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BEILAGE

Vorwärts

,, Auch einers" Erlösung

Frei nach Friedrich Theodor Vischer / Von Gerhart Herrmann Mostar

Ich erkannte ihn sofort: er war hier, im Wirbel des Berliner Warenhauses, eine zumindest ebenso auffallende Erscheinung wie damals auf der staubigen Landstraße der Schweiz . Wieder quoll die Nase, ein infernalisch rotes Ungeheuer, ent­stellend aus dem männlich schönen Gesicht, und ein ganzes tektonisches Beben von Niesern, Aechzern und Krächzern erschütterte seinen sonst so straffen Körper. Halloh, A. E.!" rief ich ihn an ,,, wo tommen Sie her? und welcher Teufel reitet Sie, sich gerade in diesen Höllenbrodem von Waren­staub und Menschendunst, in diesen anmutigen Wechsel zwischen Warmluft und Kaltluft zu stellen?!"

"

Er drückte mir die Hand: Ja, ich habe wieder einen, einen von der ganz wilden Sorte!"- und lachte nach einem abermaligen Erdstoß von Schnupfen in ungewohnter Fröhlichkeit auf: Aber ich habe die Heilung schon bei mir! Die endgültige Heilung, mein Freund, die Erlösung der Welt aus ihrer jahrtausendalten fatarrhalischen Epoche!" Da bei schlug er auf beide, dick gebauschte Mantel­taschen. Und wo ich herkomme, und wie ich hineinschneie in dies zwanzigste Jahrhundert? Ei, ich komme geradewegs aus dem Paradies nicht aus dem dünn befezten Paradies der Menschen von Fleisch und Blut zwar, sondern aus jenem dicht bevölkerten Garten Eden, in welchem die von Dichtern und Malern erschaffenen Phantasie­gestalten von ihren Leiden ausruhen indes deren Erzeuger freilich in der Hölle schmachten. Ich lese die Frage in ihren Augen, warum denn ich nicht dort geblieben bin? Nun, gestern schwoll eine Stimme durch diesen Himmel: A. E.! A. E.! Antreten vor dem Thron der ewigen fünstlerischen Gerechtinkeit!" Nun, und die ewige künstlerische Gerechtigkeit( oh, es gibt sie trotz allem, mein Freund!) neigte sich zu mir: Auch einer, tritt her und vernimm. der Doktor Kerkhoven, Ge­schönf des Herrn Jakob Wassermann , verwandte sich für dich Du hast lediglich darum so furchtbar leiden müssen. erklärte er. weil die ärztliche Wissen­schaft zu deinen Lebzeiten die Bedeutung der Selbstinfektion bei chronischer Coryza noch nicht erkannt hatte Die Schuld an deinen Katarrhen truq nur dein Taschentuch... Sie haben iekt unten, im Reitalter des Paniers, das hygienische Schmunftuch erfunden. das du einfach weawirfst nach jedem Niefer, Laufer und Wischer! Siehe. nur weil du zu früh lebteft und die Wissenschaft zu langsam war. litteft du. Es ist aber unbillig. dok ein Mensch verzweifeln mukte, nur weil er lediglich tuchene, schwierig zu maschende und des= halb sparsam zu verwendende Nosenvuker fannte. Die emine künstlerische Gerechtigkeit, mein liebster Sohn A. E., fendet dich zurück auf die Erde, auf dok du keimfrei und alücklich werdest in diesem Göflum, in das du gehörst!"

So sprach A. E., und ein neuer, dumpf arollen­der und fnatternder Ausbruch aus dem Bulkan feiner Nose erschütterte ihn...Aber" rief er und schlug wiederum auf seine Taschen...aber es ist einer der letzten! Denn hier habe ich sie, die nur einmal zu vermendenden. stets wegzuwerfenden Papiertaschentücher, die Sienesfohnen der Hygiene, den Stein. nein das Tuch der Weisen!"

Er entfernte sich schnell, ein eiliger Sieger, und ich sah ihm gerührt und erariffen nach: hier dokumentierte sich der Segen der Hygiene. hier gefchah das Wunder einer endoültigen Erlösung, und es geschah um ganze fünfundzwanzig Pfennig.

*

Am Abend des anderen Tages trat A. E. plötz­lich in meine Stube. Eeine Nase war gerade, weiß und schön, seine Haltung steil, tein Schnupfen erschütterte ihn mehr aber sein Gesicht war düster. Falten standen in seiner Stirn, Gram war um seinen Mund: ich sah einen Ver­zweifelten einen Zerstörten

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Ich fomme, um mich zu verabschieden", sagte er hohlen Tones. Ich gehe zurück in die Ewig­feit. Denn ich habe Furchtbares erblickt, Furcht­bares angerichtet."

Aber ich sehe Sie doch schnupfenfrei? Warum wollen Sie es nicht mehr mit erleben, das Ende des tatarrhalischen Reitalters..?"

,, Das Ende..?" schrie er mit hem Lochen eines Verzweifelten ,,, das Ende...?! Es bricht an, sage ich Ihnen. es bricht erst an. in ungeahnter. unge­fannter Grausamkeit! Mit diesen teuflischen Baviertüchern bricht es an! Oh. Menschheit. arme, verirrte Menschheit... Aber lassen Sie sich er­zählen...

Ich trat aus ienem Warenhaus auf die Straße. Weich und wohlig schmiegte fich das erste Stück Bavier um meine entzündete Nase, es roch er­quickend nach Desinfektion. Und mit jubelnder, cäfarischer Handbewegung wollte ich es meawerfen, fnüllte ich es zusammen, mit ihm jene Urfeinde des Menschen, die Bazillen... da stuzte ich. Weg­merfen wollte ich es, gewiß. Aber, mein Freund: mohin...? hier auf die Straße? Ist es wohl­erzogen, ein Blatt Papier auch nur eine Fahrkarte auf die Straße zu werfen? Ist es zu verant worten, ein bazillengeladenes Knäuel auf die Etraße zu werfen

.?

Num, ich überwand mich, es kostete mich viel, aber ich vermochte es. Da lag es nun, weiß, hübsch, beinahe lockend. Ich blieb stehen und sah

es noch eine Weile an, gewärtig freilich, daß ein Schuhmann fommen und mich auf das Ungehörige meines Betragens aufmerksam machen würde. Aber es kam schlimmer... Eine alte Dame kam mit einem Hund an der Leine, einem weißen, zarten, schönen und klugen Geschöpf- Sie wissen, ich liebe Hunde abgöttisch Nun, die zarte, emp­findsame Nase dieses Hundes schnupperte an meinem Papiertuch.. Dann nahm er es in die Zähne und zerriß es spielend... Ich erbebte. Ich folgte den beiden, um mir zu beweisen, daß es, es nicht eintreten würde, dies es, das ich ahnte, fürchtete.. Aber es trat ein. 3wei Straßenecken weiter nieste der Hund... Ich, ich hatte ihn infiziert! Und er wird gewiß jene alte Dame nicht auszudenken..!

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Ich floh das Bild, erklomm einen Autobus, entzündete mir eine Zigarre, um ruhiger zu werden. Nun, ich mußte natürlich niesen... Es fällt mir schwer, es zu gestehen: aber ich blickte mich scheu um, ein Verbrecher, und steckte das Knäuel heimlich in den Aschenbecher. Niemand sah es. Ich steckte ein zweites, ein drittes dahin... Dann packte mich die Angst, ich stieg hin­unter und stellte mich auf die Plattform. Drei Haltestellen weiter begann oben einer zu niesen, dann zwei, dann viele. Oh, sie waren für mich wie die Donner des jüngsten Gerichts, diese Nieser!

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Sie waren verursacht durch jenen Aschenbecher. Es waren meine Bazillen, welche die Schleim­häute friedlicher, harmloser Mitbürger zernagten. Und ich stand unten, der Schuldige, und schwieg feige, und nieste wieder.. Diesmal warf ich es auf die Straße. Ich hoffte inbrünstig, der nächste Tramwagen, das nächste Auto werde es zu Brei zerquetschen. Ach, mein Freund, es spielten Kinder an dieser Stelle der Straße, zarte, un­schuldige Kinder. Sie sahen das weiße Papier flattern im Winde, sie liefen ihm nach mit der vertrauensvollen Neugier des reinen Geschöpfes, sie erhaschten es, entfal lassen Sie mich schweigen. Ich sah es. Ich verdeckte meine Augen. Umsonst: mein inneres Gesicht sah die besorgten Mienen der Eltern, wenn nun die Kleinen nach Hause kamen..

"

A. E. schwieg erschöpft, er atmete zitternd. End­Tich fuhr er fort: Ich habe es ausgehalten bis eben. Ich habe eine zeitlang jedes einzelne Stüd verbrannt. Ich habe Brandblasen an den Fingern Dann verbot mir ein Beamter mit Recht dies auffällige und gefährliche Mit- dem- Feuer- Spielen auf der Straße. Ich habe gewartet, bis ich an einen Papierkasten kam, da warf ich die aufge= sammelten hinein. Und dann kam ein städtischer Arbeiter und leerte den Kasten in Erfüllung seiner Pflicht, und morgen wird er einen Schnupfen

Günther Birkenfeld : Berliner Skizzen

SONNABEND, 14. JANUAR 1933

haben. Diese Taschentücher sind ein Wahnsinn, mein Freund, eine Aktion des Teufels, ein Appell an die menschliche Rücksichtslosigkeit. Aber gottlob, ich habe mir zu helfen gewußt!"

Er stand auf und lauschte in sich hinein, wie früher, wenn er einen Schnupfen nahen fühlte... ,, Und was haben Sie für eine Abhilfe?" fragte ich leise.

,, Ein Taschentuch habe ich mir gekauft, ein richtiges, gutes, altes, großes, leinwandenes Taschentuch" rief er hell. Und das Papier habe ich vernichtet. Ich gehöre nicht in diese Zeit, in der jeder hygienisch ist auf Kosten des anderen. Ich will meinen Schnupfen in Ehren tragen und in meiner eigenen Tasche mein Leben lang. Aber andere infizieren, das will ich nicht. Ha, ho, hö­rrrrschschschpfftpffftkrrrr3333pfüüüüüüüüahht!! Da ist er wieder, da bist du wieder, mein alter, fürchterlicher, verhaßter, geliebter, anständiger, verantwortungsbewußter Dauerfatarrh! Romm heraus, mein liebes, altes, leinenes Schnupftuch, scheure mir schmerzhaft die Nasenflügel mit deinem grober Geweb und infiziere mich! Aber infiziere nicht mein Gewissen! Jeder fehre vor seiner Tür, jeder infiziere die eigene Nase! Ach, was ist dies für eine Zeit, da die Menschen ihre Verschnupft­heit, ihr Unreines, ihr Gemeines schamlos aufs Papier und unter die Mitmenschen bringen und nicht schamhaft in der eigenen Tasche verbergen! Ich gehöre nicht hinein, gehe zurück ins Paradies der Phantasiegestalten, friege diefen Urweltfrager zu recht- emp-, frrchchchpfft, empfeh-, pfft333pnrs­pfüüüahht, empfehle mich!"

So ging er wieder von mir, ein Mensch eines ergangenen Jahrhunderts, und ich sah ihm trüb­selig nach und nieste herzzerbrechend...

Die letzte Tür

Theodor und Martha Lange waren hoch in den Sechzigern. Sie wußten, daß ihre Tage gezähl: maren. Der Mann hatte vor sieben Jahren, nach dem ersten Schlaganfall, seine Stellung als Pro­turist aufgeben müssen, verbrachte die Tage mit Patiencen und Peter, dem Kanarienvogel, die Frau lag viel frank und sprach nur, was not­wendig war.

Schon als junge Leute hatten sie sich gewünscht. in der gleichen Stunde aus dem Leben scheiden zu dürfen. Diesem Wunsche waren sie bis in ihr Alter treugeblieben. Sie sprachen viel darüber ob der gute Tod" ihnen den Gefallen wohl er­we en werde. Ja, ihnen war der Tod nichts Böses, nichts Furchterregendes. Sie hatten sich ein Leben hindurch arg geplagt mit dem kleinen Gehalt und den vier Kindern, hatten in Liebe mitsammen getragen, was ihnen zugefügt wurde Nun warteten sie auf das Ende wie auf ein Wohlverdientes, wie auf eine Belobigung. Eines Tages es war ein warmer Maisonn tag, der selbst in den engen Hofschacht ihres Hinterhauses Sonne und Frohsinn schüttete zeigte Theodor eine Ausgelassenheit wie seit Mo­naten nicht. Er pfiff dem Peter allerlei Melo­dien vor, die er von den Leierkästen drunten ge­hört hatte, tätschelte seine Frau und wiegte den

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Aleksejew:

Kopf. Martha sah seinem Gebaren mit Besorg­nis zu. Denn seine Wangen waren dunkelrot und die Augen so verschleiert wie damals vor dem ersten Schlaganfall.

Der Mann lachte sie aus mit ihrem Getue" und drang plöglich und mit allerlei furiofen Redensarten auf die Frau ein: sie solle sich fein machen und mit ihm kommen; er sei so verfligt in Stimmung auf eine Flasche Wein.

Die Frau, ratlos von Angst, schlug die Hände zusammen und fagte ihm träftig ihre Meinung, Berge: lich. Dann dachte fie, daß es beſſer fei ihm zu Willen zu sein, als ihn nur noch mehr zu erregen, und ging mit.

Thector und Martha Lange sigen an einem der runden Tische in dem Historischen Weinkeller dessen Gewölbe von Qualm und Ruß der einstigen Betroleumlampen geschwärzt sind. Neben ihnen tuschelt ein Pärchen, zupft sich an den Nasen und wechselt Küsse. Ringsum lärmt weinselige Heiter feit und Verliebtheit.

Still ſizen die beiden Alten vor ihrer Flasche Rotspohn, trinken mit bedächtigen Zügen und jagen jedesmal: Ja, der Wein ist gut."

Erinnerung entrückt ihre Mienen. Erinnerung an die Jugend, da sie gleich jenen dort gesungen

Zwei auf dem Dorfe

Es kamen zwei Fremde aus fremdem Lande- ein Doktor und ein Astronom. Sie kamen in die Poltawagegend, um ihren verschiedenen Geschäften nachgehen zu können, und da es Nacht wurde, gingen sie zu einem Muschit, um bei ihm zu übernachten.

Der Doktor wunderte sich, als er das Weib des Muschits einen Mamaliga, einen schlechten Mais fuchen, fneten sah.

Wird wohl für die Schweine sein, dachte er sich. Der Muschik samt Frau und Kindern aßen dann aber diesen Mamaliga auf. fie schleckten jogar die Löffel ab, als nichts mehr war.

Komm, gehen wir auf den Hof hinaus", sagte der Doktor zum Astronomen ,,, du siehst ja, daß ihrer zu viele in dieser kleinen Hütte sind. Sie werden alle nachts sterben!"

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Sie gingen auf den Hof hinaus und legten sich aufs Stroh.. Als der Muschik sein Abendbrot gegessen, tam er zu ihnen und sagte:

,, Panim, geht in die Hütte, heute nacht wird es regnen."

,, Rein, das wird es nicht" antwortete der Astronom, dieser und dieser Stern ist hell..." Es ging der Muscit zurück in seine Hütte und perrte die Türe ab Legte sich dann zum Schlafen nieder.

Nachts goß der Regen wie aus Eimern und es drückten sich die Fremdlinge auf dem Hof herum, fanden nirgends eine Gelegenheit zu: n unterstellen. Sie flopften an die Türe vergeb lich

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ein Muschit schläft wie ein Toter. So viel sie sich mit dem Klopfen abmühten, die Türe blieb

zu. Vielleicht öffnete sich ein kleiner Spalt, wer fann es wissen?

,, Niemand meldet sich", sagte der Doktor ,,, es wird wohl nicht anders sein, als daß fie alle ge= storben sind."

Am frühen Morgen kam der Muschik auf den Hof heraus und fragte:

,, Na, seid Ihr naß geworden?"

,, Sehr naß geworden", antworteten sie ihm. ..nun seid aber so liebenswürdig und sagt uns, wieso Ihr wissen konntet, daß es regnen wird"," fragte der Astronom,

Ich habe so ein Schwein", sagte der Muschik, ., daß sich zwei Stunden vor dem Regen herum­zuwälzen beginnt."

,, Aha!"

Da ließ es dem Doktor keine Ruhe und er fragte: Sagt, bitte, eßt Ihr immer das, was Ihr gestern zum Nachtmahl hattet?"

., Immer."

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,, Und tut Euch da nicht manchmal etwas meh?" Ja, manchmal tut uns der Bauch weh- dann friechen wir auf den heißen Ofen drücken den Bauch, wie es sich gehört, auf die heißen Steine­und es vergeht."

Da sagte der Doktor zum Astronomen:

Komm, kehren wir zurüd in unser Land. Was sollen wir in diesem Lande tun, wo jeder Ofen ein Doftor und jedes Schwein ein Astronomist." ( Berechtigte Uebertragung aus dem Russischen von Kurt Böhme .

und gefüßt haben, Erinnerung an die langen Jahre der Ehe, erfüllt von Geldforgen, Kummer mit den Kindern und eigenen Leiden. Oft, wenn es gar nicht mehr gehen wollte, waren sie in diesen Keller gestiegen und hatten sich die Köpfe schwer, die Herzen leicht getrunken.

Auf unserer Hochzeit, der war aber besser!" meint die Frau.

Der Mann nickt

,, Das war ja auch Bordeaux ." ,, Bordeaur? Was du schon wieder für Unsinn prichst Beaujolais war das!"

Aber Mann! Nein, was du dir auch immer so einbildest! Natürlich war es Bordeaux !"

" Beaujolais !" Der Mann schlägt auf die Tisch­platte, sein Gesicht flammt scharlachrot. Man blickt hinüber und belustigt sich über die beiden Alten.

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,, Nu laß man gut sein", besänftigt die Frau, ,, tomm, trint liet er. Der Wein ist gut."

Sie bleiben schweigsam und führen nur dann und wann die Gläser an den Mund. Die Frau betrachtet die Herzen. Spitznamen, Verse, Daten und Sprüche, die verliebte Hände in die Tisch­platte gefragt haben. Auch Zeichnungen sind da. Karikaturen und füße Mädchenköpfe.

Na, Theodor," meinte die Frau schlicht, dann fraz man unser Andenken auch da ein. Dann haben wir doch wenigstens auch eine Grabschrift."

Der Mann nicht, tramt umständlich sein Messer hervor und müht sich ab, mit zitternden Fingern. Nimm den Tintenstift."

Langsam und mit liebevoller Geduld schreibt der Mann auf die Tischplatte:" Theodor und Martha Lange tranfen hier ihre legte Flasche 15. Mai 19...

Unwillkürlich blicken die beiden einander an und sehen dann wieder vor sich hin. Trink aus," sagt die Frau, nun fönnen wir wohl gehen." Der Mann schüttet den Rest der Flasche in feir Glas und leert es mit gierigen Schlucken. Schluß für immer murmelt er dumpf. " Komm!" bittet die Frau und faßt seine Hand Er schüttelt den Kopf, starrt auf die Schrift. Jetzt werden auch der Frau die Augen feucht .Theodor

das war nun das Ganze?" ,, Schön war es hier!" stammelt der Mann und läßt das Kinn sinken. Sein Kopf baumelt fraft­los hin und her, sein Atem geht schnarchend.

Erschreckt rüttelt ihn die Frau und hilft dem feuchend sich Stützenden auf die Beine. Sie tanı: ihn nicht allein halten. Ein Kellner und Studen­ten springen hinzu, schleppen den Mann, der die Füße schleifen läßt, durch den Keller und tragen ihn in eine Droschke.

Die Frau folgt, in sich gebückt und wie erstar­rend in Blässe. Jeßt läßt er mich doch allein!" jammert sie tonlos.

hm hm," brummt der Kellner, der dem ichwarzen Gefährt nach lidt, wenn man die beiden Alten nur gut nach Hause tommen! Die haben ja gezecht wie ein junges Baar!"

Der Kellner schließt die dünne Glastür so be= hutsam und fest, als wäre sie des Lebens letzte Tür. Sie trennt das diesseitige Gelärm der wein­selig Verliebten und das schon ferne Verrollen einer Droschte.