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Abend- Ausgabe

Nr. 26 B 13 50. Jahrg.

Rebattion und Berlag, Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Ferniprecher A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MONTAG

16. Januar 1933

J

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts.... 10 Bf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Lippe und Reich Sozialdemokratischer Erfolg in Lippe

Große Folgen einer kleinen Wahl

Bon morgen in einer Woche soll der Reichstag wieder zusammentreten. Aber zuvor wird am Freitag noch der Aeltestenrat tagen, und dann wird man sehen, was weiter wird.

Am Sonnabend noch war die Meinung allgemein, die bürgerliche Mitte werde im Bunde mit den Nationalsozialisten für ein weiteres Hinausschieben des Reichstags sorgen. Nachdem aber Hitler gestern in Lippe einen Teil der Verluste der letzten Reichs­tagswahlen wieder aufgeholt hat, hält man es nicht für unwahrscheinlich, daß die Nazis es auf eine neue Reichstagsauflösung an­kommen lassen werden. In diesem Fall wür­den wir vielleicht schon zu Ende der nächsten Woche in einem neuen Wahlkampf stehen.

Aber so unsicher es ist, ob der Reichstag in der nächsten Woche tagen wird oder nicht, ob er aufgelöst werden wird oder nicht, so unsicher ist es auch, wie die Regierung in den nächsten Tagen aussehen wird! Für die glänzend kostümierte Gesellschaft, die sich gestern im Sportpalast so malerisch um den Extronprinzen gruppierte, ist das Wahlresultat von Lippe nicht gerade ermuti­gend; die Flucht der Wähler aus dem deutsch­nationalen Lager zeigt wieder einmal, mie wenig diese Herrschaften im Volke hinter sich haben.

Die Regierungspresse freilich tut so, als ob Herr von Schleicher noch einen sehr starken Trumpf in Händen hätte, und zwar heißt dieser Trumpf Gregor Straßer . An­geblich soll dieser bereit sein, in die Schleicher­Regierung einzutreten, um sie entweder zur Tolerierung zu zwingen oder den Auf­lösungskampf gegen sie aufzunehmen. Es ist fennzeichnend, daß in der nationalsozialisti­schen Presse kein Wort über diese Möglichkeit zu finden ist, über die sonst in der ganzen Welt gesprochen wird. Nur andeutungsweise beschäftigt sich der preußische Fraktionsführer Kube mit dem Fall Straßer in einem Artikel, in dem er schreibt:

Der Nationalsozialismus ist Adolf Hitler , und Adolf Hitler ist der Nationalsozialismus. Ein Eichbaum spaltet sich nicht, wenn ein Blatt von ihm abfällt. Mag dieses Blatt auch im Winde am fräftigsten gerauscht haben!

Herr Kube unterschätzt sich. Von allen Blättern, die am Eichbaum Adolf Hitlers rauschen, rauscht er am kräftigsten. Gregor Straßer freilich war noch vor ein paar Wochen in der Phantasie der illustrierten Nazipresse selbst ein Mensch gewordener Eichbaum", und niemand kann voraussagen, was heraus­kommt, wenn diese beiden deutschen Eichen­bäume einander in die Kronen geraten.

Jedenfalls aber müssen die nächsten Tage die Entscheidung bringen. Die Sozialdemo­fratie sieht ihr in aller Ruhe entgegen. Kommt es zum Kampf, so wird sie ihren Mann stehen und alle Kraft aufbieten, um den erfreulichen Fortschritt weiter fort­zusetzen, den ihr die Wahl in Lippe gebracht hat. Daß sie der Regierung Schleicher nicht anders gegenüberstehen fann als in schärfster Opposition, ist eine Selbstverständlichkeit, die durch den monarchistischen Rummel im Sportpalast nur noch unterstrichen wird. Die Sozialdemokratie ist und bleibt die natür­liche Gegenfraft gegen alle Formen der Realtion in Generalshofen wie im SA.- Rod. Je mirrer es drüben zugeht und je grotesker fich die Unfähigkeit der ,, nationalen Rechten" manifestiert, desto gewisser fommt für sie der Tag der Vergeltung und des Sieges.

Rückgang der Kommunisten Hitler bleibt hinter Juliwahlen weit zurück

Detmold , 16. Januar. Nach dem vorläufigen amtlichen Gesamtergebnis wurden von 120 593 Wahl­berechtigten 98 451 Stimmen abgegeben. Dies ent­spricht einer Wahlbeteiligung von 81,7 Proz. Es erhielten:

Proz.

6.11.32 31. 7. 32 Mandate Sozialdem. 29 735( 30) 25 782 30 399 7( 9) Drp... 4352( 4,4) 3628 2 250 1( 3) DNBP... 5923( 6,1) 9414 8674 1( 3) Landvolk. 700( 0,7) 510 173 0( 2) APD.... 11 026( 11,1) 14 601 10 017 2( 1) Staatsp. 830,( 0,8) 558 849 0( 1) NSDAP .. 38 844( 39,6) 33.038 42 280 9( 0) Kath. B... 2531( 2,7) 2459 3 402 0( 0) Ev Volksd. 4510( 4,6) 4079 3 659 1( 0)

Das Wahlergebnis wird sich nur noch unwesent­lich ändern. Es stehen noch die Wahlbriefe der nach außerhalb des Landes verreiften Lipper, elwa 600, aus, deren Wahlbriefe noch bis Montag, 18 Uhr, eingereicht werden können.

Die Wahlen brachten den Nationalsozialisten nicht das erhoffte Ergebnis. In ihrem lippeschen Parteiblatt hatten jie großipurig geschrieben: ,, Am 15. Januar müssen wir dem Führer melden können, Lippe ist nationalsozialistisch." Das können sie ihrem Osaf nicht melden. Von 21. Landtagsmandaten haben sie nur neun be­fommen. Wohl fonnten sie infolge eines beispiel­losen Trommelfeuers auf die lippe­fchen Wähler, mit einem nie dagewesenen Kräfteeinsatz auf kleinstem Raum den Deutsch­Stimmen meg= nehmen, etwas von den Kommunisten holen und eine Anzahl Neuwähler gewinnen. Aber der Anteil der Nazis ist mit 39,6 Proz. der ab­gegebenen Stimmen gegenüber dem 6. November unverändert geblieben.

nationalen

3000

Die Sozialdemokratie aber vermochte einen geradezu glänzenden Erfolg zu erringen. Sie steigerte ihre Stimmen­3 ahl gegenüber der letzten Reichstagswahl am 6. November um rund 4000 Stimmen. das find 15 Proz. In der Landeshauptstadt Detmold nahm die Sozialdemokratie sogar 25 Proz. zu und fam damit über ihre Stimmenzahl

-

bei der Landtagswahl im Januar 1929 hinaus.

=

Dieser Erfolg der Sozialdemokratie ist um so bedeutsamer, als die Partei in Lippe ununter­brochen 14 Jahre lang führend an der Regierung beteiligt war. Deshalb hatte Adolf Hitler sich selbst und seinen ganzen Führerstab zum Kampf gegen die Sozialdemokratie eingesetzt. Die Nazis arbeiteten mit einer täglich sich steigernden Lügen und Ver leumdungsflut, mit einem Massenaufgebot von Werbezeitungen und Flugblättern und wurden in ihrem Kampf gegen die Sozialdemo­tratie nach Kräften von den Kommunisten unter­stützt. Auch die Deutsch nationalen und alle übrigen Parteien fämpften vornehmlich gegen die Sozialdemokratie. alles aber vermochte den Vormarsch unserer Partei nicht aufzuhalten. Ueberall im Lande leisteten die sozialdemokratischen Funktionäre mit einem vorbildlichen Eifer, mit bewundernswerter Kampfleidenschaft und Hingabe ihr Bestes. So fonnten sie das glänzende Ergebnis erzielen, das sich in dem Stimmengewinn von 15 Proz.

ausdrückt.

Das

Die Kommunisten, die an Niedertracht im Kampfe gegen die Sozialdemokratie taum hinter den Nationalsozialisten zurückstanden, hatten wiederholt in Versammlungen erklärt, es fei ihnen gleich, ob in Cippe ein Sozialdemokrat oder ein Nationalsozialist regiere! Die lippische Arbeiterschaft gab ihnen darauf die verdiente Antwort. 3577 Stimmen( 28 Proz.) verloren die Kommunisten gegenüber dem 6. November!

Eine geradezu fatastrophale Niederlage erlitten die Deutschnationalen, die von ihren 9377 Stimmen bei der letzten Reichstags= wahl über 3000 Stimmen an die Nazis abgeben mußten und nur noch mit einem Abge= ordneten in den Landtag einziehen. Bisher hatten sie drei Mandate. Von den bürgerlichen Parteien ist nicht mehr viel übrig geblieben. Staatspartei, Wirtschaftspartei, Volksrechtspartei und Landvolk sind im neuen Landtag nicht mehr vertreten. Die Volkspartei und der Evangelische

,, Scheene Republiganer!"

Ein Blick in den Kyffhäuser Aufmarsch im Sportpalast

Volksdienst haben wie die Deutschnationalen nur je einen Abgeordneten.

Die Nationalsozialisten holten zwar gegenüber dem 6. November auf, blieben aber noch mit 3439 Stimmen hinter ihren Stimmen vom 31. Juli 1932 zurück und erreichten nicht einmal ganz ihre Stimmen­zahl von der zweiten Präsidentenwahl. Angesichts des gewaltigen Aufwands, den sie in dem kleinen Ländchen betrieben hatten, ein klägliches Ergebnis! Die Sozialdemokratie hat in den Ziegler dörfern besonders gut abgeschnitten Hier fonnte fic teilweise bis zu 100 Pro3. an Stimmen gewinnen, meist auf Kosten der Kommunisten. Aber auch in den übrigen Landesteilen wurden schöne Erfolge erzielt. Die Sozialdemokratie geht aus diesem Wahlkampf, der mit einer bisher nie erlebten Erbitterung und Leidenschaft geführt wurde, gestärkt hervor.

Ueber die zukünftige Regierung kann heute noch nichts gesagt werden. Wenn die Nazis regieren wollen, müssen sie sich mit dem Hugenberg- Mann, dem Volksparteiler und dem Ob ihnen Evangelischen Volksdienst verbünden. das gelingt, bleibt noch eine offene Frage.

Hitler - Banditen

Lagerhalter niedergeschlagen Konsumvereinslager vollig zerstört

Eigener Bericht des ,, Vorwärts"

Detmold , 16. Januar. Eine viehische Gewalttat haben die National­fozialisten gegen den Lagerverwalter Brinkmann von der Berteilungsstelle des Konsumvereins in Leopoldshöhe verübt. Brink­mann wurde vor einigen Tagen von Nazis überfallen. Er hatte wenige Tage vorher gegen einige Nazis wegen Hausfriedensbruchs Anzeige erstattet. Er wurde deshalb von den Raufbolden zur Rede gestellt und danach nieder­geschlagen. Die Unmenschen trampelten mit ihren schweren Stiefeln auf dem zu Boden Geschlagenen herum; sie traten ihm ins Gesicht, auf die Brust und den Leib, bis er bewußtlos liegen blieb. Brinkmann wurde schwer verletzt.

Am Sonntag fam es in den späten Abendstunden vor der Filiale des Groß- Lippischen Konjum­vereins zu neuen schweren Ausschreitungen von SA.- Leuten, die mit Reichsbannerleuten Streit begannen. Nach den bisherigen Feststellungen sind fünf Personen verletzt worden. Ein SA.- Mann erhielt einen Kopfstreisschuß, während drei Reichsbannerleute Schüsse in den Ober- und Unterarm erhielten. Die Filiale des Konsumvereins wurde völlig zerstört und die Auslagen auf die Straße geworfen. Auch die Fenster der im Erdgeschoß liegenden Wohnungen wurden zerfrümmert. Die Polizei beschlag­

Achtung Neukölln! Heute Protest gegen den

Blut- Terror der nazis

Treffplatz: 17% Uhr, Schillerpromenade. Abmarsch: 17.45 Uhr durch folgende Straßen: Steinmetz -, Hermann-, Jonas-, Bergstraße, Hohenzollernplatz, Richard­platz, Hertzbergstraße, Hertzbergplatz. Schlußansprache auf dem Hertzbergplatz. Werktätige Neuköllns! Heraus auf die Straße! Gestaltet diese Demonstration zu einer machtvollen Kundgebung gegen Braunmord.