Morgen- Ausgabe
Nr. 41 A 21 50. Jahrg.
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BERLINER
VOLKSBLATT
MITTWOCH
25. Januar 1933
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Bezucsberingungen und anzeigenpreise fiehe am Schluß des rebuktionellen Teils
Kriegserklärung an Schleicher
Hugenberg verlangt Rücktritt der Regierung, weil sie nicht ,, autoritär" genug ist!
Der angekündigte Borstoß der Deutschnationalen gegen Schleicher ist nun erfolgt Mit der Robustheit, die den preußischen Granden eigentümlich ift, geben sie dem Kanzler einen Fußtritt, weil er ihre habgierigen Wünsche nicht in vollem Umfange zu erfüllen scheint. Natürlich drapieren sie thre Absage mit dem Gemeinwohl Deutschnationale haben nie anderes als das Gemeinmohl im Auge gehabt von den Juntern im Osten bis zu den Schlotbaronen im Westen. Die Proklamation der Autoritären gegen die zweite autoritäre Regierung lautet:
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Die Reichstagsfraktion der Deutschnationalen Bolkspartei ist der Auffassung, daß eine grund sägliche Entscheidung in einer Reihe von Lebensfragen der Nation, insbesondere eine durchgreifende Lösung der schwebenden Wirtschaftsfragen erforderlich ist, um der unerträglichen fozialen Not zu steuern.
Dazu muß in erster Linie eine vollständige Neubildung des Kabinetts erfolgen, um die erforderliche Schlagkraft und Einheitlichkeit der Regierungsführung, und zwar namentlich der Wirtschaftspolitit sicherzustellen. Die wachsende Notlage und die wachsende Erbitterung im Bolfe perlangt Klärung. Allzu lange dauern jetzt schon die mit der Demission des Bapen- Kabinetts begonnenen Verhandlungen und Besprechungen in Berlin , um noch Verständnis im Bolke zu finden. Die Politik des Hinhaltens und Zauderns : stellt alle Ansäge einer Besserung in Frage. Die 1 an sich schon so großen Gegenfäße im Lande ver tiefen sich immer weiter.
Dazu trägt auch die mangelnde Einheitlichkeit in ten Anschauungen und Aeußerungen der einzelnen Ressortminister bei. Der unnatürliche Gegensatz zwischen Stadt und Land wird ver tieft, während eine wahrhaft fruchtbare Wirtschaftspolitik nur auf der Grundlage des Bewußt. feins geführt werden kann, daß Stadt und Land eine untrennbare Schicksalsgemeinschaft bilden und daß einer vom anderen lebt. Ohne ein Wiederansteigen der nationalen Güterproduktion und damit der Arbeit und der Kauftraft ist die Lage des deutschen Boltes nicht zu verbessern. Aber dieser entscheidende Gesichtspunkt tritt meter in den Maßnahmen noch in den wirtfchaftspolitischen Aeußerungen der Reichsregierung hervor. Vielmehr wird in der Wirtschaftspolitif ein neues 2bgleiten in sozia. listisch internationale Bebantengänge immer deutlicher. Eine besondere Gefahr bedeutet es, wenn man Gegensähe zwischen groß und flein, vor allem in der Landwi: fshaft, entstehen läßt und dadurch die Gefahr eines Bolichemismus auf dem flachen Lande hervorruft.
Ueberall taucht der Berdacht auf, daß die jezige Reichsregierung nichts anderes bedeuten werde als die Liquidation des autoritären Gedankens, den der Herr Reichspräsident mit der Berufung des Kabinetts von Papen aufgestellt hatte, und die Zurückführung der deutschen Politik in das Fahrwasser, das dank dem Erftarten der nationalen Bewegung verlassen zu jein schien.
Bon dem Zeitpunkt der Demission des Kabinetts Papen ab hat die Deutschnationale Bolts
partei vor einer solchen Entwicklung ständig gewarnt. Bei ihren Anhängern im Lande und darüber hinaus hat das Bersagen der Regierung steigende Enttäuschung und Gegnerschaft hervorgerufen. Die deutschnationale Reichstagsfraktion gibt erneut ihrer Ueberzeugung Ausdruck, daß die Staats- und Wirtschaftstrise nur durch eine starte Staatsfüh rung überwunden werden tann.
Man sieht deutlich: Die Enthüllung über den Oststandal im Reichsteg hat es den Herren ange tan: So was fann sich nur eine Volksvertretung leisten! Hätte man sie zum Teufel gejagt, dann blieb der Schleier über die Bevorzugung der Großgrundbefizer gegenüber den Bauern gedeckt. Jetzt kommt es heraus, welche Brüder an der Krippe fizen, jetzt heißt es: Autorität gegen Bublizität!
Die Absage der Deutschnationalen ist bei dem Einfluß, den diese Herrschaften hinten herum befizen, von größter Bedeutung. Es kann das Ende der Regierung Schleicher werden.
Die Herrschaften um Hugenberg hatten unter Papen den hundertprozentigen Einfluß im Reich, fie fürchteten unter Schleicher zehn Prozent davon einzubüßen. Deshalb tamen die Bühler, die seit acht Monaten fchon zwei Kanzler gestürzt haben, wieder aus ihren Löchern hervor und beweisen die Festigkeit und Dauer ihrer gänzlich neuen Staatsführung, indem sie jetzt dem dritten an den Kragen gehen. Er, der hinter den Kulissen als der starfe Mann" gerühmt wurde für die Vertretung ihrer selbstsüchtigen Interessen ist er ihnen zu schwach.
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,, Umbildung des Kabinetis" mit dieser Be gründung bedeutet natürlich auch Ausschaltung des Reichstags. Dazu braucht man den seit einigen Tagen in die Debatte geworfenen„ Staatsnotstand".
Proflamierung des staatlichen Notstandsrechts ist mit einem Worte Staatsstreich, ist Revolufion von oben, und es läßt sich daher begreifen, daß Schleicher in für die Presse be
stimmten Erklärungen von den ihm nachgejagten Absichten abrückt. Aber wir sind durch Erfahrung gewißigt, folchen Demenfis gegenüber sehr vorsichtig geworden.
Bir erinnern uns an die halbamtlichen Er flärungen und Beteuerungen aus der Zeit, in der es mit Papen ungefähr so stand wie heute mit Schleicher.
Es ist daher unsere Pflicht, die Arbeiterklasse nicht nur, sondern alle, denen der Grund jaz der Verfassung, nach der die Staatsgewalt vom Bolte ausgeht, feine leere Bhrase ist, auf die brohende Gefahr aufmerksam zu machen. Es gilt die leitenden Organe des Staats vor einem Schritt zu warnen, durch den jedes Rechtsgefühl und da mit jede Rechtsordnung zerstört würde. Folgen wären nicht nur für die Wirtschaft verhängnisvoll.
Berfaffungsbruch bleibt, welchen Namen er auch führen mag. Verfassungsbruch, und wenn man ihn als natürliches Recht der Regierung hinstellt, so besiken die, zu deren Nachteil er un'ernommen wird, ein noch höheres Recht, fich gegen ihn zur Wehr zu setzen.
Gewiß, wir fommen um die melancholische Feststellung nicht herum. daß die Notstandstheorie gewachsen ist auf dem Boden, den die demo trattefeindlichen Parteien der National fozialister und Kommunisten bereitet haben, daß also Millionen von Wählern felber die Schuld tragen, wenn die, die ihnen ihr Recht rauben wollen, jetzt ihrem Ziel nahe zu sein glauben. Aber auch diese Tatsache kann das Berlassen des verfassungsmäßigen Weges und die Hinwendung zur Diftatur nicht rechtfertigen. Sie sollte nur eine Mahnung für alle fein, bei ben Neuwahlen, die vollzogen werden müssen, wenn es im Reichstag feine Regierungsoder Tolerierungsmehrheit gibt, die Massen darüber aufzuffären, wie sie wider sich selbst wüten. wenn sie Parteien unterſtügen, die die parlamentarische durch eine andere Regierungsform erfeßen wollen. Und eine ihrer Pflicht bewußte Regierung müßte an dieser Aufklärung mit allem Eifer mitwirken.
Die Regierung will antworten
Wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, wird die Regierung auf die deutschnationale Erflärung bei paffender Gelegenheit antworten. In Kreisen, die der Regierung nahestehen, erflärt man der Tel. Union ", irgend etwas Positives enthalte die Erklärung nicht. Die Tendenz der Erflärung sei mohl die Quittung darauf, daß der
Kanzler nicht bereit sei, die Deutschnationalen in die Regierung hineinzunehmen,
Was die Bemerfung über sozialistischinternationale Gedankengänge der Regierung anbetreffe, so frage man fich, ob damit vielleicht die Lösung von 3ollbindungen ( mie beim deutsch - holländischen Bertrag) gemeint
sei. Was die Erklärung eigentlich bewirken folle, fei noch unflarer als der Inhalt der Erklärung felbft.
Insofern sei die Erklärung allerdings zu begrüßen, als dadurch eine, wenn auch negative Klärung der politischen Lage eingetreten sei, da die Deutschnationalen nunmehr der Regierung eine Absage erteilt hätten.
Warnung aus dem Süden
Die Reichstagsfraktion der Bayerischen Boltspartei fündigt in einer sehr scharfen Erklärung erbitterten Widerspruch an gegen jede verfassungswidrige Ausschaltung der Bolksvertretung und gegen die Proflamierung eines ,, Staatsnotstandes".
Von S. Aufhäuser
Seitdem die agrarische und mono polkapitalistische Reaktion mit der unter faschistischer Geburtshilfe gewachsenen Baronsregierung zur Staatsmacht gelangt mar, ist gelegentlich durch innere Cliquenkämpfe der Harzburger und der verschiedenen tapitalistischen Interessentenhaufen die mirtliche politische Situation ver= wischt worden. Besonders hatte der Bersonalwechsel Papen Schleicher hier und dort Illusionen geweckt, als bedeute die Kanzlerschaft des sozialen Generals" irgendwelchen Kurswechsel. In Wirklichfeit fonnten die veränderten Kampfesmethoden an der wachsenden Gefahr der Reaktion für die Arbeiterklasse nichts ändern. Herr von Schleicher hat sich wohl als der bessere Plauderer erwiesen und er hatte es zunächst für richtig befunden, im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger vom Angriffstrieg zum Stellungsfrieg überzugehen. Die soziale Bilanz weniger Monate genügt indes, alle falschen Hoffnungen auf das neue Regime endgültig zu begraben.
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Bon all den großen Ankündigungen Schleichers auf umfassende Arbeitsbeschaffung ist eine Miniaturausgabe des Gerete Planes übriggeblieben. Mit ganzen 500 Millionen Reichsmart will die öffentliche Hand mit Auftragserteilung eingreifen, so daß bestenfalls 200 000 Erwerbslose Beschäftigung finden könnten. In welch hemmungsloser Gebefreudigkeit andrerseits unfähigen und verschwenderi= fchen Großagrariern die Reichsgelder nachgeworfen werden, hat das Osthilfe Panama bligartig beleuchtet.
Der soziale General" war noch nicht einmal bereit, die Papenschen Steuergut scheine aufzuheben, die als Einstellungsprämien verabreicht werden. Private Unternehmer erhalten jezt aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm Aufträge und zu säglich noch für daraus notwendig werdende Neueinstellungen von Arbeitern und Angestellten besondere Steuergeschenke.
Die gesamte Sozialversicherung ist ihrer Rechtsgrundlagen beraubt, der grundsätzliche Unterschied zwischen sozialer Bersicherung und allgemeiner Fürsorge nahezu aufgehoben. Für die am härtesten getroffene Invalidenversicherung hat die sonst so gebefreudige Regierung Schleicher nichts an Reichsgeldern übrig.
In der Arbeitslosenversiche rung ist die Enteignung der Versicherten völlig unerträglich geworden. Nicht weniger als 300 Millionen Mark sind aus dem Beitragsaufkommen 1932 ihrem rechtmäßigen 3wed entzogen worden, um für Wohlfahrtszwecke verwendet zu werden, deren Deckung bisher aus allgemeinen Steuermitteln vorgenommen werden mußte. Eine Arbeits