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Morgen- Ausgabe

Nr. 69 A 33 50. Jahrg.

Rebattion und Berlag, Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Serniprecher 7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

FREITAG

10. Februar 1933.

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Schmalz um 20 Pfennig verteuert

Die erste Tat der Hitler- Hugenberg- Regierung

Rätselraten ist nicht mehr nötig. Die erste Tat der Hitler - Regierung ist eine empfindliche Verteuerung des Schmalzes und eine Verschlechterung der Volks­ernährung. Hugenberg hat als Reichs­ernährungsminister neben der Erhöhung der Vieh- und Fleischzölle ab 15. Februar die Erhöhung der Schmalzzölle von 10 bzw. 12,50 M. auf 50 M. und die Erhöhung der Speckzölle von 20 auf 36 M. je Doppelzentner angeordnet. Die Verantwortung für diese Maßnahme trägt neben ihm der Reichskanzler Hitler und die Nationalsozialistische Partei!

Getroffen wird durch diese Zollerhöhungen die ärmste Schicht des Volkes. Eingeführt wird näm­lich das billigste Schmalz, aus Amerita, Dänemart und Holland . Das Auslandsschmalz tostet heute etwa 47 Pfennig je Pfund. Die Zollerhöhung macht gegenüber dem bisherigen Zoll 20 Pfennig auf das Pfund. Da hier echter Einfuhrbedarf vor­liegt, wird die Zollerhöhung sich auch im Preise auswirken.

Die ärmsten Schichten des Volkes werden in Kürze 20 Pf. auf das Pfund Schmalz mehr zu bezahlen haben.

Aehnliches gilt für Schweinesped. Die Hitler - Regierung hat die Zollteuerungs­politik da fortgesetzt, wo die Papen- Regierung im Juli stehen geblieben war. Im Juli hat Papen den Zwischenzoll von 6 Mark beseitigt und den deutsch - schwedischen Handelsvertrag, der weiteren Zollerhöhungen im Wege war, gekündigt. Am 15. Februar läuft der Vertrag ab. Die Hitler­Regierung hat prompt nach dem Willen der Groß­agrarier die Zölle erhöht. Hugenberg hat es gewollt, Hitler gab seine Zustimmung. Das Volk zahlt die Zeche.

Jeder Arbeitslose, jede Beschäftigte, jede Haus­frau, auch jeder SA.- Mann kann sich ausrechnen, was ihn diese erste Tat der Hitler - Regierung kostet. Im Arbeiterhaushalt werden monatlich etwa 6 Pfund Schmalz verbraucht.

Die Verteuerung allein beim Schmalz wird monatlich 1,20 M. und jährlich fast 15 M. betragen.

Und das bei den Unterstützungen und Hunger­löhnen, die heute gezahlt werden! Einschränkung des Fettverbrauchs, neuer Raubbau an der Ge­sundheit des Volkes wird die Folge sein!

Die Begründung lautet, daß der Landwirt­schaft geholfen werden soll. Aber was wird

eintreten?

Die Feme arbeitet!

Wieder Ueberfall auf ein Verlagsbüro

Nach dem Ueberfall auf das Verlagsbüro der nationalsozialistischen Opposition Der deutsche Weg" in der Chausseestraße ist gestern abermals ein ähnlicher Ueberfall auf die Büroräume des Verlags Auffenberg in der Haber­landstraße 7 verübt worden. Vier mit Pistolen bewaffnete Männer, die nach den bisherigen Feststellungen vermutlich zu einem Rollkommando der Nationalsozia­ listischen Partei gehören, drangen in das Büro ein und bedrohten die anwesenden Ange­stellten. Der Besuch" der bewaffneten Banditen galt dem Redakteur der Ente", einem in Berlin verbreiteten, start linfsorientierten politischen Witz­blatt, und dem Inhaber des Berlages. Glück­licherweise waren die beiden Verfemten nicht an­wesend, so daß die Täter unverrichteter Sache wieder abziehen mußten.

Zu dem skandalösen Vorfall, der sich am hellen Tage in einer belebten Straße abspielte, erfahren wir folgende Einzelheiten: Für die., Ente" zeichnet Der Redakteur Hardy W. verantwortlich. Die Schreibweise des Blattes hatte die National­sozialisten langsam in Harnisch gebracht, und in den letzten 14 Tagen war der Redakteur W. stän= dig das Ziel schlimmster national= sozialistischer Drohungen. Durch den Fernsprecher wurde W. täglich mehrfach in der gemeinsten Weise beschimpft, und es wurde erklärt, daß man W. eines Tages schon fassen" werde. Bor etwa acht Tagen versuchten die politischen Gegner der Ente" den Redakteur W. aus der Wohnung fortzuloden. Es kam abends ein An­ruf, bei dem eine fremde Stimme erklärte, daß Herr W. zu einer Besprechung ausländischer Re­batteure erwartet werde und ein Auto zu einer bestimmten Zeit vor der Wohnung des W. stehen würde. W. ging aber nicht in die sehr plump gestellte Falle. Da die Femebrüder ihrem Opfer und dem Verleger so nicht beikommen fonnten, versuchten sie es gestern mit dem Ueber fall. Offenbar vermuteten die Täter den Redak­teur und den Verleger in ihren Büroräumen. Um 15 Uhr erschienen die vier Bewaffneten plötzlich in dem Verlag in der Haberlandstraße. Mit schuß­bereiten Revolvern bedrohten die Eindringlinge die Angestellten und durchsuchten die Räume Als sie weber W. noch den Ver­

leger G. antrafen, entfernten sie sich wutentbrannt unter der Drohung, daß sie die Gesuchten schon noch in ihre Hände bekommen würden.

Einer der Täter brachte noch einen Feuerwerks= törper, offenbar einen Kanonenschlag, zur Entzündung, um die Angestellten an der sofortigen Verfolgung zu hindern. Fluchtartig

Deutsches Schmalz kostet 80 bis 85 Pfennig das Pfund. Ausländisches wird nach der Verteuerung 65 bis 70 Pfennig tosten. Vielleicht wird jetzt weniger Auslandsschmalz gegessen und noch mehr von der billigsten Margarine, was auf alle Fälle in der Ernährung eine Verschlechterung bedeutet. Kaum aber wird mehr von dem teuren Inlandsschmalz verzehrt werden.

Die deutsche Landwirtschaft wird also kaum einen Vorteil von der Zoll­erhöhung haben.

Wenn man aber daran denken wollte, den ganzen Bedarf in Deutschland selbst zu erzeugen, so wird ein Sturz der Schweine preise eintreten, daß den Bauern die Augen übergehen. Schmalz wächst nämlich nicht auf den Bäumen, sondern im Schwein. Autartie beim Schmalz heißt so viel Mehrerzeugung von Schweinen, daß das Schweine fleisch nur noch mit wachsenden Verlusten unterzubringen ist. Und die Sach­verständigen in der Landwirtschaft wissen das ganz genau! Die Zollerhöhungen werden gemacht, weil man sie versprochen hat!

Es ist nichts mehr zu raten und nichts mehr zu vertuschen. Die erste Tat der Hitler - Regierung und der Nazis ist ein Schlag gegen die Aermiten! Die Abrechnung wird kommen!

verließen die Eindringlinge das Büro und stürm ten die Treppe hinunter. Ein Hausbewoh ner, dem das Verhalten der Burschen verdächtig vorgekommen war, eilte ihnen nach. Auf der Straße gaben die Flüchtlinge auf ihren Ver­folger zwei scharfe Schüsse ab, ohne jedoch zu treffen. Alle vier sprangen dann in ein Privat­auto und raften mit Vollgas davon.

Die beiden leergeschossenen Patronen und ein Hut, den einer der Täter bei der Flucht verloren hatte, sind von der Polizei mit Beschlag belegt worden. Die Politische Polizei wird sich mit der weiteren Aufklärung befassen.

,, Sieben Provinzen"

Verhaftungen auf der ,, Java"

Amsterdam , 9. Februar.

Die für das Vorgehen gegen die Meuterer an Bord der Zeven Provincien" bestimmten Kriegs­schiffe haben furz nach Mitternacht mittel­europäischer Zeit Tandjong Piot verlassen und Kurs auf die Sundastraße genommen, an deren westlicher Einfahrt sich aller Voraussicht nach heute abend mitteleuropäischer Zeit die Ent­scheidung abspielen wird.

In Ergänzung der Meldungen, wonach wegen dieser Meuterei die eingeborene Be= sagung des verfolgenden Kreuzers Java" unter Bewachung gestellt worden sei, iſt noch zu berichten, daß nach Ankunft in Surabaja die eingeboreren Matrosen das Schiff ver­lassen mußten. worauf sie durch euro= päische Unteroffiziere und Matrosen ersetzt wurden. Auf der Reede von Tandjong Piot wurden vom Bord der Java" drei europäische Angehörige der Besazung von Bord geholt und nach Batavia ins Gefängnis geführt; fie sollen die wichtigsten Rädelsführer sein.

Aus Batavia wird gemeldet, daß das Ma­rinedepartement in Niederländisch- Indien be­schlossen habe ,,, Sieben Provinzen" als meu= terndes Kriegsschiff zu behandeln und mit der Besatzung nicht zu verhandeln. Eine große Anzahl Kriegsfahrzeuge und 8 Flugzeuge seien mestlich der Sundastraße tonzentriert. Sie wollen

Freitag früh 1 Uhr( westeuropäischer Zeit) zum Angriff übergehen.

Das Verbot des sozialistischen Het Volk" für die Kasernen ist mit der Herausgabe eines Soldatenblattes Die sieben Provinzen" beantwortet worden.

Revolverattentat

auf den Genossen Siering

Glück­

Auf die Wohnung des früheren, in einem Siedlungshaus bei Spandau woh­nenden preußischen Handelsmini­sters Siering ist in der Nacht zum Donnerstag ein Revolverattentat verübt worden. Die Täter feuerten mehrere Schüsse durch die Fensterscheiben in das Wohnzimmer Sierings. licherweise wurde niemand getroffen. Vor einigen Tagen wurden in der Wohnung Sierings, der Mitglied der Sozialdemo= kratischen Partei ist, sämtliche Fenster eingeschlagen. Unweit von der Wohnung Sierings wurde ein Handgranatenanschlag gegen die Wohnung eines Reichsbanner mannes verübt. Das Haus ist schwer Das Haus ist schwer beschädigt.

Arbeiterfrau und Wahl

Haben die

Marxisten Deutschland ruiniert?

Von Louise Schroeder

Haben die Marristen Deutschland ruiniert? Die Frage ist uns wohl allen gekommen, als wir die Erklärung der Regierung Hitler­Hugenberg- Papen hörten. Zwei Säge sind es, die uns diese Frage geradezu aufdrängen: Der erste: Vierzehn Jahre Marrismus haben Deutschland ruiniert", und der zweite: ,, Die Aufgabe, die wir lösen müssen, ist die schwerste, die seit Menschengedenken deutschen Staatsmännern gestellt wurde".

Sonderbar: eigenartige Bilder steigen auf bei dem Gedanken an die Zeit vor vierzehn Jahren, an die letzten Monate des Krieges: da starb ein lieber Mensch er mußte in Papierkleidung zur Ruhe bestattet werden. Aber schlimmer: es wurde ein Kind geboren

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Papierwindeln waren seine erste Aus­stattung. Der Strumpf, das Hemd, der Rod, Mantel und Stiefel waren bis auf den letzten Fezen verbraucht nach langem Stehen und Umherrennen wurde endlich ein Bezugs­schein erworben, aber von ihm bis zum er­sehnten Kleidungsstück war oft noch ein Weg von Wochen. Und wenn der Hunger quälte: immer wieder stand auf dem Tisch das Dörr­gemüse, der Rübenkaffee, das entsetzliche Brot aus allem möglichen Gemisch, nur nicht aus Mehl gebacken. Und wieviel schmerzlicher war das alles uns Frauen, als nun die Männer von der Front zurückkehrten, zehn Millionen Männer, förperlich, seelisch krank, als die Krüppel aus den Lazaretten nach Hause kamen, und wir konnten ihnen nichts bieten als unsere Not. Hunderttausende aber fehrten nicht zurück, waren dem Krieg zum Opfer gefallen! Und wir selbst? Wer von uns war nach den vier Hungerjahren, nach all der seelischen Not noch gesund? Wieviele waren für ihr ganzes Leben elend gemacht durch die viel zu schwere Arbeit, die sie bei Tag und bei Nacht in der Fabrik, auf der Eisenbahn, auf der Straßenbahn, in der Landwirtschaft verrichtet hatten!

Waren an alledem die Marristen, die Sozialdemokraten schuld? Ach nein, diese und manche andere Not war die Folge des Krieges und der Maßnahmen der Kriegsregierungen, in denen fein einziger Sozialdemokrat, sondern die Freunde des Herrn von Papen und des Herrn Hugenberg faßen.

Dieses Trümmerfeld aufzuräumen, dem deutschen Volke wieder Lebensmöglichkeiten zu schaffen, das war die ungeheure Aufgabe von vierzehn Jahren! Da aber die früheren Machthaber, die heute ihr Haupt wieder er­heben, damals vor dieser Arbeit davon­gelaufen waren, so mußten die bösen Margisten versuchen, sie zu bewältigen. Sie hatten in der Tat die schwerste Aufgabe seit Menschengedenken zu lösen! Und da sie aus der Arbeiterschaft hervorgegangen waren, so empfanden sie es als ihre selbstverständliche Pflicht, in diesem neuen Deutschland der Ar­beiterschaft bessere Lebensbedingungen zu schaffen als im alten faiserlichen Deutschland .

Wer hätte davon nichts gemerkt unter unseren Leserinnen! Wenn du als Erwerbs­tätige dir deinen Lebensunterhalt verdienst, so weißt du, daß nicht nur der im Kriege auf­gehobene Frauenschutz wieder hergestellt, sondern daß er erheblich ausgebaut wurde. Oder hast du die Beschränkung der Arbeits­zeit, die Mitwirkung des Betriebsrats an der Gestaltung deiner Arbeitsbedingungen ge­dankenlos hingenommen? Diese Erleichte­rung an deiner ganz gewiß immer noch schweren Arbeit sind nicht vom Himmel ge­fallen; sie sind erst in der Republik durch die Sozialdemokratie erfämpft worden.

Und wenn du Mutter bist: ist der Schuz