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Morgen- Ausgabe

Nr. 73 A 35 50. Jahrg.

Rebattton und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

Seratprecher 7 amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNTAG

12. Februar 1933

In Groß Berlin   10 Pf. Auswärts... 15 Bf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des reduktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Zwei Programme

Aufruf der Voltsbeauftragten

12. November 1918

1. Der Belagerungszustand wird aufgehoben.

2. Das Vereins- und Versammlungsrecht unterliegt keiner Beschränkung, auch nicht für Beamte und Staatsarbeiter.

3. Eine Zensur findet nicht statt. Die Theaterzensur wird auf­

gehoben.

4. Meinungsäußerung in Wort und Schrift ist frei.

5. Die Freiheit der Religionsübung wird gewährleistet. Niemand darf zu einer religiösen Handlung gezwungen werden. 6. Für alle politischen Straftaten wird Amnestie gewährt.... 7. Das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst( Ar­beitsdienstpflicht, Red. d. V.) wird aufgehoben, mit Ausnahme der sich auf die Schlichtung von Streitigkeiten beziehenden Be­stimmungen.

8. Die Gesindeordnungen werden außer Kraft ge­setzt. Ebenso die Ausnahmegesetze gegen die Landarbeiter. 9. Die bei Beginn des Krieges aufgehobenen Arbeiterschutz­bestimmungen werden hiermit wieder in Kraft gesetzt. Als unmittelbar bevorstehend wurden ferner angekündigt: Allgemeines Männer- und Frauenwahlrecht zu allen Vertretungskörpern; Achtstundentag; Ausdehnung der

Erwerbslosenunterstützung; Krankenversicherung  .

Hitlers   12 Programmpunkte

Sportpalastrede 10. Februar 1933

1. Wir wollen nicht lügen und nicht schwindeln und keine billigen Versprechungen machen.

2. Wir wollen arbeiten, aber das Volk soll mitarbeiten. 3. Unsere ganze Arbeit muß geleitet sein von der Erkenntnis, daß wir niemals auf fremde Hilfe rechnen dürfen.

4. Die ewigen Gesetze des Lebens sind immer gleich und immer dieselben.

5. Die Grundlagen unseres Lebens beruhen auf Gesetzen, die niemand uns rauben kann, außer uns selbst.

6. Das Ziel unserer Arbeit ist die Erhaltung des deutschen  Volkes und seines Bodens.

7. Dazu müssen wir zunächst die Ursachen des Verfalls beseitigen, die Versöhnung der Klassen erreichen, den Marxismus ver­

nichten.

8. Wir müssen das Volk aufbauen auf dem deutschen   Bauern als dem Grundpfeiler jedes völkischen Lebens.

9. Der deutsche   Arbeiter als zweiter Grundpfeiler unseres Volkstums muß wieder zurückgeführt werden in die Gemeinschaft unseres Volkes.

10. Wir wollen dem deutschen   Geist die Möglichkeit seiner Entfaltung sichern.

Wahrheit

Für Freiheit und Ehre Deutschlands  

Unsere Leser wissen, daß über der oppo­fitionellen Bresse in Deutschland   das Damoklesschwert der Pressenotver­ordnung hängt. Das freie Wort ist ein­geengt. In drei Wochen soll gewählt werden. Ueber dem Wahlkampf lauert die Notverord­nung, auf den Straßen mütet der Terror. Gegen die eine Hälfte des Boltes, ja gegen seine Mehrheit, ist eine beschimpfende Agita­tion entfacht, die das Bild des deutschen  Volkes vor der Welt verzerrt. Unverantwort liche, aber mächtige Kräfte drohen dem Volke mit offener Gewalt, wenn es sein ver­fassungsmäßiges Recht gebraucht.

Wir lassen uns das verfassungsmäßige Recht nicht nehmen! Wir antworten am 5. März auf alles: auf die Einengung der Freiheit, auf den Terror, die Beschimpfungen und die Drohungen. Wir werden zeigen, daß das Bild falsch ist, das eine laute Agitation vom deutschen   Volke und seiner Geschichte zeichnet! Denn die Kräfte des Rechts, der Wahrheit, der Vernunft, der Ehre liegen in

11. Kampf gegen die Erscheinungen des parlamentarisch- demo- Deutschland nicht am Boden. Sie sind in kratischen Systems. unserem Lager, und wir werden sie im 12. Wiederherstellung der Sauberkeit im Volke, im Kampfe behaupten.

öffentlichen Leben und in der Kultur.

Die ,, marxistischen Novemberverbrecher" waren Männer der Tat. Sie sagten genau, was sie tun wollten und führten es auch aus. Hitlers   Programm besteht dagegen aus ganz unbestimmten Redensarten.

Die Knebelung der Presse mag Kritit. unterdrücken, fie mag das freie Wort zum Schweigen verurteilen aber eins vermag fie nicht! Sie fann die geschichtliche Wahrheit nicht aus der Welt schaffen,

Darum am 5. März alle für die ,, marristischen Novemberverbrecher": Liste 2! und nichts kann uns hindern, dem Bolke die

Bapen- Hugenbergs Sieg

Sie wollen sich ihn nie wieder entreißen lassen!

Gestern gehörte der Sportpalast   den Schwarz­meißroten: Hugenberg  . Papen und Seldte. Das Publikum war ebenso laut mie am Tage zuvor, aber die Redner konnten sich an Stimmenfraft mit Hitler keineswegs messen. Der Berlauf der Kundgebung war lehrreich, er zeigte, daß unter dem Deckmantel der, nationalen Einig­feit" der Kampf zwischen Schwarzweiß­rot und Hafenkreuz schon im Gange ist.

Wenn z. B. Herr Brosius von dem fana­tischen Haß sprach, mit dem Hugenberg   von seinen Gegnern verfolgt werde, so mußte jedermann, wer damit gemeint war. Noch deutlicher waren Bemerkungen wie: Sugenberg sei ein Mann der Arbeit und nicht der Rede( mit ver­ständnisvollem Beifall aufgenommen), oder gar, er führe wohl sein Ministergehalt für nationale Zwecke ab, aber er,

Hugenberg rede nicht davon!

Gegen die nationalsozialistischen Versuche, mit dem Zentrum ins Reine zu kommen, wandte sich der deutschnationale Pressechef mit der Erklä­rung, daß die nationale Einigung die endgü i- Zentrums tige Ausschaltung des bedeuten müsse.

Noch deutlicher war hugenberg. Er sprach von einem Bund ,, auf Treu und   Glauben", der Dauerzustand sein müsse, nicht lebergangs­zustand, sonst komme das Chaos. Das war eine unmißverständliche Wendung gegen die National­sozialisten und ihre dem Zentrum gegebene Ber­ficherung, die Deutschnationalen würden sehr bald wieder ausgeschifft werden. Die Erklärung, die Schwarzweißroten wollten

die Macht auf alle Gefahr hin behalten

mar in diesem Zusammenhang auch nicht mißzu­verstehen.   Hugenberg bekannte offen, daß er mit der Reichstagsauflösung überrumpelt worden sei. Ich wollte feine Neuwahl," versichert er.

Aber wenn schon, dann müßten diese Wahlen die legten sein.

,, Wer das Wählen satt hat, wählt

schwarzweißẞrot"

war eine klare Aufforderung an die Wähler, durch ihre Abstimmung auf ihr eigenes Mitent­scheidungsrecht zu verzichten und dem Volke sein Recht zu nehmen. Aber nach der anderen Seite wieder ging die Versicherung Hugenbergs, er werde während des Wahlkampfs nicht reden, sondern arbeiten. ,, Nachtigall, ich hör' dir laufen," sagt in solchen Fällen der   Berliner.

Auch Papen sprach mit scharfer Spize gegen die neuen Bundesgenossen. Er polemisierte gegen den ,, Parteista a t" und pries das ,, Koalitions­opfer", das Hitler gebracht, indem er sich mit ihm und mit   Hugenberg zusammengefunden hätte.

Diktaturbilanz Abrechnung in   Polen  

Warschau, 11. Februar.

Im   Sejm erklärte der Justizminister Micha­lomski der als Staatsanwalt die Marterung der Oppofitionsführer in   Brest- Litomst gedeckt, wenn nicht veranlaßt hat-, daß die Justiz über Politik stehen müsse, weil davon das Vertrauen des Volkes zur Gerichtsbarkeit abhänge. Diese Bemerkung löfte einen Sturm der Entrüstung aus, sämtliche Oppositio= nellen perließen den Saal zum Zeichen, daß dieser Justizminister das Vertrauen des Bolkes nicht genieße.

Ein Redner der christlichen Demokraten sagte beim Innenhaushalt, die Frucht der sieben jährigen Herrschaft dieses Regie. rungssystems sei das beispiellose Elend des

( Dies war der einzige Zusammenhang, in dem der Name des Reichskanzlers überhaupt genannt wurde.) Unter ungeheurem Beifall versicherte der Bizekanzler: ,, Niemand wird uns den Sieg ent­reißen können."

-  

Hugenberg und   Papen- die Sieger! Zusammengefaßt ergibt sich folgendes: Sowohl Nationalsozialisten wie Deutschnationale aber jede Partei für sich haben die Absicht, ohne Rücksicht auf das Wahlergebnis an der Macht zu bleiben, sie legen aber auf das Verbleiben auch des anderen feineswegs entscheidendes Gewicht. Eher sieht es so aus, als ob es nach dem 5. März, wenn nicht schon früher, zu einer Machtent= scheidung zwischen beiden kommen würde.

Schließlich noch eines: An den beiden letzten Tagen haben ein Reichskanzler, ein Vizekanzler, ein fünffacher Minister und ein einfacher, im ganzen die Inhaber von acht Ministerportefeuilles, gesprochen. Kein einziger hat auch nur mit einem Wort verraten, was ihre Regierung eigentlich zu tun beabsichtigt.

Es waren nur Redensarten. Als einzige Tat­sache bleibt die Fleisch, Sped und Schmalzverfeuerung.

Volkes, seien die leeren Staatstaffen und die Gefährdung der Staatsgrenzen. Unter den jezigen Verhältnissen werde   Polen nach einem Jahre nicht mehr in der Lage sein, der Verwaltung und Wehrmacht eine angemessene Existenz zu sichern. Die Polizei habe sich das Prügeln des Volkes zur Gewohnheit gemacht. Durch Zucker und Peitsche versuche man das Volk für das System zu gewinnen.

geschichtliche Wahrheit zu zeigen. Sie hebt sich hervor aus dem Zerrbild eines verkommenen und herabgefunkenen Boltes, einer fulturell und moralisch zersetzten Arbeiterklasse, das die laute Agitation gegen den ,, Marrismus" in düsteren Farben entwirft.

Die Wahrheit ist, daß die besten Traditio­nen des   deutschen Volkes, seiner Massen und feines Geistes ihren Hort im ,, Marrismus" gefunden haben, in der disziplinierten und organisierten   sozialistischen Arbeiterschaft!

Wo war die Tradition des   deutschen Geisteslebens, als das Bürgertum und seine Kultur versant in verfalftem Epigonentum und äußerem byzantinischem Pomp, in der Afterkultur der wilhelminischen Epoche? Der deutsche Idealismus flüchtete zur Arbeiterklasse. Mit beiden Füßen stellten sich die Marristen" auf den Boden der Tradition der Klassiker, die unterbrochene Linie fand im Proletariat ihre Fortsetzung.

Als die   deutsche Wissenschaft ihre Freiheit verlor im Byzantinismus des wilhelminischen Universitätsbetriebs, wurde das Proletariat von den Marristen zum Denken er zogen. Das Denken ist die Grundlage der Freiheit und der Demokratie. Das Prole­tariat, das durch die Schule des ,, Marris­mus" gegangen ist, hat das Denken nicht ver lernt. Es hat begriffen, und begreift es heute erst recht, daß zur Politik zunächst gehört, daß einer selber denken kann!

Das Streben und Wissen nach Aufklärung, der Aufstieg des   deutschen Proletariats wo wäre es ohne den ,,   Marxismus? Sie loben heute in offiziellen Reden die Bildung, die Kenntnisse, die Fähigkeit der   deutschen Arbeiterschaft- aber sie schmähen auf das

Führerappell der Eisernen Front!

Am Sonntag, dem 12. Februar, vorm 9.30 Uhr, im Clou", Mauerstr. 82. Referent: Tagesordnung: Wir greifen an!" Peter Graßmann, Vor­sitzender des   ADGB. Zutritt nur gegen Vorzeigung der Eintrittskarte, die genau ausgefüllt und abgestempelt sein muß, mit gleichlautendem Mitglieds­buch einer der Organisationen der Eisernen Front. Das Bezirkssekretariat.