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Hilferöing und die Inflation Zur Richtigstellung einer Geschichtslüge Von Alexander Knoll
Solange sich die Wahlpropaganda der gegen» wärtigen Reichsregierung und etwa gleich- gesinnter Nachfolger derselben daraus be- schränkt, die Äntimentalität und politische Un- kcnntnis eines Teiles des deutschen   Volkes für ihre reaktionären Zwecke durch allerlei rein ge> fühlsmäßige Redensarten und Gemeinplätze aus» ?unutzen, ist dagegen mit Vernunftgründen und reiner Tatsachendarstellung im allgemeinen nur schwer anzukommen, da diese sich nicht an das Gefühl, sondern an den kühlen Verstand und die politische Vernunft wenden, also gerade an die­jenigen Eigenschaften, die dem nationalistischen Stimmvieh im allgemeinen abgehen, In den Fällen jedoch, wo diese Propaganda sich auf den Boden der Tatsachen begibt und versucht, diese im Sinne ihrer Propaganda um- zubiegen, da soll man ihr klar und scharf ent- gegentreten. Ein solcher Fall es ist nicht der einzige, aber ein äußerst bedeutsamer liegt vor in der Kanzlerrede vom 10. Februar d. I, Da- nach soll Hilferding   die Inflation verschuldet haben. Eine gröbere Vergewaltigung der ge- schichtlichen Wahrheit als diese Behauptung dürfte schlechterdings kaum möglich sein. Es soll hier nicht ein« Geschichte der Inflation geschrieben werden. Aber es ist vielleicht nicht unangebracht zu betonen, daß, als Hilferding   da- mals Finanzminister wurde, die Inflation schon längst im Gange war. Gewiß hat sie unter seiner Ministerschaft den Höhepunkt erreicht, aber wie das gekommen ist, darüber kann vielleicht am besten der ehemalige Staatssekretär des damaligen Reichskanzlers Cuno, Dr, Hamm  , der spätere Reichswirtschaftsminister, Auskunft geben. Unter Hilferdings Ministerschaft hat aber die Inflation nicht nur ihren Höhepunkt, sondern auch ihr Ende erreicht. Und aus diesen Tagen möchte ich hier eine Episode schildern, die ich als Teilnehmer miterlebt habe und die am besten geeignet sein dürfte, zu beweisen, daß der gegen Hilferding   erhobene Vorwurf nicht nur unwahr, sondern geradezu un­sinnig ist. Es war in den Tagen des Abbruchs des R u h r- k a m p f e s. Hunderttausende von Arbeitern und Angestellten im besetzten Gebiet, die sich bis dahin notdürftig von den Unterstützungen aus völlig ent- wertetem Papiergeld über Wasser gehalten hatten, logen auf der Straße, Sie, die den schweren und mit ungeheuren Opfern verknüpsten Kampf gegen die oftmals raffinierten Schikanen und Grausam- keiten der Besatzungsarmee geführt hatten ge- führt hatten mit Wunsch und Willen der deutschnationalen Regierung Eunv, allerdings nicht dieser zu Gefallen, sondern um des deutschen Reiches und Volkes willen, sie hatten gehofft, daß die Regierung ihnen nun auch noch über die nächsten Wochen hinweghelfen würde! Diese Hosfnung wurde grausam zerstört! Das Reichsfinanzministerium verweigerte jede weitere Unterftühung, und an der Spitze des Ministeriums stand Hilferding  ! Wir vom ADGB,  , d. h. G r a ß m a n n und ich (irre ich nicht, war auch Heinrich Meyer- Düsseldorf  , unser Bezirkssekretär, dabei), gingen daraufhin zu Hilferding   persönlich, um für die ausgebluteten Kampftruppen wenigstens etwas herauszuholen: Auch unseren eindringlichen Vor- stellungen setzte Hilferding   ein starresNein!" entgegen. Er begründete es damit, daß er sagte (dem Sinne nach): Zahlen wir nur noch eine Woche Unter- ftüfcung, dann fällt auch die Rentenmark ins Wasser!" Wir sind damals mit tiefem Groll im Herzen aus dem Finanzministerium fortgegangen Nicht nur, weil wir wußten, daß sich nunmehr die ganze Empörung und Enttäuschung der im Stich ge- lassenen Kämpfer auf die Gewerkschaften abladen würde, sondern auch weil wir darin ein tatfäch- liches Unrecht gegen die Arbeiter erblickt haben, Wir sind mit der Zeit darüber hinweggekom- men. Aber man stelle sich vor: Der Minister Hilferding  , um die neue Mäh- rung unter allen Umständen zu sichern, schreck« selbst vor einem Akt scheinbarer Grausamkeit gegen eine Arbeiterschaft nicht zurück, die in einem geradezu heroischen Kamps Volk und Vaterland vor dem Zusammenbruch gerettet hat. eine Ar­beiterschaft, die ihm zum großen Teil politisch nahesteht und einen solchen Minister wagt man öffentlich zu beschuldigen, daß er die 3n- slation verschuldet habe i * Aus unserer Kenntnis der Dinge fügen wir noch folgendes hinzu: Genosse Hilferding   erhielt als Reichs- finanzminister Einblick in die Kosten des Ruhrkampfes, feine Finanzierung und über den wahren Stand der Reichs- f i n a n z e n am Ende des Ruhrkampfes. Er hat in einer tapferen Rede im Reichstag   den Schleier von diesen Dingen gezogen, e r hat dem Volke die ungeschminkte Wahrheit gesagt! Die Konsequenz feiner Haltung war der unerbittliche Wille zum Wider- stand gegen alle Bestrebungen, die Noten- presse weiter arbeiten zu lassen. H i l f e r- ding wurde nicht nur von den Gewerk- schaften bestürmt sondern in e r st e r Linie von den Ruhrindustriellen und von weitesten Kreisen des Mittel-
standes, die damals nur noch von der Notenpresse lebten! Trotz dieses gewaltigen Drucks hat Hilferding   mit aller Energie an der Stabilisierung festge- halten. Die Legende, daß er die Inflation gemacht habe, ist eine ungeheuerliche Ver- drehung der Tatsachen.
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Was sagt HMer? Nazis gegen Verstaatlichung der Großbanken Vor einiger Zeit hatten die Nazis im Bayer!- s ch e n Landtag wie auch im Reichstag und in anderen Parlamenten einen Antrag auf Ver- staatlich u ng der Großbanken ein­gebracht, Während sie aber im Reichstag durch Auflösung um eine Abstimmung herumkamen, passierte ihnen im Bayerischen Landtag   das Unglück, daß dieser Antrag ausgerechnet wenige Tage nach der Machtergreifung Hitlers zur Ab- st i m m» n g g e st e l l t wurde, Nun war guter Rat teuer. Dafür konnten sie nicht gut stimmen, denn dann hätten Hugen- birg und Papen im Reichskabinett«inen Heiden- krach geschlagen. Dagegen konnten sie noch weniger stimmen, denn ein jo offensichtliches Preisgeben einer ihrer Hauptparoien im ent- scheidenden Augenblick wäre auch den eigenen Anhängern aufgefallen. Was taten sie also? Sie änderten ihren Antrag ab, so daß er nicht mehr die Verstaatlichung der Großbanken ver- langte, sondern nur noch ihre Unterstellung unter Staatsaufsicht". In dieser harmlosen Fassung wurde der Antrag mit den Stimmen der Nationalsozialisten und der Sozialdemokraten an- genommen. Aber auch dieser Beschluß des Bayerischen Landtags   ist den großkapitalistischen Bundes- genossen Hitlers   noch sehr unbequem. Die schwer- industrielleDeutsche Allgemeine Zeitung" führt bewegliche Klage darüber, daß sich die Wirtschaft nicht erholen könne, solange»och Zweifel über den wirtjchastspolitischen Kurs bestehen, den die Rc- gicrung steuern will. Es lägen ausdrückliche Zu­sagen Adolf Hitlers   vor, wonach er an keinerlei
Reden, Reden, nicbts als Reden. Davon werden wir auch nicht satt."
Verstaatlichung des Bankwesens, besonders auch nicht der Großbanken denke. Dann dürften sich aber auch die Nazis in Bayern   nicht solche Extra- touren leisten. Es sei notwendig, daß der Reichs- kanzler seine überragende Autorität in der Partei einsetzt, um in der bayerischen Landtagsfraktion nach dem Rechten zu sehen, Wir zweifeln nicht daran, daß Herr Hitler   dieser freundlichen Aufforderung ungesäumt nachkommen wird,
Der neue Beamtenschub Die Uste wächst Bürgerliche Proteste
Die Liste der von Goring zwangsbeur- la übten Beamten in der inneren Berwal- tung und in der Polizei ist weiter gewachsen, Wir tragen nach: Regierungspräsident S t i e l e r- Aachen, Polizeipräsident Barth- Hannover  , Po- lizeipräsident Wende- Waldenburg, Polizeipräsi- dent M a i e r- Stettin, Polizeipräsident T h a i ß- Breslau, Polizeioberstleutnant Mayer- Walden- bürg, Polizeioberst Harlinghausen- Bochum, Landjägereimajor Schäfer- Wiesbaden  , Polizei- niajor o. S e i d l i tz- Wiesbaden, Es handelt sich zum Teil um unpolitisch« Beamte, zum Teil um Angehörige der Staats- parte!, der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Deutschen Volkspartei  .
Dies Vorgehen hat selbst bei derDeutschen Allgemeinen Zeitung" Entsetzen hervor- gerufen, Sie schreibt: Schon die Frage der Aemterbesetzung kann doch mit der Methode des Massen- mordes allein nicht gelöst werden. Um ein kleines Beispiel zu nennen: Der Tennismeister Froitzheim, seines Zeichens Polizeipräsident von Wiesbaden  , sicher ein gut nationaler Mann, soll abgesägt werden, weil er in der Vergangenheit gelegentlich nationalsozialistische Aufmärsche nicht zugelassen hat. Oder: Die Funkzeitung des Stahl- Helms fordert die Ersetzung des Intendanten des Deutschlandsenders Professor Dr. S ch ub o tz durch den Propagandachef des Bundes der Frontsoldaten Dr. Hans Hübotter. Und das im Zeichen der aufsehenerregenden Rede des zweiten Bundes- führers D u e st e r b e r g, der sich mit so kräftigen Worten gegen die Postenjägerei ge- wendet hat. Wäre es nicht möglich und ange- bracht, diese Denunziationen, die gewiß nicht im Sinne der wirklichen Führer der Reichs- regierung liegen, einzuschränken oder beiseite zu schieben? Ein Landrat, der mit einem örtlichen SA,-Führer Krach gehabt hat, kann unter Um- ständen trotzdem ein höchst brauchbarer und tüch- tiger Beamter sein. Bei den Stellenbesetzungen, die manchmal die tragikomischsten Hintergründe haben, aber ebenso in den großen wirtschafts- politischen Entscheidungen wäre die Mitwirkung und Berücksichtigung der gemäßigten Rechten im Staatsinteresse nützlich und erwünscht. Der Sturm auf die Schreibtische der Amtsstuben hat beängstigende Formen ange- nommen, und wenn wir der östlichen Landwirt- schaft auch alles erdenklich? Gute wünschen, kann doch nicht übersehen werden, daß es im weiten Deutschen Reiche auch noch einige andere Berufe und Gegenden gibt, die der Lehre
von der Gleichheit des Staatsbürger» vor dem Gesetz zugetan sind," Gm Artikel 130 der Verfassung Eigener Bericht desVormärls Arcmksurt o. vi.. 13. Februar, Unter der UeberschristP a r t e i r e g i m e» t" schreibt dieFrankfurter Zeitung  " über die Amtsenthebungen der Preuhenkommissare: Der Artikel 1 3 0 d e r V e r f a s s u» g, der die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit der Be- amten gewährleistet, scheint angesichts der prat- tischen Personalpolitik des Herrn Göring langsam zu einer deutschen   Sage zu werden. Auch die Provinz Hessen  -Nasscm ist mit der besonderen Aufmerksamkeit der neuen Herren im preußischen Innenministerium beglückt worden. Innerhalb weniger Stunden sind zwangsweise beurlaubr worden die beiden Regierungspräsidenten der Pro- vinz, der Polizeipräsident von Frankfurt   a, M, und der Landrat des Main-Taunus-Kreises  , Das find jene Beamte, die zu den tüchtig- sten überhaupt gehörten. Wir sind nicht in den Vereinigten Staaten  , wo mit jedem Regierungswechsel ein ganzer Troß von Beamten gehen muß, um den Günst- lingen eines neuen Kurses Platz zu machen. Wir haben in Deutschland   ein Berufs- beamtentum mit verfassungsmäßig gesicherten Rechten. Wenn es dem Nationalsozialismus ein- fallen sollte, diese Rechte einfach zu verschlucken, so würde er sich wohl bald wundern, was er an diesen Bissen zu würgen hätte, Zichauf hat man verdiente Männer von ihren Aemtern entfernt, Ueberall waren es die gleichen Methoden und die gleichen Motive. 14 Jahre lang haben die Nationalsozialisten gegen da- Parteiregiment der Republik   gestritten und ge- wettert in Ausdrücken, deren öffentliche Wieder- gäbe heute alsbald zur Unterdrückung jeder Zei- tung, die das nachdrucken würde, führen müßte Jetzt sind sie selbst an der Macht. Jetzt könnten sie zeigen, wie man esehrlicher",sauberer", unparteiischer" macht als die schlimmen Republi- kaner. Und dies also sind ihre ersten Taten? Wir möchten wissen, was Herrn Severing miderfahren wäre, wenn er jemals gewagt hätte höhere Polizeioffiziere zum Abschied zu drängen, mit der Begründung, der Adressatbesitze nicht mehr das Vertrauen des Ministers". Lebhaft stellen wir uns den Entrüstungssturm im natio- nalsozialistischen Blätterwald vor, den dies ent- facht hätte. Es ist damals nicht geschehen. Jetzt geschieht es! In der Tat, nationalsozialistische Minister können es besser: nämlich das Parteiregimentl"
KominternundEinhettöfront l�PD.»Kompromiß erlaubt An Stelle des zuerst angekündigten Chefredak- teurs derJstwestja" hat im Moskauer Rundfunk als Vertreter der Komintern   ein Lehrer vom Marx- Engels-Jnftitut über das heutige Deutschland   ge- sprochen. Zunächst zjtiertc er Ansprachen sozial- demokratischer Führer in Deutschland  . Besonder« ausführlich den Vorschlag einesN i ch t» A n- griffspaktes" zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten, Dann führte der Redner aus: Die Einheitsfront sei in Deutschland   eine Frage zunächst einmal der lieber Windung gegenseitigen Mißtrauens. Nun fragte der Redner, ob Kompromisse im ollgemeinen mit der kommunistischen   Ideologie zu oereinharen seien: im Grunde genommen nein. Denn niemals könne der Kommunismus denselben Weg gehest wie die Sozialdemokratte und niemals können die politischen Linien der beiden Parteien dieselben sein. Aber talsächlich sei die Lage, in Deutschland  augenblicklich so, daß man von einem Sonder zustand spreche» könne, der besondere Gesetze schasse. Italien   sei das abschreckende Beispiel. und wenn die A k t i o n sf ö h i g k e i t der Ar beiter im entscheidenden Augenblick gehoben wer- den könne, dann seien selbst K o m p r o m i s s e rein aktueller Art und auf bestimmt« Zeit beschränkt eine dringende N o t w e n d i g- keil Die Lage in Deutschland   fei eben heute so, daß für die KPD  . vielleicht auch besondere Be- stimmungen, die für kommunistische Theoretiker anderer Länder nicht zutreffen, gelten könnten. Daß die Einheitsfront geschaffen werden ni ü s f e, sei klar. Es frage sich nur, welcher Weg dazu der beste und vor allen Dingen der s ch n e l l st e sei.
Ausmarsch in Leipzig  Bürgertum keiert>Vagner die Eiserne Front den Kampf Eigener Beridü desVorwärts" Leipzig  , 13. Februar. Zur selben Stunde, als Hitler neben Win- fried Wagner an der Richard-Wagner  -Feier im Leipziger Gewandhaus   teilnahm, marschiert« die Leipziger Arbeiterschaft von zahlreichen Sammelplätzen in imposanten Zügen nach dem M e ß p l a tz. Mindestens 30 000 Männer und Frauen demonstrierten hier ihren Kamps- willen gegen Unterdrückung und Reaktion, Die gewaltige Menge legte ein be- geistertes Bekenntnis zur Sozialdemokratischen Partei ab und gelobte, alle Kraft für ihren Sieg einzusetzen. Reichstagsabgeordneter Franz Künstler  - Berlin   erklärte in seiner Ansprache u. a., so wenig Bismarck und Wilhelm II.   mit der Sozialdemokratie fertig geworden find, so wenig werde Adolf Hitler   sie überwinden: es werde der Tag kommen, wo auch er vor der Sozialdemokratie kapitulieren muß! In diszipliniertem, stramm geordnetem Rück- marsch zogen die Demonstranten nach den Be- zirken und Vororten, überall von dichten Zu- schauerspalieren auf das herzlichste begrüßt,
Vor der deutschen   Botschaft in Madrid   demon- strierten Linksradikale gegen die jetzige deutsche Regierung, Es wurden Steine geschleudert, die Zivilgarde griff ein, zwei Schüsse sielen zwei Verhaftungen wurden vorgenommen. Aehnlich war es In Lima  (Peru  ).