Abend- Ausgabe
Nr. 58 B 29 50. Jahrg.
Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
FREITAG
3. Februar 1933
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Brecht und Hitler
Kammerspiele im Reichsrat
Das vom Reichskanzler Adolf Hitler persönlich herausgegebene Zentralorgan der NSDAP . und nunmehr hauptsächlichste Organ der Reichsregierung, der„, Bölkische Beobachter", hat heute morgen einen Tobfuchtsanfall erlitten. Die Rede, mit der im Reichsrat der Staatssekretär Brecht den neuesten Reichskanzler empfangen hat, beantwortet sie mit einem Katarakt Don Schimpfworten. Brecht habe, so sagt sie, den Reichskanzler in unglaublich bevormundender Weise über das Verhältnis des Reiches zum Lande Preußen belehrt. Der Bölkische Beobachter" findet Herrn Brecht tattlos, plump, töricht und sieht in seiner Rede einen neuen Beweis dafür, daß mit den Novemberparteien endgültig Schluß gemacht werden müsse.
Dazu ist folgendes zu bemerken: Herr Dr. Brecht, der zwar ein aufrechter Republikaner, aber nicht, wie der ,, Bölkische Beobachter" glaubt, Sozialdemokrat, ist, hat die Ansprache an Hitler weder für sich als Person, noch für die preußische Staatsregierung Braun gehalten, sondern er hat für den ganzen Reichsrat gesprochen. Also nicht nur für Preußen, das ja nach dem Spruch des Staatsgerichtshofs im Reichsrat von feiner anderen Regierung vertreten werden kann als der Regierung Braun, sondern auch für Bayern , Sachsen , Württemberg, Baden usw. Der ,, Bölkische Beobachter" wird wohl gegen alle dieje Länder den Krieg aufnehmen müffen. Soviel uns bekannt, ist übrigens der Tert der Rede Brechts, bevor sie gehalten murde, einem zuständigen Gremium des Reichsrats vorgelegt und von ihm gebilligt worden.
Der Völkische Beobachter" bindet aber nicht nur mit sämtlichen deutschen Länderregierungen an, er scheint es auch auf einen Konflikt mit seinem Herausgeber, dem gegenwärtigen Reichskanzler, antommen lassen zu wollen. Was soll denn das heißen, wenn er schreibt, diese Rede habe ,, die schärfste 3urückweisung verdient?" Sie zurückzuweisen, war doch, wenn sie dies verdiente, die Aufgabe des Reichstanzlers selbst! Meint der ,, Bölkische Beobachter", daß Herrn Adolf Hitler , der nur den pathetischen Versammlungsmonolog gewohnt ist, die Schlagfertigfeit in der Debatte fehle? Meint er am Ende, Herr Hitler habe die Rede gar nicht richtig verstanden und es sei ihm so gegangen wie der geistvollen Redaktion der Roten Fahne", die heute über die ganze Breite ihres Blattes von einem Fußfall BraunSeverings vor Hitler " brüllt? Sah auch er in dieser Rede eine„ Berbeugung", einen unbeschreiblich erbärmlichen Fußfall", ein ,, Bauchrutschen der SPD. - Führung" vor Hitler- Bapen- Frid? Der„ Bölkische Beobachter" wird um Auskunft darüber gebeten, warum denn sein Herausgeber und Herr die schärfste Zurückweisung" unterlassen hat, die Herr Alfred Rosenberg für so notwendig hielt!
Wer verhaftet wen?
Geheimnisvolles Vorspiel der ,, nationalen" Regierungsbildung
Herr von Alvensleben, der Vertrauensmann des Herrenklubs, erläßt folgende Erklärung:
Englische Blätter haben die Meldung gebracht, es sei ein Marsch der Potsdamer Garnison auf Berlin geplant gewesen, um den Feldmarschall zu verhindern, eine Regierung Hitler- PapenHugenberg zu ernennen. Andere ausländische Blätter haben behauptet, daß dieser Putsch zur Wiederherstellung der Monarchie ausgeführt werden folle.
Heute bringen englische Blätter die Mitteilung, daß ich an all diesen Borgängen maßgeblich beteiligt gewesen sei. Um diese Dinge, soweit fie meine Person betreffen, endgültig tlarzustellen, erkläre ich hiermit folgendes:
Der General von Schleicher soll dem Herrn Reichspräsidenten am Sonnabend vergangener Woche die Gefahren dargestellt haben, die seiner Ansicht nach in der Wiederbetrauung des Herrn Don Papen als Reichskanzler lagen. Er foll der Auffaffung gewesen sein, daß eine derartige autoritäre Regierung, die fich lediglich auf ein Zehntel des deutschen Bottes ftüße, eine Kampf anjage an die übrigen 90 Broz des Volkes be deute und daß dann unausbleibliche Berwidiungen und politische Kämpfe zu einer Bermürbung der Reichswehr und Polizei führen müßten.
Mir persönlich wurde in den Tagen von maßgeblicher Seite die Situation so dargestellt, als ob Herr Hitler die Vorschläge des Herrn von Bapen zur Bildung einer Regierung Papen . Hugenberg hitler nicht akzeptieren würde und daß der Reichspräsident entschlossen sei, noch am Montag auf Grund der Ablehnung des Herrn Hitler ein autoritäres Rabinett Papen- Hugenberg zu ernennen.
In einer derartigen Lösung erblickte ich eine ungeheure Gefahr für unser Vaterland und glaubte, unter solchen Umständen mit allen zufäffigen Mitteln, soweit sie in meinen schwachen Kräften standen, darauf hinwirken zu müssen, daß Herr Hitler mit der Kanzlerschaft betraut würde. Ich habe in diesem Sinne mehrere hervorragende Persönlichkeiten der NSDAP . gesprochen und bei der Gelegenheit auch meiner Auffassung Ausdruck gegeben,
daß man Menschen, die den Feldmarschall zu einem Schritt drängen wollten, unter Ausschaltung der NSDAP . ein rein deutschnationales Kabinett zu ernennen, am besten verhaften follte.
Im Reichsrat hat niemand die Rede Brechts als tattlos und plump empfunden, man hat sich vielmehr über die Eleganz der Formulierungen, über die Geschicklichkeit, mit der Ablehnung und Stepsis in Formen der Höflichkeit gekleidet wurden, nicht wenig amüsiert, und man hat sich auch ein Vergnügen daraus gemacht, Haltung und Mienenspiel des neuen Herrn bei dieser Ansprache auf fich mi ten zu lassen.
Ich habe auch meiner Meinung Ausdruck gegeben, daß die Armee, wenn sie bei den unausbleiblichen Folgen gegen 90 Pro3. des Volkes auftreten müsse, zerrieben würde, und daß die Armee unter feinen Umständen in eine derartige Lage gebracht werden dürfe.
Aus diesen meinen Unterhaltungen sind unrichtige Schlüsse gezogen worden, die zum Teil so aufgefaßt wurden, als hätte ich die Idee ge= habt, eine Regierungsbildung Hitler- Papen Hugenberg zu verhindern. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn durch diese meine Unterhaltungen der Entschluß des Reichspräsidenten , Herrn Hitler zum Reichskanzler zu ernennen, ge=
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fördert worden ist, so ist in der Tat das erreicht worden, was meiner Ueberzeugung nach erreicht werden mußte.
Die Regierung des nationalen Zusammenschlusses" ist auf alle Fälle unter höchst abenteuerlichen Umständen zustande gekommen. Es scheint auch bei dieser Gelegenheit etwas südamerikanisch zugegangen zu zu sein. Zuerst spielte man das Gesellschaftsspiel ,, Wer verhaftet men?" und dann fonzentrierte man sich national. Das Ganze aber ist nur ein Ausschnitt aus dem Großfilm ,, Deutsche Treue", der schon seit Monaten in der Wilhelmstraße gespielt wird.
Duisburg , 3. Februar. ( WIB.) Bei Zusammenstößen am Donnerstagabend zwischen Nationalsozialisten und Kommuniffen wurde die Ehefrau Struth, die dem Ruf der Nationalsozialisten Fenster 3u" nicht nachgekommen war, durch einen Kopfschuh so schwer verletzt, daß sie furze Zeit danach im Kranfenhaus ft ar b. Die Ermifflungen nach den Schüßen sind eingeleitet.
SA. überfällt Reichsbannerlokal
Glogau, 3. Februar. Am Donnerstagabend verübte eine Nazihorde auf das Bertehrslotal des Reichsbanners einen Ueberfall. Ein älterer Reichsbannermann wurde im Verlauf der Auseinandersetzungen schwer verlegt.
Etwa 15 S.- Leute zogen gegen 23.45 Uhr an dem Lotal vorbei und trommelten mit Fäusten gegen die Fensterscheiben. Darauf traten mehrere Reichsbannerleute aus dem Lokal. Sofort fielen die SA.- Leute über diese her und schlugen mit Schulterriemen, Gummifnüppeln und anderen
herbei, um das Lokal zu stürmen. Sie schossen in das Reichsbanner- Bertehrslofal. 3ehn Vera haftungen wurden vorgenommen.
Rentenwerte abwärts!
Neue Kurseinbrüche
Das allgemeine Mißtrauen der Wirtschaft gegen die Hitler - Regierung prägt sich besonders scharf in einem anhaltenden Kursver fall der festverzinslichen Rentenwerte aus.
An der heutigen Börse setzten sich die Kurseinbrüche der letzten Tage fort Reichsaltbesitz gingen von 66 auf 64% zurüd, Reichsan= leihen verloren um 2 Proz.(!), Pfandbriefe und Kommunalobligationen 1 bis 1% Proz.
Auch für die schweren Werte scheint man in der Finanzwelt zur Zeit menig Neigung zu haben. So verloren Siemens u. Halste trog der 7prozentigen Dividendenerklärung 2% Proz., Reichsbant gingen auf 150% gegen 153 und JG.- Farben auf 105.
Schlagwerkzeugen auf sie ein. Ein S.- Mann Hitler- Papen- Hugenberg
gab einen Revolverschuß ab, der jedoch fehlging. Auf den Schuß hin eilten weitere 50 S.- Leute
Was aber die Rote Fahne" betrifft, so war sie gestern abend um 11 Uhr für eine Woche verboten, doch wurde das Verbot plözzlich zurückgezogen. Wahrscheinlich hat die neue Regierung eingesehen, daß ein Blatt, das sich selbst in dieser Zeit fast ausschließlich damit beschäftigt, auf die Soschließlich damit beschäftigt, auf die So. zialdemokratie zu schimpfen, in ihrem Sinne nüglich ist und feine Belästigung verdient!
Einheitslistenpläne der Harzburger
Die Kreuzzeitung", das Organ des Stahlhelm, ruft öffentlich nach einheitlichen Kan
didatenliften der Harzburger Front. Daraus spricht die Furcht vor dem nationalsozialistischen Bundesgenossen!
Hitler hat angekündigt, daß er an der Spize aller nationalsozialistischen Listen kandidieren werde. Wenn Hugenberg aus Sorge vor völliger Erledigung in einer Einheitsliste unterkriechen will, so muß er sich also der Führung Hitlers unterordnen!
Eine solche Einheitsliste wäre im übrigen nur
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