ERSTE BEILAGE
Vorwärts
3m Osten Berlins , im Berwaltungsbezirk Lichtenberg, befindet sich im Zuge der Borhagener Straße eine Bahnunterführung, die im Volksmund die„ Tonne" genannt wird. Eine im wahrsten Sinne des Wortes tonnenähnliche Deffnung führt unter dem Gleiskörper des Bollrings und der Güterbahn von der Boghagener zur Marktstraße hindurch. Dieser tonnenähnliche Durchgang ist die einzige Berbindung zwischen den Ortsteilen Bog hagen und NeuLichtenberg und ein Hauptverkehrsweg vom Osten zur Ausfallstraße nach Schöneweide. Die lichte Weite dieser., Tonne" beträgt fieben Meter. Der schmale Fahrdamm wird von zwei je einen Meter breiten Gehbahnen flankiert. Die Höhe der Unterführung ist 3,90 Meter!
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Die Straßenbahn kann durch diese Menschen= falle nur eingleisig fahren, und es ist ein wahres Wunder, daß hier, wo drei Straßenbahnlinien verkehren die 13, 76 und 113- nicht täglich zusammenstöße erfolgen. Verschärfend tritt hinzu, daß die Straßenführung hier feineswegs geradlinig sondern im scharfen Winkel verläuft. Die Straßenbahnführer haben an dieser Weiche absolut keine Uebersicht und können sich im gegenseitigen Verkehr nur durch scharfes Läuten bemerkbar machen. Oft kommt es daher vor, daß Fahrer, die den entgegenkommenden Wagenzug nicht rechtzeitig gehört" haben und das soll bei dem Gerassel der überfahrenden Bahn und dem an dieser Stelle starken Wagen- und Autoverkehr auch gar nicht so leicht sein ihren Wagen zurückfahren müssen, was dann Verkehrsstockungen und Verspätungen zur Folge hat.
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Durch diese ,, Tonne" muß aber auch der gesamte andere Auto- und Wagenverkehr nach dem vorgenannten Ortsteil, in dem sich große Betriebe befinden und zahlreiche Geschäftsleute wohnen, da es sich um einen dichtbevölkerten Bezirk handelt.
Ebenfalls durchziehen diese Tonne täglich Taufende von Wohlfahrtsunterstützungs
empfängern,
da sich in dem dahinterliegenden Ortsteil die Türrschmidtstraße mit dem Lichtenberger Stadthaus befindet, in dem die gesamten Wohlfahtseinrichtungen des Bezirks Lichtenberg untergebracht sind. Auch muß der größte Teil der Lichtenberger Krisenunterstützungsempfänger zur Stellung von Anfrägen und Auszahlung von Unterstützungen hier hindurch. Kurz hinter der ,, Tonne" liegt auch noch eine Feuerwache, die bei Alarm ebenfalls diesen schmalen Pfad passieren muß.
Das Maß des Unerträglichen läuft aber über, menn man weiß, daß unmittelbar hinter dieser standalösen Bahnunterführung eine große Doppelschule und das Jahn Realgym= nasium liegen.
Auch die Schüler dieser Anstalten müssen fast durchweg auf den Wegen von und zur Schule diese Verkehrsfalle passieren.
Jeder, der weiß, wie impulsiv Kinder nach Schulschluß die Straße erstürmen, wird ermessen können, welche Angst Eltern und Lehrerschaft hier täglich ausstehen. Vor einigen Tagen hat deshalb auch erneut die Elternschaft der Schule in der Marktstraße eine dringliche Resolution an das Lichtenberger Bezirksamt gerichtet. Es wird unbedingt verlangt, daß hier Abhilfe geschaffen wird.
Seit Jahren bemühen sich die kommunalen Körperschaften, diesem Uebelstande abzuhelfen. Bereits 1925 wurde anläßlich der Etatberatung die erste Baurate für den Umbau dieser Bahnunterführung eingesezt und bewilligt. Bis heute 1933 konnte die ,, Tonne" nicht umgebaut werden, weil sich die Reichsbahn weigert, den Umbau vorzu
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nehmen. Für die feinerzeit absolut furzsichtige Bauweise der Stadt- und Vorortbahngleise muß heute die Stadtgemeinde den größten Teil der Kosten tragen. Aber hier in diesem Falle leistet sich die Reichsbahnverwaltung ein übriges. Die Reichsbahn erklärt:
,, eine bauliche Veränderung dieser Bahnunterführung kommt für sie erst dann in Frage, wenn sie das große Projekt der Verlegung des Kreuzungsbahnhofs Stralau- Rummelsburg in Angriff nehmen kann".
Es wäre jetzt noch einmal möglich, im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramm s an die Reichsbahn heranzutreten. Der Berliner Magistrat stellt im Rahmen dieses Programms einen Plan auf, der eine Gesamtsumme von etwa 33 Millionen Mark umfaßt. In diesem Programm sind etwa 3,4 Millionen Mart für notwendige Brückenerneuerungen und Verbesserung von Bahnunterführungen eingesetzt worden. Die Stadtverordnetenversammlung ist
auf Grund der Auflösungsverordnung nicht in der Lage, an der Verabschiedung dieses Programms fo mitzuarbeiten, wie es notwendig wäre. Lediglich im Rahmen der Finanzdeputation können und werden die sozialdemokratischen Mitglieder wieder die Inangriffnahme des Umbaues der„ Tonne" fordern.
Wir Sozialdemokraten halten den Standpunkt für untragbar, daß eine solche Verkehrsfalle, die täglich von Tausenden von Erwachsenen und Kindern passiert werden muß, so lange bestehen soll, bis einmal das goldene Zeitalter anbricht, in dem die Reichsbahn Mittel hat, den Bahnhof StralauRummelsburg zu verlegen. Wir fordern vielmehr, daß der Berliner Oberbürgermeister, der jetzt allein die Verantwortung trägt, den Ober= präsidenten besonders dringlich auf diesen Standal hinweist und daß gemeinsam Wege ge= funden werden müssen, um sofort im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms diesen notwendigen Umbau vorzunehmen.
Frieda Rosenthal, Stadtverordnete.
Grauenhaftes Familienfchicksal
Frau und zwei Kinder umgebracht sich selbst erhängt
In der Arosaallee 134 in Reinicken dorf wurde eine grauenhafte Fa= milientragödie entdeckt. Die aus vier Personen bestehende Familie des 36 Jahre alten Büroangestellten Adolf Jaap wurde in den gestrigen Abendstunden tot in der Wohnung aufgefunden. Der Mann hatte sich erhängt, nachdem er zuvor seine Frau und seine beiden Kinder umgebracht hatte. Nach den bisherigen polizeilichen Feststellungen scheint es sich um eine Tragödie der Not zu handeln.
Der Büroangestellte Jaap hatte mit seiner um zwei Jahre jüngeren Frau und seinen beiden Kindern, dem 11 Jahre alten Rolf und dem vier
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Eintretenden auf die Leiche des 4 Jahre alten Kindes, das ebenfalls an der Türklinke erhängt war. Frau Jaap lag langausgestreckt auf ihrem Bette.
Der. Unglücklichen war die kehle durchschnitten. Als letzter wurde Jaap in dem verriegelten Badezimmer gefunden. Jaap hatte sich die Pulsadern geöffnet und dann am Gasbadeofen erhängt. Die Leichen waren bereits alle start in Verwesung übergegangen. Nach dem polizeiärztlichen Befund ist die furchtbare Tat vermutlich schon am Freitag oder Sonnabend voriger Woche geschehen. Sonderbarerweise ist im Hause von den Mietern nichts bemerkt worden. Man hat weder Schreie noch andere verdächtige Geräusche gehört.
jährigen Gert, im ersten Stockwerk des Hauses Beifetzung der Gemordeten
Arosaallee 134, in dem Neubaublod ,, Weiße Stadt" eine Zweieinhalbzimmerwohnung inne. In den letzten Monaten ging es der Familie wirtschaftlich sehr schlecht, und alle Wertgegen stände wanderten in die Pfandleihe. Als Jaap nicht mehr ein noch aus wußte, muß er den furchtbaren Plan gefaßt haben, aus dem Leben zu scheiden und seine Frau sowie die Kinder mit in den Tod zu nehmen. In den letzten Tagen der vorigen Woche wurde Frau Jaap von Hausbewohnern das letztemal gesehen. Nachbarsleuten war es bereits am Montag aufgefallen, daß sich in der Wohnung der Jaapschen Eheleute nichts regte und daß auch von den Kindern keines zu sehen war. Als sich gestern in den Abendstunden auf dem Treppenflur ein übler Geruch bemerkbar machte, versuchten Hausbewohner Einlaß in die Wohnung zu bekommen. Als auf Klopfen niemmand öffnete, wurde das zuständige Polizeirevier benachrichtigt. Kriminalbeamte verschafften sich gewaltsam Einlaß.
Den Beamten bot sich ein furchtbarer Anblick. An der halbgeöffneten Wohnzimmertür entdeckten die Polizisten an der Türklinke die Leiche des 11jährigen Rolf. Im Schlafzimmer stießen die
Am Grabe der Witwe Röder
Am Sonntag, dem 5. Februar, drangen etwa 20 SA.- Leute mit Pistolen, Dolchen, Messern und Knüppeln durch zertrümmerte Fenster in das Restaurant Pappschachtel" in der Rubensstraße 47 in Friedenau ein. Das Restaurant ist ein Verkehrslokal kommunistischer Arbeiter. Die Eindringlinge riefen: ,, Hände hoch, sonst wird ge= schossen." Die Wirtin, die 56 Jahre alte Witwe Anna Röder, wollte in die Küche fliehen. Ein SA.- Mann schoß, sie sant zu Boden und erlag einem schweren Bauchschuß schon auf der Fahrt zum Krankenhaus.
Anna Röder war eine Berliner Wirtsfrau, wie wir sie kennen: ruhig, gemütlich, mit Mutterwiz begabt, Streitigkeiten schlichtend und jedem Lärm abhold. Sie hatte drei Kinder, eine Tochter und zwei Jungen. Der eine der beiden Söhne ist als junger Lehrer im Kriege gefallen, und auch der andere war vom Jahre 1914 ab draußen im Felde. Diese biedere Frau, die von Menschen ermordet wurde, die den Begriff deutsch und national in Erbpacht nehmen zu dürfen glauben, wurde am Montag gemeinsam von kommunistischen und sozialdemokratischen Ar
MITTWOCH, 15. FEBRUAR 1933
beitern, von Angehörigen des Reichsbanners und des Roten Kampfbundes auf dem Friedhof in der Eithstraße in Schöneberg zur letzten Ruhe geleitet. Ebenso wie die Trauerfeier für die drei von der braunen SA. ermordeten Jungarbeiter in Friedrichsfelde am vergangenen Freitag, war auch die letzte Ehrung für die gleichfalls von SA.Leuten ermordete proletarische Gastwirtsfrau aus Friedenau ein Gelöbnis der Arbeiterklasse zur Einigkeit im Kampf gegen den Faschismus. Sozialistische und kommunistische Jugend legte gemeinsam einen Kranz nieder, Vertreter des Roten Kampfbundes und des Reichsbanners sprachen am Sarge. Der Sarg wurde von Reichsbannerkameraden und Kampfbundangehörigen gemeinsam getragen.
Eine freventlich gemordete proletarische Mutter murde begraben. Die Berliner Arbeiter haben sie geehrt....
Reichsbanner- Tagung
Bundes- Generalversammlung
Das Reichsbanner hat für die Zeit vom 16. bis 19. Februar feine Bundes- Generalversammlung nach Berlin einberufen. Am 16. Februar sind Sihungen des Bundesvorstandes, des Bundesrats, sodann findet eine Pressekonferenz statt, und am Abend werden die Delegierten auf einem vom Gau Berlin- Brandenburg veranstalteten Begrüßungsabend zusammentreffen.
Freitag und Sonnabend finden die Arbeitstagungen statt. Der Bundesführer Hölter= mann wird den Geschäftsbericht, der auch ge= druckt vorliegt, geben. Die Konferenz wird sich dann mit der Neuwahl des Bundesvorstandes und der Vorbereitung der zukünftigen Arbeit des Reichsbanners eingehend befassen.
Am Sonntag findet die Bundes- Generalversammlung mit einer großen Wehrsportübung in Tegel und einem Aufmarsch des Reichsbanners im Lustgarten, bei dem Höltermann sprechen wird, ihren Abschluß.
Stromverbrauch finkt
Bewag ermäßigt Mahngebühr
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Im Rahmen der Berliner kommunalpolitischen Pressekonferenz referierten von der Berliner Kraft und Licht A.-G. und der Bewag Dr. Ing. Adolf über die gegenwärtige Lage der Berliner Elektrizitätsversorgung und Diplomingenieur Peters über die Bewag Tarife in der Haushaltung. Bei dieser Gelegenheit wurde bekanntgegeben, daß die Bewag mit Wirkung vom 15. Februar in Abänderung ihrer Stromlieferungsbedingungen die Beträge für jede infolge nicht rechtzeitiger Zahlung erforderlich werdende erneute Rechnungsvorlage um 50 Broz. ermäßigen werde. Während bisher bei Rechnungsbeträgen bis zu 10 Mark eine Gebühr von 50 Pfennig erhoben wurde, werden jetzt nur noch 25 Pfennig in Rechnung gesetzt.
Direktor Dr. Adolf gab zunächst eine Uebersicht über die Geschichte und den Aufbau der Bewag und der Berliner Kraft und Licht A.-G. und wies darauf hin, daß der Stromverbrauch infolge der ungünstigen Wirtschaftslage seit 1929 dauernd gesunken sei, und zwar habe die Abnahme im Jahre 1932 gegenüber 1929 11 Proz. betragen. Im laufenden Jahre sei jedoch der Rücklauf der Die Stromabnahme zum Stillstand gekommen Zahl der angeschlossenen Haushaltungen steige weiter, und gegenwärtig seien 73 Proz. aller Ber liner Haushaltungen bei der Bewag angeschlossen.
Diplomingenieur Dr. Peters beschäftigte sich dann eingehend mit dem Grundgebührentarif der Bewag und betonte, daß der elektrische Strom im Gegensatz zu anderen Handelsgütern feine Stapelware sei, die auf Lager genommen werden könne, sondern vielmehr im Augenblick des Verbrauchs erzeugt werden müsse.
Die Zeppelin- Serie
von 264 gestochen scharfen Bromsilber- Fotos in Groß- Format enthält: Historische Aufnahmen der ersten Luftschiffe, nie veröffentlichte Kriegs- Bilder, Innen- Aufnahmen und herrliche Bilder der weltumspannenden Fahrten des>> LZ 127 <<.
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