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Abend- Ausgabe

SONNABEND

= Vorwürts=

Nr. 36 B 18 50. Jahrg.

Rebattion und Berlagi

Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Fernsprecher A7 Amt Dönhoff 292 bis 297

Telegrammabresse: Sozialdemokrat Berlin

BERLINER

VOLKSBLATT

21. Januar 1933

Jn Groß Berlin 10 Bf.

Auswärts.

10 Pf.

Bezugsbedingungen and Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Unbequeme Wahrheit

Was Nazis nicht erfahren dürfen

Die Nationalsozialisten haben laut ge= schrien, daß sie den Kampf mit Schleicher gar nicht erwarten können. Nur rasch Reichs­tag, Mißtrauensvotum, Sturz Schleichers! Aber gestern hat Herr Frid im Aeltesten­ausschuß vorgetragen, dringendste Aufgabe fei die Erledigung des Etats, wichtiger als der Kampf gegen Schleicher, also müsse sich der Reichstag auf lange Frist ver tagen!

Wie macht die Nazipartei diesen Umfall ihren Lesern schmackhaft? Ganz einfach: sie verschweigt ihn! Der Völkische Beob­achter" veröffentlicht über die Sigung des Aeltestenausschusses einen schamlos verloge nen Bericht. Er unterschlägt, daß Frick den Antrag auf langfristige Vertagung ge­stellt hat. Er unterschlägt auch, daß die Nazis nach Ablehnung dieses Antrags dann für den Zentrumsantrag auf Vertagung bis zum 31. Januar gestimmt haben. Das böse Gewissen der Nazis aber wird noch besser gekennzeichnet durch die folgende faustdicke Lüge:

,, Wie verlautet, legen die Nationalsozialisten Wert darauf, daß vor dem Forum des Parla­ments sofort die Fragen beraten werden, die von unmittelbarer Bedeutung für das deutsche Volk find, und deren rasche Lösung eine Lebensfrage ist. Das ist die Behandlung der Winterhilfe, die naturgemäß feinen Aufschub mehr duldet, und die Beseitigung der sozialen Härten in der Papenschen Notverordnung vom 14. Juni 1932."

Keine Silbe ist über diese Dinge von Frick gesagt worden. Frid hat weder das Wort Winterhilfe noch Notverordnung ausge­sprochen. Die Nazis haben auch nicht den Zusammentritt des Reichstags, sondern seine unbefristete Vertagung verlangt. Wenn sie jezt in ihren Blättern das Gegenteil be­haupten, so lügen sie genau so unverschämt, wie sie vorher gelogen haben, als sie Schleicher den Kampf ankündigten!

Sie sind groß im Schweigen über Tat­fachen. Im ,, Bölkischen Beobachter" werden Triumphgefänge angeſtimmt über den ,, gro­Ben Erfolg", den die nationale Front" unter der Naziführung im Auswärtigen Aus­schuß über Schleicher errungen habe. Ge­meint sind die Ausschußresolutionen. Ver= schwiegen wird, wie die Front für die neue nationale Politik sich zusam­menseßte, verschwiegen wird, welche Partei neben den Nazis die Mehrheit gestellt hat. Leicht begreiflich: es war die Kommuni= stische Partei! Die Untermenschen", die ,, rote Mordkommune", wie der Völkische Beobachter" sie sonst zu nennen pflegt!

Melcher und der Bülowplaz

Die Gewerkschaften warnen, aber der Polizeipräsident hört nicht

Die Provokation, die die Nationalsozia listen durch ihren Aufmarsch am Bülow plag am Sonntag ausgeheckt haben, wird von

der gesamten Reaktion unterstützt. Die rechts­bürgerliche Presse sucht den Polizeipräsidenten und die preußische Regierung aufzuhezzen, damit sie auf jeden Fall alle Machtmittel des Staates gegen die Kommunisten einsetzen, die ihrerseits zu Gegendemonstrationen aufrufen.

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Es liegt auf der Hand, daß der Aufmarsch der SA. - Leute auf dem Bülowplay im Angesicht der Kulturstätte der Berliner , der Bolfsbühne, und angesichts des kommunisti­ schen Karl- Liebknecht- Hauses von allen organi­sierten Arbeitern als eine Provokation an­gesehen wird, denn er verfolgt nach der national­sozialistischen Presse den ausdrücklichen Zwed, Front gegen das Karl- Liebknecht­Haus" zu nehmen!

In letter Stunde hat am Freitag der Vorsitzende des Ortsausschusses des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes , Genosse Bredow, sich an den Polizeipräsidenten gewandt und ihm dargelegt, daß die Demonstration der National­fozialisten

nicht nur von den Kommunisten, sondern auch von den übrigen gewerkschaftlich organisierten Arbeitern als eine dreifte Herausforderung angesehen wird.

Dem Polizeipräsidenten wurde deshalb na he= gelegt, im Intereffe des öffentlichen Friedens einen anderen Aufmarsch plaz anzu­ordnen, um die Gefahren zu bannen.

Der Polizeipräsident hat auf diesen verständi­gen Brief jedoch fühl ablehnend geant­wortet. Sein Schreiben, mit dem er die volle Verantwortung für alles übernimmt, was sich am Sonntag ereignen fönnte, hat folgenden Wortlaut:

Die Nationalsozialisten werden am 22. d. m. auf dem Bülowplaz teine Demonstration ver­anstalten, sondern sich dort, wie von Anfang von ihnen beabsichtigt, lediglich sammeln, um zu einem Vorbeimarsch an dem au dem Nikolas­friedhof gelegenen Horst- Wessel - Grabe anzutreten. Von einem Verbot dieses Vorhabens habe ich abgesehen, da der dem Nikolasfriedhofe un­

Zur Feier

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mittelbar benachbarte Bülowplatz der gege bene Antrete plag für den beabsichtigten Vorbeimarsch am Grabe ist und ich in dem Um­stand, daß am Bülowplay das Karl- Liebknecht­Haus liegt, einen genügenden Anlaß sehe, diesen Plaz sonstiger Benugung, soweit sie den Kommunisten nicht genehm ist, zu entziehen.

Dagegen habe ich, um die auch von Ihnen befürchteten Störungen der öffentlichen Ordnung zu vermeiden, eine von den kommunisten nach­träglich angesetzte Gegenversammlung auf dem Bülowplah wegen unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten. Ich bedauere, aus diesen grundsäglichen Erwägungen dem von Ihnen gemachten Vorschlage nicht entsprechen zu können.

gez. Melcher.

Dieser Briefwechsel läßt erkennen, daß der Polizeipräsident Melcher sich durch keinerlei Ver­nunftgründe von seiner Haltung abbringen läßt! Zu allem Ueberfluß hat er heute mittag eine ganz einseitige Verbotsmaßnahme gegen die Kommunistische Partei bekanntgegeben. Darüber wird mitgeteilt:

., Mit Rücksicht auf die aufreizende Schreibweise der kommunistischen Presse besteht eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Ordnung. Deshalb werden alle kommunistischen Versammlungen und Umzüge unter freiem Himmel für den morgigen Sonntag in den Bezirken Mitte, Prenzlauer Berg , Kreuzberg , Tiergarten, Charlottenburg , Wilmers. dorf, Schöneberg , Neukölln nördlich des Teltowkanals, Treptow nördlich des Teltowkanals, Wedding , Pankow und Weißensee verboten."

Dies Verbot ist absolut einseitig. Die Schreibweise der nationalsozialistischen Presse iſt

seit Wochen im höchsten Falle aufreizend und pro­vokatorisch. Noch aufreizender aber ist die Absicht, Hitlers SA. auf dem Bülowplay demon­

Die Not der Arbeiter Gewerkschaftler bei Hindenburg

Amtlich wird mitgeteilt:

Der Reichspräsident empfing heute als Vertreter des Bundesvorstandes des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Allge­meinen freien Angestelltenbundes Ceipart, Graßmann, Eggert und Stähr zur Entgegennahme eines Berichts über die Not­lage in der Arbeiterschaft Deutschlands und gleichzeitig von Vorschlägen auf wirtschaft­lichem, handelspolitischem und sozialem Gebiet.

strieren zu lassen. Die Aufreizung und die Ge­fährdung der öffentlichen Ordnung durch das Treiben der Nationalsozialisten hat den Polizei­präsidenten Melcher zu feinerlei Maßnahmen ver­anlaßt, troß der zahlreichen Mordtaten der SA. in der letzten Zeit!

Dies einseitige Verbot heißt Del ins Feuer gießen. Die Verantwortung des Polizeipräsiden­ten ist durch dies einseitige Verbot nur noch ge­wachsen! Ein Polizeipräsident, der die Provo kation der Nationalsozialisten duldet, der zu dieser Provokation mit seinem einseitigen Verbot eine neue Provokation hinzufügt, ist völlig unmöglich! Melcher muß fort!

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Die angekündigte Besprechung zwischen dem Reichskanzler von Schleicher und Herrn Bracht über die Bülomplag- Angelegenheit wird erst am frühen Nachmittag stattfinden.

Bomben ins Bolkshaus Spanische Anarchisten auf Naziwegen Eigener Bericht des Vorwärts" Madrid , 21. Januar. Am Freitag gegen 22 Uhr warfen Anarchisten zwei Bomben durch ein Fenster in das Madrider Boltshaus, in dem eine sozialistische Bersammlung stattfand. Der Hauswart ergriff eine der Bomben und warf sie auf die Straße zurüd, wo sie erplo­dierte. Die zweite Bombe platte im Volkshaus und richtete großen Schaden an. 15 Personen, darunter fünf Frauen, wurden zum Teil schwer verletzt.

Nach einer Meldung aus Barcelona ist im Zu­sammenhang mit der Entdedung einer Bombenfabrit in Igualada ein franzö fischer Geschäftsmann verhaftet worden, der der Fabrik das Rohmaterial lieferte, ohne jedoch zu wissen, wozu es bestimmt war.

der gelungenen Verschiebung der Reichstagsauflösung heftete Frau Goeb­ bels ihrem Joseph ein Sträußlein Je länger, je lieber" an die braune Bluse.

USA . will verhandeln

Aber nur mit England- Roosevelt einverstanden

Eigener Bericht des ,, Vorwärts" Washington , 21. Januar. Hoover und Roosevelt haben gemeinsam beschlossen, mit England über die Schulden­frage zu verhandeln. Die Besprechung über die Schuldenfrage soll auch die Weltwirtschaftspro­bleme einbeziehen.

Damit scheint die amerikanische Politik endlich in der Schuldenfrage ein Stück weitergekommen zu sein. Botschafter Mellon und Staatssekretär Stimson fönnen nun ihre Besprechungen ein­leiten, ohne befürchten zu müssen, daß der neue Präsident hinterher ihre Schritte nicht billigt.

An der Konferenz zwischen Hoover und Roose­Delt nahm auch der Führer der amerikanischen Abrüstungsdelegation Norman Davis teil. Man schließt daraus, daß Norman Davis zum Außenminister Roosevelts ausersehen ist.

Die neue Erklärung Hoovers und Roosevelts zur Schuldenfrage wird als ein Ausweg aus der internationalen Schuldengasse und der unhaltbar gewordenen Abseitshaltung Roosevelts be trachtet. Die Wiederaufnahme der Schulden­diskussion stellt gleichzeitig nach der Auffassung ein­geweihter Kreise einen deutlichen Wint Roofe= belts an den Bundeskongreß dar. seine unnachgiebige Haltung gegenüber den Schuldner­mächten zu ändern Der neugemählte Bundes tongreß hat sich gegen eine Herabsegung der Schulden ausgesprochen, so daß die jetzige Er­flärung nur als eine vorwegnehmende maßnahme Roosevelts zur Vermeidung späte­rer Konflikte und Verzögerungen anzusehen ist.

Die Stimmung des Kongresses ist sehr kühl. Die Senatsredner lehnten erneut eine Schuldenrevision ab, während im Repräsentantenhause Stimmen nach weitest gehenden europäischen Abrüstungs­und Schutzzoll- Gegenleistungen laut wurden. In Regierungsfreisen ist man enttäuscht, daß die angloamerikanischen Verhandlungen nicht vor März beginnen.

Neue Kältewelle

Aber Ende der Schneefälle

Auf die gleichzeitig mit den Schneefällen feit Freitag in Berlin einsehende Milderung dürfte abermals ein starker Temperaturfturz einsehen. Aus der Arttis strömen seit Freitagnacht un­aufhörlich sehr falte Luftmassen nach Mitteleuropa und besonders in den höheren Luft­schichten hat sich bereits eine erhebliche Abkühlung bemerkbar gemacht. Als Vergleich wird die Tempe= ratur auf der Schneekoppe angeführt. Am Donnerstag wurden dort 3 Grad. am Freitag 11 Grad und heute 18 Grad Kälte ge= messen Langsam wird sich zwischen den höheren und tieferliegenden Luftschichten ein Ausgleich vollziehen und unter dem gleichzeitigen Einfluß der aus dem hohen Norden weiter heranflutenden Kaltluftmassen werden schon am Sonntag auch in unferem Gebiet die Temperaturen start finken.

Für den morgigen Sonntag wird für Berlin folgende Prognose aufgestellt: Meist trocken, nur