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Abend- Ausgabe Nr. 40 B 20 50. Jahrg.

Rebattion und Berlagi Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin

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BERLINER

VOLKSBLATT

DIENSTAG

24. Januar 1933

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts.. ..... 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

,, Erlaubtes schüßen"

Eigenlob der Melcher- Polizei Der kommissariche Polizeipräsident Dr. Melcher hat der Schutzpolizei in einem be­sonderen Erlaß seinen Dank dafür ausge­sprochen, daß sie mit Aufgebot von 14 000 Mann und unter Einbuße ihres Sonntags= urlaubs eine Nazidemonstration von 10 000 Mann ermöglicht hat. In dem Erlaß heißt es:

,, Die Berliner Polizei hat erneut bewiesen, daß fie pflichtgemäß Erlaubtes schütt und Verbotenes hindert, nicht aber umgekehrt, Erlaubtes Derbietet, weil ordnungsfeindliche Elemente es zu stören drohen. Mit solchem falschen Verfahren würde sich die Polizei zwar für den Augenblickt ihre Sache leicht machen, auf die Dauer aber der Staatsautorität schaden."

Diese Selbstbeweihräucherung strömt jenen Duft aus der nach der Volksmeinung von jeher dem Eigenlob anhaftet. Die Polizei des Herrn Melcher, die angeblich nach dem Grundsatz handelt, Erlaubtes zu schützen und Verbotenes zu verhindern, hat nicht verhin­dert, daß die aufziehenden SA.- Kolonnen blutrünstige und gemeine Wei­sen sangen, deren Kehrreim eine gemeine Beschimpfung der Staatsform enthielt. Auf der anderen Seite ist es Herrn Melcher gar nicht eingefallen, die erlaubte Kon= zertveranstaltung der Volks­bühne zu schützen, obwohl deren Be­sucher doch wirklich nichts dafür konnten, daß es Herrn Hitler plöglich einfiel, in der unmittelbaren Nähe des Volksbühnengebäu­des eine Parade seiner Bürgerkriegsarmee abzunehmen. Der Schutz des Erlaubten" durch die Polizei hat im Fall Volksbühne darin bestanden, daß etwa 500 Besucher in das Gebäude eingelassen, über 1000 jedoch durch die Polizei am Be treten des Gebäudes verhindert wurden, sogar mit der wissentlich un wahren Auskunft, daß die Veranstal­tung nicht stattfinde!

Auch sollte man glauben, daß der Grund­saz, Erlaubtes zu schützen und Verbotenes zu verhindern, sich nicht auf Berlin beschränke. Durch eine Kleine Anfrage der fozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Kraft und Hofacker erfährt man jedoch folgendes: Der sozialdemokratische Bezirks­vorstand von Hessen Kassel hatte in einer Anzahl Städte plakate anschlagen lassen, die den Wortlaut der Todesanzeige der Mutter des Dresdener SA.- M.ann Hentsch enthielten, der bekanntlich durch Fememord der Braunhemden beseitigt wor­den ist. Gegen diese Plakate entfalteten die Nazis unter Führung des berüchtigten Freisler eine wüste Heze, die an ver­schiedenen Orten dazu führte, daß zusammen­gezogene SA.- Banden systematisch die Pla= tate abrissen.

Hierbei hat die Polizei an mehreren Orten tatenlos zugesehen, ja sich geweigert, einzuschreiten. So wurden zum Bei­spiel in Hersfeld nach dem Wortlaut der Kleinen Anfrage unter den Augen der Po­lizeibeamten Kasper und Vollmer Plakate abgerissen, ohne daß die bei­den Beamten die Täter daran gehindert hätten. Weiter stellt die An­frage fest:

Der Bürgermeister von Hersfeld erwies sich zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung durch die Nichterteilung der notwendigen An­meifungen für unfähig und wußte nichts anderes zu tun, als die Entfernung der Plakate anzuordnen. Der Verwirrung der Behörden in Hersfeld ging so weit. daß ein Aufklä= rungsflugblatt der SPD. vom Bürger­meister ebenfalls verboten wurde, jedoch

Hermine bettelt um Osthilfe!

Sozialdemokratische Mitteilungen über das Osthilfepanama bestätigt!

Im Hauptausschuß des Reichstags ging heute die Regierung auf die von den So­zialdemokraten aufgedeckten ungeheuren Skandalfälle bei der Osthilfe ein. Die Richtigkeit der sozialdemokratischen Angaben wurde dabei zugegeben, vor allem auch, daß sich die Frau des Ex­kaisers, Hermine, persönlich um Ost­hilfe für ihre Familie bemüht hat!

Minister von Braun

beginnt seine Rede mit einer erneuten Beweis­führung über die traurige Lage der Landwirt­schaft. Dann erörtert er Einzelfälle, die die sozial­demokratische Fraktion angeführt hat. Er gibt zu, daß zwei Landstellenleiter der Osthilfe durch die Osthilfe umgeschuldet wurden. Dabei sei nichts zu finden, Sanierung sei fein Konkurs.

Alle Sozialversicherungsbeiträge seien aus den Betriebseinnahmen abzuführen. In Zukunft würden diejenigen Treuhänder entlassen werden, die nicht danach verfahren.

Die ausgefallenen Lohnforderungen sollen in Zukunft aus dem Betriebssicherungsfonds gezahlt werden.

Das Reich zahle drei Jahre lang jährlich an die Industriebank 1,5 Millionen Mark Zuschuß für deren Osthilfearbeit.

Ministerialdirektor Reichardt, der Leiter der Ost­hilfe, gibt dann weitere Auskünfte. Zahlen­angaben möchte er aber nur im Unterausschuß machen.

Er muß zugeben, daß die von den So­zialdemokraten und auch die vom Zen­trum vorgebrachten Einzelfälle zur Ost­

hilfe richtig sind. Abgesehen davon, daß mitunter die zahlenmäßigen An­gaben nicht vollständig waren, wird im besonderen zugegeben, daß die Fa= milie der Hermine von Hohen­zollern, die Schönaich- Carolath, sich um Entschuldung bemühe. Es handelt sich um die Prinzessin Margarete und den Prinzen Hans Georg. Hierzu stellt der Abgeordnete Heinig fest, daß die Frau des Exkaisers wegen dieser Fälle mit dem Leiter der Landstelle Frankenburg bereits verhandelt hat!

Die Entscheidung über die Umschuldung der Prinzessin und des Prinzen sei noch nicht ge­troffen. Die Osthilfefanierung des Prinzen Schönburg- Waldenburg sei deswegen noch nicht entschieden, weil man noch überlege, ob mit Rücksicht auf das persönliche und sonstige Vermögen eine solche Sanierung berech­tigt sei.

Auch zu den Fällen von Weiß- Plauen, Graf Kaldstein, von Wolft usw. wird von dem Ostkommissar die Richtigkeit des Ausfalls von Reichsdarlehen zugegeben.

Diese Verluste trage in erster Linie die Osthilfe!

Weiter wird jetzt zugegeben, daß das Ent= schuldungsverfahren für den Kammer­herrn von Oldenburg- Januschau ab= geschlossen sei. Man habe ihm aber auf­erlegt, daß er sein Gut Lichterfelde bei Eberswalde für die Siedlung abgebe und aus den Einnahmen dieses Verkaufs seine Schulden ab­gedeckt würden.

Neue Nazifrawalle

Stinkbomben in der Breslauer Universität

Breslau, 24. Januar. Nach mehrwöchentlicher Unterbrechung nahm am Dienstagvormittag Professor Dr. Cohn seine Vorlesungen an der Breslauer Universität wieder auf. Wie angesichts der fortdauernden un­erhörten Angriffe in der Nazipresse und nach den häufigen aggressiven Erklärungen, die neuerdings wieder von den hakenkreuzlerischen Studentenver­bänden in verschiedenen reaktionären Blättern der schlesischen Hauptstadt veröffentlicht wurden, anzu= nehmen war,

fam es am Dienstagvormittag wieder zu Radaufzenen in und vor der Universität.

Laut Mitteilung der Universitätspressestelle ver suchten zahlreiche Studenten mehrmals, im Uni­versitätshauptgebäude die Ruhe zu stören. Die nationalsozialistischen Tumultan= ten begnügten sich diesmal nicht mit Singen und Schreien.

Un verschiedenen Stellen des Gebäudes rour­den Tränengas- und Stinkbomben geworfen. In einer Fernfprechzelle im ersten Stod der Universität brachten einige SA.- Stu­denten einen kanonenschlag zur Ent­zündung.

Sofort herbeigerufene Kriminalbeamte stellten

später auf Vorstellung wieder freigegeben werden mußte, da es nur die tatsächlichen Vorgänge schilderte.

Der Landrat des Kreises Ziegen hain ging fogar so weit, das Verteilen oder das Ankleben der Plafate für den gan zen Kreis zu verbieten, so daß es dort

zehn Unruhe stifter fest. Während der Vorgänge auf den Korridoren randalierte eine Gruppe von Nichtstudenten vor dem Haupt­gebäude. Dabei wurden im Sprechchor Schmäh­rufe auf Professor Dr. Cohn ausgebracht.

Die Vorlesung von Professor Dr. Cohn erfuhr feine Störung, da von den Universitätsbehörden hinreichende Sicherungsmaßnahmen getroffen worden waren. Professor Dr. Cohn hielt am Dienstagvormittag seine Kollegs im benachbarten Seminargebäude ab.

,, Staatsnotstand?"

Die Regierung ,, erwägt" nicht

Entgegen anderslautenden Pressemitteilungen wird von amtlicher Seite erklärt, daß bei der Regierung feinerlei Erwägungen über die Frage des Im Staatsnotstandes schweben. übrigen aber wird anläßlich einer Veröffentlichung des demokratischen Pressedienstes darauf hin­gewiesen, daß die Auffassung, derzufolge der Reichspräsident ein Einberufungsrecht des Reichstages nur nach Schluß der Tagung habe, nach einer neuerlichen Auslegung unzu­treffend sei.

erst gar nicht zum Anschlag gekommen ist. Der Landrat begründet sein Vorgehen damit, daß in einigen Orten seines Kreises Spannungen zwischen Mitgliedern der SPD. und NSDAP . beständen, die zu Ausschreitungen führen könnten. Das nennt man. Erlaubtesschügen! Ein herrlicher Grundsaz. Nur scheint es,

Hier steht zu befürchten, wie die Dis­kussion im Haushaltsausschuß ergab, daß die Siedler das Land Herrn von

1933

S- A 748 S.-U. 16 39

29-336

SONNTAG

29

JANUAR

31 Tage

M.- A 97 M.-U. 21 18

14½ Uhr. Fustgarten.

Balin bleibt not!

5 Woche

Oldenburg nicht gerade billig ab. kaufen können. Darüber soll noch nähere Auskunft gegeben werden.

Der Professor Ernst ist aus dem Siche­rungsverfahren entlassen worden, weil er tat­sächlich in Berlin eine sehr gute Zahnpraris habe.

Die beiden Landstellenleiter, die saniert worden seien, hätten ihr Verfahren bei anderen Landstellen zur Erledigung gehabt. Die Tat­bestände selbst sind richtig.

Der Fall von Flügge sei erst noch in Ar­beit. Bei Herrn von Fläming handele es sich um mehrere Güter. Das Verfahren sei noch nicht beendet. Ein Gut soll abgegeben werden. Die Bietungskaution im Falle Fläming habe nicht 100 000, sondern 40 000 Mark betragen.

Richtig sei, daß ein sanierter Osthilfeinteressent Livonius in München Kinobesig ge= habt habe. Als man ihn aus dem Sicherungs­verfahren entlassen wollte, hätten aber die Gläubiger um Weiterführung des Verfahrens gebeten!

Darüber, wie die Erörterungen über die Ost= hilfe weitergeführt werden, wird der Haushalts­ausschuß erst bei Schluß der Debatte entscheiden.

*

Zu den voraufgehenden Beratungen sprach als erster über die wahren Zustände in der Land­wirtschaft der Landarbeiterführer

Georg Schmidt( Soz.):

Es ist bei den Landwirten üblich geworden, um ihre Notlage zu demonstrieren, die Land­arbeiterlöhne nicht zu zahlen. Das gleiche gilt für die Sozialbeiträge. Seitens des deutschen Landwirtschaftsrats werden für 26 300 Betriebe in einem siebenjährigen Durchschnitt bis Mitte 1931 die Betriebsergebnisse geschildert. Dem­nach sind die Betriebseinnahmen je Hektar von 374 M. auf 412 M. gestiegen. Die Betriebsausgaben von 339 M. auf 338 M. gefallen oder gleichgeblieben. In den fünf

daß er von den Melchers sehr einseitig be­folgt wird. Wenn der Terror nämlich von rechts ausgeht, dann verbietet das System Bracht- Melcher das Er­laubte laubte und schüßt das Ver. botene!