Vor der Entscheidung
Fritz, Fritz, die Brücke kommt!
3n Paris hat gestern endlich nach langwierigen Ausschuhberalungen die F i n a n i d e d a t l e im Plenum begonnen. Sie wurde mit einer Rede des Zinanzministers C h e r o n eröffnet, dem der frühere Ainanzminifter Z l o n d i n im Ramcn der Rechtsoppofitivn unter lebhafter Unruhe erwiderte. Die innerpolitische Lage ist noch unklar, da Mischen der Regierungsvorlage und den Forde- rungen der Linksmehrheit noch gewisse Gegensätze bestehen. Eine Delegation der Linksparteien, der u. a. Läon Blum angehörte verhandelte mehr- fach im Laufe des Tages mit P a u I B o n c o u r. ohne daß es zu einer Uebereinst'mmung kam. Aber man glaubt, daß eine Ueberwindung der Gegen- sätze nunmehr möglich sein wird und eine Regie- rungskrise vermieden werden kann. Offenlegung öerGteueflisten! Vorn Finanzausschuß beschlossen Die Finanzkommifsion der Kammer hat mit 14 gegen ö Stimmen beschlossen. in allen Gemeinden Frankreichs die Listen der der Einkommensteuer unterliegenden Personen öffentlich anzuschlagen. Die Kam- Mission hofft mit dieser Maßnahme eine Verringerung der Steuerhinterziehung zu erreichen. Die in der Regierungsvorlage vorgesehene Herabsetzung der Beamtengehälter hat die Kommission abgelehnt und beschlossen. die betreffenden Artikel durch das erste Kapitel des sozialistischen Gegenentwurfes zu ersetzen, der eine Verminderung der Verwal- tungsau-gaben durch Abschaffung unnützer Posten und durch eine grundlegende Verwaltungsreform herbeiführen will. Auch die Herabsetzung der Kriegspensionen wurde abgelehnt. Die Kommission sprach sich jedoch dafür aus, daß eine aus Senatoren, Abgeordneten und Kriegsteil- nehmern gebildete Kommission innerhalb von drei Monaten eine Revision der Pensionssätze aus- arbeiten soll. Proteststreik der Börse! Die in Börsen- und Finanzkreisen als„m a r x i- st i s ch" verschrienen Beschlüsse der Finanzkom- Mission, über die Sanierung der Staatsfinanzen sührte zu einem Streik an der Börse. Die Angestellten sämtlicher Pariser Börsen- Makler verhinderten die Notierung der Kurse, um damit besonders gegen die von der Finanz- kommission beschlossene Umwandlung der In- Haberaktien in Namensaktien zu protestieren, die nach ihrer Ansicht eine V e r r i n g e p u n g b| s B ö es e n g e s chä'f/s UM damit/ Perfonalent- lassungen nach.sich ziehen würdel Nur fijr etwa 30 Papiere konnten von den Pankiers selbst Kurse festgesetzt werden. Die Umsätze waren minimal. sjinanzminister C h ö r o n erklärte zu dem Streik:„Die Streikbewegung an der Pariser Börse ist vollkommen unentschuldbar. Alle gegen die Unabhängigkeit der Parlaments- bergtungen organisierten Kundgebungen sind in einem demokratischen Regime unzulässig. Ich habe sofort nach dem Bekanntwerden des Streiks den Vorsitzenden des Makleroerbandes aufgefordert. seine ganze moralische Autorität einzusetzen, um der Bewegung ein Ende zu machen. Wir werden im übrigen die Anführer des Streiks festzustellen suchen und nötigenfalls Sanktionen gegen sie verhängen."
Gegen die Buttermixer! Hilferding enthüllt den Junkerkurs Gestern führte der Haushaltsausschuß des Reichstags im Rahmen einer allgemeinen Debatte die Erörterung über den B u t t e r b e i- Mischungszwang zur Margarine zu Ende. f Der Abg. Hugo<D Vp.) erklärte, die Butter- beimifchung sei vielmehr ein politisches als ein wirtschaftliches Problem. Der Minister von Braun habe sich in seinen Zahlenangaben über die Margarinepreise und über deren Rohstoffe ,„geirrt". .Abg. Hilferding(Soz.) erörterte die Frage in kurzen Zügen grundsätzlich und wirkte dabei auf den Haushaltsausschuß außerordentlich eindrucksvoll. Hilferding unterstrich, es sei bedeutsam, daß zum ersten Male der Minister offen ausgesprochen habe, daß der Landwirtschaft durch keine R�e gierung kurzfristig wesenl- sich geholfen werden könne. Auch die Kaufkraft allein könne die Landwirtschaft nicht retten, zumal dann nicht, wenn inan den breiten Massen Teile ihrer an sich geringen Kaufkraft wegnehme und sie dem verhältnismäßig kleinen Kreise der Landwirtschast gebe. Das Schlimmste sei heute daß die Führer des Bundes der Land- wirte der Landwirtschaft dadurch Böses angetan haben, daß sie behauptet hätten, man könne mit einigen geschickten Mitteln der Landwirtschaft ernst- hast helfen Nur allgemeine Pro- duktionssteigerung schaffe er st Kauf- kraft. Man habe immer Nahrungsfreiheit als Schlag- wort den Bauern gepredigt. Was sei damit erreicht?
1. Ueberproduktion aus dem Getreidemarkt. 2. Durch die künstliche hochhaltung der Preise für Getreide und damit auch der Futter- mittel sei die Landwirtschaft schwer geschädigt wurde. Bis zum Ernährungsminister Schiele war absolutes Dogma die Einfuhr der Futter- mittel zollfrei zu halten. Jetzt wolle man aber auch den Wahnsinn begehen, auch diese Ein- fuhr zu drosseln und damit zu verteuern! Die Sozialdemokratie habe schon immer ge- sag», daß man zur Drodnktionsreaelung kommen müsse und zwar für alle wichtigen agrarischen Produkte. Aber der Bund der Landwirte und der Ernährnngsminister, sie wollten nur die Produktion steigern, und damit erreichten sie das Gegenteil davon, nämlich die Unwirksam- keit ihrer eigenen Agrarpolitik. Der Kartostelbeimischungs zwang habe noch einen gewissen Sinn gehabt, als Getreide vom Weltmarkt hereingeholt werden mußte. Heute aber hätten wir so viel Uebersluß an Ge- treibe, daß man große Mengen magazinieren wolle. Jetzt sei der Zwang, dem Brote noch Kar- toffelmehl beizumischen ein völliger Unsinn! Der Butterheimisch ungszwang werde die Butterproduktion nicht fördern, sondern solche Schichten der Bevölkerung, die bisher noch der Margarine widerstrebten, zu ihrem Verbrauch führen. Wenn die Margarineindustrie zu viel verdient habe, gebe es vernünftigere Wege, ihre hohe Verdienstspanne zu verkleinern. HIlserding schloß: Sie können aus den wichtigen Gebieten der Landwirtschaft nicht helfen, deswegen versuchen Sie seht, bei einzelnen landwirtschafl- lichen Produkten irgendw'e Erfolge zu erzielen. Aber mit dem Resultat, daß Sie unseren Export erschweren mit allen daraus entstehenden Folgen. Deswegen beantragen wir. den Bulterbei- mischuugszwang nicht einzuführen! Nach Abschluß der Debatte beantracte der Land- bundführer und nationalsozialistische Reichetagsab- geordnete von Sybel, daß die Abstimmung über die vorliegenden Anträge, im besonderen über den sozialdemokratischen Antrag, verschoben werde. Wenn das abgelehnt werde, würden die National» fozialisten sich der Stimme enthasten. Bei der Abstimmung waren die Zkationalsozia- listen, die Deutschnationalen und das Zentrum für die V e r t a g u n g d« r A b st i m m u n g. Sie war damit beschlossen.
Wir tragen im iolgenden noch eine Reihe der Einzelfragen nach, die Genosse H e i n i g in der Sitzung des Haushaltsausschusses des Reichstags zur Osthilfe gestellt hat. Heinig machte in seiner Rede darauf aufmerk- sam, daß mehrfache Sanierungen eines Betriebes gar nicht so selten vorgekommen seien als behauptet werde. Er zählt an Fällen der Doppelsanierung durch mehrfache Gewährung von Entschuldungshypotheken oder auch auf eine zweite Sanierung durch andere Zuschüsse, Finanzierung von Abverkäufen und ähnlichen die folgenden Name» aus: Freiherr von Hohberg und Buchwald auf Dulzen, Gras zu Dohna -Ivillkühnen. von Kalckstein-Arnsberg, von Kalckstein-Schullitlcn, von Konnewurff-Bailkowen, von Plehwe-Dwar'schken, General Hell-Gr. Grieben, von Auer-Goldschmiede. In Wirklichkeit seien nicht nur einige wenige Großbetriebe in Ostpreußen mehrfach saniert worden, sondern etwa ein Drittel, aber auch dreifache Sanierungen oder Hereinnähme ins Sicherungsversahren nach Doppelsanicrungen seien erfolgr Auffällig sei auch, daß verhältnismäßig häufig landwirtschaftliche Sachverständige bestimmte Be- triebe als völlig sanierungsunfähig begutachteten, daß aber dann auf Grund anderer Einflüsse eine Sanierung dach erfolge. Das gelte im besonderen für die Sanierung des L a n d st e l l c n- leiters in Stettin . Ebenso sei es mit dem Betrieb des Grafen Schwerin in der Provinz Brandenburg gewesen. Auch dieser Betrieb wurde als nicht- sanierungsfähig festgestellt, soll aber auf be- sondere Anordnung des Reichser- n ä h r u n g s m i n i st e r s von Braun dann doch noch wie ein Betrieb im gefährdeten Grenzgebiet behandelt worden sein Es erfolgte die Nachent- Ichuldung verbleibender Verbindlichkeiten aus dem Betriebssicherungssonds. Fall des Grasen Finkenstein zu Schöncberg im Kreise Rosenberg. Hier handele es sich um eine Umschuldungs- Hypothek in Höhe von 1,2 Millionen Mark. Die
Reichsbannermann Klein bleibt auf freiem Fuß Am 22. November 1932 wurde der Reichs- bannermann Karl Klein aus München-Gladbach „wegen Tätlichkeit beim Landfriedensbruch" vom Sondergericht München-Gladbach zulOIahren Zuchthaus verurteilt. Der Staatsanwalt hatte dagegen 1 Jahr Gefängnis beantragt. Die Verurteilung erfolgte auf die Aussagen mehrerer Nazis. Auf Grund der Amnestie wurde die Strafe des Reichsbannermanns Klein in 2% Jahre Gefängnis umgewandelt. Am 24. Dezember gelang es dem Verteidiger Klein», R.-A. Dr. Arthur Wolff-Düsseldorf , für seinen Mandanten einen Strafurlaub bis zum 31. Januar zu erwirken. Nunmehr hat die Staatsanwaltschaft München-Gladbach Klein mit- geteilt, daß sie aus ein Gesuch des Verteidigers den Urlaub bis zur Erledigung des lausenden
übrige Verschuldung des Besitzes sei durch den verschwenderischen Lebenswandel des verstorbenen Bruders des jetzigen Besitzers entstanden. Jener hat in wenigen Jahren 500 000 M. verjuxt. Auch hier hat der landwirtschaftliche Gutachter alle Bedenken gegen eine Umschuldung gehabt. Doch der Leiter der Landstelle, der Landrat Lauenstein habe gemeint, daß er wegen seines Vor- wärtskommen doch lieber entgegen- k o in m e n d s e i n s o l l e. So wurde der Graf Finkenstein umgeschuldet. Die Mutter des Besitzers soll eine Rente von 1000 M. monatlich aus der Osthilfe erhalten. Ein anderes Charakteristikum aus den Osthilfe- Praktiken ist die Methode, erst Schulden zu machen, dann unter Sicherungsschutz zu schlüpfen und die Gläubiger auszulachen. Heinig sprach von einem Fall Freiherr von Richthofen. Dieser nahm erhebliche Darlehen auf und gab als Sicherung dafür eine Teilhypothek auf das seinem Bruder gehörige Rittergut Jakobsdors, Kreis Kreuzburg . Der eigentliche Schuldner hatte aber, ehe er das Darlehen aufnahm, schon den Ossenbarungseid geleistet. Der Bruder, auf dessen Rittergut die Hypothek eingetragen war, ging dann unter Sicherungsschutz. Das bekam ihm ganz gut. Er erhielt Darlehen von der Osthilse und der Gläubiger hatte das Nachsehen. Das Dominium Elisenhof bei Biüncheberg wurde vor einigen Jahren verkauft, weil sich Mann und Frau trennten. Der Mann gab der Frau und den zwei Kindern die zweite Hypothek auf den verkauften Besitz als Er- »ährungsficherheit. Der Käufer des Daminiums ist ein Oberleutnant Schmidt. Er zahlte regelmäßig aus dem an sich rentablen Be- trieb die Hypothekenzinsen, bis er eines Tages angeblich wegen einer ganz geringen Schuld die Gelegenheit wahrnahm und unter Sicherungsschutz schlüpfte. Seitdem ist die Frau mit ihren Kindern völlig mittellos. Sic erhält keine Zinsen. Als sie sich bei der Landstelle beschwerte, wurde ihr ge- sagt, sie solle nicht zu sehr drängen, sonst werde das Dominium Elisenhof versteigert werden und die sehr vermögende Frau des jetzigen Besitzers,
Gnadenverfahrens verlängert hat. Man rechnet damit, daß das Gnadengesuch erfolg- xeich sein wird, da das hohe Urteil seinerzeit allge- meines Entsetzen hervorgerufen hat.
Gegen Gtaatsnotfland Der Hauptvorstand des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften hat eine Entschließung gefaßt, in der es heißt: „Sodann wurde zum Ausdruck gebracht, daß die christliche Gewerkschaftsbewegung alle Dil- taturbeftrebungen und vor allein auch die von reaktionärer Seite jetzt propagierte For- derung auf Erklärung eines„2 t a a t s n o t- st a n d e s" entschieden ablehnt. Die Kreise von oben, die einen Verstoß gegen den klaren Wort- laut der Verfassung sowie die Anpassung des Sinnes von Verfassungsvorschriften an eigensüchtige Parteiziele propagieren oder verlangen, haben das Recht verwirkt, sich gegen Klassenkampf und Umsturz von unten zu wenden."
des Oberleutnant Schmidt, werde das Gut zum Preise der ersten Hypothek ersteigern. Dann habe die Beschwerdeführerin ihr ganzes Geid verloren! In einem anderen Falle versuchte ein Landwirt. der sein Gut während de- Krieges verkaufte und eine Aufwertungshypothek aus jenem Besitz hat. zu feinem Geld zu kommen. Obwohl von anderer Seite für das ganze Gut ein günstiger Kaufpreis geboten worden ist, der eine Auszahlung aller Forderungen ermöglicht, bleibt der Gutshof im Sicherungsverfahren und der Landwirt hat gar nichts! Aus dem Gebiet der O st e r b u r g e r Wische — ein Marschgebiet an der Elbe — teilte unser Redner mit, daß dort in ganzen Gegenden die Schuldner die Zahlungen mit den Hinweise ver- weigern, daß sie sich im Umschuldungsversahren befinden und unter Zwangsverwaltung stünden. Die Betriebe sind meist großbäuerlich. Es sind aber auch einige große Güter vorhanden. Ganz systematisch hat man hier mit Hilfe der land- wirtschaftlichen Genossenschaften hohe Kredite auf- genommen, seine Besitzungen ausgebaut und luxuriös eingerichtet. Ein Gutsbesitzer Brandt in Schallu» baute sich ein neues Wohnhaus mit Wintergarten. Die ge- samten Kosten dafür sind jetzt im Sichcrungsver- fahren. Der Gutsbesitzer Dittmer in Gecstgottberg hat sich ebenfalls für 50 000 M. auf einem Hof von 75 Hektar ein n c u e s W o h n- Haus gebaut. Dazu nahm er 45 000 M. Hypothek auf. Jetzt steckt er im Sichcrungsverfadren. Kommt wirklich einmal ein großer Hof zur Ver- steigerung, so der des Besitzers Lüken nach dessen Tode— erwerben die anderen Gutsbesitzer zu hohem Preise den Grund und Boden— jetzt stecken sie im Sicherungsverfahren. Ein Herr R o a g e in Wendemark vermag sich dennoch einen R e n n st a l l von drei Pferden zu holten Selbstverständlich gehört auch die Limousine heute zu den Einrichtungen solcher Gutshöfe Das allerschlimmste ist. daß diejenigen, die im Sicherungsverfahren sind, sich auch vor den kleinsten Kablungen drücken' Die Beschwerden häufen sich zu Bergen. Kie zeigen, daß sich heule schon eine ganz systematische Technik der Ausnutzung der Osthilse auch in der Richtung entwickelt hat, wie man als Schuldner die Gläubiger prellen kann!
Gkanbal ohne Ende! Neue Fälle von Osthilfe- Mißbrauch