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Am gestrigen Sonnabend trat der Ausschuß des ADGB . im Berliner Gewerkschaftshaus zu seiner 12. Sigung zusammen. Nach einer Ehrung der Loten, des langjährigen Mitgliebes des Bundesvorstandes, Hermann Müller , des Vorstandsmitgliedes des Fabrikarbeiter- Verbandes, Gustav Haupt, und Eduard Bernsteins, gab part den Bericht des Bundesvorstandes nor furzem war ein nicht unerheblicher Rückgang der Mitgliederzahl in den Gemertfchaften festzustellen. Im letzten Quartal üst eine entscheidende Wendung zum Besseren eingegetreten. Weniger erfreulich sind die Aussichten auf eine wirtfame Arbeitsbeschaffung. Reichskommissar Dr. Gerede hat sich offenbar gegen die vorhandenen Widerstände und Vorurteile nicht gehörig durchsetzen können. Die Arbeitsbeschaffung wird nicht im Sinne und Tempe unserer Forderungen vorwärts getrieben. Es ist hier und da gelungen, Verbesserungen durchzu fezzen' oder unerwünschte Maßnahmen zu verhindern, aber im großen und ganzen sind die Einflüsse der Privatwirtschaft, ist die Angst vor einer Inflationsgefahr stärker. Wir haben durchsetzen können, daß ein Teil der Neueinstellungsprämien für öffentliche Ar beiten angefegt wird, aber vergeblich dagegen Einspruch erhoben, daß Privatunternehmer auch für auf diese Weise in Gang gefeßte öffentliche Arbeiten die Prämien erhalten.
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Die Borstände des ADGB . und des Allgemei nen freien Angestelltenbundes hatten fich in Anbetracht der unerträglichen Berhältnisse der er merbslosen Arbeiter und Angestellten entschloffen, noch einmal beim Reichspräsidenten norstellig zu werden.( Wir berichten darüber im Haupt: latt.)
Der Borsitzende erinnerte an das vom Bundesausschuß bereits im Ottober 1930 eindringlich erhobene Berlangen nach gesetzlicher Durchführung der 40stündigen Arbeitswoche. Trostem ist von der Regierung nichts geschehen, um diese für die Arbeiter selbst mit Opfern verbundene Forderung zu erfüllen. Statt dessen erfolgten wiederholte 3 wangsweise Lohnfentungen, die die Kaufkraft dauernd herabdrückten. Daß dieser Weg nicht weiter begangen und eine Arbeitszeitverkürzung nicht ohne Lohne ausgleich durchgeführt werden darf, ist eine Selbstnerständlichkeit.
Mit höchstbedenklicher Verspätung ist inzwischen die gewerkschaftliche Forderung der 40 Stun den Woche zum Gegenstand inter= nationaler Berhandlungen erhoben morten. Bei der heutigen Lage muß es jedoch zweifelhaft erscheinen, ob diese Maßnahme noch genügt. In gewissen industriellen Ländern ver treten bereits maßgebliche privatkapitalistische Kreise und Sachverständige d'e Einführung der 30- Stunden- Woche.
Zum Nachfolger Hermann Müllers als beutscher Arbeitervertreter im Berwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamies hat der Bundesvorstand den langjährigen Bezirkssekretär des ADGB . Wilhelm Leuschner ( in den legten Jahren Innenminister des Freistaates Hessen ) vorgesehen. Leuschner wurde gleichzeitig als Nachfolger Umbreits in den Bundesvorstand gemählt.
Da der Posten des stellvertretenden Direttors des Internationalen Ar
beitsamtes freigeworden ist, wäre es sachlich durchaus gerechtfertigt, wenn in dieses Amt ein Deutscher, und zwar ein deutscher Ar= beitervertreter, berufen würde. Direktor Butler ist damit einverstanden, den Vizedirektor nur im Einverständnis mir den drei Gruppen zu ernennen, die sich aber noch nicht auf eine einheitliche Kandidatur geeinigt haben.
In der Aussprache murde hervorgehoben, daß der Umfang der Arbeitslosigkeit ohne eine tiefgreifende Arbeitszeitverkürzung nicht dauernd gemindert werden kann. Mit großem Nachdruck murde darauf hingewiesen, daß in Deutschland selbst jetzt in vielen Fällen noch über 48 Stunden, ja bis zu 60 Stunden gearbeitet werde. Es fei ein Standal, daß angesichts der ungeheuerlichen Arbeitslosigkeit in der letzten Zeit togar die Behörden die Ueberschreitung der 48stündigen Arbeitszeit zulassen. Mit diesem Mißstand müsse in erster Linie aufgeräumt werden. Der Bundesvorstand forderte von der Regierung die gesetzliche Berkürzung der Arbeitszeit aut ein Maß, das geeignet ist, einem großen Teil der materiell und seelisch leidenden Arbeitslosen endlich wieder den Weg zu Lohn und Brot zu öffnen
Die Gewerkschaften im politischen Meinungskampf zeigte Graßmann. Die Entwicklung des politischen Lebens, gekennzeichnet durch das Anwachsen der radikalen Flügelpartelen rechts und links, hat dazu geführt, daß auch die Gemertschaften st är fer in den Vordergrund treten mußten. Sie waren dadurch heftigen Angriffen der radikalen Bewegungen ausgesezt. Manche ihrer Handlungen wurden mißverstanden oder in verleumderischer Absicht falsch gedeutet. Insbesondere müsse die Behauptung, die Gewerkschaften näherten sich der Auffassung des Faschismus über die Stellung der Gemertschaften im Staatswesen als verlogene Behauptung, der jede Grundlage fehlt, entschieden zurüdgewiefen werden. Die Unterredung der Führer des ADGB . mit dem Reichswehrminister v. Schleicher- wenige Tage vor seiner Ernennung zum Reichstanzler- hatte hatte nur den einen 3med, bet der Reichsregierung in dem Augenblid, da sie sich nach dem Rüdtritt des Kabinetfs v. Bapen neu bildete, die sozialpolitischen und wirtschaftlichen Forderungen der Gewerkschaften, namentlich zur Linderung der Krisennot und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nachdrücklich zu vertreten Lediglich dies war seit jeher der 3med jeglicher Fühlungnahme des Borstandes des ADGB . mit den Regierungen des Reiches. Und nur dies wird immer der 3med einer solchen Fühlungnahme sein. Um aber die Intereffen der Arbeiterschaft und die Forde rungen der Gemertschaften wirksam zu vertreten, merden die Gemerfschaften auf eine solche Art der Fühlungnahme mit den wechselnden Reichsfabinetten nie verzichten fönnen.
Die Gewerkschaften merden nicht dulden. daß Mißtrauen in ihre Rethen getragen und die Stoßfraft der Bemegung badurch benachteiligt wird. Ebenfomenig merden sie abweichen von bem Grundlag välliger Unabhängigtett in der Meinungsbildung über Fragen des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens und in der Wahl ihrer taftischen Haltung. An diesem Anspruch halten fie jeder Partei gegenüber fest. Dieser Grundsatz behält auch dort Geltung, mo das Gesamtinteresse der Arbeiterklasse ein Zu
sammenwirken der Gewerkschaften mit politischen Parteien gebietet. Denn nur die strenge Befolgung dieser Grundanschauung bietet Gewähr für die Erhaltung der Einigteit in den Gewerkschaften. Graßmann erläutert am Schlusse seiner Rede diese grundsägliche Anschauung an einer Reihe von Vorgängen des politischen
Lebens.
Leipart erklärte zu der mißverständlichen Beurteilung der Haltung der Gewerkschaften zur gegenwärtigen Regierung: Die Gewerkschaften stehen zu jeder Regierung in Opposition, wie immer sie zusammengesezt sei. Denn die Gewerkschaften werden noch für lange Zeit lediglich Forderungen an die Regierung zu richten haben. In der Debatte fanden die von Graßmann und Leipart vertretenen Grundsäge die volle 3-= stimmung des Bundesausschusses.
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Leipart erinnerte noch an den Kongreß des Internationalen Gewerkschaftsbundes, der 30. Juli in Brüssel beginnt. Anträge der Ver= bände zum Kongreß sollen dem Bundesvorstand eingereicht werden. Die deutschen Gemertschaften, ADBB. und AfA- Bund, haben 15 Delegierte zu entsenden. Zum Schluß erinnerte Leipart an die Hauptversammlung der Gefell schaft für joziale Reform am 28. Januar.
Arbeitsgerichte
Anwälte als Vertreter
Zu dem Artikel in Nr. 13 des„ Vorwärts": Vertretung vor den Arbeitsgerichten" erhalten wir von dem Genossen Otto Landsberg fol gente Entgegnung:
Der Verfasser macht gegen die Zulassung der Anwälte bei den Arbeitsgerid, ten erster In stanz, denn nur hierum handelt es sich, da in der zweiten und dritten Instanz die Anwälte als Barteivertreter zugelassen sind, Ausführungen, die nicht ohne Widerspruch Lleiben können.
Zu der Frage, ob der§ 11 des Arbeitsgerichtsgefezes, der die Rechtsanwälte im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz von der Parteivertretung ausschließt, geändert werden soll oder nicht, will ich keine Stellung nehmen, da mir be= tannt ist, daß, infolge des Widerstandes Der Gewerkschaften aller Richtungen, an eine Gesetzesänderung nicht zu denken ist. Ich mende mich lediglich gegen die Gründe, die in dem Artikel für den Ausschluß geltend gemacht werden. Der Verfasser stellt es so dar, als ob, wenn auch Rechtsanwälte als Parteivertreter Dor dem Arbeitsgericht erster Instanz sich betätigen fönnten, der Kläger verpflichtet sein würde, sich an einen Anwalt zu wenden. Davon fann gar feine Rede sein, da fein Rechtsanwalt die Einführung des Anwalts3manges für tas arbeitsgerichtliche Verfahren erster Instanz erstrebt. Der Kläger würde alfo genau so wie jezt im amtsgerichtlichen Verfahren, auch nach Beseiti gung des§ 11 seine Rechte in erster Instanz selbst besorgen fönnen.
Es ist weiter nicht richtig, daß erst nach Ein zahlung eines Vorschusses ter Anwalt eine ihm aufgetragene Klage übernehmen und weiterleiten darf. Kein Anwalt ist daran gehindert, auch in Sachen, in denen fein Vorschuß gezahlt ist,
die Klage anzustellen, und es gibt eine genügend große Anzahl von Anwälten mit sozialem Empfinden, die sich da, wo sie eine Partei im Recht glauben und zur Aufbringung eines Borschusses außerstande sehen, ihr einstweilen unentgeltlich Beistand leisten.
Es ist weiter eine völlig falsche Auffassung, daß ein Anwalt dem Abschluß eines Vergleichs widerstre en fönnte, weil er ein Interesse daran habe, in die Beweisaufnahme zu gehen. Wenn der Verfasser des Artikels sagt, daß fast jeder Anwalt sich von solchen Auffassungen leiten lasse, so muß ich annehmen, daß er mit Rechtsanwälten überhaupt noch nicht zu tun gehabt hat. Den Kopf schütteln muß ich auch zu der Behauptung, daß jeder Anwalt den höheren Objekten eine größere Aufmertsamkeit zuwende als den unlohnenden. Hat der Verfasser wirklich ausreichende Erfahrungen ge macht, um über einen ganzen Stand ein derart geringsdägiges Urteil fällen zu können?
Schließlich ist unfaßbar die Ausführung, daß die Zulassung der Anwälte bei den Arbeitsgerichten erster Instanz die Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern benachteiligen würde, weil der Arbeitgeber in den meisten Fällen Ge= legenheit habe, sich durch einen Rechtsbeistand, zum mindesten durch den Syncifus irgendeines Ar eitgeberverbandes, dem er angehört, vertreten zu lassen.
Ist denn dem Verfasser nicht bekannt, daß diese Möglichkeit schon besteht und daß infolgedessen gerade der Arbeitnehmer benachteiligt wird, solange er sich des Beistandes eines Anwalts nicht bedienen tann? Rechtsanwälte dürfen sich vor den Arbeitsgerichten erster Instanz nicht betätigen. Aber Juristen, die die Befähigung zum Anwaltsbedarf befizen und insbesondere auch ehemalige Rechtsanwälte, Die Unternehmersyndizi geworden find, dürfen vor den Arbeitsgerichten erster Instanz als Beistände oder Sachwalter der Unternehmer auftreten."
Schutz
den Schwerbeschädigten!
Einem Schwerkriegsbeschädigten, der in einer Schuhfabrit beschäftigt war, wurde gekündigt, ohne daß die Hauptfürsorgestelle zugestimmt hatte. Der Kläger hat der Beklagten wiederholt seine Dienste angeboten, allein die Firma erklärte immer wieder, daß sie ihn infolge der Wirtschaftstrise und mangels Aufträge nicht beschäftigen fönnte. Der entlassene Schwerbeschä digte flagte auf Weiterbeschäftigung oder Fortzahlung des Lohnes, weil er ohne die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle entlassen worden sei.
Zu entscheiden in diesem Rechtsstreit war die Frage, ab der Kläger trotz der unberechtigten Kündigung zum wörtlichen Angebot seiner Dienste gemäߧ 295 BGB. verpflichtet war, oder ob die Beklagte sich durch die objektiv ungerechtfertigte Kündigung und Entlassung aus ihren Diensten selbst in Annahmeverzug gesetzt hat, welcher fortgedauert hat.
Das Reichsarbeitsgericht entschieb zugunsten des Klägers. Er sei ohne Zustimmung der Hauptfürsorgestelle entlassen worden. Wiederholt habe er der Beklagten seine Dienste angeboten, er sei aber nicht wieder eingestellt worden, angeblich wegen Arbeitsmangel. Hierin erblicke das Gericht einen schweren Berstok gegen die Bestimmung des Schwerbeschädigtengefehes.( RAG. 400/32).
Hierzu 3 Beilagen
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