der SchmanZeren und Wöchnerin, die dir die Republik für zwölf bis achtzehn Wochen vor und nach der Niederkunft zugestanden hat, gar nichts? Ist es nichts, daß heute zwei Drittel aller niederkommenden Frauen einen Rechtsanspruch auf Hebammen- und Arzt- Hilfe, auf Wochen- und Stillgeld haben? Auch davon war im alten Deutschland keine Rede.. Zehntausende von Frauen gingen deshalb im Wochenbett an Kindbettfieber zugrunde, Hunderttausende von Säuglingen starben in den ersten Lebenstagen. Durch den Ausbau der Mutterschutzgesetzgebung ist die Säug- lingssterblichkeit fast auf die Hälfte, die Muttersterblichkeit auf ein Mindestmaß ge- funken. Ich glaube, der Frau braucht nicht gesagt zu werden, was das bedeutet für Frauen- und Mutterschicksal! Run aber wissen wir alle: über der Frau des Arbeiters, des Angestellten hängen drohend wie ein Damokles-Schwert zwei Sorgen: Krankheit des Ernährers der Fa- milie oder gar feine frühzeitige Invalidität, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit aber auch der Familienangehörigen, und— Arbeitslosigkeit! Wer von uns kennt nicht die Sorge des älter und weniger arbeitsfähig werdenden Menschen der Arbeiterklasse, nicht die Angst vor Verlust der Arbeitsstelle!! Wer nur seine Arbeitskraft hat, um leben zu können, dem ist diese Arbeitskraft und ihre Verwendung das höchste Gut. Schlecht hatte dafür das alte Deutschland gesorgt: nur der ärmste Arbeiter hatte Anspruch auf Kranken- Hilfe, auf Alters- und Invalidenverforgung, aber all das nur in allerbescheidenstem Um- fang. Ansprüche für den Fall der Arbeits- losigkeit gab es nicht, ebensowenig wie eine Familienkrankenhilfe. Für all diese Fälle war das Armenamt zuständig, das die Ar- beiterschaft soviel wie möglich mied, weil Armenunterstützung gleichbedeutend war mit Entziehung der politischen Rechte. Hat sich hierin nicht unendlich viel geändert? Immer weiter wurde in der Republik der Kreis der in die Versicherung Eingeschlossenen gezogen, bis über zwanzig Millionen Versicherte mit ihren Familien feste Ansprüche auf Hilfe hatten im Falle der Arbeitsunfähigkeit oder des Alters. Aber auch diese Hilfe selbst wurde von Jahr zu Jahr verbessert: Ein- schkuß der Familienkrankenhilfe. Gleich» stellung der Berufskrankheit mit dem Unfall in der Unfallversicherung, Erhöhung der durchschnittlichen Invalidenrente von 1S,K0 M. ich Monat in der Vorkriegszeit mtf 38 bis �'M. in der Nachkriegszeit. Gedankenlos hat das alles vielleicht nianche Leserin als selbst» verständlich hingenommen— und es ist auch ielbstverftändlich, daß dem arbeitenden Men- schen diese Hilfe gewährt wird— aber selbst- verständlich erst in der Republik . Oder wie wäre es sonst zu verstehen, daß durch diese Maßnahmen das durchschnittliche Lebens- alter innerhalb der letzten zwanzig Jahre um sechzehn Jahre gestiegen ist? Und wie es mit der Versorgung der Arbeitslosen ist, das hast du selbst er- fahren! Erst die Sozialdemokraten, die Marxisten haben die Arbeitslosenunter- stützung im November 1918 geschaffen und ihrem Drängen ist es zu verdanken, daß die Arbeitslosenversicherung im Jahre 1927 Gesetz wurde. Wieviel mehr wäre deine Familie durch die Arbeitslosigkeit verelendet ohne diese Maßnahmen? Nun freilich ist all das in Gefahr geraten durch die Weltwirtschaftskrise des Kapitalis- mus! Aber nicht nur durch sie! Der Un- v e r st and der Wähler, der die Kräfte des alten Deutschland , die Feudalherren und die Großindustrie wieder hat zur Macht kom- men lassen, hat die Erfolge der Revolution aufs schwerste gefährdet. Und nie waren sie mehr bedroht als durch die gegenwärtige Re- gierung. in der H i t l e r sich von Herrn von P a p e n, dem Gegner des„Wohlfahrts- staates", und Herrn Hugenberg, dem Vertreter der Großindustrie, hat in die Mitte nehmen lassen. Wollen wir Frauen da ruhig zusehen? Nein, wir wollen verteidigen, was uns und der Arbeiterschaft die Republik brachte, wollen es wieder aufbauen und wollen es aus bauen? denn unser höchstes Ziel ist der wahre Wohlfahrtsstaat, der Staat, in dem Männer, Frauen, Jugend und Kinder in Arbeit und Freude leben können.
Trauerfeier»- oerboten! Inir die Opfer des SA.- Terrors ver Polizeipräsident hol den von der KPD. beabsichligien Trauerzug für die drei von SA .» Leuten ermordeten Angehörigen der KPD. ver- boten. Für den erschossenen Nationalsozialisten Staats» begrobnis— für die von der SA. ermordeten Kommunisten nicht einmal eine Trauerfeier ihrer Parteifreund«!
Wahlpropaganba, oder was sonst?
Das Märchen von den zwei Millionen
In der letzten Sitzung des Landtags hat ein nationalsozialistischer Abgeordneter völlig unbe- gründete Anschuldigungen gegen die Regierung Braun-Severing-Hirtsieser erhoben. Die preußische Regierung hat diese Anschuldigungen sofort zurück- gewiesen. Nichtsdestoweniger schrie die Nazipresse laut:„Betrug, Diebstahl, Unterschlagung". Der „Westdeutsche Beobachter", ein Blatt der Partei des Herrn Hitler , schrieb: „Braun und Severing des Diebstahls über- führt und aus den Aemtern gejagt." Gegen so ungeheuerliche Beschimpfungen regt sich unter dem neuen autoritären System nichts! Die Reichskommissare in Preußen haben gestern folgendes verlautbart: „Am 5. Februar hat das Kabinett Braun in der Presse eine Erklärung veröjfenllicht, in der die im Preußischen Landtag am 4. Februar 1933 von einem Abgeordneten aufgestellte Behaup- tung, das Kabinett Braun habe Staatsmittel für Parteizwecke zur Berfügung gestellt, als objektiv unrichtig bezeichnet wird. Die Kommissare des Reichs müssen demgegen- über feststellen,, daß die Mittel, die bis zum Betrage von 2 Millionen Mark durch einstim- migen Beschluß des Kabinetts Braun vom 6. April 1932 durch Ueberschreitung des Haus- Haltsfonds„Bekämpfung des Bsr- brechertums" gewonnen werden sollten, »ach den amtlichen Unterlagen nicht der Zweck- bestimmung des Fonds entsprechend, sondern fast ausschließlich für andere Zwecke,
offenbar W a h l p r o p a g a n d a der damaligen Koal'tionsparteien bei der Landtagswahl 193 2, verwendet worden sind. Im übrigen wird über die Angelegenheit mit Beschleunigung ein Gut- achten der Oberrech nungskammer erbeten werden. Die Kommissare des Reiches behalten sich weitere Schritte vor, sobald dieses Gutachten erstattet ist" Gegen diese Berlautbarungi erklären die preu- ßischen Staatsminister des Kabinetts Otto Braun ganz eindeutig: „Diese Behaupkuag ist unrichtig. Die zur Verbrechensbekämpfung verbuchten vlittel find für diesen Zweck auch tatsäch- lich ausgegeben, wobei bemerkt wird, daß hochverräterische llnternehmun- gen. Spreng st ossattentate, Ge- walt toten, Terror und Staatsver- l e u m d u n g nach dem Strafgesetzbuch zu ahnende vergehen und Verbrechen sind. Die etatsrechtliche Zulässigkeit des Beschlusses hat das zuständige Fachressort vorher geprüft und bestätigt. 3m übrigen ist nur ein Bruchteil der genannten Summe verausgabt worden. Die preußische Regierung hat im Einvernehmen mit der Reichsregierung, zum Teil auf ihre Veranlassung, zum Schuhe des Staates und der Verfassung gehandelt, hätte sie anders gehandelt, so würde sie ihre ver- fassungsmäßigen Pflichten verletzt haben. Aehn- lich ist auch früher in Reich und Ländern ge-
handelt worden. Das vom Reichskommiffar ein- geforderte Gutachten der Oberrechnungskammer kann nur diesen Sachverhalt bestätigen." Gegenüber dem Geschrei der nationalsozialistischen und deutschnationalen Presse muh ferner folgendes festgestellt werden: Diese angeblichen Enthüllungen gehen zurück aus ein Protokoll des Staatssekretärs N o b i s vom 39. Juli. Dieses Protokoll hat dem Staatsgerichts- Hof vorgelegen. Am 29. Oktober hat eine Unter- redung zwischen Otto Braun , Hindenburg und Papen vorgelegen. Bei dieser Unterredung er- klärte Papen , die Reichsregierung habe niemals die persönliche Integrität Otto Brauns und seiner Amtskollegen angezweifelt. Trotzdem werden heute dieselben Dinge, mit denen einst in der Oessentlichkeit und vor dem Staatsgerichtshof operiert worden ist, wieder her- vorgezogen, und die Nazipresse schreit: Diebstahl, Betrug, Unterschlagung! Diesen schmutzigen Verleumdungen in der Nazi- presse begegnet die Verachtung aller anständig denkenden Menschen. Sie führen höchstens zu Be- trachtungen über das merkwürdige Verhältnis von Presieknebelung hier und Schimpffreiheit dort, das heute in Deutschland besteht. Der Zweck des Geschreis in der Nazipresie und in der Hugenberg-Presie ist ja im übrigen ganz klar: die S ch a nde der O st Hilfejunker soll überschrien werden!
Neue Abrliftungskrise Oezeinbereimxime in Frage gestellt
In den neuen Beratungen des Hauptausschusses der Abrüstungskonferenz ist in den letzten zwei Tagen eine offensichtliche Versteifung einge- treten. Nachdem Paul Boncour seinen Plan unter stärkster Hervorhebung desjenigen Teils verteidigt hatte, der die französischen Sicherheitsforderungen enchält, ist dieser sran- zöstsche Plan Ziemlich einmütig von ven übrigen Delsgationen abgelehnt worden. Nun ist man dazu übergegangen, den englischen Plan zu beraten. Der deutsche Vertreter. Botschafter N a d o l n y, hotte Ausführungen gemocht, die in der Cr- klärung gipfelten, daß die Gleichberechtigungsfragc durch die Genfer Einigungsformel vom 11. Dezember grund- jählich und endgültig für die fünf beteiligten Großmächte geregelt fei. Demgegenüber bestritt Paul Boncour, daß dieses Problem endgültig geregelt sei, well über die T r a g w e i t e der Erklärung vom 11. De- zember verschiedene Auffassungen vorhanden seien. Außerdem müßten alle Länder Gelegen- heit haben, sich zu dieser Formel zu äußern und deshalb müßte die Debatte darüber eröffnet werden. Daß die Genfer Einigungsformel vom 11. De- zember zwar einen Fortschritt, aber noch lange nicht die Ueberwindung der großen Streitstagen auf der Abrüstungskonferenz bedeutet, ist hier von vornherein hervorgehoben worden. Es wurde gleich vorausgesagt, daß der große Streit um die Auslegung dieser Formel erst bevor- stehe. Auf deutscher Seite las man natürlich besonders die grundsätzliche Anerkennung der Gleichberechtigung für olle Länder heraus, während auf französischer Seite jene Stelle der Formel besonders hervorgehoben wurde, die ein Zugeständnis an die französische Sicherheit?- sorderung enthielt.
Wenn aber nun der stanzösische Außenminister mit ziemlicher Schroffheit plötzlich die ganz« Einigungsformel vom 11. Dezember in Frage zu stellen scheint, so spielt dabei offenkundig der Rückschlag eine Roll«, der in den letzten Tagen in der französischen öffentlichen Meinung gegenüber Deutschland eingetreten ist....Di« Bildung der R egie x u.n g H i t l e r- P a p e n- Hugenberg und-die Ereignisse- seit, dem 39. Januar haben in Frankreich und übrigens in der ganzen Welt einen sehr starten Widerhall gefunden. Die neue Reichsregierung ist zwar sichtlich bemüht, aus außenpolitischem Gebiet den Grundsatz der Kontinuität in den Vorder- grund zu rücken und nirgends Anstoß zu erregen, ollein es scheint, daß die neue welle des Mißtrauens gegen Deutsch - laud dadurch bisher nicht gebrochen werden konnte. Es hat sogar den Anschein, als ob Frankreich , das gegenüber der Regierung Schleicher- Neurath grundsätzlich bereit war, Deutsch- land unter gewissen Voraussetzungen die Miliz zu gewähren, diese Zusage gegenüber der Re- gierung Hitler- Neurath schleunigst wieder rückgängig machen möchte. Klare Fragen an Japan Genf , 9. Februar. Der 19er Ausschuß der Völkerbundsvollvevsamm- lung hat am Donnerstag an Japan zwei deutliche Fragen gestellt. Die eine will eine klare Präzisierung der Haltung Japans zur Autonomie der Mandschurei unter ch i n e s i- scher Oberhoheit, wie sie im Lytton- Bericht als Lösung empfohlen ist. Ferner will das Komitee wisien, ob Japan seinen Angriff aus die Provinz Jehol endgültig einstellt.
vapen an Frankreich Interviev mit einem Vertreter des„Temps" Vizekanzler von Papen schüttete gestern einem Vertreter des Pariser „Temps" sein Herz aus. Er versicherte, alle Parteien wünschten Enstpannung der deutsch -französischen Beziehun- gen. Nur dürfe Frankreich nichts fordern, was es selber, wäre es in derselben Lage wie Deutsch- land, verweigern würde. Die Wirstchaftskrise müsse bei allen Völkern den Wunsch auslösen. auf Gewaltauwendung zu verzichten und zu einer immer engeren Zusammenarbeit überzugehen. Bedeutend weniger pazifistisch äußerte sich der Vizekanzler über die innere Politik. Er ging dabei sehr weit aus sich heraus, wohl deshalb, weil er in dem Ausfrager, der T a r d i« u und der französischen Eisen- industri« nahesteht, eine verwandte Seele ver- mutete. Er hielt es darum auch für paffend, die von ihm beschworene Weimarer Verfassung vor dem Ausländer stark herunterzumachen. U. a. sagte er: ,Lie Weimarer Verfassung sei
so eng umgrenzt, daß man zur Tatenlosigkeit ver- urteilt sei, wenn man sich an ihren Buchstaben halte." Also hält man sich nicht an den Buchstaben! Aber eine Verfassung, die diesen Herrn von Papen wirklich zur Tatenlosigkeit verurteilte, könnte man direkt liebgewinnen.
Der Echwedenkrach Deutsch -offiziose Meldung wird dementiert Eigener Bericht des„Vorwärts" Stockholm , 9. Februar. Di« offiziös« deustche Erklärung, daß der stell- vertretende Außenminister U n d e n dem deustchen Gesandten gegenüber„volles Verständnis" für die Anregung gezeigt habe, auf die schwedische Vresse dahin einzuwirken, daß sie nicht gegen die Re- gierung Hitler-Papen-Hugenberg schreibe, und daß die schwedische Regierung eine solch« Einwirkung zugesagt hätte, ist hier mit größtem Er- staunen aufgenommen worden. Man weiß be-
st i m m t. daß Minister Unben, genau dem schwedischen Rechtszustand enstprechend, geantwortet hat, in Schweden bestehe Pressefreiheit und er habe gar kein Recht zu einer derartigen Ein- Wirkung. Die gesamte schwedische Presse ohne Unterschied der Parteistellung, von ganz links bis ganz rechts, nimmt einmütig in der schärfsten Weise Stellung sowohl gegen das Eingreifen des deustchen Reichsministers G ö r i n g wie auch gegen die Intervention des deutschen Ge- sandten. Diese Schritte dürften aller Wahrschein- lichkeit nach nur zur Folge haben, daß die schwe- dische Presie. noch, schärfer al? bisher die politischen Zustände in Deutschland beobachtet und beurteilt.
Wahlabkommen der Splitter Zwischen Zentrum und Harzburg Die Deutsche Volkspartei , der Christ- lichsoziale Voltsdienst und die Deutsche Bauernpartei haben ein tech- nischee Wahlabkonnnen getroffen. Alle drei Par- teien stellen einen gemeinsomeü Reichswahloor- schlag auf, an de» alle selbständigen Kreiswahl- vorschlage der drei Parteien angeschlossen werden. Die politische Selbständigkeit der beteiligten Parteigruppen soll von diesem Wahlabkommen nicht berührt werden.
Arbeitsministerium Die Pläne Hugenbergs Von der Aufteilung des Ar» beits Ministeriums war es in de« letzten Tagen ziemlich ruhig geworden. Jetzt meldet die„51 ö l n i s ch e Z e i t u n g". daß die Entscheidung über die Auflösung bereits getroffen sei, mit der Bekanntgabe und Umgruppierung selbst jedoch erst nach den Wahlen zu rechnen wäre. Der Plan selbst sei nicht geändert. Das Reichsarbeitsmiuisterium werde künftig im wesentlichen nur die Fragen der V e r» forgung und des Arbeitsdieastes be- arbeiten. Das Arbeitsrecht, der Arbeits - schütz, die Lohnpolitik, das Tarifvertrags- und Schlichtungswesen, sowie die Arbeits- Vermittlung und die Arbeitslosenverstche- rung würden nicht mehr im Reichsarbeits- Ministerium behandelt werden. Man werde ste einem Kommissariat unter- stellen, dessen Oberleitung dem Wirt- schafts- uud Ernährungsminister H u g e«- berg zugedacht sei. Diese Nachricht der„Kölnischen Zeitung " ist nicht dementiert worden. Wir haben also guten Grund, ste als richtig zu betrachten. Werden diese Pläne durchgeführt, dann liegen alle für das soziale Dasein der erwerbstätigen und der erwerbslosen Menschen wichtigen Entscheidungen i n der Hand des Mannes, der nie ei» Hehl daraus gemacht hat, daß er ein Gegner des von der Staatsgewalt aus- geübte« sozialen Schutzes sei.