BEILAGE
Vorwärts
Auf dem Meeresgrund
Bericht von den Tauchern Kamschatkas/ Von Dr. Sten Bergman
Diesen Abschnitt entnehmen wir mit Erlaubnis der Verlagsbuchhandlung Strecker und Schröder in Stuttgart dem Buch des bekannten Forschungsreisenden: ,, DieTausend Inseln im fernen Osten", der Inselkette, die sich von Japan nach Kamtschatka zieht und als Heimstätte von Erdbeben und Vulkanausbrüchen berüchtigt ist.
,, Es ist ein Viertel nach sechs, Herr" Mit diesen Worten und einer Schale Tee weckte mich Fudschimoto am 20. Juli. Sonst weckte er mich immer um sieben Uhr, aber an diesem Tag hatte ich be= sondere Pläne. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und erinnerte mich, daß ich am Tag vorher beschlossen hatte, einen Teil des Tages auf dem Meeresgrund zu verbringen. Dorthin zu tommen ist ja nicht schwer, wenn man am Meer wohnt, aber ich wollte gern wieder lebendig herauf kommen, und das machte die Sache weniger einfach. Ich brauchte mit anderen Worten eine Tauchausrüstung nebst Zubehör
Wir befanden uns gerade im Dorf Tomari. Zehn Minuten weit liegt das Dorf Uennai, Mittelpunkt der Muschelfischerei. Eine Anzahl Motorboote, mit sechs bis zehn Japanern bemannt, liegen vom 1. Juli bis zum letzten November draußen, um Muscheln zu sammeln. Das geschieht hauptsächlich mit Hilfe von Tauchern, die sie in Negkörben vom Meeresgrund heraufholen.
Zusammen mit einem uniformierten Polizisten wurden wir in einem Ruderboot zu dem in der Bucht verankerten Motorboot hinausgebracht. Nach zwei Stunden Fahrt in hauptsächlich nördlicher Richtung sah man am Horizont einige Punkte, das waren die Fangboote.
Nachdem wir verschiedene Fangboote passiert hatten, tamen wir zu dem, bei dem ich an Bord gehen wollte. Es hatte mit den beiden Tauchern, von denen der eine getaucht war, eine Besagung von sechs Mann. Die Besatzung hatte keine Ahnung von unserer Absicht, sie zu besuchen und machte große Augen, als ein Europäer an Bord stieg. Aber Fudschimoto gab die nötigen Erklärungen, und sie zeigten alle die größte Freundlichkeit.
Gespräche mit Tauchern.
Am meisten interessierte mich der Taucher, ein ungewöhnlich großer und fräftiger Japaner. Ich setzte mich neben ihn und forderte ihn auf, von seiner Arbeit zu erzählen. Die Fangboote, bc= richtete er, fahren um zwei Uhr in der Nacht von Uennai weg, und nach drei Stunden sind sie bei den Fangplägen. Auf jedem Boot sind. immer zwei Taucher; jeder von ihnen ist abwechselnd anderthalb Stunden von fünf Uhr früh bis zum Einbruch der Dunkelheit auf dem Meeresboden. Gegenwärtig arbeiteten sie bis acht Uhr abends, also fünfzehn Stunden am Tag. Jeder Taucher verbringt demnach sieben und eine halbe Stunde am Tag auf dem Meeresgrund. Nach zweitägigem Aufenthalt auf den Fangplägen fahren sie mit der Beute heim; wenn sie einen guten Fang gehabt haben, so bringen sie etwa zehntausend Muscheln nach Hause. Nach der Heimkehr schlafen sie nur zwei bis drei Stunden, dann fahren sie wieder hinaus. Die Tiefe, in der sie Muscheln sammeln, schwankt zwischen zehn und dreißig Metern. Die Stelle, an der sich das Boot jetzt befand, war dreizehn Meter tief.
Mein Gewährsmann war schon zwölf Jahre bei dieser Arbeit, fünfunddreißig Meter war die größte Tiefe, in die er getaucht hatte; aber dort fönne man es nur zehn bis zwanzig Minuten aushalten, erklärte er.
Nach einer Stunde gab der Taucher auf dem Meeresgrunde das Zeichen, daß er herauf wolle. Mehrere Männer zogen aus Leibeskräften, und in furzer Zeit kam er an die Oberfläche. Der foeben Heraufgekommene nahm den Platz des anderen an der Feuerstelle ein, zündete sich eine 3igarette an, begann ein paar Muscheln zuzubereiten und warf fragende Blicke auf mich. Ich setzte mich zu ihm, und nachdem wir eine Weile gesprochen hatten, fragte ich ihn, ob er mir seine Taucherausrüstung zum Hinabsteigen leihen wolle, ich würde gerne die Muscheln bezahlen, die er während dieser Zeit verliere.
Sowohl der Taucher als auch alle anderen an Bord waren sehr neugierig und lachten von Herzen über meinen Vorschlag. Eine Weile ver= handelten sie untereinander und dann erklärte der Taucher, daß er es nur auf meine eigene Gefahr tun könne. Er begann sich sofort zu entkleiden. Unter dem Taucherkleid trug er viele dicke Unterkleider, teils wegen der Kälte, teils um den Druck zu mildern. Er lieh mir die dicken Wolkleider, um sie über meinen Sportanzug zu ziehen, und darüber kam die Taucherausrüstung, die aus einer Art Gummistoff war. An die Füße bekam ich ein Paar schrecklich schwere Schuhe mit Bleisohlen. Zu jedem Boot gehört nur ein Taucherhelm und eine Luftpumpe, und ich konnte daher erst hinabsteigen, wenn der andere herauffam. Daß er drunten lebte und arbeitete, bewies jede vierte oder fünfte Minute, wenn ein Nez
forb mit fünfzig Muscheln herauffam. Er verriet auch seinen Aufenthaltsort durch Luftblasen, die ständig aufstiegen, wenn er die verbrauchte Luft durch ein Ventil im Helm abließ, das er hie und da durch einen Druck mit dem Hinterkopf öffnete. Wenn man das Ventil nur genügend rasch drückt, fann das Wasser nicht eindringen.
Der Weg hinab.
Anderthalb Stunden waren vergangen, und der Taucher gab das Zeichen, daß er herauf wolle. Er war verblüfft, als er gleich darauf mich statt seines japanischen Gefährten im Taucheranzug auf der Leiter sah. Die Bleigewichte wurden mir umgehängt, und nachdem ich belehrt worden war, wie ich das Luftventil behandeln müsse, und nachdem mir ein Strick um den Leib gebunden worden war, wurde der Helm zugeschraubt. Der ganze Taucheranzug samt Zubehör wog nach ihrer Angabe fünfundsiebzig Kilogramm, wovon ich, als ich alles anhatte, vollkommen überzeugt war.
Im Helm fauste die Luft, die durch einen Motor eingepumpt wurde. Ich kletterte die Leiter hinab, bis mir das Wasser an den Hals reichte, dann waren die Stufen zu Ende. Mit einem festen Griff um die Leine, die mir um den Leib ge= bunden war, stieg ich in das Unbekannte hinaus. Ich hatte die strenge Weisung erhalten, darauf zu achten, daß ich nicht das Gleichgewicht verliere. Der Oberkörper ist nämlich am schwersten belastet, so daß man leicht topfüber hinabkommt, wobei es schwer ist, drunten wieder zurechtzukommen. Hat man das Gleichgewicht verloren, so lassen sich die Bewegungen des Kopfes im Helm nicht kontrollieren, und wenn der Kopf am Ventil anliegt, strömt Meerwasser ein, und man ist verloren.
Das Seil wurde nachgelassen, und ich sank in das graugrüne Wasser. Wir hatten ausgemacht, daß man mich sofort herauf hole, wenn ich mehrere Male an dem Seil ziehe. Ich sah die
Wasseroberfläche über mir schimmern. während ich mich immer mehr von ihr entfernte; auch der Schiffsboden war deutlich zu sehen. Schon einige Meter unter der Oberfläche begannen Sch mer= zen in den Ohren, und es wurde schlimmer, je tiefer ich sant. Schließlich waren die Schmerzen ganz unleidlich. Ich begann zu fürchten, daß das Trommelfell reißen würde. Ich fühlte, daß ich jeden Augenblick das Bewußtsein ver= lieren könnte und war gezwungen, an der Leine zu ziehen. Das Signal wurde sofort verstanden, und nach einer Weile war ich wieder an der Oberfläche. Ich kletterte die Leiter hinauf, um welche alle neugierig versammelt waren. Der Helm wurde abgehoben, ich erklärte die Ursache meines Heraufkommens und fragte, ob es etwas gebe, um die unheimlichen Schmerzen zu vermeiden. Sie konnten mir jedoch keinen Rat geben, sondern erklärten, daß man sich langsam ge= wöhnen müsse, um bis zum Meeresboden tauchen zu können. Ich beschloß, einen neuen Versuch zu machen, und bat sie, den Helm wieder zuzuschrauben.
Dieselben fürchterlichen Schmerzen stellten sich ein; ich biß die Zähne zusammen und versuchte sie zu ertragen, gleichzeitig gab ich hie und da dem Ventil einen Stoß, wobei jedesmal sausend Luft entwich. Ich sank immer tiefer, die Schmerzen waren schrecklich, und ich erwartete jeden Augenblick das Bewußtsein zu verlieren.
Auf dem Meeresgrund.
Blöglich schlug ich mit den Füßen auf dem Meeresboden auf. Im Kopf spürte ich eine starke Erleichterung, und auch die Schmerzen in den Ohren nahmen sogleich ab. Mit gierigen Blicken betrachtete ich die sonderbare Landschaft um mich. Ein Wald von Algen mit gekräuselten Blättern umgab mich von allen Seiten. Dieser Pflanzenwuchs machte dadurch einen sehr eigentümlichen Eindruck, daß er nicht stille stand, son= dern in weichen Wellenbewegungen hin und her
Die Nacht fiel schnell herab, der Schnee wurde stumpf und schattig.
Der Dieb Mar Slawek blieb stehen und sah sich um; da lagen schief und in alle Ewigkeit verlaufend die dunklen Schatten seiner Füße auf dem Trottoir. Schnell trabte er weiter, bog schräg über den ver= schneiten Weg und gelangte auf die Fahrbahn, die, von vielen Fahrzeugen in den Nachmittagsstunden befahren, fast vereist war. Ein Schuhmann überholte ihn. Slawek sah ihn schief von unten an, einen Augenblick lang gingen fie nebeneinander. Der Polizist sagte: ,, Na, Slawek?"
Slamet wollte beteuernd die Hände ausbreiten, machte ein möglichst harmloses Gesicht und sagte: ,, Nichts, Herr Wachtmeister, nichts, gar nichts". unterließ es aber, die Hände auszubreiten, denn unter beiden Achseln steckten die Blusen: Seide, die eine weiß und lila gestreift, die andere weißer Grund mit lila Tupfen, die letzte Mode, wie Erna, seine Braut, sie sich gewünscht hatte.
Der Polizist sah ihn an, dann bog er links ein; Slamet blieb stehen und atmete tief. Sein noch harmloses Gesicht wurde starr und blaß. Es ist das letzte Mal!" sagte er sich.„ Das letzte Mal! Das letzte Mal!" Als er nach Hause kam er mußte sich bücken, um durch die niedrige Tür einzutreten und die Stube war dunkel, überkam es ihn, Erna, deren leise, singende Stimme er aus dem Dunkeln vernahm, auf ihre Frage zu antworten: ,, Nichts, es ist schief gegangen." Darauf verstummte Erna.
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Er stand in der finsteren Stube und er wußte auf einmal nicht mehr, ob er sich sehen sollte oder nicht; in diesen Stuhl oder auf jenen, den samtbezogenen, grünen; ob er die Schuhe ausziehen sollte oder zum Beispiel Licht machen. Er blieb stehen und er empfand plötzlich, daß dies nicht seine Heimat war, obgleich ihm alles gehörte, was hier war: die Stühle und die Lampe, das Bett und sogar die Kornblumen in der Base vor dem verhangenen Fenster
Erna stand auf und machte Licht. Sie schlenderte gleichmütig, so wie sie es im Film gesehen hatte: mit den Hüften schlenkernd, an ihm vorbei, sah ihn dann verachtend über die Schulter an, stieg, das Kleid raffend, auf den Stuhl, auf dem er immer zu sitzen pflegte, den mit dem grünen Samt, und zündete den Gasstrumpf an.
Slamet bewegte sich. Er sah sie an, sein Herz wurde schwer. Er zog unter den Armen die seidenen Blusen hervor. warf sie ihr hin, drehte sich um und ging hinaus. Draußen blieb er stehen. Nein, sie kam nicht nach. Er ging fort. Er ging langsam durch die alten Gassen, vorbei an schmalen, mintligen Häusern. Er bog um Eden breiter, lärmender Hauptstraßen mit schreienden Autos,
elektrischen Bahnen, gestikulierenden Menschen, Lärm und Bewegung er bog wieder ein und nun fam er an einer sehr hohen Kirche vorbei, die still am Abend hinter weißen Gärten stand und meit ihre Pforten öffnete: kleine Kinder spielten an Sommertagen davor, auf dem Rasen, dachte er. Es trieb Slawet, hineinzugehen, er machte einige Schritte zu ihr, aber dann drehte er sich schnell um und ging weiter. Warum? dachte er voll Schmerz. Und er sagte zu sich: Morgen gehe ich hin, am Tag, wenn Licht ist. Jezt ist es dunkel in der Kirche und ich allein mit der lautlosen Dunkelheit ich schäme mich...
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Spät abends kam er nach Hause, es hatte wieder zu schneien begonnen. Er machte kein Licht, tappte geradeaus und sagte plöglich leise, aufs Geratewohl ins Dunkle hinein: Du...", und als die Stille feine Antwort gab, fuhr er fort: ,, ich habe Arbeit gefunden." Sie antwortete nichts. Er sprach weiter, seine Stimme flehte:... ,, es ist auf einem Neubau... Die Gerüste stehen schon... ich habe dem Vorarbeiter gefallen."
Nun stand Erna wieder wie vorhin auf, ging dicht an ihm vorbei, daß er ihren Duft spürte, stieg auf einen Stuhl und zündete das Gaslicht an. Er sah sie an. Sie zuckte mit den Schultern und sagte:„ Das kannst du halten wie du willst. Meinetwegen kannst du morgen früh um sechs aufstehen und zur Arbeit gehen. Aber wecke mich nur nicht! Uebrigens: die Bluse, die ich haben wollte, die ich dir, Dummkopf, im Laden extra ge= zeigt habe, die lila mit den weißen Streifen, die ist es wieder nicht..." Pause.
Slawek setzte mehrmals zum Sprechen an, er gestikulierte hilflos mit den Händen. ,, Erna, du hast doch gesagt, wir wollten doch aufhören, wenn du die Bluse hast; ich konnte die, die du mir ge= zeigt hast, nicht erwischen, da stand andauernd die Berkäuferin, und jetzt hast du doch zwei, und sie sind ganz ähnlich... wir wollten doch ehrliche Menschen... Erna", wiederholte er, wir werden ehrliche Menschen, wir werden ruhig, wir werden glücklich; Geranien vor's Fenster und vielleicht später ein fleines Häuschen irgendwo im Vorort, und," er sprach ganz leise und tippte sie am Aermel, ,, wie wär's, vielleicht ein kleines Mädchen, he...?" Erna ging, die Arme in die Hüften gestemmt, im Zimmer auf und ab. Sag doch was!" flehte er. Sie blieb vor ihm stehen. ,, Das kannst du ja nun halten wie du willst," sagte sie, aber erst die Bluse.
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,, Nun gut," sagte er. Er zog langsam den Rod aus ,,, dann werde ich eben erst übermorgen zur Arbeit gehen, und morgen hole ich die Bluse."
Ihr Gesicht veränderte sich plötzlich, wurde strahlend, weich; ihre Augen glänzten, thr Atem
DIENSTAG, 14. FEBRUAR 1933
schwankte. Große Schwärme von Garnelen und Fischen schwammen in und über dem Algenwald. Hie und da gab es Lichtungen in diesem Wald und am Grunde dieser Lichtungen lagen, zur Hälfte im Bodenschlamm steckend, die großen weißen Kammuscheln, das Ziel der mühevollen Arbeit der Taucher.
Ich begann auf dem Meeresgrunde zu wandern. Dabei schreckte ich immer wieder große Flundern auf, die auf dem Boden lagen. Sie schwammen ein Stück weit und legten sich dann wieder auf den Boden. Wenn sie fortschwammen, sah es aus, als ob ein Teil des Meeresbodens plötzlich verschwinde, so glich ihre Oberseite dem Boden.
Es war recht hell hier, und ohne Schwierigheit hätte ich ein Buch, wenigstens eins mit großen Buchstaben, lesen können. Außer Kammuscheln gab es auf dem Meeresgrund auch einige her 3- muscheln und verschiedene Arten Don Schnecken. Ich hatte jetzt bei meinem Aufenthalt am Meeresboden kein besonderes Unbehagen im Kopf und genoß in vollen Zügen den Anblick des Lebens, das sich um mich regte. Der Druc auf dem Körper war zwar ein wenig quälend, da ja nur das Gummizeug und meine Kleider mich vom Wasser trennten Der einzige Körperteil, der mit dem Wasser unmittelbar in Berührung fam, waren meine Hände. An den Gelenken hinderten fest anliegende Gummibänder das Eindringen des Wassers. Meine Hände waren ganz kreide weiß, offenbar hatte der starke Druck des Wassers alles Blut unter der Haut verdrängt. Ich beugte mich nieder, um eine Muschel aufzuheben, aber im selben Augenblick verloren meine Füße den Halt, und ich merkte, daß ich ohne mein Dazutun nach oben unterwegs war. Der Helm wurde abgenommen, Fudschimoto lief mit einem Taschentuch herbei, denn Blut strömte aus meiner Nase. Die Bleigewichte wurden abgehoben, dann half man mir aus den Schuhen und dem Taucheranzug. Es brauste in den Ohren, und wenn man mit mir sprach, schienen die Laute aus weiter Ferne zu kommen. Das Nasenbluten hörte bald auf, aber beide Ohren waren wie verschlossen, und es dauerte drei Tage, bis ich mein Gehör wieder hatte. Ich fand mich jedoch gern in dieses Unbehagen, weil ich einen Einblick in die wunderbare Welt erhalten hatte, in der die japanischen Taucher ihre Tage verbringen.
flog: fie stürzte auf ihn zu, drückte ihn an sich, fest, warm, heimatlich, fühlte er.„ Ja!" flüsterte sie an seiner Brust. Geh' übermorgen zur Arbeit! Morgen holst du mir die Bluse. Am Sonntag gehen wir aus, wir fahren mit der Straßenbahn und dann laufen wir ein ganzes Stück und was du da sagst mit den Geranien." Ihr Kopf lag an seiner Brust, er spürte den Duft ihrer Haare, ihrer Zartheit, ihres Daseins, nicht war er mehr ver= loren; die Kirchentüren standen nicht mehr leer und weit, Orgeln brausten gewaltig und mild durch den Raum. Nur noch einmal dachte flüchtig verlöschend der Dieb Mar Slawek, dann bin ich gut... Am nächsten Tag ,, holte" er die Bluse. Es ging gut. 3war glaubte er einen Augenblid lang, man sähe ihn an, hier und dort und überall dieser dunkle elegante Mann mit den weißen Gamaschen, jene alte Frau mit den wirren Falten im Gesicht, ein langsam und wachsam vorbeispazierender Wachmann, ein Auto, das knirschend hinter ihm hielt; sein Atem flog, seine Gedanken zitterten, aber nein, alles ging gut. Er brachte die Bluse, ja, es war die richtige. Sie zog sie gleich an. Wie wunderschön. Sie stand vor dem Spiegel und be= trachtete sich, sie wiegte sich in den Hüften; er saß stumm und vergessen hinter ihr auf dem Stuhl mit dem grünen Samt. Die Kornblumen vor dem Fenster hatten wieder mal fein Wasser be= kommen, er sah von ihr fort, er ging auf den Zehenspitzen zu der Vase, um sie mit Wasser zu füllen; er blickte aus dem Fenster.
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,, Eigentlich," sagte sie wie zu sich ,,, eine kleine Brosche müßte man dazu haben." Und nun jah es ganz genau erinnerte sie sich an ihn; sie blickte sich um, sie näherte sich ihm, sie tam dicht an ihn heran, ganz dicht; sie sah zu ihm auf; ihr Gesicht lag dicht und voll und groß unter dem ſeinen. ,, Was meinst du?", sagte sie zärtlich und weich, und füßte ihn wie ein kleiner Hauch auf die Bartstoppeln, ne kleine Brosche?" Slamet ging aus der Tür, wobei er sich bücken mußte; draußen war Tauwetter, er ging langsam durch die hellen Straßen, er fam an der Kirche vorbei, die Türen waren mit eisernen Riegeln geschlossen. Langsam kam der Polizist von gestern vorüber und blieb neben ihm stehen. Dann gingen sie zusammen mit kleinen Schritten.„ Nun?" sagte der Polizist gewohnheitsmäßig. Slamet blieb stehen, der Wachmann auch. Nehmen Sie mich fest!" sagte Slawek und fügte leise hinzu... ,, ich kann nicht dagegen an!" Der Polizist sperrte den Mund auf, schlug sich auf die Schenkel und ging fort. Slamet fah ihm nach sein Gesicht verfiel, bis der Polizist in der Ferne verschwand.
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Slawet drehte sich um und betrat das Jumeliergeschäft. Zeigen Sie mir Broschen!" sagte er. Der Verkäufer lächelte, er hatte braune Augen und eine weiße Narbe quer über die rechte Wange, nur wenig Haare Es wird ihm nicht weh tun, dachte Slawek, und: vielleicht hat er auch eine Braut mie ich.
Dann schlug er zu.