BEILAGE
Vorwärts
DIENSTAG, 7. FEBRUAR 1933
Innerhalb der Osthilfe- Skandale spielt der Fall v. Quast- Radensleben eine besondere Rolle. v. Quast hat nach einer Aeußerung des Finanzamtsleiters Don Ruppin sein Vermögen verjeut, verhurt und versoffen. Trotzdem wurde D. Quast aus dem Osthilfefands saniert. Wir erhalten dazu folgende Zeilen: Eine gute Bahnstunde nördlich von Berlin liegt, abgeschieden von der Welt, das Rittergut des Herrn Wilfried von Quast. Um den Gutshof und das Herrenhaus gruppiert sich ein bescheidenes Dorf, dessen mündige Bewohner sich am 6. November 1932 bei den Wahlen zum Deutschen Reichstag wie folgt entschieden haben: 42 Stimmen für die Nazis, 37 für die Sozialdemokratie, 18 für die Kommunisten, 1 für das Zentrum, aber 136 für die Deutschnationalen, für den Herrn Hugenberg, für den Stahlhelm. Dieses Wahlergebnis mit seiner absoluten Majorität für die ostelbische Junkerreaktion in einem Dorf mit einer erdrückenden proletarischen Mehrheit- die besitzende Minderheit wäre allenfalls die Familie D. Quast, 20 selbständige Bauerneristenzen und eine Handvoll Gutsbeamter als Troß, dieses Ergebnis ist das Spiegelbild jener eigentümlichen Menschenökonomie des Herrn v. Quast.
Dieser preußische Junker wird vielleicht erstaunt fragen, wen er denn eigentlich unterdrücke? Gewiß, der Herr Wilfried v. Quast marschiert nicht mit einer neunschwänzigen Kazze durch das Dorf und über das Feld und drischt solchermaßen auf die Leute ein; so wird das nicht mehr gemacht. Der letzte Fall von Prügelei liegt weit zurück: Als man bei einer Vorfriegswahl dahinter kam, daß ein Gutsarbeiter die„ Roten " gewählt hatte, 30g man ihm nachher die Hofen stramm, und bei einem Fall vor vier Jahren, als dem Herrn v. Quast eine Scheune abbrannte, erhielt der Diener nur eine Ohrfeige oder bot man ihm nur eine an, weil er mit aufs Feld löschen gegangen war, statt der alten Frau v. Quast das Abendbrot zu servieren. Der Herr v. Quast poltert auch nicht los, wie der Nazibudiker am Ort, der den Arbeitern eine Zeit wünschte, in der sie Stroh fressen müssen. Im Gegenteil. Am 27. Januar, zur Kaiser= Geburtstagsfeier, die
in Radensleben noch immer unter die großen Festtage rangiert, besucht der Herr v. Quast ungeniert den profanen Stahlhelm- Gasthof. Ehrerbietig erhebt sich die Versammlung, wenn er den Saal betritt, und es kommt dem Junker v. Quast auch nicht auf eine Lage Bier an, wenn ihn seine Arbeiter nachher, mit dem Bierseidel in der Hand an der Theke stehend, hochleben lassen. Und im zweiten Wahlgang für den Reichspräsidenten , als Duesterberg zurückgetreten war, ermunterte er leutselig die Arbeiter, Hitler zu wählen. Man weiß die Peitsche in Radensleben gut zu tarnen.
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Die Faust des ,, Stahlhelm " Aber da sind die Vereine in dem kleinen Ort. Zuerst der Kriegerverein. Dann die Ortsgruppe des Stahlhelm. Zu dritt der JungStahlhelm. Zu viert der Reiterverein, zu fünft der Königin Luise Bund, zu sechst der Gesangverein, und zu guter Letzt der Turnverein. Die Arbeiter stöhnen und ächzen unter den vier- und fünffachen Vereinsbeiträgen, aber wer nicht im Stahlhelm ist, wer nicht im Kriegerverein mitmacht, wer den Jung- Stahlhelm schmähen sollte und wer nicht Sonntagvormittags hinter dem Herrn v. Quast und seiner Frau Erika im Reiterverein über die Flur reiten wollte, dem ginge es wirtschaftlich an den Kragen. Nicht heute, aber morgen, bei passender Gelegenheit. Für diese Vereinsflüngel hat der Junker v. Quat seine Leute: für den Kriegerverein vornehmlich seinen Adermeier und für die Stahlhelmgruppe den Gutsschmiedemeister. Dieser Ackermeier mun, der hat das Stahlhelmabzeichen am Rock, wenn er aufs Feld reitet, der paßt auf, mer zur Kundgebung der„ Roten " geht, was in Radensleben übrigens mit unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben verbunden ist, denn auf die lezte Bersammlung der Sozialdemokratie prasselte plöglich ein hinterliftiger Steinhagel nieder Warum man denn nicht die Fenster schließe? fragt jemand. Das geht nicht, fein Gastwirt gibt den Roten " seinen Saal; vom Lautsprecherauto eine furze Ansprache, das ist alles, was sich or= ganisieren läßt.
Neulich waren die Kommunisten in Ra densleben. Sie fingen ihre Expedition recht geschickt an und brachten für den Winter warme Sachen mit. Sagten zu einer Frau, sie solle nur nähertreten mit samt ihren Kindern und sie werde doch nicht die dargebotene Hose und Jacke ab schlagen. Das machte die Frau auch nicht, nur zum Schluß nahmen sich die Kommunisten die Kinder beiseite, drückten jedem einen Backen Flugblätter in die Hand, mit der Weisung. schleunigst in jedes Haus eines der Blätter zu tragen. Nun, dachten vielleicht die Kinder, mo die. Onkel so nett waren und der Mutter die Kleider schenkten, müssen wir schon die Blätter austragen. So wurde jede Stube in Radensleben mit Flugblättern bepflastert. Die Stahlhelmer glaubten, es schlüge 13, der Adermeier befam
Stielaugen: Was, die Kinder des Stahlhelmers F. tragen kommunistische Flugblätter aus? Das ist wohl ein kommunistischer Spitzel?" Sofort setzte er für den nächsten Freitag einen Appell der Stahlhelm Ortsgruppe an. Hochnotpeinliches Verhör, aber es war dem Mann nichts zu beweisen; er hatte auch tatsächlich mit der Flugblattverbreitung nichts zu tun. Und wie die Gutsarbeiter politisch in den Stahlhelm gepreßt werden, so müssen sie wirtschaftlich Mitglied des gelben Landarbeitervereins sein. Die Berliner Arbeiter werden vielleicht sagen. das sei zu dick aufgetragen. Durchaus nicht. Man muß sich nur vergegenwärtigen, was das heißt: Ostelbien. In Berlin gehen die Arbeiter bei irgendeiner Differenz im Betrieb zum Arbeiterrat; in Radensleben müssen sich die Gutsarbeite: jedes Wort dreimal überlegen, ehe sie es aussprechen. Ueberall lauert die Feme . Welcher Arbeiter in der Großstadt kommt zum anderen auf den Gedanken, seinen Unternehmer mit gnädiger Herr" anzureden; in Radensleben könnte jeder Gutsarbeiter sein Ränze! schnüren, wenn er nicht gnädiger Herr" zum Rittergutsbesitzer v. Quast sagte. Früher ließ sich dieser Mann Herr Leutnant" titulieren. Da begab sich folgendes: Der Herr v. Quast will nach Neuruppin fahren. Er läßt sich von dort ein Auto kommen. Der Chauffeur kommt zum Quast und sagt, er solle den Herrn v. Quast fahren. Da schreit dieser auch schon: Was fällt Ihnen ein, mich beim Namen zu nennen, ich bin für Sie Herr Leutnant!" Nun war dieser
Chauffeur sozusagen ein fnorfer Junge, der dem Junker folgende Antwort gab:„ Dann bin ich für Sie Herr Feldwebel, ich war Feldwebel im Felde!" Worauf der Junker den Feldwebel rausschmiß. Er ließ sich ein neues Auto aus Ruppin kommen und mußte schließlich beide Wagen bezahlen. So kann der Herr v. Quast das Geld auf die Straße werfen. Aber dieser Chauffeu: fonnte wirtschaftlich auf das Rittergut Radensleben pfeifen, die Gutsarbeiter aber nicht. Sie find Zwangssoldaten im Stahlhelm, und nur manchmal soll man das nun grotest oder tragisch nennen wenn sie ganz unter sich sind, wenn es niemand hört, dann erinnern sie sich, daß sie Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" und selbst noch die Internationale" singen können. Dann singen die Stahlhelmer von Radensleben die alten Arbeiterlieder ihrer Jugend; aus nahe= liegenden Gründen können wir uns hierüber nicht näher verbreiten.
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Der Hungerriemen
Aber dieser beispiellose politische. Druck, der über ganz Radensleben lastet, hat, am Kochtopf der Gutsarbeiter gemessen, seine wirtschaftlichen Konsequenzen. Augenblicklich erhält ein Arbeiter des Herrn v. Quast einen Wochenlohn von 2( in Worten zwei) Mart, und sofern er ein Gespann führt, einen Wochenlohn von 5 Mark. Eine Frau, deren Mann stirbt, siedelt in ein Stübchen über, das Deputat fällt weg und als Gnadenbrot erhält sie einen Stundenloh\ von 5( in Worten fünf) Pfennigen.
Dafür muß sie Rüben hacken, Säcke flicken oder sonst etwas machen, aber was macht die Frau nun mit dem Sechser Lohn? Die Arbeiterfamilien erhalten außer dem Barlohn noch das Depu= tat: täglich 1 Liter Milch, jährlich 11 Raummeter Holz, 2 Kastenwagen Kartoffeln( rund 87 Zentner) und rund 15 Zentner Getreide. Da= zu ein Stück Garten. Das tägliche Brot eines Quastschen Gutsarbeiters sieht dann wie folgt aus: morgens Brot mit Pflaumenmus( eingefocht von den Pflaumen aus dem fleinen Garten), mittags Kohlrüben mit Kartoffeln, nur selten Fleisch, trotz schwerster Arbeit, und abends immer das gleiche: Pellkartoffeln, mal mit Hering, mal mit Mehlstippe, nicht etwa Speckstippe. Wenn jemand die Gutsarbeiter fragen wollte, ob sie denn keine Butter haben, den würden sie nur entgeistert anstarren:" Butter? Kennen wir nicht, hier ist alles Margarine." Das ist Ostelbien: die Männer und Frauen, die die Butter schaffen, essen nur Margarine.
Doch wenn es in seine Tasche geht, kann der Herr v. Quast rechnen. In diesem Winter er= brachen Räuber seinen Hühnerstall und schlachteten 52 Hühner ab. In Marwig, kurz vor Velten , wurden die Räuber ergriffen und der Herr v. Quast bekam die 52 toten Hühner zurück. Jezt ließ er einen Anschlag machen: Wer Hühner haben wolle, der solle zu ihm kommen, das Pfund koste 60 Pfennige. In Berlin kostet ein Pfund Huhn 70 Pfennige; die hatten aber feine Räuber gestohlen. Der Herr v. Quast braucht eben viel Geld. Wenn die Ruppiner Granden auf auf das Radenslebener Schloß kommen, dann geht es hoch her. Verjeut, verhurt und versoffen, schrieb der Finanzamtsleiter von Ruppin über das Vermögen des Junkers v. Quast. Und aus dem reichen Born der Osthilfe gab man dem Junker neues Geld..
Der Kampf gegen diese Kaste ist der Kampf um das Lebensinteresse der deutschen Werktätigen.
Schinderhannes, der Räuberhauptmann
Ein Produkt seiner Zeit/ Von Robert Breuer
,, Jeder Krieg schleppt einen breiten Schweif von moralisch verwirrten, verwilderten, ziellosen Elementen hinter sich her, die um so zäher und gefährlicher sich zu förmlichen Gilden verfilzen, je schwankender die politische Ordnung, je näher die neue Kriegsgefahr, je ratloser das erwerbende Bürger und Bauerntum ist." Mit solcher Feststellung gibt Curt Elwenfpoet in einer vor etlichen Jahren erschienenen Analyse des viel beschriebenen rheinischen Räubers Schinder hannes den psychologischen Schlüssel. Niemand besser als wir, denen die Baltikumer, die Fememörder und die Nazis beschert worden sind, kann solche Formel verstehen; sie erkennt in dem einzelnen Gewalttäter, ob er nun als Freischärler sich nationalistisch kostümiert, ob er als Marodeur die Lande durchstreift, oder als verwegener Hauptmann eine Diebes- und Mordbande sammelt, das Produkt verwirrter Zeit, die Nachgeburt des organisierten und staatlich anerkannten Mordens und Raubens. So ist es nicht weiter erstaunlich, daß jener Schinderhannes, der schon ehedem eine ganze Literatur, allein sechs Foliobände Prozeß= aften, aber auch zahlreiche geschichtliche Darstellungen und mehrere Romane hervorgerufen hatte, gerade in den Unruhejahren nach dem Weltkriege wieder entdeckt worden ist. An erster Stelle muß man hier das Drama von Carl 3udmayer, das gegenwärtig in der Volksbühne“ gegeben wird, nennen.
Er hieß Johannes Bückler und wurde 1778, es tann auch 1779 gewesen sein, als Sohn eines sogenannten Schinders, eines Abdeckers, in Mühlen bei Nastätten geboren Das ist ein Ort, eingezwickelt zwischen Hunsrück , Odenwald , Spessart und Taunus , eine Gegend, die seit dem Dreißigjährigen Krieg und noch länger zurüď beinahe ununterbrochen Soldaten, Kämpfende und Flüchtende, Brandschazende und Schändende gesehen hatte. Seit der Französischen Revolution gar war die Landschaft, waren die Straßen und die Dörfer überhaupt nicht mehr zur Ruhe ge= tommen. Oft wußten die Leute nicht einmal, messen Untertanen, ob sie des Kaisers, des preußischen Königs oder der französischen Republik waren. Die Verwaltung war verwildert, und die Gesetze hatten ihren regelnden Einfluß eingebüßt. Ueberall wucherte unversorgte Not. Die Erziehung lag im argen. Beamte und Richter waren bestechlich, und da jeder, unter dem Druck der ständigen Gefahren, nur an fich dachte, so wurden die Grenzen zwischen Recht und Unrecht flüssig und mehr durchstoßen als geachtet. Es gab viel menschlichen Abfall. vor allem ehemalide Soldaten, die nichts Ordentliches mehr werden konnten, ungezählte Landstreicher, Bürger und Bauern, die alles durch Unglück oder durch Frevel verloren hatten. Allenthalben im Lande, und nicht nur hier, im ganzen Main - und Rheingebiet, von Frankfurt bis gen Holland , bildeten sich Banden, die teils harmlos, teils höchst unmanierlich, ja diebisch und mörderisch nomadisierten. Jede dieser Banden hatte ihren Häuptling, der entweder durch seine klugen Einfälle oder durch seine Brutalität, oft auch durch irgendeinen geheimnisvollen Nimbus der Zauberei oder der Verwandtschaft mit dem Teufel, die Führung erworben hatte. Sein
Name war nicht nur den Genossen heilig, er wurde auch von der unschuldigen Bevölkerung gefürchtet und genügte oft, um Türen und Kasten zu öffnen.
Solch ein Hauptmann, Führer einer Räuberbande, wurde Johannes Bückler , nachdem er mancherlei Fährnis und Elend erlebt, mancherlei Bettel und Diebstähle betrieben hatte und einmal auf offenem Markt ausgepeitscht worden war. Die Erlebnisse seiner traurigen Jugend haben ihn, so erzählte er später dem Untersuchungsrichter, mit der bürgerlichen Gesellschaft in Zerwürfnis gebracht. Er lernte sie verachten und hassen; von ihr ausgestoßen, geriet er in den Strom der Verwesung und wurde teils aus Hunger, teils aus Romantik und schließlich auch,
Historische Miniaturen
der
Martha" und die Teutendorfer. Das Hoftheater von Mecklenburg- Schwerin hatte einen großen Tag. Die Oper eines Landesfindes sollte aufgeführt werden: die ,, Martha" von Friedrich Freiherrn von Flotow, auf seinem elterlichen Besitz Teutendorf im Meck lenburgischen als Sproß einer der ältesten und vornehmsten Adelsfamilien geboren worden war. Nun, die guten Leutendorfer ließen es sich nicht nehmen, zu dieser Aufführung zu erscheinen. Sie tamen in Aderwagen, mit improvisierten Bänken, sie tamen in ihren schönen Volkstrachten, und viele von ihnen gingen überhaupt das erstemal ins Theater.
Flotow war selbst anwesend. Kurze Zeit später zwar sollte er Intendant des Schweriner Hoftheaters werden, aber damals ahnte er davon noch nichts und war nur der ängstlich zitternde Komponist. In Wien zwar hatte die ,, Martha" Furore gemacht und das ganze Publikum zu Tränen gerührt- aber in Mecklenburg- Schwerin ? Erstens sind die Mecklenburger nicht sehr für's Rührenlassen, und zweitens gibts das bittere Wort vom Propheten in seinem Vaterlande.
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Aber als sich nach der Aufführung die Teutendorfer bei ihm einfanden da war er beruhigt. Nein, was fonnten die Teutendorfer weinen! Nicht nur die Frauen, auch den hartgesottenen alten Bauern und Knechten des väterlichen Gutes standen die dicken Tränen in den grellblauen Augen.
,, Na", fragte Flotom ,,, hat's euch denn wirklich so gerührt...?"
Sie nichten und meinten noch lauter.
,, Es hat euch ja geradezu traurig gemacht, ihr Braven!"
,, Jeja, da möt einen doch tom Weinen sin!" bestätigte der Aelteste schluchzend. Sehn Sei, Herr von Flotom, wi hebben nu alle Ehren Grotvader noch fennt un Ehre Grotmudder, un Ehren Vader und Ehr Mudder ock. Allens brave Lüd wesen, Herr von Flotom, un ehrbare Lüd, un rike Lüd. Un Sei Sei maten nu Musik. Nee, dat so een vornehmes Geschlecht so to Grund geihn.möt...!") Memo.
weil er die Franzosen nicht leiden konnte, ein Räuber. Doch machte er im Verlauf seiner Karriere, die von 1796 bis 1802 dauerte, so wenig Unterschied bei Aneignung von Pferden, Schinken und Würsten, wollenen und seidenen Stoffen, von Silber und Gold, daß keine Möglichkeit war, ihn zum Nationalhelden zu ernennen, er blieb, was er war, ein Räuber, ein Brenner und Mörder, und mußte, von deutschen Gendarmen gefangen und den Franzosen ausgeliefert, auf dem Schafott sterben.
Er ist nicht alt geworden, fn app 26 Jahre; 1803, am 21. November, würde er in Mainz , mittags 1 Uhr, in Gegenwart einer tausendköpfigen Menschenmenge, zusammen mit neunzehn seiner Kameraden guillotiniert. Die Henker waren sehr stolz, daß sie diese Massenabschlachtung in einer knappen halben Stunde vollbrachten. Sie sollen dabei allerlei Nebenverdienst gehabt haben, weil das aufgeregte Publikum gierig mar nach Andenken an die Gerichteten, auch, um diese oder jene Krankheit zu vertreiben, nach deren Blut. Solche peinliche Kuriosität, kennzeichnend für das sittliche und kulturelle Niveau der Zeit, ist für Schinderhannes beinahe so etwas wie eine Rechtfertigung. Es verdient in solchem Zusammenhang auch erwähnt zu werden, daß der arme Hannes, der nicht gerne sterben wollte, ernstlich auf die Gnade Bonapartes rechnete, von dem er hoffte, daß er, der große General, den geringeren Kollegen immerhin begreifen würde. Bei einer früheren Gelegenheit soll Schinderhannes solche innere Ver wandtschaft mit dem großen Blut- und Gewaltmenschen der Weltgeschichte deutlich ausgesprochen haben:„ Wir sind ein Werkzeug in der Hand der Vorsehung, Gott hat uns erweckt und gefandt, um die Geizigen und Reichen, sowie die Verräter und Unterdrücker zu züchtigen." Das klingt schon beinahe etwas größenwahnsinnig und reichlich verwirrt; aber, um darauf noch einmal zurückzukommen, gerade wir, die Mitarbeiter so vieler großer Zeiten, sind so sehr an ähnliche Erscheinungen und Ueberspannungen gewöhnt, daß uns dieser Schinderhannes, der Zulauf, den er hatte, und die Selbstgewißheit, die er als Glorie um die Schultern schlug, nicht nur vertraut erscheinen, sondern auch als die Abfallsprodukte eines verrotteten Militarismus und zerstörten Wirtschaftslebens restlos erklärbar sind.
ENGELHARDT
VANES
... stets vorzüglich
... stets bekömmlich
Engelhard
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