den einfachsten und grund. legenden Bedingungen des Amnestiegesetzes, für das er als Volksvertreter gestimmt hat, nicht die blasfeste Vorstellung haben? Sollte er wirklich nicht wissen, daß durch diese Amnestie jedes Verfahren politischer Natur, fofern nicht Verbrechen wider das Leben, Sprengftoffverbrechen und dergleichen vorliegen, automatisch erlischt?
Nein, er weiß es mirtlich nicht. Das beweist der Schlußfaz seiner Erklärung, wonach er selbstverständlich einen Antrag, dieses Verfahren unter die Amnestie fallen zu lassen, nicht stelle". Man kann Herrn Hitler mur herzlichst zu einem so ahnungslosen Rechtsbeistand tondolieren.
Nebenbei bemerft, ist es unwahr, daß irgendein fozialistisches Blatt behauptet hat, Hitler hätte dieses Verfahren gegen den„ Bor
Stalins Parteiguillotine
Neue Ausschlüsse und Maßregelungen
Mostau, 13. Januar.
In der Sitzung des Plenums des Zentralkomitees und der Zentralkontrollkommission der Kommunistischen Partei am Donnerstag erstattete Rudjutat einen Bericht, in dem er erklärte, daß die Säuberungsaftion im Auftrage des Zentralfomitees durch die Zentraltontrollkommiffion der Kommunistischen Partei ausgeführt werde. Es gebe innerhalb der Partei gewiffe politische Gruppen, die es sich zur Aufgabe gemacht hätten, Sabotage zu treiben,
Große ,, Reinigung" angekündigt
Zu dem neuen Schritt Stalins gegen die Opposition äußerte sich gestern abend der SowjetRundfunk. Der Moskauer Sprecher sagte, daß damit die
große Parteireinigung eröffnet worden sei. Keinesfalls aber werde man sich da
märts zur Einstellung gebracht. Der Vor= wärts" hat vielmehr am 30. Dezember wahrheitsgemäß berichtet, daß mit der Amnestievorlage auch der Strafantrag Hitlers gegen Schiff automatisch eingestellt werde und hat durch ausdrückliche Wiederholung der Vorwürfe Hitler die Gelegenheit geboten, feinen Strafantrag zu erneuern. Der Führer der Nationalsozialisten wurde im Vorwärts" sogar dringend darum ersucht.
Nachdem 14 Tage verstrichen sind, ohne daß Hitler sich meldete,
wurde dieser Tatbestand im Detmolder ,, Volksblatt" sowie am gestrigen Tage in der ,, Münchener Post" festgestellt. Der Artikel unseres Münchener Parteiblattes, der Herrn Frank II endlich die Zunge gelöst und ihm Gelegenheit gegeben hat, sich öffentlich zu blamieren, bestand ausschließlich in der Wiederholung des ,, Borwärts"-Artikels vom 30. Dezember mit dem Zusatz, daß Hitler seither von sich nichts habe hören lassen.
Es wird also Herrn Adolf Hitler nichts anderes übrig bleiben, entgegen der sonderbaren Auffaffung seines Rechtsbeistandes, als den Strafantrag zu erneuern.
Es sei denn, daß er es vorziehe, den Vorwurf, daß er durch seine Lauenburger Rede moralischen Landesverrat begangen habe, auf sich sizen zu lassen was bei einem Möchtegern- Reichsfanzler ganz besonders schön wäre.
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mit begnügen, einige Hauptopportunisten zu be strafen und zu verwarnen, sondern man werde mit derselben Energie unter der ganzen Beamtenschaft die opportunistischen Nester" ausräumen. Der Mostauer Sprecher sagte, daß auf allen Gebieten und in beinahe allen Parteibezirken eine Arbeit gegen die Generallinie Stalins festgestellt werden konnte. Besonders aufgeregt zeigte sich der Moskauer Redner darüber, daß wieder eine gemeinsame Front der linken und rechten Opposition beobachtet werden konnte. Selbst unter den Kommunisten der Roten Armee find ,, politische Abweichun gen" nicht selten vorgekommen. Mit den Worten, daß es auch hier höchste Zeit zu reinigen" ſei, schloß der Moskauer Rundfunk.
um die Partei zu zwingen, ihre Industriali- Hugenberg bei Schleicher schwunden. Lediglich die Nazi presse färmt
fierungspolitik aufzugeben. Zu diesen Gruppen gehörten der ehemalige Borjihende des Rates der Bolfskommiffare Groß- Rußlands , Syrzow, ferner Tolmajchew, Eismont und Smirnow, die jetzt aus der Partei ausgeschlossen worden seien, andere hätten eine Verwarnung erhalten.
Was die Gruppe Rytow- TomitiSchmidt anbetreffe, so habe diese eine Reueerklärung abgegeben und versichert, daß sie feinen politischen Kampf gegen die Parteileitung führen werde. Die Genossen nähmen aber diese Reueerflärung nicht ernst, weswegen man den Angehörigen diefer Gruppe heute ebenfalls eine Berwarnung erteilen müsse. 3hnen sei gesagt worden, daß sie wenn sie ihren Kampf gegen die Politik der Partei nicht aufgäben ebenso strafrechtlich verfolgt werden würden wie die anderen politischen Gruppen.
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Das Plenum des Zentralfomitees der Kommunistischen Partei billigte die Ausführungen Rudfutaks und sprach der Zentralfommission fein Bertrauen aus.
Man hat sich viel zu sagen Gestern nachmittag hat eine Unterredung zwischen Reichskanzler von Schleicher und Hugenberg
für die Agrarier.
Mit der Einstweiligen! ſtattgefunden, die etwa 2½ Stunde gedauert hat. Nazi- Stegmann gegen Nazi- Streicher
Ueber den Verlauf der Unterredung werden von zuständiger Stelle teinerlei Mitteilungen gemacht.
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Die Dauer der Unterredung zeigt, daß man ernsthaft verhandelt hat. Was Hugenberg will, geht aus folgenden Säßen der Deutschen Zeitung" hervor:
Gegenüber den zahlreichen Kombinationen, die gegenwärtig besonders in der Wilhelmstraße in Umlauf gesetzt werden, ist stärkste zurückhaltung am Plazze. So dürfte die Uebernahme eines vereinigten Wirtichaftsministeriums( Krisenministeriums) durch hugenberg von grundfäßlichen Boraussetzungen abhängig sein, au deren Erfüllung Herr v. Schleicher bisher noch teine Anstalten gemacht hat."
Der Krach zwischen Industrie und Agrarier ist wie auf Kommando aus der Deffentlichkeit ner
Der Reichstagsabgeordnete Stegmann hat fol gende einstweilige Verfügung erwirtt:„ Beschluß in Sachen Stegmann gegen 1. Streicher, Julius, Nürnberg , 2. Holz, Mitglied des Landtages, Nürn berg , 3. Ratobrandt, Major a. D., 4. Zech, OberLeutnant a. D., 5. Weinmann, Stadtrat, 6. Wurze bacher, wegen Unterlassung, hier, einstweilige Verfügung: untersagt wird:
a) den Antragsgegnern von 1 bis 5, zu be= haupten, Gruppenführer Stegman habe sich eine Beruntreuung von 6000 Mart der der NSDAP . gehörigen Gelder zuschulden komment lassen, b) den Antragsgegnern zu 2 und 6, zu be= haupten, Wilhelm Stegmann habe einen Ber trauensbruch begangen und stehe mit der Schrift leitung des Nazifpiegels" in Verbindung, c) des Antragsgegners zu 6, zu behaupten, Stegmann habe am 11. Januar 1933 einen Aufmarsch der SA in Nürnberg mit fommunistischer Hilfe fprengen wollen,
Vereinheitlichung!
und die Neueinteilung der Bezirke Von Karl Siegle
Mit der Neueinteilung der Verwaltungsbezirke der Stadtgemeinde Berlin wird auch die Frage der Vereinheitlichung der Berliner Krankenkassen wieder akut. Das Bestehen von rund zweihundert Krankenkassen in Berlin verteuert nicht nur den Verwaltungsapparat ungemein, sondern erschwert auch die Wahrnehmung der Interessen der Versicherten in der Krankenkasse außerordentlich. Es muß daher von neuem die Frage auf geworfen werden: wie kann man dieser zum Schaden der Versicherten aber auch der Arbeitgeber bestehenden Zersplitterung im Krankenkassenwesen begegnen?
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Bei der Prüfung dieser Frage kann der Gedanke der Schaffung einer„ Einheitskasse" ausscheiden. Es ist völlig aussichtslos, sei es freiwillig, sei es durch gesetzliche Maßnahmen, eine Beseitigung der verschiedensten Kaffenarten( allgemeine und besondere Ortskrankenfaffen, Betriebs- und Innungskrankenkassen, Ersatz und Berufskrankenkassen) zu erreichen. Was zunächst erreicht werden kann, ist die Zusammenfassung der in Berlin bestehenden 18 allgemeinen Orts frankenkassen zu einer Krankenkasse.
Wie steht es hier mit dem freiwilli gen Zusammenschluß? Langjährige Bemühungen der Gewerkschaften nach dieser Richtung blieben ohne Erfolg. Erfahrungen der letzten Zeit haben gezeigt, daß dieser Weg nicht zum Ziele führt. Die Arbeitgebervertreter in den Organen dieser Krankenkassen nehmen lieber eine Erhöhung des Beitrags in Kauf, als daß sie einer Vereinigung zustimmten. Ohne die Zustimmung der Arbeitgebergruppe fann aber eine Bereinigung nicht durchgeführt werden. Den Schaden dieser Haltung tragen die Versicherten, die dadurch höhere Beiträge zahlen und mit geringeren Leistungen zufrieden sein müssen. Es bleibt also nur der andere Weg übrig, nämlich der, durch gesegliche Maßnahmen eine Zusammenfassung der allgemeinen Ortsfrankenkassen Berlins herbeizu= führen.
Die Zusammenfassung der allgemeinen Ortskrankenkassen Berlins und damit die Bildung einer Krankenkasse bedeutet feineswegs die Schaffung einer Mammutfasse, wie von Gegnern der Vereinheitlichung immer wieder behauptet wird. Die Kasse fann vielmehr durch richtige Anwendung teils zentralisierender, teils dezentralisierender Maßnahmen so gestaltet werden, daß sich für beide Teile, Versicherte sowohl wie Arbeitgeber, bedeutende Vorteile ergeben. Eine solche Krankenkasse, mit rund 900 000 Mit
gliedern, tann ihre Aufgaben nur erfüllen,
beitlich geregelt, bezirklich und örtlich aber menn zentral Beiträge und Leistungen einden Versicherten das größtmöglichste Ent gegenkommen gezeigt wird. Die Bezirkseinteilung dieser Krankenkasse muß den neuen Berwaltungsbezirken der Stadt Berlin angepaßt werden. Den Versicherten und Arbeitgebern ist auch innerhalb eines Bezirks in einem Selbstverwaltungsorgan die Mitarbeit zur Erfüllung der dem Bezirk durch Sazung zugewiesenen Aufgaben zu gewährleisten. In früheren Jahren wurde noch der Standpunkt vertreten, daß in jedem Verwaltungsbezirk eine allgemeine Ortskrankenkasse bestehen solle. Dieser Gedanke ist überholt. Auch müßte man, wenn es gelungen wäre diesen Gedanken zu vermirklichen, auch jetzt infolge der neuen Bezirkseinteilung alles mieder reorganisieren. Für die Richtigkeit der Auffassung, daß nur eine allgemeine Ortsfrankenkasse für Berlin zu bilden ist,