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Abend- Ausgabe

Nr. 50 B 25 50. Jahrg.

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BERLINER

VOLKSBLATT

MONTAG

30. Januar 1933

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts 10 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise

fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Hitler- Papen- Kabinett

,, Feine Leute" und drei Nazis- Kabinett des Großkapitals

Amtlich wird mitgeteilt:

Der Reichspräsident hat Herrn Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und auf dessen Vorschlag die Reichsregierung wie folgt neu gebildet:

Reichskanzler a. D. von Papen zum Stellvertreter des Reichskanzlers und zum Reichskommissar für das Land Preußen, Freiherr von Neurath zum Minister des Auswärtigen, Staatsminister a. D., Md. R. Dr. Frid zum Reichsminister des Innern, Generalleutnant Freiherr von Blom­ berg zum Reichswehrminister, Graf von Schwerin- Krosigk zum Reichsminister der Finanzen, Geheimer Finanzrat M. d. R. Hugen­berg zum Reichsminister der Wirtschaft und zum Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft,

Franz Seldte zum Reichsarbeits­minister,

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Freiherr E13 von Rübenach zum Reichspoftminister und zum Reichsver­fehrsminister,

den Reichstagspräsidenten Göring zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich und gleichzeitig zum Reichskommissar für den Luftverkehr. Reichsminister Göring wurde mit der Wahrnehmung der Ge­jajäfte des preußischen Innenministe­riums betraut.

Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung Gerede

wird in seinem Amte bestätigt. Die Besetzung des Reichsjustizmini­steriums bleibt vorbehalten.

Der Reichskanzler wird noch heute Ber­handlungen mit dem Zentrum und der Bayerischen Volkspartei aufnehmen.

Der Reichspräsident hat mit der Ec­nennung dieser Regierung die furchtbarste Verantwortung übernommen, die jemals ein Staatsoberhaupt übernommen hat. Er steht dafür, daß diese Regierung den Boden der Verfassung nicht verläßt und daß sie sofort zurücktritt, wenn sie eine Mehrheit im Reichs­tag nicht erhält.

Würde ein Versuch gemacht werden, diese Minderheitsregierung, deren Feindschaft gegen die Verfassung offenkundig ist, auch ohne Zustimmung des Reichstags im Amte zu halten, so wäre eine Situation gegeben, die vom arbeitenden Bolke die Ein­jehung letter und äußerster kräfte erfordert.

Die Organisationen der Eisernen Front ftehen in engster Verbindung miteinander und verfolgen die Entwicklung mit äußerster Spannung.

Sieg oder Untergang hängt von der Be­reitschaft und der Geschlossenheit des arbeitenden Volkes in diesem, vielleicht für Jahrzehnte entscheidenden Augenblick ab. Jedes Borprellen einer einzelnen Arbeiter­organisation birgt die Gefahr in sich, daß sie das Gegenteil ihrer Abficht erreicht, und den schlimmsten Feinden der Arbeiterklasse zum Siege verhilft.

Aeußerste Bereitschaft und voll- gen, ob die Eide auf die Verfassung, fommenste Einigkeit ist das Gebot der Stunde!

Kapitalistische Reaktion

Das neue Kabinett, die Schöpfung Franz von Papens , ist ein ausgesprochenes Rabi­nett der Harzburger Front. Es ist eine Verbindung von feudaler, großkapita­listischer und faschistischer Reaktion. Ausge­Prägung sind drei dabei: Hitler, Frick sprochene Faschisten nationalsozialistischer und Göring , wobei das besonders Ge­fährliche ist, daß Göring das preußische Innenministerium und damit die Polizei in die Hand bekommen hat.

Bedeutsamer aber als diese nationalsozia listische Dreiheit ist die andere: Hitler , Papen, Hugenberg . Dieses Kabinett, an dessen Spitze der Führer einer angeblich sozialistischen Arbeiterpartei steht, ist bei dieser Besetzung ein hoch und groß tapitalistisches Kabinett, wie es in der Welt noch nirgends eristiert hat.

Die Mächte des Großkapitals werden in dieser Regierung ausschlaggebend sein. Sie werden sich arbeiterfeindlich auswirken. In­wieweit sie faschistische Experi mente für vereinbar mit ihren Geschäften halten werden, muß die nächste Zukunft lehren. Die nächste Zukunft muß auch zei­

die teils schon geleistet, teils noch zu leisten sind, auf dem Weg zum offenen Faschismus ein wirksames Hindernis darstellen.

Bon besonderer Bedeutung wird unter den neuen Verhältnissen die Stellung Hin denburgs als Oberbefehlshaber der Wehrmacht und des neuen Reichswehr­ministers von Blomberg sein.

Gegenüber dieser Regierung der Staats­streichdrohung stellt sich die Sozialdemokratie und die ganze Eiserne Front mit beiden Füßen auf den Boden der Ver= fassung und der Geseßlichkeit.

Sie wird den ersten Schritt von diesem Boden nicht tun. Sie wird vielmehr durch Ausnutzung aller verfassungsmäßi gen und gesetzlichen Mittel den aller­schärfsten Kampf gegen diese Regierung führen. Sie überläßt die Verantwortung für den Ausbruch eines Ringens, das beiderseits nicht mehr mit den normalen Waffen des politischen Kampfes geführt werden sollte, ausschließlich ihren Gegnern.

Der Reich stanzler Hitler mill, wie es heißt, heute nachmittag die Verhandlun­gen mit dem Zentrum aufnehmen. Nur das Zentrum fann ihm die Möglichkeit einer länger dauernden legalen Amtsführung gewähren. Verweigert es sie ihm und findet er im Reichstag feine Mehrheit, so muß er

abtreten. Tut er das nicht, so ist der äußerste Konfliktsfall gegeben.

Wie sich im Falle dieses äußersten Kon­fliktes die Streitkräfte verteilen würden, ift noch nicht zu übersehen. Aber es ist kaum wahrscheinlich, daß die Sozialdemokratie in einem solchen Fall isoliert kämpfen würde.

Auf alle Fälle hat ein geschichtlicher Kampf um das Schicksal des deutschen Volkes be= gonnen. Die Situation ist voller Gefahren. Sie birgt aber auch die Möglichkeit einer überraschend schnellen günstigen Entwick­lung in sich.

Wir wissen, daß an ihrem Ende der Sieg der Arbeiterklasse, der Demo kratie und des Sozialismus steht. Er ist vielleicht näher, als mancher denkt! Kaltblütig, zuversichtlich und, wenn es die Sache der Freiheit fordert, zu letzten Opfern bereit, gehen wir der Zukunft entgegen, die unser sein wird trotz alle dem!

Zentrum nicht befragt

Bon seiten der Zentrumspartei wird partei­amtlich festgestellt, daß der Beauftragte des Herrn Reichspräsidenten , Herr von Papen, bisher in keiner Weise in Verhandlun gen eingetreten ist und daß zwischen den Nationalsozialisten und der Zentrumspartei keinerlei Berhandlungen wegen der nunmehrigen Regierungsbildung stattgefunden

haben.

Unsere Antwort!

,, Wer Pläne schmiedet gegen das Volk, wer seine Freiheit antasten, seine Rechte rauben will, der mag erzittern!" So stand es am 5. Juli 1932, nach dem Aufmarsch des roten Berlin zum Protest gegen das Verbot des Vorwärts", in unserem Spandauer Benderblatt. Unter dem

gleichen Motto steht auch die riesige Kund­gebung, die gestern das Berliner Prole. tariat im Lustgarten veranstaltete. Der Aufmarsch der Eisernen Front gegen die Staatsstreichgelüfte der Reaktion, gegen Vapen und Hitler und für Recht und Freiheit, mar erfüllt von einer diszipli

nierten Kampfentschlossenheit, wie sie nur die organisierte Arbeiterschaft aufweist.

Es war ein sonderbares Symbol, daß eine Stunde vor der Rundgebung des roten Berlin durch eine monarchistische Truppe am Denkmal Friedrich Wilhelms III. ein Kranz niedergelegt