Ein SonutagSkunde. Folgende Geschichte ist, wie der ..Konfekt." erzählt, dem Mitinhaber einer hiesigen Mädchen- Mäntelfabrik am vergangenen Sonntag passirt: Während der Kirchenzeit war der Genannte mit seinein Sozius und seinein Bruder, der Angestellter im Geschäft ist, thätig, um die am Sonn- abend verkaufte Waare zu expediren. Plötzlich geht die Thür auf, ein großer, starker Herr trit in das Geschäftslokal und be- grüßt den einen Inhaber mit den Worten:„Guten Tag, Herr P."„Ah! guten Tag, Herr.. sagte Herr P. in liebenswürdiger Weise und drückte ihm die Hand, da er in dem Hereinkomineuden einen Kunden aus der Provinz vermuthete. „Wie geht es Ihnen? Das ist ja schön, daß Sie selbst am Sonntag zu uns kommen. Seit wann sind Sie in Berlin ?" Der verineiiitliche Kunde antwortete:„Ich bin immer in Berlin , ich bin nämlich Kriminalpolizist und wollte Sie in klagrunti bei der Nebertrctung des Gesetzes für die Sonntagsruhe ertappen. Es ist uns gemeldet worden, daß Sie seit mehreren Sonntagen während der Kirchenzeit arbeiten lassen." Große Verwirrung und Bestürzung richtete Mittwoch Nachmittag gegen 2 Uhr der 35 jährige Kasstrer Paul Schleyer, dessen Name vor einiger Zeit in Verbindung mit einem Oleum- attentat in der Nesselstraße genannt wurde, unter den Besuchern der Charitee an. Schleyer kam mit einer Droschke vor dem Kraiikenhause angefahren und verlangte Aufnahme. Da er jedoch angetrunken war, so mußte man ihn abweisen. Hierüber gericlh der Mann so in Wulh, daß er nicht nur die Beamten der An- stalt beschimpfte, sondern auch zwei große Scheiben mit der Faust einschlug, so daß die Splitter unter die Leute, die zun» Besuche ihrer kranken Angehörigen gekommen waren, umher- flogen. Der Wütherich wurde schließlich von einem Schutzmanne abgeführt. Eine sehr jugendliche Schwindlerin treibt sich seit fünf Tagen in Berlin herum. Die I3jährige Auguste Glawe, genannt Nemitz, aus der Hornstraße Nr. 2l kam am Sonnabend, morgens um 81/» Uhr zu ihrer Mutter, der Arbeiterfrau Nemitz und er- zählte ihr, die Kragennäherin Fräulein Müller aus der Groß- beerenstr. Nr. 39, für die sie schon öfter Gänge gemacht hatte, habe sie beauftragt, bei ihren Runden Geld für sie einzuziehen. Das Mädchen zeigte auch einen geschriebenen Zettel dar, nach dem Fräulein Müller die Kunden ersuchte, der Ueberbringeriu den fälligen Be- trag einzuhändigen. Eine bestimmte Summe war nicht ange- geben. Als abends um 8 Uhr das Mädchen noch nicht wieder nach Hause gekommen war, ging Frau Nemitz zu Fräulein Müller, um sich nach dem Verbleib des Kindes zu erkundige», und erfuhr nun, daß der Austrag erfunden und der Zettel ge- fälscht ,var. Wahrscheinlich hat ihn die Schwindlerin, die sich auch bis jetzt»och nicht wieder zu Hause hat sehen lasse», selbst mit verstellter Hand geschrieben; möglich ist aber auch, daß noch andere Personen ihre Hand im Spiele haben. Das Mädchen ist hellblond, 1,30 Meter groß, schlank und blaß. Entführt wurde gestern früh die achtjährige Tochter eines im Juni gestorbenen Stenerassistente», welche bei ihrer Tante untergebracht lvar. Auf dem Wege zur Schule wurde das Kind in der Weinmeisterstraße von zwei Männern aufgegriffen und in einer Droschke I. Klasse davongefuhrt. Man vermuthet, daß die Entführung auf Veranlassung der von dem Vater geschiedenen Mutter des entführten Kindes erfolgt ist. Aus den Nachbarorte». Tie Parteigenoffe» und Genossinnen deS Kreises Niederbarnim werden nochmals auf die am Sonnabend, de» 19. September stattfindende Parteiversammlung im Schloß W e i ß e n s e e aufmerksam gemacht. Außer einem Vortrage des R« chslags-Abgeordneten Stadthagen steht die Stellung- nähme und Diskussion über Anträge zum Parteitag, sowie die W a h l v o n D e l e g i r t e n auf der Tagesordnung. Es ist Ehrenpflicht eines jeden Genossen, in dieser Versammlung zu er- scheinen; die Vertrauensleute werden ersucht, dafür zu sorgen, daß gleichfalls Deputationen aus den.umliegenden Orten an- wesend sind. A«S Ripdorf. Einem rohen Scherz halbwüchsiger Burschen sind an den letzten Abenden in der Kaiser Friedrichstraße wieder- holt Radfahrer zum Opfer geworden. Unermitlelte Personen hatten nämlich quer über die Straße feinen Draht gezogen, den sie zu beiden Seiten der Straße an Zäunen befestigt hatten. An mehreren Abenden hintereinander kamen durch diesen Streich Radfahrer zu Fall. Zwei derselben trugen derartige Verletzungen davon, daß sie ärztliche Hilfe brauchten.— Auf eigenartige Weise verunglückte neulich Abends in der Berlinerstraße ei» anderer Radfahrer, Gerichtssekrelär H. Derselbe fuhr vor- schriftsmäßig auf der rechten Seite der Straße, als von einem in voller Fahrt befindlicben Pferdcbahnwagen.ein Mann herabsprang, der gegen das Rad des Herrn H. fiel. H. stürzte infolge dessen und blieb besinnungslos liegen, sodaß er ' nach seiner Wohnung gebracht werden muhte. Leider hat H. bei dem Unfall eine Sehnenzerreißung des rechten Fußes und andere nicht unerhebliche Verletzungen davongetragen.— Zu erschießen versuchte sich der 40 jährige Arbeiter Kohrt aus der Prinz Handjerystraße, indem er sich auf den Köllnischen Wiesen ein mit Wasser geladenes Terzerol in den Mund abfeuerte. Noch lebend wurde der Unglückliche mit schrecklichen Verletzungen auf- gefunden und in das Rirdorfer Krankenhaus gebracht. Nahrungs- sorget» sollen daS Motiv der beklagenswerthe» That sein. Getoerve�DUtsPkellung 1896. Der bisherige Verlauf der Treptower Ausstellnng wurde von dem Hansbesitzer-Verein„Südost" lebhaft erörtert. Die Vereinsmitglieder haben im ganzen etwa 800 000 M. zum Garantie-Fonds der Ausstellung gezeichnet und unterzogen des- halb die geschäftlichen Anordnungen des Arbeitsausschußes einer eingehenden Kritik; besonders hervorgehoben wurde die auffallend billige Verpachtung des Hauptrestaurants und die Zuwendung von Lieferungen an ein Mitglied des Arbeits-Komitees. Der Vor- sitzende des Vereins sprach die Hoffnung aus, daß das Defizit den Betrag von IvvEt. des Garantiefonds nicht erheblich überschreiten werde. Herr Sladtv. R o s e n o w schätzt das D e f i z i t auf mindestens 20 p C t. des Garantiefonds und theilt mit, daß er sich bei Verpachtung des Hauptrestaurants ver- geblich bemüht habe, einen höheren Pachtzins zu erzielen; hierzu wäre eine besonders günstige Gelegenheit gewesen, als die Pächter die Aushebung des ersten Pachtvertrages, wonach das Haupt- restaurant am Spree -User errichtet werden sollte, verlangten und den Platz am Ostende des neuen SeeS wünschten. Es sei nur die Hergabe einer Extrasumme von 25 000 M. von den Pächtern zu erreichen gewesen; mit weitergehende» Forderungen stieß n>an auf den Widerspruch der Mehrheit des Ausstellungs-Vorstandes. Der Betrag, um welchen die P a ch t f u m m e zu niedrig b e m e s f e>t ist, schätzen Fachleute auf etwa 290 000 M. Herr Rosenow hat damals für seine Person einen Protest zu den geführten Verhandlungen eingereicht und auch die Zu- Wendungen von Lieferungen an«in Mitglied desArbeitsausschussesgemißbilligt. weil solches Verfahren gegen die in der Selbstverwaltung allgemein aner- kannten Grundsätze verstoße; dagegen müsse anerkannt werden, daß durch diese Lieserungen dem Unternehmen ein materieller Verlust nicht erwachsen sei. Zu hoffen sei, daß der Magistrat die Wiederherstellung des Parkes nicht verlangen und die hierzu erforderliche bedeutende Ausgabe dem Unternehmen er- sparen werde. Der Verein beschloß, den Magistrat um Ankauf und Erhaltung des Hauptrestaurants. deS Eafö Bauer und des Kuppelsaales vom Hauptgebäude zu ersuchen. Nach diesem tritt imnier mehr zu tage, daß in der Aus- stellungSleitung ganz eigenartige Begriffe über da? Verhalten maßgebend sein müssen, das man in öffentlicher Stellung der Oeffentlichkeit gerade in Geldangelegenheiten schuldig ist. Von den aus Anlast der Ausstellung geschaffenen Verkehrsmitteln wird nur weniges bis nach Schluß der Aus- stellung erhalten bleiben. Die elektrische Straßenbahn Leipziger- straße(Behrenstraße)— Treptow bleibt erhallen und wird bis Grünau weitergeführt. Nach Freilegung der Treptower Chaussee ivird diese bis hinaus nach Treptow mit elektrischer Leitung versehen, und die elektrische Straßenbahn der Großen Berliner Pferdebahn bis nach Treptow hinein- geführt werden. Als Endstelle für diese elektrische Bahn- linie ist die Park-Allee in Aussicht genommen. Von den Pferde- bahnlinien wird die Strecke vom Zoologischen Garten nach ihren früheren Endstationen Görlitzer Bahnhof respektive Schlesisches Thor zurückverlegt. Ebenso wird die Linie von der Großgörschen- straße aus nur noch bis zum Schlesischen Thor verkehren. Die Wagen der Linie Friedrichstraße — Ausstellung werden hingegen bis Treptow durchgeführt, und dafür fällt die ursprüngliche Linie Spittelmarkt— Treptow fort. Von den Omnibuslinien werden nur die beiden Strecken Potsdamer Bahnhof— Treptow und Zllexanderplatz-Treptoiv über den Schluß der Ausstellung hinaus erhalten bleiben, um jedoch nach Beendigung des Abrisses bis zum Schlesischen Thor verkürzt respektive ganz eingezogen zu werden. Nunpk und LvistettMi-afk. Im Ostend -Thcater wird heute Abend Frl. Else I o st y, welche bisher am Residenz- Theater engagirt war, in dem Kneisel'schen Volksstück„Der deutsche Michel " als Luise debutiren. Im Friedrich- Wilhelmstädtischcu Theater findet der Vorverkauf zur Sonntag- Nachmittagsvorstellung von Schiller's „Maria Stuart" von heute ab an der Tageskasse von Velv— l/eL Uhr ohne Aufgeld zu Abonncmentspreisen(Parquet 1 M., 2. Rang- Sperrsitz 50 Pf.:c.) statt. Ebenso sind Billets zur Sonntag- Abendvorstellung von Moser's Lustspiel„Der Hypochonder" ohne Aufgeld an der Vormittags- Kasse zu haben. Im„Thalia- Theater"(vormals Adolf Ernst- Theater) findet am Sonnabend die erste Wiederholung des Vaudevilles „Co»sin- Cousine" statt. Um das von der Direktion be- absichtigte Programm eines wechselnden Reportoires gleich in der ersten Zeit durchzuführen, soll bereits an einem der nächsten Abende die Aufführung eines älteren Schwankes von Moser stattfinden, dem als zweite Novität die Premiöre des französischen Schwankes:„Der S t r o h m a n n"(Lurnumörairo) von M. B o u ch e r o». deutsch von Max Schönau folgen wird. An beiden Stücken wird bereits seit längerer Zeit probirt. Preustische Thcaterzeusnr. Die Aufführung des Dramas „Die größte Sünde" von Otto Ernst , das in Berlin und Hamburg aufgeführt wurde, ist für Hannover von dem dortigen Polizeipräsideuten Grafen v. Schwerin verboten worden, obwohl ausdrücklich anerkannt wird, daß der Grundgedanke des Stückes nicht zu beanstanden sei. Gewisse Partien sollen das christliche Bewußtsein verletzen. Der Dichter wird den Weg der Klage beschreiten. O, Bennigsen! Zu dem iu Bamberg stattfindenden Astronomen- Kougrcst sind bereits über 30 auswärtige Vertreter eingetroffen. Außer sämmtlichen deutschen Staaten sind Oesterreich-Ungarn , die Schweiz , die Niederlande und Belgien , sowie Rußland ver- treten. Von Amerika sind Prof. Hagen aus Washington und Prof. Leuschner ans Kalifornien eingetroffen. Auf der Bam- berger Sternwarte fand Mittwoch ein Empsangsabend statt. Gestern wurde der Kongreß eröffnet. Soziale Mechlspflege. Parzellcnpächtcr als gegen Unfälle versicherte land- tvirthschaftliche Betriebsunternehmer. Der Hauflrer L. hatte 12 Ar Ackerland gepachtet, wofür er jährlich 8 M. zahlte. Er baute darauf zum Zwecke der Verwerlhung im eigenen Haushall Kartoffeln. Als er eines Tages die geernteten Knollen auf seinen Handwagen lud, verunglückte er dermaßen, daß eine Be- schränkung der Erwerbssähigkeit eintrat. Seine Bemühungen bei der landwirlhschnftlichen Berussgenossenschaft und beim Schiedsgericht um eine Unfallrente blieben erfolglos� jedoch sprach ihm das demnächst angerufene Reichs-Versicherungs- a m t die Rente zu. In der Begründung der Entscheidung, die der I. Senat des Rekursgerichts unter dem Vorsitz des Dr. Surrazin fällte, wurde ausgeführt: Die Thätigkeit, bei der L. verunglückte, sei unstreitig landwirthschastlichen Charakters und der Gesammtheit der vom Kläger dem Anbau und der Gewinnung der Kartoffeln gewidmeten Verrichtungen könnte nicht um deswillen die Bedeutung eines landwirthschastlichen Betriebes abgesprochen werden, weil es sich nur um die Bewirthschastung einer kleinen Parzelle handelte. Es unterfalle jeder, auch der kleinste land- wirthschaftliche Betrieb ohne Rücksicht aus seinen Umfang dem Unfallversicherungs-Gesetze vom 5. Mai 1886; ausgeschlossen davon sei nur die ausschließliche Bewirthschastung von Zier- und Hausgärten. Ein solcher Fall liege indeß hier nicht vor. Es sei somit anzunehmen gewesen, daß L. gelegentlich einer landwirthschafllichen Thätigkeit zu Schaden kam, die der Unfallversicherung unterliegt. Von prinzipieller Bedeutung ist eine Entscheidung des Reichs-Versicherungsamtes, durch welche die Klage des Landwirthes Fein gegen die Posensche Landwirthschaftliche Bcrufsgenossenschost erledigt wurde. Fein war zu Schaden gekommen, als er seinem Gutsnachbar die Einrichtungen seiner Dreschmaschine erklärte, und hatte dann, in der Annahme, einen landwirthschafllichen Betriebsunfall erlitten zu haben, von der genannten Berufsgenossenschaft eine Rente beansprucht. Die Genossenschaft hatte es aber abgelehnt, diesem Ver- langen nachzukommen, und das Schiedsgericht entschied später ebenfalls zu Ungunsten des Klägers. Es war der Meinung, die fragliche Thätigkeit des Verletzten an der Dreschmaschine sei um deswillen nicht als mitversichert anzusehen, weil sie nicht dem landwirthschafllichen Betriebe, sondern lediglich der Unterweisung des Nachbarn diente. Das nunmehr von Fein angerufene Reichs- Versicherungsamt verurthcilte indessen die beklagte Berufsgenossenschaft zur Hergabe der verlangten Unfallrente und erklärte jene Auffassung der Vorinstanz für eine zu enge und der Absicht des Gesetzes nicht entsprechende. Eine solche ge- legentliche, an sich nicht betriebswidrige und ernstlichen Zwecken dienende Benutzung der Dreschmaschine, welche durch die damit verbundene praktische Belehrung über Zusammensetzung und Gang der Maschine für die landwirthschastlichen Betriebe der Betheiligten sogar förderlich ist oder wenigstens förderlich werden kann, habe für mitversichert zu gelten. GevidzksrBeiftm g. Zwei anscheinend höchst gefährliche internationale Bankdiebe» über deren Persönlichkeiten ein gewisses Dunkel schwebt, wurden gestern der zweiten Strafkammer des Land- gerichts I. aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Die An- geklagten nennen sich Walter Henry B o w e r s und Pferde- Händler Joseph Alexander. Sie befinden sich seit dem 19. Oktober 1895 in Haft. In der Zwischenzeit sind sie am 5. Dezember v. I. in Hamburg wegen Widerstandes gegen die Staatsgewakt zu 2 bezw. 3 Wochen Gefängniß verurtheilt worden. Sie werden angeklagt, am 24. Juni 1895 dem Berliner Kaffenverein gehörige 4000 M. in vier Rollen zu je 1000 M. in Gold gestohlen zu haben.— Bei dem Berliner Kassen» verein geschehen die Einzahlungen derart, daß die Ueberbringer die einzahlenden Summen auf die dem Publikum zugänglichen Zahltische aufzuzählen und das Geld hier von dem betreffenden Bankbeamten nachgezählt, abgenommen und sodann auf die hinter ihnen stehenden Arbeitstische zur weiteren Ver» anlassung gelegt wird. So hatte am gedachten Tage auch der Bote der diesigen Viehkommissionsbank, Trenner, einen Betrag von ungelähr 75 000 M. in Papier, Gold und Silbergeld aus- gezählt und sofort nach der Abnahme des Geldes durch den 33jährigen Boten Carl Raul das Banklokal verlaflen. Trenner will noch bemerkt haben, daß ein Mann sich an seine Stelle drängte. Nach dem Fortgange des Trenner nahm Raul das Papiergeld und legte es hinter sich aus seinen Arbeitstisch. Als er sich aber wieder nach dem Zahltisch umwandte, um auch das andere Geld in Sicherheit zu bringen, bemerkte er sofort, daß ihm in dieser kurzen Spanne Zeit vier Geldrollen ü 1000 M. gestohlen waren. Der Verdacht lenkte sich sofort auf zwei unbekannte Herren, einen größeren und einen be- deutend kleineren, welche sich in den letzten Tagen ohne erficht- lichen Zweck in dem Banklokal aufgehalten, dort scharf beobachtet und, als sie selbst etwas Aufsehen erregt, den Raum verlassen hatten. Beide Männer waren auch kurz vor dem Diebstahl in der Bank anwesend gewesen, der Kleinere hatte den latz des Trenner eingenommen und seinen rechten Arm auf den aul'schen Zahltisch gelegt gehabt, während der Größere ruhig neben ihm stand. Plötzlich verließen beide den Bankraum und unmittelbar darauf wurde der Diebstahl entdeckt. Nach langen vergeblichen Nachforschungen wurden in der Hamburger Bank am 19. Oktober 1395 die beiden Angeklagten unter dem Verdacht des versuchten Diebstahls verhastet und es wird nun von der Anklagebehörde behauptet, daß sie die beiden Personen seien, die am 24. Juni v. I. den Diebstahl aus der Bank des Berliner Kassen- Vereins ausgeführt haben. Sie bestreiten dies ganz entschieden. An- fangs leugneten sie sogar, zu Rennen und im Juni v. I. über- hauptf in Berlin gewesen zu sein. Im Lause der Ermittelungen hat Bowers beide Thatsachen alsdann zugegeben, während Alexander dabei verblieben ist, daß er zur fraglichen Zeil gar nicht in Berlin gewesen sei. Es ist nun aber festgestellt, daß beide Angeklagte, welche bekannte Bankdiebe sind, seit 1893 mit kurzen Unterbrechungen sich in Berlin aufgehalten haben. Beide, besonders aber Bowers, haben in den besten Hotels, wie Kontinental-, Zentral- und Savoyhotel gewohnt und sind hier in der sogenannten Lebewelt unter den Namen„Sporl-Albert" und „Jypsie" als Verschwender bekannte Persönlichkeiten gewesen. Sie haben häufig die Rennen besucht, mit Frauenzimmern in der aus- schweifendsten Weise verkehrt und so gelebt, als ob sie steinreiche Leute wären. Da sie nicht die geringsten festen Erwerbsquellen angebe» können, so ist dieses Auftreten um so verdächtiger, als gerade zu jenen Zeiten häufig Bankdiebstähle in Berlin vor- gekommen sind. Im Frühjahr des Jahres 1895 haben sich die Angeklagte» auch in den Räumen der Reichsbank aufgehalten, ohne dort irgend etwas zu thun zu haben. Beide sind damals von dortigen Boten beobachtet worden, als sie in dem Giro- komptoir der Reichsbank, scharf umherspähend, auf einer Bank saßen. Ferner haben die Angestellten des Kaffen- Vereins in den Angeklagten die Personen wieder erkannt, die am 22. und 24. Juni v. I. sich ohne Beschäftigung in den Bankräumen ausgehalten haben. Außer diesen Verdachts- Momenten hebt die Anklagebehörde noch hervor, daß BowerS vor seiner Fahrt nach Hamburg von Berlin aus einer ihm ergebenen Frauensperson gesagt hatte, daß er nach Haniburg fahren müsse, um Geld von der Bank zu holen, und daß er und Alexander darauf in Haniburg wegen eines angeblichen Diebstahls»n der dortigen Bank verhaftet wurden. Endlich soll Bowers auch zweien Mitgefangenen bei gelegentlichem Gespräch gewissermaßen zu- gegeben haben, daß er eine Reihe von Bankdiebstählen auf dem Kerbholz habe. Er soll dabei die Summe von über 80000 M. genannt haben. Ein schon früher einmal angesetzt gewesener Termin zur Hauptverhandlung ivar ergebnißlos geblieben, weU Bowers de- hauptete, der deutschen Sprache nicht in genügendem Maße mächtig zu sei». Zu dem heutigen Termin ist deshalb der Rechtsanwalt Schneider als Dolmetscher geladen worden. Den Vorsitz im Gerichtshofe führt Landgerichtsrath Grandtk«, die Anklage vertritt Assessor Dr. L i e b e n o w, die Vertheidigung führen die Rechtsanwälle Dr. Flatau und Wronker. Es sind 20 Zeugen anwesend. Auf Befragen des Dolmetschers erklärt der erste Angeklagte, daß Bowers sei» Bor name sei und er mit Rücksicht auf seine Familie seinen Vatersnamen zu sagen sich iveigere. Er sei am 14. Oktober 1853 in London geboren, protestantisch und nie bestraft, mit Ausnahme der 14 Tage Gefängniß, die er in Hamburg erhalte«.— Alexander weigert sich gleichfalls„mit Rücksicht auf seine beiden Töchter und seine Geschwister", seinen Geburtsort zu nennen; er gicbt aber zu, daß er fälschlicherweise früher Lüttich als Geburts» ort angegeben habe. Er will am 2. Dezember 1360 geboren und gleichfalls unbestraft sei». Er bestreitet, am 24. Juni 1895 mit Bowers zusammen in der Bank des Berliner Kassen- Vereins gewesen zu sein; auch Bowers will niemals dort gewesen sein. Beide Angeklagte geben aber zu, mehrfach in Berlin sich aufgehalten zu haben. Alexander erklärt, daß er seit 1893 wiederholt zuin Armee-Jagdrennen und zum Internationalen Jagdrenne» hierher gekommen sei. Bowers erzählt mit treu- herzigster Mieue, daß er Quartalssäufer sei und wenn er dieser Leidenschaft sröhne und sich vergnügte Stunden bereite» wolle, dann gehe er nach Berlin , einerseits um aus dem Gesichtskreis seiner Familie zu kommen, anderseits weil er Berlin liebe. Alexander versichert, daß er stets als Sportsinann »ach Berlin gekommen und stets 1000 bis 2000 M. von England mitgebracht habe. Er habe wiederholt aus der Dresdener und anderen Banken Geld für den Totalisator gewechselt, den Berliner Kaffenverein kenne er aber nicht. Die Bekanntschast mit Bowers habe er auf der Rennbahn gemacht. Obgleich beide in Hamburg s. Z. sofort nach Verlassen der Bank verhaftet wurden, destreitet Alexander, überhaupt aus der Hamburger Bank geivesen zu sein. Er protestirt auch gegen die Annahnie, daß er in den ver- schiedenen Welttheile» als berüchtigter internationaler Bank- dieb bekannt sei. Bowers will auch seit 1393 wieder- holt»ach Deutschland und Berlin gekommen sein. Er habe sich hier immer zwei bis drei Wochen aufgehalten, bis er sich ausgelobt hatte. Er habe stets reiche Geldmittel ans England mitgebracht und hier im Kontinental-, Palast-, Savoy-Hotel und anderen Gasthäusern unter de» verschiedensten Rainen, wie z. B. Mr. Burton u. a. logirt. Auch er will in Hamburg gar nicht i n der Bank, sondern vor der Bank geivesen sein. Er habe gesehen, wie plötzlich eine groß« Menschenmenge sich ansammelte und Alexander verhaftet wurde. Dabei sei auch er sestgenommen worden und man habe ihm die Photographie eines internalio- nalen Bankdiebes Gans vorgezeigt und behauptet, er sei mit diesem identisch. Staatsanwalt: Will Bowers behaupten. daß er nicht zusammen mit Alexander von hier nach Hamburg gereist ist?— B o w e r s: Er sei zufällig mit Alexander in demselben Zuge geivesen und habe gar nicht gewußt, daß Alexander in der Bank war.— Etaatsanw.: Bei den Akten befinden sich zwei Retourbillets niit direkt aufeinander folgenden Numniern, ebenso sind den Angeklagten Reisetaschen von genau gleicher Beschaffen- heit abgenommen worden. Die Augeklagten haben in Hamburg zunächst behauptet, daß sie sich gar nicht kennen, Bowers wollte überhaupt kein Wort deutsch sprechen und erst in Berlin ist durch verschiedene Frauenspersonen festgestellt worden, daß sie mit beiden Angeklagten zu verkehren pflegten und Bowers ganz gut deutsch spreche. — Vorsitzender: Daß beide Angeklagten wiederholt flunkern, ergiebt sich aus den Akten. Unter anderm hatte Bowers früher als Grund seines Aufenthalts in Deutschland angegeben, daß er zwei Monate lang iu England betrunken gewesen sei und sich in Deutschland habe ausnüchtern wollen.— Beide Angeklagten bestreiten wiederHoll, sich in ver« dächtiger Weise in Bankräumen hier aufgehalten zu haben und am 22. und 24. Juni in d«r Bank d«S Berliner Kassenviieint
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