ein vorangegangenes Verbot des„ Bormärts das wegen angeblichen Hochverrats ergangen mar, vom Reichsgericht aufgehoben worden. ist. Der Oberreichsanwalt hat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Hochpers rats gegen den verantinmrtlichen Redakteur des ,, Vorwärts" abgelehnt
Im ganzen haben unsere Leser seit Air tritt der neuen Regierung zehn Tage lang auf den ,, Vorwärts" verzichten müssen ,, ahme daß auch nur eines der erlassenen Verbote Rechtsbeständigkeit erreicht hätte!
Gewiß, man erlebt heutzutage täglich Dinge, über die man laut aufschreien möchte. Aber es genügt auch leise zu reden, wo die Tatsachen eine so laute Sprache sprechen. Es gibt heute über das, was wir in dem letzten drei Wochen erlebt haben ,, in Deutsche land eine allgemeine Meinung, die alle Barteigrenzen überspringt. Ansichten, Meinungen, Stimmungen der christlichen wie der sozialdemokratischen und der kommunisti schen Arbeiter diesen Vorgängen gegen= über sind kaum noch voneinander zu unterscheiden. Durch die Reihen der Angestellten, der Beamten, der Geschäftsleute geht ein Flüstern und Raunen, und manchmal fönnte man den Eindruck gewinnen, als stünde Deutschland jetzt wirklich vor dem Ermachen...
Aber wir wollen nicht in den Fehler unserer Gegner verfallen, wollen nicht Siege feiern, die noch zu erringen sind. Nur ein Narr könnte die Schwere, den tragischen Ernst der Situation verfennen, nur ein Verant wortungsloser könnte die Dinge so schildern, als wäre das, was noch vor uns liegt, harmlos und leicht. Kein Mensch kann prophezeien, mie sich der meltgeschichtliche Kampf ,, in dem wir stehen, weiter ent mickeln und wieviel Opfer er noch fordern wird. Wohl aber lehrt uns die ruhige Prüfung des Erlebten, daß diese Opfer nicht vergebens sein werden, und daß der endliche Sieg uns gewiß ist!
Darüber hinaus ist es erlaubt, eine Hoff nung auszufprechen, die Hoffnung nämlich, daß das Ergebnis des 5. März den Rampf abfürzen und die Opfer verringern wird. Die Nationalsozialisten hatten vom 31. Juli bis zum 6. November vorigen Jahres amei Millionen Stimmen verloren. Sie hoffen, diefen Verlust mehr ols mettmachen zu fönnen, weil jegt der ganze Staatsapparat ihrer Propaganda zur Verfügung steht. Sie rechnen damit, daß sie, wenn nicht die Mehrheit, so doch eine machfende Minderheit des deutschen Bolles für ihre Pläne gewinnen werden. Heute aber spricht vieles, spricht geradezu alles dafür, dag fie fich täuschen. Eine gründliche Wahlniederlage am 5. März könnte zwar noch nicht die Wende selbst, wohl aber die Einleitung zu ihr bedeuten. In nationalsozialistischen Kreifen find pathetische Erklärungen gegeben worden, man werde die eroberten Boften lebend nicht wieder verlaffen. Vielleicht fann gründliches Zureden des Volkes am 5. März die Herren doch soweit bringen, daß sie ihr so laut verkündetes Vorhaben aufgeben. Hauptsache ist, daß sie wieder abtreten, wenn ihnen das Bolf die Mehrheit nicht gibt. Ob fie dann weiter
Der Borsigende des Allgemeinen Deutschen Ge werkschaftsbundes , Peter Graßmann, hat im Auftrage des Bundesvorstandes am 21. Februar folgendes Schreiben an den Reichspräsidenten gerichtet:
„ Sehr geehrter Herr Reichspräsident! Der Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbuades lenkt Ihre ernste Aufmerksamkeit auf den Kunderlaß an alle Polizeibehörden Preußens, den der von Ihrem Bertrauen in sein Ami berufene Kommissar des Reichs für das preußische Ministerium des Innern, Reichsminister Göring , erlassen hat.
Dieser Erlaß schafft seiner ganzen Tendenz nach zweierlei Recht in Deutschland . Erstens ein Vorzugsrecht für die Berbände, die nach der Meinung des Reichsministers Göring nationale Berbände sind, nämlich S., SS. und Stahlhelm. Das gleiche Borzugsrecht gilt für die nationalen Parteien; unter letzteren sind offenbar ausschließlich jene Parteien zu verstehen, auf die sich die jetzige Regierung ftützt. Zweitens ein Ausnahmerecht gegen jene Organisationen, die Herr Reichsminiffer Göring als staatsfeindliche Organisationen zu bezeichnen für gut findet, ohne daß er sich im übrigen der Mühe unterzöge, näher darzulegen, was er darunter versteht. Der Hinweis, daß der Erlaß sich offenbar insbesondere gegen kommunistische Terrorafte und Ueberfälle" richten soll, fann um so weniger als eine Erläuterung gelten, als
nur jene Bevölkerungsschichten, die der SA. , der SS. und dem Stahlhelm naheftehen, als„ nationale Bevölkerung" anerkannt und des besonderen Schutzes der Polizei würdig befunden werden. Der Erlaß beschwört eine Rechtsunterficherheit von unabsehbaren Folgen herauf.
Wir erheben gegen diesen Erlaß, der weder mit dem Geist noch mit dem Buchstaben unserer Verfassung, noch mit den Lebensformen eines Kulturvolkes zu vereinbaren ist, den schärfsten Pro= test. Wir legen Verwahrung ein gegen eine amtliche Anweisung, deren Sinn nicht anders gedeutet werden kann, als daß sie weite Schichten des Volkes zum Freiwild politischer Willkür macht.
Wir wenden uns an Sie als Präsidenten des Deutschen Reichs, der berufen und gewillt ist, die Verfassung zu schützen. An Sie wenden wir uns als die deutsche Organisation, die in ihren Reihen die größte Anzahl Frontfämpfer vereinigt. Diese Millionen, unter denen fich Anhänger der verschiedensten politischen Parteien befinden, haben nicht im Weltkrieg für Deutschland gekämpft und geblutet, um sich 15 Jahre später von verantwortlichen Reichsstellen sagen zu lassen, daß sie nicht zu den staatsaufbauenden Kräften", daß sie nicht zur ,, nafionalen Bevölkerung" gehören.
Niemand in Deutschland ist so hochgestellt, daß er es wagen dürfte, die Kämpfer des Weltkrieges gleich
gültig, welcher politischen Partei sie ans gehören und ihre Organisationen als Deutsche minderen Rechtes zu be zeichnen oder zu behandeln....
Wir hoffen und erwarten von Ihnen, Herr Reichspräsident, daß Sie als der militärische Führer im Weltkriege dieser Entehrung von Millionen Frontfämpfern mit allen Mitteln entgegentreten werden. Die Entrechtung der Mehrheit des deutschen Volkes, die Gegner der jetzigen Regierung ist, bedeutet die tatsächliche Aufhebung der politischen Meinungsfreiheit wie der persönlichen Sicherheit in Deutschland , deren Schuh zu Ihren vornehmsten Aufgaben gehört."
Ein interessanter Aufruf des Ministers
Der Amtliche Preußische Pressedienstst erklärt zu den Krefelder Ereignissen, daß sie von kom- munisten herbeigeführt seien, die sich als SA.Leute verkleidet hätten. Reichsminifter Göring hat im Sinn dieser Ausführungen einen Aufruf an SS ., SA. und Stahlhelm gerichtet, in dem er sie auffordert, minderwertige Elemente aus ihren Reihen zu entfernen.
Wie wir hören, hat dieser Aufruf in Kreisen des Stahlhelms größtes Erstaunen hervorgerufen. Man bestreitet, daß der Stahlhelm ,, minderwertigen Elementen" Zuflucht biete und versichert, daß das disziplinierte Berhalten der Stahlhelmkameraden üüber alle Kritik erhaben sei.
Zentrumszeitungen sollen wegen des
Aufrufs
, Rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machen"
Der fommiffarische preußische Innenminifter Göring fordert in einem Erlaß an alle preußischen Bolizeibehörden die Förderung der 52, 55. und des Stahlhelms und die Unterstützung ihrer Propaganda mit allen Kräften". Wörtlich heißt es in dem am 17. Februar herausgegebenen und am 20. Februar veröffentlichten ..Runderlaß zur Förderung der nationglen Bemegung":
,, Ich erwarte von sämtlichen Bolizeibehörden, daß sie zu den genannten Organisationen, in deren Kreisen die michtigsten staatsaufbauenden Kräfte enthalten sind,
das beste Einvernehmen herstellen und unter
halten.
Darüber hinaus ist jede Betätigung für nationale Zwecke und die nationale Propaganda mit allen Kräften zu unterstützen Bon polizeilichen Beschränkungen und Auflagen darf insoweit nur in dringendsten Fällen Gebrauch gemacht werden.
Dafür ist dem Treiben staatsfeind licher Organisationen mit den
-
schärfffen Mitteln entgegenzu treten. Gegen fommunistische Terroratie und Ueberfälle ist mit aller Strenge vorzugehen und, wenn nötig, rücksichtslos von der Waffe Gebrauch zu machen. Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schußwaffe Gebrauch machen, werden ohne Büdficht auf die Folgen des Schußwaffen gebrauches von mir gededt; wer hingegen in falscher Rücksichtnahme verjagt, hat dienftstrafrechtliche Folgen zu gewärtigen.
Der Schuß der immer wieder in ihrer Betäti gung eingeengten nationalen Bevölkerung erfor bert die schärfste anbhabung ber ge. seglichen Bestimmungen gegen verbotene Demonstrationen, unerlaubte Versammlungen, Plünderungen, Aufforderung zum Hoch- und Landesverrat, Massenstreit, Aufruhr, Preffedelikte und das sonstige strafbare Treiben der Ordnungsstörer.
Jeder Beamte hat sich stets vor Augen zu
den. Die Oberpräsidenten von Oberschlesien , West falen und Rheinproving erheben dagegen Bor stellungen.
Das Reichsfabinett erläßt eine Verordnung über die Härten der letzten Notverordnung. Die Verordnung bleibt hinter den Beschlüssen der Reichs tagsausschüffe meit zuriid.
19. Februar.
Großer Reichsbanneraufmarsch im Lustgarten. Das Verbot der Zentrumspresse wird nach einer Besprechung zwischen Marg und Göring aufge hoben.
20. Februar.
170C
Reichstommiffar Böring gibt einen Boli. geierlaß heraus, ber bestes Einvernehmen zwischen Polizei, S., SS . und Stahlhelm, rücffichtslosen Waffengebrauch gegen Staatsfeinde fordert.
Nach einer Brüning- Rede in Kaiserslautern überfallen Nationalsozialisten die Versammlungs. teilnehmer; mehrere schwer verletzt.
aido bu
schwerer miegt als begangene Fehler in der Ausübung."
Jetm
leben wollen oder nicht, ist eine Frage zweiten Darauf ist die beste Antwort: am 5. März Liste 2!
Ranges
Wir haben eine Woche schweigen müssen, mir haben schweigend die Entwicklung der Dinge beobachtet. Man fann uns ftumm machen, aber nicht taub und blind. Wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, der weiß, daß der überlaute Ton unferes Gegners und die Heftigkeit feiner Handlungen teine 3eichen von Stärke fin d. Die Stimmzettel vom 5. März werden nicht alles entscheiden, aber sie werden die Entscheidung vorbereiten. Das Ergebnis der Wahlen kann für den Gegner ein Schlag sein, der seine Entschlußkraft lähmt. Es fann für uns ein Auftakt zu weiteren politischen Handlungen von allergrößter Bedeutung werden. Wer den Sieg nicht verzögern, mer ihn nicht zu teuer er= faufen will, der muß jezt alles daran sezen, um die Niederlage unserer Gegner am 5. März so gründlich wie möglich zu geſtalten!
Der Feldzug, der zur Bernichtung des Marrismus unternommen wird, muß am 5. März mit der moralischen Vernich tung der Margpernichter enden. Dadurch wird manches Schmere, das trotzdem noch vor uns steht, leichter werden.
Denn der Faschismus ist der letzte starte Gegner, der sich der Arbeiterklasse entgegenstellt. Und dann?
Ist erst dies Bollwert überstiegen, Wer will uns dann noch widerstehn?
Weltliche Schule
Ab Ostern 1933 abgebaut!
Der Amtliche Preußische Pressedienst meldet: Die Kommissare des Reichs für das Land Preußen stimmten in der heutigen Staatsministerialsigung einem Vorschlag des Reichskommissars für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung zu, einen Abbau der sogenannten weltlichen Schulen ( Sammelschulen) ab Ostern 1933 in die Wege zu leiten. Sie haben außerdem grundsätzlich ihr Einverständnis dazu erklärt, daß der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in den Berufs= schulen und Fortbildungsschulen eingeführt wird. Die näheren Durchführungsbestimmungen find in Borbereitung.
Eine Woche verboten
Worüber wir nicht berichten konnten 15. Februar.
Hitler spricht in der Stadthalle in Stuttgart . Seine Rede sollte über die füddeutschen Rundfunksender übertragen werden. Das Zuleitungskabel zwischen Stadthalle und Sender wird jedoch von unbekannten Tätern unterbrochen.
Konteradmiral a. D. v. Levezom mird Polizeipräsident für Berlin .
Das Reich bittet um Fristverlänge rung beim Reichsgericht in der Sache Preußen gegen die neue Ausnahmeverordnung gegen den preußischen Staat.
16. Februar.
Das Reichsgericht hebt das erste Borwärts". Verbot auf.
,, Tempo" wegen eines Börsenberichts verboten. Süddeutsche Proteste und Rechtsverwahrungen im Reichsrat, Beratung und Beschlußfassung über michtige Gegenstände verboten.
Polizeipräsident von Dortmund wird ein S.Oberführer, von Hannover ein SA .- Gruppenführer.
17. Februar.
Reichskommissar Göring gibt einen Erla B heraus, nach dem bei Verstößen gegen die Ausnahmeverordnung Motive und Zwecke zu berüdsichtigen sind.
OF
18. Februar.
in
Gegen Görings Polizeierlaẞ
Dresden, 22. Februar.
Der Sächsische Landtag befaßte sich in seiner geftrigen Sigung, die von nachmittag 1 Uhr bis Mittwoch früh 3 Uhr dauerte, mit zahlreichen Anträgen und Anfragen über das Verhaltender Bolizei bet politischen Zusammenstößen, die sich in legter Zeit in verschiedenen Gegenden Sachsens ereignet haben.
Ein deutschnationaler Antrag wurde angenommen, wonach die Regierung die Polizei an meisen soll, mit allen Mitteln und ohne Ansehen der Partei oder Person die Ordnung und Sicherheit aufrecht zu erhalten und friedliche Bürger zu schützen. Ferner soll die Polizei angewiesen werden, bei Vernachlässigung dieser Aufgaben oder Zuwiderhandlung gegen die Anweisung gegen die Schuldigen schärfstens vorzugehen.
Soweit durch diesen Antrag die anderen Anträge noch nicht ihre Erledigung gefunden hatten, hatte der Abgeordnete Frißsche( Deutschsozialist) einen Ergänzungsantrag eingebracht. Die beiden ersten Punkte dieses Antrags wurden glatt angenommen. Ueber den dritten Punkt jedoch entspann sich eine lebhafte Debatte, da man im Zweifel war, ob dieser Punkt nicht eine Beleidigung des Reichs fanzlers darstelle. In diesem Bunfte wurde gefordert ,,, vom Reichskanzler zu verlangen, daß er gemäß seinem Eide die bestehenden Gesetze un parteiisch gegen alle Urheber von Terroraften anwendet" Da sich das Haus über diesen Punkt nicht einig werden konnte, wurde eine Sigung des Aeltestenrats einberufen nach deren Beendigung der umstrittene Bunft unter Streichung der Worte ..gemäß seinem Eide" angenommen wurde.
Ferner fand ein fozialdemokratischer Antrag Annahme, beim Reichspräsidenten gegen den Erlaß des Reichskommissars für Preußen. der 318 parteiifcher Handhabung der Polizeigewalt auffordere, schärfftens zu protestieren.