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Der Anarchistenputsch Die spanischen Syndikalisten im Dienste der monarchistischen Reaktion
Unter Ostelbiern
V on unserem Korrespondenten Madrid  , Mitte Januar 1333� Die revolutionäre Aktion des spanischen   An- archismus in der ersten Januarhälste dieses Jahres ist auf der ganzen Linie zusammen- gebrochen. Wenn hier und dort, in kaum be- kannten Orten, von syndikalistischen Gewerkschaften Generalstreiks ausgerufen werden, wenn in große- ren Städten bedeutungslose Sektionen Sympathie- streiks anzuzetteln versuchen, lo geht deren Be- deutung kaum über die betreffende Ortsgrenze hin- aus, und außer den unmittelbar Beteiligten und den nimmermüden Berichterstattern ultrarevolutio- närer und reaktionärer Zeitungen nimmt kein Spanier überhaupt Notiz davon Man hat sich an das Generatstreikfpielen der Syndikalisten schon gewohnt säst jede Zeitung hat ihre tägliche SpalteStreiks und Arbeits- Konflikte*, und darunter gibt es dann meist nur eine Aufzählung der Streiks, die im Laufs der letzten Tage angefangen bzw ausgehört haben. Damit soll nicht gesogt werden, daß die spani- schen Arbeitsverhältnisse etwa so glänzend wären daß gar kein Grund zum Streik vorläge. Wie wollte man das erwarten in einem Staat, in dem bis vor knapp zwei Iahren die Arbeiter und Bauern überhaupt keine Rechte hatten, in einem Land, das feit Jahrzehnten nur von Adel, Kirche und Grundbesitz regiert wurde? Aber es geht den Anarcho-Syndikalisten ja gar nicht um Verbesserung der Arbe-tzverhältnisse, nicht um Lohnerhöhung und nicht um Arbeitszeit- Verkürzung! Die meisten spanischen Unruhen sind ja gar keine Arbeitskämpfe, sondern sind Auf- standsversuche konterrevolutio- närer Gruppen, bei denen ausgehetzte, meist a r b e i t s lose junge Proletarier die Masse dar- stellen müssen. Die anarcho-syndikalistischen Führer haben ihre Gründe, sich in die Front der Konterrevolutio- näre einzureihen. Seit dem 14 April 1931, dem Tage der spanischen   Revolution, befindet sich Spanien   auf dem Wege zur demokra» tisch-sozialistischen Republik. Welche Funktionen könnte in einem solchen Staate der Anarchismus haben? Schon heute verlassen denkende Arbeiter in Scharen die syndikalistischen Reihen und stellen sich in die Front der frei» gewerkschaftlichen Bewegung die seit der Staatsumwälzung einen ganz unerwartet großen Aufschwung genommen hat. Die sozialistische Orientierung im neuen Staat geht den Anarcho-Syndikalisten aus die Nerven. Wenn Land- und Fabrikarbeitern menschenwürdige Wohnungen gebaut werden, wenn sie und ihre Familie bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Iln- glücksfällen eine genügende staatliche Unterstützung erhalten, wenn sie in vielen hundert staatlichen Abendschulen lesen und schreiben lernen, wenn ihre Kinder in achtjähriger obligatorischer Schulzeit zu denkenden Menschen erzogen werden, wenn end- lich Arbeitervertreter in Regierung, Gericht und Verwaltung ihrer Not Verständnis«ntgegenbrin» gen und Abhilfe schaffen, sich bei Arbeitskonflikten auf die Seite der Arbeiterschaft stellen, womit können dann die anarchistischen Führer die Massen noch an sich ketten? Nein, es geht ihnen wirklich nicht um eine Besse- rung der wirtschaftlichen und sozialen Lag« der Arbeiterschaft. Es geht ihnen darum, der mar- schierenden Revolution Steine in den Weg zu werfen, sozialillische Gemeindevertreter, sozio- listische Bürgermeister, sozialistische Minister, die sich gegen die unsinnigen Streiks wenden, vor den Massen zu kompromittieren und so die Reaktion zu stärken. Nach den letzten Ereignissen liegt die Ver­mutung sogar äußerst nahe, daß der anarchi  - stische Putsch im Einvernehmen mit monarchisti­schen Kreisen eingeleitet und von diesen unter- stützt worden ist. Man achte auf die Reihenfolge der Ereig- nisse: am 39. Dezember findet die Polizei in Barcelona   tausend fertig montierte Bomben, tags darauf fallen ihr Dokumente in die Hände, aus denen hervorgeht, daß die syndikalistischen Ge- werkschasten für den 1. Januar den Generalstreik auszurufen planen. Di« Veröstentllchung des ge­fundenen Materials und die sofortige Zusammen- Ziehung militärischer Kräfte in den revolutionären Zentren verhindert den Ausbruch des Streiks: aber in derselben Nacht zum l. Januar werden lssmonarchistische Deportierte von Ge- sinnungsgenossen au» der Strafinsel Villa Cisneros befreit. Zufall? Als der Aufstand am B. Januar endlich aus- bricht, wird er wenigstens in den größeren Städten in wenigen Stunden erstickt. Am 9. Januar erklärt die syndikalistische Tagespresse: Neues Manöver der sozialistischen   Minister: sie organisieren einen anarchistischen Putsch, um unsere Bewegung unter Ausnahmegesetz zu stellen. Am 10. Januar aber verkünden dieselben Blätter: Das spanische Proletariat rebelliert! Die Revolution beginnt. Die nationalistischen Zeitun- gen bringenSchilderungen von Augenzeugen" und seitenlange Berichte über die Tatiache, daß in drei oder vier der vielen hundert spanischen Dörfer die Ausständischen einen Gemeindevorsteher verhafteten oder einige Soldaten entwaffneten. Und welchen Zweck sollte der ganze Pussch nun
eigentlich haben? Die Antwort: Es war gar kein Aufstand zur sofortigen Beseitigung der ver- fassungsmäßigen Regierung: das Programm lautete nur: Entfachunq revolutio- närer Erhebungen. Nachdem im Borjahre erst ein anarchistisch-kommunistsscher, dann ein monarchistischer Umsturzversuch mißglückt ist, haben beide Gruppen eine andere Metbode gefunden, die verhaßte republikanisch-sozialistiiche Regierung los- zuwerden: sie bei der Masse>n Mißkredit zu bringen und unpopulär zu machen. Durch revolutionäre Erhebungen soll das Wirtschaftsleben lahmgelegt, die Sicherheit dauernd gefährdet werden, damit in der großen Masse der republikanischen Wählerschaft der Ein- druck entsteht, daß die gegenwärtige Regierung zur Verwaltung des Landes und zur Ausrecht- erhaltung der Sicherheit und Ordnung unfähig sei. Fünfzig Tote müssen zu dem nun begin- nenden Hetzfeldzug das Material geben. Dan links geht es gegen diefaschistische Regierung, die aus wehrlose Arbeiter schießen läßt", von rechts gegen diesozialistische Regierung, die den marxistischen  Banditenstreichen tatenlos zusieht, die den wehr- losen Bürger dem roten Mordgestndel ausliefert und Spanien   zum wirtschastlichen Zusammenbruch führt." In den letzten Tagen mehren sich die Ge- r ll ch t e, wonach der jüngste Anarchistenputsch von den Monarchisten auch finanziell unter st ützt worden ist. Wovon sollten sonst die anarchistischen Organisationen die Gewehre und Revolver bezahlt haben, die bei Haussuchungen in den Wohnungen der Autrübrer gesunden und be- schlagnahmt worden sind? Kaum von den spärlich eingehenden Beiträgen ihrer Mitglieder. Wenn man dann noch die immer häufiger werdende Tat- fache berücksichtigte daß katholische Ar- beiter von ihren Arbeitgebern zum Eintritt in die anarcho-syndikalisti- schen Gewerkschaften ausgefordert werden, nehmen die Vermutungen immer festere Gestalt an. Was aber in republikanischen Kreisen die größte Ueberraschung hervorrief, war die Reaktion der Börse auf die revolutionären Ereignisse. Während erfahrungsgemäß bei linksreoslutionären Umsturzversuchen die Notierungen insbesondere die staatlichen Papiere, emen beträchtlichen Sturz erfahren, zogen in den letzten Unruhetagen die Kurse ausfallend stark a n. Sollten die Herren mit dem vielen überflüssigen Geld die in der übergroßen Mehrzahl sicher keine Freunde der - gegentvärtigen Regwyntz, sind' sr.niMeiHt etwas mehr darüber gewußk'.hsben. w.r.r»ui der Strsße die Revolution machte, und. mit.einem, ganz.ande- ren Ziel als dem derfreien kommunistischen   Re- publik"? Es wiederholt sich heute in Spanien   das be- schämende Schauspiel, daß die Arbeiterschaft im letzten Jahrzehnt schon in so vielen europäischen  Ländern mit ansehen muhte: Anarchisten und Kommunisten, Reaktion und Monarchisten Arm in Arm gegen die organi- sierte Arbeilerschost, gegen Republik  , Demo­kratie und Sozialismus. Die spanische Regierung hat schon mehrmals Be- weise dafür gegeben, daß sie ihre Gegner nicht mit Samthandschuhen anzufassen gewillt ist. Möge sie auch diesmal den Rechts- und Links- Putschisten einen dicken Strich durch ihr« ge- meinsame Rechnung machen, möge sie das Steuer dos Staatsschiffes fest in der Hand behalten, mit Kurs auf die sozialistische Demokratie! E. Srfi.
M
Hier steht: Rejierung soll den überstaatlichen Notstand proklamieren." Jroßart'je Idee! Notstand paßt immer. Das is'n neuer Jrund für 0 s t h i 1 f e!"
Winter auf dem Arbeitsmartt 193 030 Erwerbslose in der ersten Januarhälfte mehr
Die Arbeitslosigkeit hat in den ersten beiden Januarwochen unter dem Einfluß des Frostes in . erheblichem.Umfange zugenommen. Zwar blell't der Zuwachs mit rund. 133 999 Erwerbslosen noch weit hinter der gleichen Berichtsperiode des Vor- jahres, wo rund 234 900 Erwerbslose neu zu den Arbeitsämtern strömte«, zurück: doch zeigt sich in der anhaltenden Verschlechterung des Arbeits- Marktes, daß die ArbeitSbeschaffungsplän« der Reichsregierung bisher nur in der Theorie bestehen. Von irgendeiner Linderung der durch den scharfen Frost säisonmäßig verstärkten Arbeits- lofigkeit durch Ingangsetzung der Arbeitsbeschaffung kann nach den bisherigen unekfreulichen Ergeb- mssenn i cht di e R ede fe i m' s Immerhin zeigt sich, daß die Konjunkturgruppen der Industrie auch in den letzten Wachen eine ziem- lichg Widerstgichpsahigkeit bewiesen haben und daß der Zuwachs an neuen Arbeitslosen fast ausschließ- sich zu Lasten der Saisongruppen geht. In den letzten sechs Wochen entwickelte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt wie folgt: Millionen Erwerbslose lgZl/ZZ 1932/33
30. November 15. Dezember 31. Dezember 15. Januar.
5,06 5.35 5,66 5,96
545 5,60 5.77 5,96
Seit Ende November vergangenen, Jahres ist
also die Arbeitslosigkeit um rund 698 999 Personen gestiegen, während in der gleichen Periode des vor- hergehenden Jahres von November 1331 bre Mitte Januar 1332 ein Zustrom von 392 999 neuen Er- werbsiosen stattgesunden hat. Das erstmalige Zusammenfallen der zum 15. Ja- nuar von den Arbeitsämtern ausgewiesenen Er- werbslosenzahl mit den Ziffern von Mille Januar 1332, auf die der Bericht der Reichsanstall mit besonderem Nachdruck hinweist, will so lange nichts besagen, als keine Möglichkeit einer genauen statistischen Erfasiung sämtlicher Arbeits- losen in Deutschland   besteht. Bei der Existenz einer unsichtbaren Arbeitslosen- a r m e e. deren Höh« man nur entfernt schätzen kanir, Ist jedem Zweckoptimismus gmt- sicher Stellen bei dem Ausweis der Arbeitsamt- ziffern Tür und Tor geöffnet. Am einzelnen, stellt die Reichsynstall sesl, hqß in der Landwirtschaft während der Berichtszell noch größere Entlassungen stattsanden. Die Verstärkung der Belegschaften im Kohlenbergbau hat aufgehört. . nur im. Erzbergbau fanden Neueinstellungei, statt. Bei den Hütten- und Walzwerken waren im Rhein  - lande und in Schlesien   NeueinsteUungen möglich: auch in der keramischen und Glasindustrie besserte sich die Beschäftigung, während in der metall- verarbeitenden Industrie endlich der Schrumpfungsprozeß zum Stillstand gekommen zu sein scheint.
Das Reichsehrenmal Die Entscheidung des Rreisxerichts Das von der Stiftung Reichsehrenmal berufene Preisgericht hat dem Entwurf der Professoren Bieber und W a ch e r l e- München, dem Eni- wurf der Professoren Ulsert, Janssen und Heinz Wetzel  - Stuttgart  , sowie dem Entwurf von Professor Kreis- Dresden je einen Preis von A>99 Mark zugesprochen. Ferner hat der Entwurf van Regierungsbaumeister Blecken, Regierungsbaumeister Breuheuser. Architekt H o l b o r n- Duisburg einen Preis von 1599 M. und der Entwurf von Diplomingenieur .Pfeiffer Haardt-München in Verbiiümng mit dem Glockenoorschlag-Otto Schill   i n g- Apolda   einen Preis von 1999 M. erhalten. Dos Preisgericht hat der Stiftung Reichsehrenmal von den mit gleichen Preisen ausgezeichneten drei Entwürfen in erster Linie den Entwurf Bieber- Wacherle zur Ausführung empfohlen.
.Alfons Fedor Cohn Am Dienstag ist Regiekuirgsrat Alfons Fedor Cohn im Aller von 55 Jahren nach längerem Leiden gestorben. Alfons Fedor Cohn, ein ge° barener Berliner  , war ursprünglich freier Schrift- steller. Da er vielfache Beziehungen zu den nordischen Ländern balle, so über- nahm er während des Krieges den Posten eines Prefsebeirats bei der deutschen   Gesandt- schaft in Kopenhagen  . 1929 ivurde«r in»
Auswärtig« Ann üdernonunen und 1928 zum Regienrngsrat in der Presseabteilung der Reichs- regiening ernannt. Hier halle er das Referat für die nordischen Länder und besonders den Per- kshr mit den Organisationen der ausländischen Presse wahrzunehmen. Als Schriftsteller wie als Beamter ist er in den breitesten Kressen de? deutschen   Schrifttums be- kannt geworden. Eine Reih« skandinavischer Schrisssteller hat er durch sein« Uebersetzungen in Deutschland   bekannt und populär gemacht. Auch als dramatischer Dichter war er nicht ohne Erfolg. Der sozialdemokratischen Presse stand er durch viele Jahre als Mitarbeiter nahe. Bis zuletzt sst er auch demVorwärts" freundschaftlich ver- banden geblieben.. Die Patentnationalen in Deutschland   haben in den letzt«« Jahren immer neu eine Hetze gegen ihn zu entfalten gesucht, Nicht wegen seiner Tätigkeit, sondern wegen seines Namens. Ein Zeichen unserer Kultur!,
wisierung der mazedonischen Emigration. Schon zweimal in der letzten Zeit waren Anschläge auf ihn versucht worden. Nach Bekanntwerden des Mprdes sammelten sich Kommunisten aus dem Platz der Kathedrale, um zu protestieren. Mit mehreren Schreckschüssen konnte die Polizei die Menge zerstreuen und einige V e r h a f- tun gen vornehmen!
Mvrdstadt Sofia  Abgeordneter auf der LtraLe erschossen Sofia  , 24. Januar. Am Dienslagnachmiilag wurde der kommunistische Abgeordnete Iralkofs von unbekannten Allen- tölern in einer dunklen Slraße in der Nähe des Parlamenis erschossen, das er eben verlassen Halle. Traitoff erhielt fünf Pistolenschüsse in den Sops au» nächster Nähe und war sofort tot. Der Ermordete ist gebürtiger Mazedonier und hat zusammen mit dem unlängst bei einem ähn- lichen Anschlag schwer verletzten Martulloff besonder«« Anteil an der versuchten Bolsche-
Tränengaönazis verhaftet Das Wiener Warenhaus-Attentat Nach dem Tränengasattentat auf Publikum und Personal eines großen Wiener Warenhauses am Goldenen Sonntag hatte die Polizei eine Anzahl Hakenkreuzter verhafiet, die jedoch zum größten Teil vom Gericht wieder frotgeiassen wurden. Nu» ist die Polizei durch eine detaillierte Anzeige aus dem N a z i l a g e r aus die richtige Fährte gelenkt worden und hat bereits 19 dieserAuf- bauwilligen"» darunter eine ganze AnzahlAmts- walter", festgenommen. Die Anzeige hatte unter anderem berichtet, daß am Tag« vor dem Anschlag die Torwache des WienerBraunen Hauses" plötzlich von starkem Hustenreiz befallen wurde, weshalb sie einenmarxistischen  " Gas- angriff oermutete und das ganze Haus alar- mierte.(Natürlich nicht auch die jüdischen Wohnparteien, die man dank dem Mieterschutz- gesetz nicht herausbringen kann.) In einem abge- jchlosfenen Kellerraum, den sie mit Nachschlüsseln öffneten, fanden die Torwächter den Pg. Grill- meier, der dort Tränengasflüsstgkeit in Phiolen füllte und die Wächter zu strengstem Still- schweigen verpflichtete. Unter den jetzt Verhafteten ist auch dieser Grillmeier. her nach den: Anschlug aus Wien   verschwunden, in Weyer festgenommen, aber wieder freigelassen war.