Einzelbild herunterladen
 

Berliner Tragikomödie- ac

Stadtgemeindeausschuß soll heute ,, kontrollieren"- Eine verzwickte Situation

Heute nachmittag tritt der Stadtgemeinde­ausschuß wieder zu einer Sigung zusammen zum ersten Male seit der Auflösung der Stadtver­ordaetenversammlung.

Die Vorgeschichte dieser Sigung ist interessant genug und zeigt die ,, Konsequenz" der neuesten Staatsführung und der sie stützenden Parteien im hellsten Licht. Die Gemeindever­tretungen wurden bekanntlich aufgelöst, weil ihre Zusammensetzung ,, nicht mehr dem Willen der Wählerschaft entspräche". Und zwar so Hals über Kopf, daß sie nicht einmal auch nur noch eine einzige Sigung abhalten durften, um etwa eine besonders eilige Vorlage zu erledigen. Doch kaum war die Auflösungsorder heraus. da entdeckte man, daß ja nun der angeblich ,, rote" Magistrat in Berlin ohne jede parlamentarische Kontrolle arbeiten könne. 3mei ganze Monate lang! Ein Gedanke, gar nicht auszudenken!

Doch da war ja noch der Stadtgemeinde­ausschuß. Der war nicht aufgelöst. Der durfte nicht aufgelöst sein. Er hatte zwar bisher immer so ein bißchen als Stieftind in der Ecke gestanden und war durchaus nicht das geworden, was sich die Schöpfer der Novelle zum Gesez Groß- Berlin unter ihm vorgestellt hatten. Aber er wurde nun auf einmal mit lärmender Begeisterung hervor­geholt und als Rettungsengel ausstaffiert. Böswillige Zungen behaupteten zwar, er sei bei der Hezjagd der Auflösungsorder einfach ver­gessen worden, Wohlmeinendere sahen jetzt in der Nichtnennung einen Aft besonderer ministe= rieller Weisheit. Kurzum: nach einem ener­gischen Trommelfeuer der Regierungspresse ver­fündete ein Ministerialerlaß feierlich, daß der Stadtgemeindeausschuß nicht als aufgelöst zu be­trachten sei.

Die Komik der Situation liegt nun in folgendem. Der nach Ansicht der Regierungs­parteien zur Kontrolle des roten" Magistrats notwendige und unentbehrliche Stadtgemeindeaus

schuß ist natürlich parteimäßig ganz genauso zusammengesetzt wie die aufgelöste Stadtverord­netenversammlung, entspricht also dem Willen der Wählerschaft genau so wenig oder genau so gut mie sie.

Man hätte also denselben Effekt erreicht, wenn man die Stadtverordnetenversammlung hätte fortbestehen lassen!

Ja, man hätte ihn weit besser erreicht, weil die Stadtverordnetenversammlung die Kontrolle in voller Deffentlichkeit ausüben könnte, während der Stadtgemeindeausschuß bekanntlich hinter verschlossenen Türen tagt und die Kontrolle nur über einen kleinen Aus=

-

-

schuß. Alle drei überdies Anfragen die die Regie­rungsparteien zu unrecht an den Magistrat richten, die sie mit viel größerem Recht und mit viel größerem Nachdruck an ihre Regierungen im Reich und in Preußen richten sollten. Gie lauten mit dieser leisen Korrektur etwa so: 1. Wie denkt die Reichsregierung dem bis­her unaufgehaltenen fortgesezten Anwachsen der fehlenden Deckungsmittel und damit der schwe= benden Schulden der deutschen Städte entgegenzutreten? 2. Welche Schritte hat die Reichsregierung getan, um das so­

ſchnitt der Verwaltung hat, zu dem gerade die Das jünge Berliner Proletariat

wichtigsten Gebiete wie die Haushaltswirtschaft, die Verfügung über städtisches Vermögen u. a. nicht gehören. Aber diese Gebiete können ihm übertragen werden. Und diese Möglichkeit macht die ganze Situation noch viel wiziger als

demonstriert am Donnerstag, dem 23. Februar in der öffentlichen Kund­gebung der Sozialistischen Arbeiter­jugend Groß- Berlin

sie ohnedies schon ist Denn wenn die Regierungs - gegen Militarismus und

parteien diese Uebertragung jetzt vom Oberpräsi­denten verlangen, so vergrößern sie damit die Machtbefugnisse einer Körperschaft, deren politische Zusammensetzung nach ihrer Behauptung so falsch ist, daß sie eigentlich überhaupt nicht mehr tagen dürfte.

Drastischer kann die Sinnwidrigkeit dieser Art von Politik" wirklich nicht demonstriert werden!

"

Daß die Regierungsparteien auch vor dieser legten Konsequenz des Widerfinns nicht zurüd­schrecken, beweisen die drei deutschnatio­nalen Anfragen, die für die heutige Sigung angekündigt sind. Sie betreffen die Haushaltswirt­schaft, das Arbeitsbeschaffungsprogramm und die Bezirksamtswahlen drei Punkte also, für die die Stadtverordnetenversammlung zuständig wäre, aber nicht der Stadtgemeindeaus­

-

Dortmunder Mordfalle

Zwei Raubmorde aufgeklärt, Täter verhaftet

Der Dortmunder Kriminalpolizei ist es in Ju­jammenarbeit mit der zentralen Mordkommission in Effen jetzt gelungen, Licht in die Ermordung dreier Personen zu bringen, die fast in gleicher Weise in eine Falle gelodt, beraubt und dann ermordet wurden.

Durch die Verhaftung des Kraftwagenführers Pieper fam man auf die Spur einiger Mit­täter, die bei der Ermordung des Holzgroß händlers Narowski die Hand im Spiele hatten Pieper hatte gestanden, daß er den Holz­großhändler, nachdem dieser unter Vorspiegelung eines großen Holzkaufes in ein Auto gelockt wor­den war, an einer verabredeten Stelle dem ehe= maligen Kutscher Schulte aus Dortmund ausgeliefert hatte. Schulte hatte auf das Auto Piepers, das den Holzhändler mitbringen sollte, an einer bestimmten Stelle in der Umgebung von Dortmund gewartet. Als der Wagen ankam, täuschte Pieper Benzinmangel vor und hielt an. Darauf trat Schulte mit vorgehaltenem Revolver aus seinem Versted hervor, markierte einen Ueberfall und raubte dem Holzhändler Geld und Wertsachen. Dann stieg Schulte zusammen mit Pieper und einem dritten Mann, Scheer, wieder in den Wagen, in den auch der gefesselte Narowski mit hineingenommen wurde, und man fuhr planlos in der weiteren Umgebung Dort­ munds umher. Abends um 10 Uhr hielten sie in Holzwickede in einem kleinen Wäldchen. Hier wurde der Holzhändler aus dem Wagen geholt, an einen Baum gebunden und durch Schulte be= wacht. Inzwischen fuhren die beiden anderen Komplicen zu dem Büro des Holzhändlers, stahlen dort mit Hilfe der in den Taschen des Ueber­fallenen gefundenen Schlüssel aus dem Geldschrank mehrere Scheckbücher und kehrten zu dem Ge= fesselten zurück Diesem wurden dann die Fesseln an den Händen gelöst, und er mußte meh=

Bei dem Verhör Piepers verriet dieser seine Helfer. Scheer war gleichzeitig mit Pieper ver= haftet worden, während Schulte noch nicht gefaßt werden konnte. Die Kriminalpolizei stellte dann im Laufe des Verhörs fest, daß Scheer bei 3 wei anderen Morden der Mittäterschaft verdächtig ist. Scheer ließ in den Zeitungen Anzeigen erscheinen, in denen ausange= stellte gesucht oder eine Seirat angeboten wurde.. Die sich darauf meldenden Frauen wurden zu einem Vorortbahnhof Dortmunds bestellt und von Scheer in Empfang genommen. Er führte die Frauen dann stundenlang in die Irre bis zu einer Stelle, die er mit Schulte verabredet hatte. An diesem Treffpunkt übernahm nun Schulte die weitere Behandlung der Opfer. Mit der Frau Schur aus Hagen ging Schulte zu einer ein­samen Stelle und schlug ihr von hinten mit einem kleinen Beil den Schädel ein. Die Leiche ver= scharrte er dann, nachdem er sie ihrer Wertsachen beraubt hatte.

Einige andere Frauen, die auch nach Dortmung gelockt worden waren, entgingen diesem Schicksal nur dadurch, daß sie einen zu ärmlichen Eindruck machten. Die Kriminalpolizei verfolgt weitere Fälle, die mit den Mördern in Verbindung ge= bracht werden könnten und die bisher noch ihrer Aufklärung harren.

Der flüchtige Mörder Schulte, der Haupt­schuldige bei den drei Dortmunder Mordtaten, fonnte, nach einer späteren Meldung, am Mitt= wochnachmittag in Gronau in Westfalen fest­genommen werden. Er war auf Grund der von der Presse veröffentlichten Bilder erkannt worden.

rere Schecks unterschreiben. Bieper und Berlins Arbeitsprogramm

Scheer entfernten sich dann, während Schulte dem Holzhändler ein Taschentuch übers Gesicht warf, damit er angeblich nicht schreien und nicht sehen fonnte, wohin sich die Täter entfernten. Dann aber legte Schulte dem Holzhändler noch einen Strid um den Hals und erdroffelte ihn. Später wurde der Tote dann in eine in der Nähe befind­liche Grube geworfen und mit Zweigen zugedeckt. Dadurch, daß ein Gärtner das Auto in der Morgenfrühe beobachtet und sich die Nummer ge­merft hatte, ist dann die Kriminalpolizei auf die Spur der Verbrecher gekommen.

Gereke hat das Wort

Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Stadt Berlin , das vor einiger Zeit dem Ober­präsidium zugeleitet worden war, ist jetzt an den Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung Dr. Ge= rete weitergeleitet worden, um eine Beschleuni gung in der für die Stadt Berlin so wichtigen Angelegenheit zu erreichen.

Die endgültige Entscheidung für die Finan­zierung des Berliner Arbeitsbeschaffungspro=

Arbeitsdienstpflicht

19% Uhr. im Orpheum", Hasenheide Ecke Gräfestraße- Redner: Dr. Otto Friedländer

genannte Arbeitsbeschaffungsprogramm trotz des von der Regierung geschaffenen endlosen In­stanzenzuges wenigstens einigermaßen zu be= schleunigen? 3. Wie gedenken die Preußen­kommissare den durch ihr Hin und Her sowie durch die übereilt. Auflösung der Bezirksversamm­lungen geschaffenen Wirrwarr in den Bezirken menigstens einigermaßen abzumildern?

Die Situation ist so blamabel für die Regie rungsparteien, wie man sie sich jetzt ein paar Tage vor den Wahlen nur wünschen kann. Wie schade, daß darüber nicht öffentlich verhandelt wird!

gramms liegt ausschließlich in den Händen des Reichskommissars für Arbeitsbeschaffung, der die Ergebnisse der heutigen Verhandlung zur Grund­lage seiner Beschlüsse machen wird. In Kreisen der Stadtverwaltung rechnet man damit, daß die Entscheidung des Reichskommissars schon in ganz furzer Zeit fallen wird, so daß der Stadt Berlin damit die Möglichkeit gegeben werden wird, noch bei Beginn- wärmeren Wetters die geplanten Ar­beiten in Angriff zu nehmen. Es handelt sich hauptsächlich um den Ausbau wichtiger Ausfall­straßen nach der Provinz und um Neuerungen im Betrieb der BVG.

Braunes Mahlsdorf

In Mahlsdorf , das seit längerer Zeit unter dem Terror von SA.- Trupps zu leiden hat, ist es am Dienstagabend wieder zu einem gefähr lichen Feuerüberfall auf Reichsbannerleute ge kommen. Als zwei Reichsbannerleute abends gegen 11 Uhr von ihrem Gruppenabend durch die Hönower Straße nach Hause gingen, wurden sie plötzlich von SA.- Leuten, die aus dem Lokal Zum Strammen Hund" stürzten, überfallen. Auf ihre Rufe eilten den Ueberfallenen mehrere Kameraden zu Hilfe. Darauf setzte ein wahrer Kugelregen aus der S.- Kneipe ein. Die Reichsbannerleute fonnten sich schnell in Sicher­heit bringen, so daß erfreulicherweise niemand verlegt wurde.

Der neue Kurs Kulturkundgebung verhindert

In der Volksbühne am Bülowplah sollte am legten Sonntag eine Rundgebung des Sozia listischen Kulturbundes durchgeführt werden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung sollte eine Bot­schaft von Thomas Mann stehen. Obwohl die Veranstaltung von der Polizei genehmigt war, wurde die Durchführung unmöglich, weil der Bülowplatz durch ein großes Polizeiaufgebot ab­geriegelt worden war. Man erfuhr später, daß die SA auf dem Bülowplaß ein Playfonzert vorgesehen hatte und daß deshalb der Plak vor dem Theater abgesperrt worden ist. Der Sozia­listische Kulturbund wird die Polizeibehörde für den entstandenen Schaden verantwortlich machen.

Die Worte von Thomas Mann wurden trotz­dem verkündet. Minister Grimme, der Vor­

sigende des Kulturbundes, verlas sie im Großen Krollsaal, wo am Sonntag der Kongreß Das freie Wort" zusammengetreten war. Auch diese Tagung, auf der die führenden Köpfe des geistigen Berlin vertreten maren, fonnte nicht ordnungsgemäß zu Ende geführt werden. Bei einer Rede Wolfgang Heines löste der über­wachende Polizeikommissar die Versammlung auf.

Beben in Süddeutschland

Neue Erdstöße in Baden

Karlsruhe, 22. Februar. Am Dienstagnachmittag um 16,47, 16,49 und etwa drei bis vier Minuten später wurden in Karlsruhe drei schwächere Erd stöße verspürt. Aus Pforzheim wird berichtet, daß dort die Erd­stöße sehr start waren, besonders in dem höher gelegenen Stadtteil. Schaden wurde aber nicht verursacht. In Rastatt ist das Beben nicht ver­spürt worden. Die Erdbebeninstrumente des Geodätischen Instituts der Technischen Hochschule Karlsruhe hatten die Erdstöße gleichfalls ver­zeichnet.

Stuttgart , 22. Februar.

Um 16,48 Uhr wurde in Stuttgart ein sehr starker Erdstoß verspürt. In Hechingen wurde um 13,40 Uhr ein leichter Erdstoß und um 16,45 und 16,49 Uhr je ein sehr starker Erdstoß verspürt. Die Richtung der beiden letzteren ging von Süden nach Norden.

In wenig Worten

Unter Riesenandrang des Publikums fand in Miami in Florida die Gerichtsverhandlung gegen den Attentäter Banagara statt. 3anagara bekannte sich zu allen vier ihm zur Last gelegten Anklagepunkten schuldig, die auf Mordversuch an dem fünftigen Präsidenten Roose­ velt und den dret übrigen Verwundeten lauteten. Er wurde zu achtzig Jahren 3uchthaus d. h. zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt.

*

Im Alter von 71 Jahren starb in Garmisch der Schriftsteller Karl Streder. Strecker hatte seinerzeit in der Absicht des Versicherungsbetruges sein Landhäuschen in Klein. Machnom bei Berlin in Brand gesteckt, wofür er vom Sch w u r- gericht Potsdam zu einer längeren Ge­fängnisstrafe verurteilt wurde. Die Gefängnis­strafe hat er jedoch niemals anzutreten brauchen; das Gericht selbst hatte sich, bewegt von der Tragik des Falles, für seine Begnadigung ein­gesetzt.

Ein deutsches Privatflugzeug, das auf dem Flugplaz Dübendorf bei= rich stationiert war. um Reklameflüge auszu= führen, stürzte kurz nach dem Start in einer Kurve aus 15 bis 20 Meter Höhe ab. Der Pilot wurde schwer verlegt und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Sein Begleiter, ein Fabri­fant aus Zürich, war sofort tot. Der Apparat wurde vollkommen zerstört.

*

Der Polizeipräsident von Berlin, der National­sozialist von Levehow, hat die bekannte republikanische Berliner Wochenzeitung

,, Alarm" mit sofortiger Wirkung bis zum 31. März 1933 verboten. Anlaß zu der Maßnahme gab ein Artikel in der Nr. 7 des ,, Alarm" vom 16. Februar.

Ein eigenartiger Betriebsunfall ereignete fich auf einer Hamburger Vorortstrecke. Der Wärter des Reichsbahn- Unterwerks Barmbed war bei der Bedienung eines Schalters der elektrischen Lei­tung zu nahe gekommen, so daß Erdschluß eintrat und der Beamte getötet wurde.

Der spanische Fischdampfer Segunda" wurde in der Nacht zum Dienstag von einem por­tugiesischen Kanonenboot bei Faro an der portu­giesischen Küste durch Geschüßfeuer versenkt, da er unerlaubterweise in portugiesischen Gewässern ge= fischt hatte. Als ein Boot von dem portugiesischen Kriegsschiff ausgesezt murde, versuchte der Fisch­dampfer dieses zu rammen, worauf die Portu­giesen das Feuer eröffneten und den Spanier versenkten. Die Besagung wurde gerettet.

*

Zwischen Ra ab und der ungarisch- öster­reichischen Grenzstation Hegyeshalom ist ein Damm der Leitha geborsten. Größere Mengen von Wasser überschwemmen das Gebiet. Es sind sofort Maßnahmen zur Eindämmung ge­troffen worden.

Der Reichsverband Deutscher Bahnspediteure Deröffentlicht im Inseratenteil dieser Nummer den Wortlaut eines Telegrammes, das der Verband an den Reichsverband de: Automobil- Industrie gerichtet hat.

Chlorodont

die Qualitäts- Zahnpaste

Zur Herstellung der herrlich erfrischend schmeckenden Chlorodont- Zahnpaste werden nur die anerkannt besten Rohstoffe verarbeitet. Chlorodont, morgens und vor allem abends benutzt: macht die Zähne blendend weiß und erhält sie gesund ist sparsam im Verbrauch und daher preiswert.