Abend-Ausgabe
Nr. 54 B 27 50. Jahrg.
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VOLKSBLATT
MITTWOCH
1. Februar 1933
10 Pf.
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Preußenwahlen
Nazis wollen Landtagsauflösung
Die Nationalsozialisten haben durch ihren Präsidenten Kerri den ursprünglich auf den 15. Februar einberufenen Preußischen Landtag bereits zum Sonnabend, dem 4. Februar, einberufen, um über einen Antrag
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Auch Reichstagsauflösung?
Noch für den heutigen Tag erwartet
In den Mittagsstunden verbreitete sich das Gerücht, daß noch am heutigen Tage auch der Reichstag aufgelöst werden soll. Papen und Hitler waren heute beim Reichspräsidenten . Später saß das Kabinett. Um 7 Uhr abends findet eine neue Kabinettssitzung statt, an der auch der deutschnationale Dr. Gürtner als wiederernannter Reichsjustizminister teilnehmen wird.
Kube auf sofortige Landtagsauflösung zu beschließen. Nach Artikel 14 der preußischen Verfassung kann die Auflösung des Landtages durch eigenen Beschluß erfolgen. Das weitere bestimmt der Artikel 15, der besagt: Nach Auflösung des Landtags muß die Neu- den Reichstag treten werde. wahl binnen 60 Tagen stattfinden.
Eine Auflösung des Landtags ohne folgende Neuwahlen ist also verfassungsrechtlich nicht möglich, jede Abweichung von der zwingenden Vorschrift des Artikels 15 würde sich als Verfassungsbruch, als Staatsstreich charakterisieren. Unter den gegenwärtigen verworrenen Verhältnissen in Preußen fönnte höchstens die Frage auftauchen, wer den Termin für die Neuwahlen des Landtages bestimmt, die rechtmäßige Landes regierung oder die Reichskom= missare.
Aber diese Frage ist bereits geklärt. Ihre Beantwortung ist gegeben durch die Entscheidung des Staatsgerichtshofes vom 17. Oftober 1932 im Rechtsstreit Preußen contra Reich, die hiermit wieder ihre grundlegende Bedeutung erweist. Die Entscheidung sagt u. a. bekanntlich:
Diefe Ermächtigung( der Kommissare) durfte sich aber nicht darauf erstrecken, dem preußischen Staatsministerium und seinen Mitgliedern die Vertretung des Landes Preußen im Reichstag, im Reichsrat oder sonst gegenüber dem Reich oder gegenüber dem Landtag, dem Staatsrat oder gegenüber anderen Ländern zu entziehen.
Nun steht die Ausschreibung der Neuwahlen zweifellos in engster Verbindung mit der Vertretung gegenüber dem Landtag.§ 6 des Landeswahlgesetes lautet nämlich:
Das Staatsministerium bestimmt im Einvernehmen mit dem Ständigen Ausschuß des Landtages den Tag der Hauptwahl( Wahltag).
Nach dem klaren Wortlaut der Staatsgerichtsentscheidung kann das Einvernehmen mit dem Ständigen Ausschuß des Landtags nur von der Landesregierung, nicht von den Kommissaren, herbeigeführt werden. Daraus ergibt sich zwingend das Recht des Staatsministeriums zur Bestimmung des Wahltermins.
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Diese Feststellung ist nicht ohne politische wir betonen wennBedeutung. Wenn es den Nationalsozialisten um Neuwahlen zu tun ist, so könnte die politische Absicht nur sein, den frischen Siegestaumel ihrer Anhänger auszunuzen, ehe der unausbleibliche Razenjammer sich einstellt. Ihr Wunsch dürfte also auf einen möglichst früh= zeitigen Wahltermin gehen, damit die Regierungskunst Adolf Hitlers bei dieser Wahl nicht unter Beweis gestellt
merden kann.
Die weiteren Zwecke dieser Wahl sind aber noch recht undurchsichtig. Sollen die Preußen
Das Gerücht steht im Widerspruch zu der bestimmt abgegebenen Erklärung, daß Hitler am Dienstag vor
Man spricht davon, daß zwar Wahlen zur vorgeschriebenen Frist vorgesehen sind, daß aber zuvor die Kommunistische Partei verboten werden soll. Da zu dem Verbot einer Partei alle rechtlichen Handhaben fehlen, würde auch dies einen glatten Verfassungsbruch bedeuten.
wahlen Stimmungsbarometer für beabsich tigte Reichstagsneuwahlen sein? Oder ist es den Nazis darum zu tun, die jetzigen Mehrheitsverhältnisse im Landtag zu ändern? Sie ſizen im Preußen parlament zur Zeit mit 40 Broz. der Mandate, die sie in der Zeit ihres Höchststandes von 1932 erobert haben, also relativ stärker
Sonntag Luftgartin.
würdent
als im Reichstag, wo sie nach dem 6. November 1932 nur noch über 33 Proz. der Size verfügen. Trogdem können sie auch im Landtag mit den Deutschnationalen zusammen feine Mehrheit bilden; selbst unter Einbeziehung der Deutschen Volkspartei und der übrigen Rechtssplitter fehlen ihnen noch etwa zehn Mandate an der absoluten Majorität. Dagegen ist im Gegensatz zum Reichstag - im Landtag eine sichere schwarzbraune Mehrheit von Zentrum und Nationalsozialisten vorhanden.
Auch die Frage, ob und von welchen anderen Parteien der Auflösungswunsch der Nationalsozialisten unterstützt mird, läßt sich im Augenblid noch nicht beantworten. Nach einer Bersion soll Hugen
berg in dieser Frage mit Hitler konform gehen, um den Versuch zu machen, in PreuBen eine Mehrheit der Harzburger Front aufzurichten. Nach einer anderen soll dagegen das Zentrum durch diese Wahl beweisen wollen, daß eine andere Mehrheit als zusammen mit dem Zentrum auch im Reich durch Neuwahlen nicht zu erzielen ist.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Einberufung des Landtags auf den Sonnabend nur ein Teil einer größeren politischen Aktion, deren Züge bis Sonnabend wohl
etwas flarer hervortreten werden.
Man
muß heutzutage auf allerlei Möglichkeiten gefaßt sein. Eine davon ist ein neuer Wahlkampf im Reich und in Preußen, über dessen geschichtliche Bedeutung kaum noch viel gesagt werden müßte.
Seiner Vorbereitung wird dann schon der neue Lustgartenaufmarsch dienen, den die Berliner Sozialdemokratie für den Sonntag angekündigt hat!
Todesstrafe beantragt
Gegen die SA.- Räuber von Stettin
Eigener Bericht des ,, Vorwärts"
Stettin , 1. Februar. Jm Prozeß gegen die Steffiner nationalsozialiffifchen Raubmörder ergriff heute früh der Oberstaatsanwalt das Wort. Er plädierte auf Raub unter Mitführung von Waffen sowie Raub mit Todeserfolg und beantragte gegen die Angeklagten Hermann Köhler, Friedrich Brauns und Gustav Duchateau die Todesstrafe unter dauernder Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Gegen den Angeklagten Schulze beantragte der Oberstaatsanwalt sechs Jahre Zuchthaus und sechs Jahre Ehrverlust, gegen die Frau des Hauptangeklagten Köhler drei Jahre 3uchthaus und fünf Jahre Ehrverlust.
Die abzuurteilende Tat jei so verabscheuungswürdig, so abstoßend, daß die graufigen Einzelheiten schwerlich glaubhaft erschienen. Und doch hat die Verhandlung den unwiderleglichen Beweis dafür erbracht, daß sich die Raubtat im wesentlichen so zugetragen hat, wie sie die Anklageschrift darstellt. Die Tat von Streithof sei ein gemeiner darstellt. Die Tat von Streithof sei ein gemeiner
Raub, bei dem das angewandte Mittel der Gewalt den Tod Steinides herbeiführte, und zwar mif Wissen, Willen und festem Vorsatz der Täter.
„ So oder so"
"
Was haben die Nazis in Preußen vor?
Ueber die Absichten der Nationalsozialisten in Preußen erfuhr man einiges durch die Tagung des Hauptausschusses des Preußischen Landtags . Der
Ausschußzvorsitzende, der Nationalsozialiſt Hink
ler, erklärte gleich zu Beginn der Sizung, diese als überflüssig aufheben zu wollen, weil die
Der bisherige Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium Grieser ist von HugenbergSeldte verabschiedet worden
Nationalsozialisten die Auflösung des Landtags beantragt haben. Die Mehrheit des Ausschusses verlangte jedoch Eintritt in die Tagesordnung. Es wurde ein Zentrumsantrag über das Rhein- Aachener Kanalprojekt beraten. Berichterstatter war der Deutschnationale von Waldhausen. Nach ein