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Abend-Ausgabe Nr. 64 B 30 50. Jahrg.

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BERLINER

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DIENSTAG

7. Februar 1933

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Maulwurfstriegt! Leberwachungsausschuß gesprengt

Nationalsozialistische

Pläne gegen die Deutschnationalen

Es stimmt etwas nicht!

Die Warnung des Reichsboten" vor ,, furchtbarstem Zusammenbruch" des gegen­wärtigen Regimes, der Jammer der ,, Kreuz­ Zeitung " über den unerwarteten Wahlkampf stehen als Symptome nicht mehr allein. Auch die ausgesprochene Hugenberg - Presse beginnt, Alarmrufe auszustoßen.

Unter der Ueberschrift Achtung, Maulwürfe" veröffentlicht Dr. Otto Kriegt im Lokal- Anzeiger" einen Auf­fazz, der offenbar in größter Aufregung ge­schrieben ist. Ohne Namen zu nennen, pole­misiert er mit gröbsten Invektiven gegen die ,, Maulwürfe", die Menschen,

Don

Stank und Klatsch" leben, die ,, Geistes­afrobaten", die Menschen, die so dumm sind, daß sie sich einbilden, sie seien allein berufen, aus Deutschland einen besseren Staat zu machen".

Nur mit Mühe erkennt man aus dem aufgeregten Geschreibe, daß mit den Maul­würfen diejenigen Leute gemeint sind, die die gegenwärtige nationalsozialistisch- deutsch­nationale Regierungskoalition durch eine Koalition des 3entrums mit den Natio­nalsozialisten ersetzen wollen.

Offenbar ist also auch den Deutschnatio­nalen nicht mehr unbekannt, was die Natio= nalsozialisten nach der Bildung der Regie­rung Hitfer dem Zentrum erklärt haben: nämlich, daß sie sich von den Deutschnatio­nalen bald wieder trennen wollten und dann für das Eingehen einer anderen Verbindung frei sein würden.

Man darf annehmen, daß der Vizekanzler Papen solchen Plänen auch nicht ganz fernsteht. Liegt es doch in der Linie feiner Politik, das Zentrum nach rechts hinüber­zuziehen und einen Bund zwischen protestan­tischer und katholischer Reaktion zustandezu­bringen.

Bei den Nationalsozialisten selbst gibt es viele, die das Zusammengehen mit Hugen­ berg gegen die christlichen Gewerkschaften als eine ungeheure Belastung empfinden, und die lieber umgekehrt mit den christlichen Gewerk­fchaften gegen Hugenberg gehen möchten. Dazu kommen dann noch die andern, die nach faschistischem Vorbild Koalitionen nur als Mittel benutzen wollen, um die Allein­macht zu gewinnen.

Man hat die Deutschnationalen gebraucht, weil ohne sie die Ernennung Hitlers zum Kanzler niemals zu erreichen gewesen wäre; man glaubt vielleicht für einige Zeit noch das Zentrum zu brauchen, um gewisse Ar­beiterfreise zu beschwichtigen; aber schließlich möchte man doch beide Parteien als Leitern benützen, an denen man emporsteigt, die man aber umwirft, wenn man oben ist.

Das Bestehen solcher Absichten hat man im deutschnationalen Lager erkannt, und darum ertönt aus der deutschnationalen Bresse ein solches Angstgeschrei. Man, fürchtet am 5. März den Verlust allen Einflusses und beginnt, seine Vorkehrungen dagegen zu treffen.

Das Vorhandensein solcher Spannungen ist für die positive Arbeit des neuen Ka­binetts nicht günstig. Es hat wahrscheinlich wenig 3wed, von Vierjahresplänen" zu reden, wenn man nicht einmal weiß, was in vier Wochen sein wird!

Der Reichsrat war zu seiner nächsten Voll­fizung auf Donnerstag einberufen worden. In dieser Sigung wäre auf Grund der neuen Not­verordnung das Land Preußen zum erstenmal durch die Bevollmächtigten des Reichskommissariats vertreten gewesen. Wie der Parlamentsdienst. der Telegraphen- Union erfährt, ist diese Reichsrats­fizung jedoch abgesagt worden.

Die Kanzlerpartei schimpft und tobt- ein verabredetes Spiel!

Bei Beginn der Sitzung des Ueber­wachungsausschusses, die heute um 11 Uhr von dem Vorsitzenden Vizepräsi­dent Löbe eröffnet wurde, meldete sich sofort der nationalsozialistische Rechtsan­walt Frank II außerhalb der Tagesord­nung zum Wort.

Im Namen der nationalsozialisti schen Mitglieder des Ausschusses gab er eine Erklärung ab, daß die national. sozialistische Fraktion es ab lehne, an Sihungen dieses Ausschusses teilzunehmen, solange Löbe Vorskender sei. Löbe habe ,, die ungeheuerliche Frech­heit besessen, im Lippeschen Wahlkampf den nationalsozialistischen Führer Adolf Hitler einen Slowaken zu nennen".

Die nationalsozialistischen Mitglieder des Ausschusses begleiteten schon diesen ersten Satz des Frank II mit ungeheuer­lichem Geschrei und Beschimp= fungen, wie ,, Saukerl" ,,, Judenschwein", Lump, großer Judenknecht" ,,, Jüdi­scher Gauner" usw., so daß aus der Erklä­rung Franks nur einzelne Worte und Wendungen wie ,, dieser freche Herr" ,,, Ab­setzung des Vorsitzenden" ,,, wir werden die Arbeit verweigern und jede Sigung des Ausschusses mit Gewalt verhindern", ver­ständlich wurden. Alles übrige ging in dem Gebrüll der tobenden und mit Tät­lichkeiten drohenden Nationalsozialisten unter.

Vorsitzender Abg. Löbe( Soz.) ver­suchte wiederholt, sich Gehör zu ver­schaffen, doch wurde er jedesmal durch die beleidigenden stürmischen Zurufe der nationalsozialistischen Ausschußmitglieder daran gehindert. Schließlich erhob er sich von seinem Sitz und unterbrach die Situng auf eine halbe Stunde.

Beim Verlassen des Saales wurden die sozialdemokratischen Mitglieder des Aus­schusses und der Vorsitzende Löbe von den nationalsozialistischen Abgeordneten mit Beschimpfungen überschüttet. Man hört Rufe, wie Ihr Schweine", Judenjunge" usw.

Die Nationalsozialisten blieben nach dem

Auszug der anderen Parteien zunächst im Sigungssaal. Nach etwa einer halben Stunde erklärte dann Frank II, der stell= vertretender Vorsitzende des Ausschusses ist, eigenmächtig und rechts= widrig die Situng für eröffnet und vertagte sie auf unbestimmte Zeit. Das ist der beste Beweis, daß es den Nazis vor allem auf die Verhinderung der Sikung, besonders wegen der Unter­suchung der Osthilfe ankam.

Vizepräsident Löbe hat nach der Ver­tagung des Ausschusses den folgenden

Brief an den Reichstags­

präsidenten Göring

gerichtet, dem nach der Geschäftsordnung des Reichstages die Ausübung der Ord­nungsgewalt zusteht:

Sehr geehrter Herr Präsident!

Die nationalsozialistischen Mitglieder des Ausschusses zur Wahrung der Volksrechte haben heute unter Führung des Abg. Frank II durch ununterbrochenes Schreien, Be­ichimpfungen des Borsitzenden und Dro­hung mit Gewalt verhindert, daß der Aus­schuß in seine Beratungen eintreten fonnte. Sie haben ferner gedroht, jede neue Sitzung des Aus­schusses unter meinem Vorsitz mit Gewalt un­möglich zu machen. Ich bitte Sie deshalb auf

Grund Ihrer präsidialen Befugnisse dafür zu sorgen, daß ich die Wiederaufnahme der Beratun­gen in einer neuen Sihung durchführen kann, die ich ansehen werde, sobald Ihre Zusicherung in meinen Händen ist.

Da die Gegenstände der Beratung eilig, die Mit­glieder des Ausschusses in Berlin versammelt sind, erbitte ich mir Ihren Bescheid noch am heutigen Tage.

Mit vorzüglicher Hochachtung gez, Löbe Borsitzender des 1. Ausschusses.

Löbes Erklärung

Zu der Aeußerung, die dem Abg. Löbe von den Nationalsozialisten vorgeworfen wurde, gibt Löbe selbst folgende Erklärung:

In einer Versammlung in Bad Salzuflen war er vor der Eröffnung der Versammlung mit 3urufen von Nationalsozialisten be­dacht worden und führte deshalb aus: Die Nationalsozialisten nennen mich ,, Kriegsdienst­verweigerer" ,,, Landesverräter", Novemberver­brecher". Sie haben den Kampf auf das persönliche Gebiet geschoben. Was würden Sie sagen, wenn wir von ihrem Führer unter Hinweis auf seine Herkunft Adolf der Slowenier" sagen würden?"

"

Der Ausdruck von Blutigen Fingern" beruht auf freier Erfindung.

Breußen flagt gegen das Reich

Staatsgerichtshof muß sein eigenes Urteil schützen

Gegen die neueste Preußenverordnung, die verfassungsmäßige geschäfts­führende Staatsregierung und damit den Spruch des höchsten Berfassungs­gerichts( Staatsgerichtshof) mit einem Feder­strich beseitigt, hat die Staatsregierung jetzt for­mell neue klage beim Staatsgericht in Leipzig eingelegt.

Ueber die Auffassung des verfassungsmäßigen Staatsministeriums zur Verordnung des Reichs­präsidenten zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in Preußen" vom 6. Februar 1933

"

Verschwinde, verschwinde! wird folgendes mitgeteilt:

Dr v Winterfeld, 2. Vorsitzender der DNVP . ,, Wir hoffen, daß immer mehr das sozialistische Gedankengut aus dem Nationalsozialismus verschwin­den möge."

Geben Sie den Sozialismus ruhig preis

stramme Haltung ersetzt alles!"

Die preußischen Staatsminister erheben schärfsten Widerspruch gegen die Be= schuldigung, daß das Land Preußen seine Pflichten gegenüber dem Reich verlegt habe. Die amtliche Begründung der Reichsregierung zu der Verord­nung sieht das angebliche Verschulden des Landes Preußen darin, daß der Preußische Landtag keine Mehrheitsregierung gebildet und sich nicht auf­gelöst habe, und daß der Ministerpräsident dazu mitgewirkt habe, daß die Auflösung unterblieb. Demgegenüber wird zunächst folgendes fest­gestellt: Die Bildung einer Mehrheitsregierung durch die NSDAP . und das Zentrum scheiterte daran, daß die Reichsregierung ihrerseits keine verpflichtende Zusicherung abgab, daß sie nach Bildung dieser Regierung den für Preußen ein­gesetzten Reichskommissar zurückziehen werde.

Zur vorzeitigen Auflösung eines Landtags be= steht im übrigen feinerlei rechtliche Pflicht, geschweige denn eine Pflicht gegenüber dem Reich. Die Reichsregierung hatte nicht ein­mal eine Aufforderung zur Auflösung an die preußische Regierung gerichtet. Es lag lediglich der Wunsch der NSDAP . und des Landtagspräfi­denten Kerrl vor. Für die Nichtauflösung des Landtags im jezigen Zeitpunkt war wesentlich, daß in der augenblicklich unruhigen Zeit nicht beide Barlamente in der Reichshauptstadt gleichzeitig vollständig ausgeschaltet werden tönnen. Wenn die Reichsregierung ferner hervorhebt,

daß die Preußenregierung sich zu ihrer Infor­mation der preußischen Akten und Beamten be= dient habe, so ist dazu festzustellen, daß dies der preußischen Regierung durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 18. November 1932 vor­geschrieben worden ist. Dort heißt es ausdrück­lich in Nr. 10, daß den Ministern die mit der Bearbeitung der ihnen verbliebenen Aufgaben be= trauten Ministerialbeamten zum Vortrag zur Ver­fügung zu stellen und Akten vorzulegen sind. Hier­von haben die Minister sparsamsten Gebrauch gemacht.

Wenn die jetzigen Zustände unbefriedi gend sind, so beruht das auf der Einsetzung und Umgestaltung des Reichstom­missariats und der wenig entgegenkommen­den Ausführung der Entscheidung des Staats­gerichtshofs durch den Reichskommissar, die in vielen Punkten dem Sinn der Entscheidung wider­spricht.

Die neue Verordnung verstößt hiernach gegen die Reichsverfassung und gegen die Grundsäge der Entscheidung des Staats­gerichtshofs. Die preußische Staatsregierung wird unverzüglich die Entscheidung des Staatsgerichts­hofs anrufen."

Erklärung Severings

Keine Staatsgelder für Parteipresse

Genosse Severing, den die Nazis im Landtag als preußischen Innenminister durch mehrfache Sigungssprengung an der Abgabe einer Erklärung verhinderten, hat diese Erklärung der Presse über­geben. Sie lautet:

,, Die Ende Juli 1932 von dem stellvertreten­den Reichskommissar Dr. Bracht getroffenen an­geblichen Feststellungen über die Verwendung von amtlichen Geldern für Parteizwecke sind un­richtig. Auch die Aufzeichnung des Herrn Nobis ist objektiv unrichtig. Er hat den Zusammen­hang selbst nicht gekannt und vollständig mißver= standen. Das verlesene Protokoll ist keine