( 3. Fortsetzung.) Erst in den folgenden Tagen der fünftlichen Ruhe wird die Frau gewahr, mie völlig verzehrt ihre Kräfte maren. Die Nerven schmecken den Frieden wie eine heilende Salbe. Und der Boze wird auch nach und nach unbefangener in der Gegenwart des Vaters und baut nun nicht mehr das Jollios- Wert" Denn einem Vater, der still hinter seiner Zeitung sigt, gehorcht man gern.
In den Abenden auf dem Balkon fühlt Elsbeth nur den einen Wunsch, daß alles so bleiben möge. Der Abend, das ist jetzt der Garten des Paradieses. Die Frau bittet den Engel, sie nie wieder fortzutreiben in 3ank und Unfrieden hinein. Der Engel... weigt. Er blickt durch sie hindurch, mit den fernen Augen eines Unbekannten, an den zu denken der Frau eine unbestimmbare und darum quälende Furcht einflößt.
Am fünften Tage sendet der Engel seine Botschaft, die schon mehr gefürchtete als noch erhoffte Botschaft: ein Brief des Dichters Distel aus Berlin , Elsbeth erblaßt, schickt Herbert zum Spielen fort und öffnet den Umschlag sodann am Küchenfenster mit einer Haarnadel, die in ihrer Hand zittert.
Distel dankt mit schlichten Worten für das seltene Vertrauen, das er durch seine Gedichte gefunden hat. Und er rät der Frau, sich mit allen Gedanken und Empfindungen möglichst bewußt und weit von ihrem Manne zu entfernen. Denn nur so bestünde die Hoffnung, daß sie sich eines Tages wieder finden könnten. Das beste wäre es deshalb, wenn sie den Mann für einige Zeit verlassen tönnte. Aber das aus praktischen Distel,
wurde Elsbeth ruhig und fühlte sich irgendwie befreit. Sie war des festen Glaubens, daß sie richtig und nach dem Gebot ihrer Kirche gehandelt hätte.
Distel antwortete brei Tage später, daß er gern ein Bild jener Frau besigen würde, die seiner bitteren Menschenmüdigkeit so wundersam entgegenwirte. Ja, leider müßte er ihre großherzige Hilfe annehmen. Vor einigen Stunden erst hätte man ihm auch noch seine Schreibmaschine für schuldige Arztkosten gepfändet. Er müßte nun also so lange arbeitsunfähig bleiben, bis er die geforderten siebenzig Mark bezahlt hätte.
Der Gewissenskampf lebt in Elebeth wieder auf, diesmal nur noch sehr viel heftiger. Die sparsame Frau des Werkarbeiters, die mit klein sten Beträgen rechnen muß, ist erstaunt und auch schon empört, so oft sie darüber nachdenkt, wofür der Dichter ihr ,, vieles Geld" so schnell ausgegeben hat. Und das hilflose, aufgescheuchte Mutterwesen wiederum fühlt sich ergriffen von dem Bekennt nis, daß auch sie ihrerseits, eine einfache Arbeiter= frau aus Siegen an der Sieg, solch einem Dichter etwas bedeutet. Und schließlich ist da auch noch eine junge Frau, der es schmeichelt, daß ein Herr und Dichter aus Berlin ihr Bild erbittet. Aber sie hat keins, das ihr geeignet erscheint. Die letzte Photographie zeigt sie als Konfirmandin, mit festen Zöpfen und im weißen Kleide. Nach zwei Tagen der Zweifel und der Versuchung schickt
Elsbeth die siebzig Mart. Sie glaubt, den Dichter jezt nicht enttäuschen und im Stich lassen zu dürfen. Der erste Schritt zwingt den zweiten herbei. Dann geht sie nach Oberfiegen und läßt sich photographieren. Auf die Rückseite des Bildes schreibt sie:„ Sie sehen, es ist nicht viel an mir dran. Das bißchen Herz ist nicht mit drauf gekommen. E. S."
Dies bestreitet Distel in seinem nächsten Briefe sehr entschieden. Ihr Gesicht wie ihre Handschrift zeige überall die Herzform, in der Bildung von Stirn, Nase und Kinn wie in der Zeichnung der Lippen. Und ja, in den Augen wohne ein solcher Reichtum schönen und tiefen Empfindens, daß er jetzt wirklich ein wenig verliebt sei. Leider müßte er vorerst an ernste und weniger erquickliche Dinge denken, da der Arzt ihm eine strenge Badekur verordnet hätte, zu der ihm allerdings nichts anderes als das leidige Geld fehle.
Nachdem Elsbeth diesen Brief gelesen hat, herrscht in ihr nur noch ein Gefühl: Empörung! Sie ist überzeugt, daß hier ein Windhund und gemissenloser Schmufer ihre Gutmütigkeit rüdsichtslos ausbeutet. Jetzt wagt er es auch noch, da etwas von Verliebtheit zu faseln und denkt. daß eine kleine Arbeiterfrau und Schneiderin aus Siegen an der Sieg auch an diesem Honig noch fleben bleiben wird! Das ist ja nachgerade zum Lachen!
Wie war es möglich, daß Elsbeth dennoch eine
dritte Geldsendung an Distel schickte, mit der der Rest ihrer Ersparnis davonging? Nun, es geschah einfach aus Zorn, aus Zorn mehr über sich selbst als über den Dichter. Die Frau dachte streng und flar: du hast dich nun einmal dumm machen lassen, jezt mußt du auch den harten Kanden noch essen. Eher läßt der Kerl dir ja doch keine Ruhe. Ja, vielleicht ist er sogar noch gemein genug, an Karl zu schreiben und dich zu verraten! Bor solch einem Erpresser fann man sich nicht genug in acht nehmen. Und so schrieb sie ihm auch, daß dies num ihr letztes Geld sei, da ihr Mann feine leberstunden mehr mache, vielleicht vor dem Ahbau stünde. Und somit gute Erholung und adieu!
Elsbeth grämte sich sehr. Und nicht nur über das viele schöne Geld, das sie so leichtfertig fortgegeben hatte. Und nicht nur über den demütigenden Mißbrauch ihrer Güte. Nein, viel mehr noch über das verstockte Wesen, das ihr Boze dermeil angenommen hatte. Erst jetzt, da sie den Unbekannten haßte und ihn zu vergessen sich bemühte, wurde ihr bewußt, wie lieblos fie die ganze Zeit zu ihrem Jungen gewesen war. Seine läftigen Fragen nach den Briefen, die stets mit der zweiten Post gekommen waren, hatte sie schroff und mit Ausflüchten beantwortet, in denen das Kind die Lüge spürte. Und wenn sie heimlich zur Post oder zur Sparkasse gehen und Herbert sie begleiten wollte, so bekam er ein ungeduldiges ,, Nein! Du bleibst hier!" oder: Geh spielen!" zu hören. Nun saß Herbert blaẞ, reglos und traurig auf dem Teppich und starrte vor sich hin,
ein vereinsamtes Kind, zu dem niemand mehr lieb war und das unsagbar litt, weil es die bösen Launen der Großen nicht verstehen konnte. ( Schluß folgt.)
Gründen nicht?- Von Herbertchen schreibt Diftet. Aus dem Preisausschreiben des„ Vorwärts"
daß er allerdings ganz wie ein fleiner Raubritter dreinschaue, so schön und stolz. Und er bittet die Frau, sich nur wieder vertrauensvoll an ihn zu menden, sobald sie eines Rates bedürfe. Und zum Schluß entschuldigt er seine späte Antwort damit, daß er eine dringende Arbeit hätte beenden müssen, um sich endlich mal wieder ein warmes Essen leisten zu können.
-
Und
In den folgenden Tagen tämpft Elsbeth mit der Versuchung, dem Unbekannten heimlich Geid zu schicken. Sie hat von ihrer Schneiderei einiges erübrigen und auf die Sparkasse legen tönnen. Karl weiß nichts davon. Und Elsbeth, die bescheidene Arbeiterfrau, für die jede Mark ,, piel Geld" ist, denkt: nein, ich darf von dem Ersparten nichts fortnehmen. Das ist Herbertchens Geld. Und wenn Karl nun doch abgebaut wird? Elsbeth, die gutherzige und einfältig empfindende Mutter aus dem Bolke denkt: wir haben hier noch genug. Und er, ein so gütiger und fluger Mensch, fann sich nicht mal ein warmes Essen leiften! Wenn das nun mein Junge wäre? Und ich habe ihm doch geschrieben, daß ich mich schäme, ihm nur mit Worten danken zu können. Jegt müßte ich mohl beweisen, daß das nicht nur eine Redensart war?
Und nach jeder Mahlzeit und bei allen Einkäufen ist die Frau entschlossen und denkt: ich tu's! Und sobald sie auf ihren Boze blickt, wird sie rot und legt das Sparkassenbuch wieder in das Spind. In den Tagen ist sie fahrig bei jeder Arbeit, immer wieder läßt sie die Näherei sinken und starrt vor sich hin in den Nächten fann sie nicht einschlafen und fühlt ihr Herz unruhpoll pochen. Und wenn sie endlich entschlum mert, dann wird sie von Elendsgestalten mit hungerstieren Augen bedrängt.
In diesen inneren 3mist hinein kommt ein zweiter Brief von Distel. Ja, er sei besorgt, da er nichts mehr gehört hätte. Er bittet, ihm doch mit wenigen Worten mitzuteilen, ob sein Rat sich bewähre oder ob die Verhältnisse sich etwa noch nerschlimmert hätten. Vielleicht hätte er mit der ihm eigenen schroffen Konsequenz doch etwa Undurchführbares geraten, vielleicht wäre es wirklich das beste, wenn die Frau für einige Zeit von Siegen fortginge? Mit einem Nachmort ersucht er um Nachsicht für die kaum leserliche Bleistiftschrift. Aber er liege schon seit einigen Tagen mit wechselndem Fieber und sei sehr schwach. Lieber Himmel!" ruft Elsbeth unmill. türlich aus, jetzt ist er auch noch frank! Krant, ohne Geld und also auch ohne Arzenei und Pflege!" Nein, jetzt tann es für sie kein Bes denken mehr geben. Es wäre doch herzlos und einfach unchristlich, einen solchen Menschen da so hilflos liegen und verkommen zu lassen! Wenn jemand nach langem Zögern zu der Einsicht gelangt, daß ein Zaudern falsch und piel= leicht sogar unheilvoll war, so wird er nun um so hemmungsloser und großzügiger handeln, Nach Distels erstem Briefe hatte Elsbeth nur an einen fleinen Geldbetrag gedacht. Heute jedoch, erfüllt von Reue und geleitet von dem Wunsche, das Berfäumte mieder gutzumachen, schien ihr jeder höhere Betrag noch immer nicht ausreichend zu sein. Zulegt schickte sie eine Summe ab, die für ihre Verhältnisse wirklich ein Vermögen" bedeutete, und ließ außerdem durch einen Kaufmann im benachbarten Getsmeid Rotmein, Obst und Kekse an den Kranken senden. Sie legte dem Balet einige Beilen bet, mit denen sie das gegen märtige gleichgültige Nebeneinander zwischen Starl und ihr andeutete. Sie hoffe nur, daß alles fo bleiben möge. Denn von Karl und von Siegen fortzugehen, nein, dazu sei sie noch nicht fähig. Karl jei nun einmal ihr Mann und der Bater ihres Boge. Hier wäre nun einmal ihr Platz, hier müßte sie aushalten, fomme auch immer, mas da molle.
Nachdem Geld und Patet nun abgeschickt waren,
Gerda Ziefe: Das schwarze Ungeheuer
Diese Arbeit erhielt den 3. Preis im Preisausschreiben des Vorwärts". Die Autorin, eine 17jährige Kontoristin, schildert überzeugend die äußere und innere Umwandlung, die durch die Mechanisierung auch in den Angestelltenbüros hervorgerufen wird.
Schon der frühe Morgen im Büro begann bedrückt und trübe. Komisch war doch dieser heutige Tagesanfang. Sonst gab es soviel zu sprechen. Nicht einmal vom Wetter war heut die Rede. Meistens wurden wenigstens vor Beginn die Tagesereignisse diskutiert. Aber nichts von alledem war heut zu hören. Schon längst huschten die fnarrenden Federn über das Papier. Im Zimmer mar fein Laut weiter vernehmbar. Nur von draußen, vom Hof, vernahm man die Stimmen der Arbeiter, die die Waren auf ihre Autos luden. Dazwischen Pfeifen und Hupen.
Warum nur war heute alles so stumm? Hatten sich diese sonst so lebhaften und friedlichen Menschen alle gezankt?
Nein, sie hatten sich nicht gezankt, und sie machten dieselbe Arbeit wie immer. Nur einmal wurde die Stille im Zimmer auf einige Sekunden unterbrochen:
,, Wie laut das heute draußen ist, man kann hier gar nicht rechnen. Ach, Fräulein Scholz, würden Sie vielleicht mal das Fenster schließen?"
Die Uhr schlug halb zehn. Es war Frühstück. Man hörte halblautes Gefnister der Butterbrot
papiere und endlich kam einer mit der Sprache heraus.
,, Sagen Sie mal, meine Damen, wann fommt denn eigentlich die Maschine?"
Zwischen zwei und drei Uhr", war die Ant
wort.
Ach, diese Buchhaltungsmaschine war es, die die Buchhalterinnen so betrübte. Wieder ließ sich eine Stimme vernehmen:
,, Mir schmeckt es heute gar nicht, mir wird es überhaupt bis zum Ultimo nicht schmecken." ,, Ja, wissen Sie, vorige Woche habe ich noch auf den Geldtag gemartet, aber jegt?"
Ma, ich bin bloß gespannt, wer von uns die Maschine bedienen wird."
,, Vielleicht niemand von uns."
,, Wenn mir bloß der Gedante tommt, habe ich genug. Denn das eine steht fest, daß mir alle entlassen werden."
Ja, das wußten alle, daß sie am Ultimo nicht nur die Lohntüte in die Hand gedrückt bekommen würden, sondern auch ein Kuvert, das die Kündigung enthielt. Die Uhr zeigte bereits auf zehn. Wieder ein halblautes Papiergeknister und schon knarrten die Federn.
Die Stunden eilten dahin wie die vergangenen. Fräulein Scholz, würden Sie mal das Fenster öffnen?"
,, Was steht denn da draußen für ein Auto? Sehen Sie mal, Fräulein Ehmke! Soll jezt etma schon das schwarze Ungeheuer fommen?"
Unsere traditionellen Hosentage bringen
,, Ja, Zeit ist es eigentlich Schade, daß man nichts Genaues sehen kann."
,, Tür uff", ließ sich von draußen eine grobe Männerstimme vernehmen.
Die tiefgebückten Häupter fuhren erschrocken auf. Schnell wurde die Tür geöffnet, damit das große, schwarze Etwas Einlaß fand.
,, Do, Mag, faß ma dahinten an, so, und nu hoch, hopp!"
,, Du, id globe, wir müssen de Tür rausnehmen, sonst jeht se doch nich rin."
Die Tür wurde herausgenommen, und man rollte das plumpe Gestell direkt in die Mitte des Zimmers. Alle sahen mit einem Blick, der mehr Haß als Angst verriet. auf die Maschine.
Dieses schwarze, lebloje Ungeheuer hatte also die Freundschaft und die Wärme, die sonst in diesem Zimmer herrschte, gebrochen Ja, marum meigerte sich keiner, die Maschine zu bedienen?
Warum?
Die Arbeiter verschwanden, wie sie gekommen maren. Man wechselte erstaunte und mütende Blicke. Niemand bekam ein Wort über die Lippen. Schritte im Flur. Der Bürochef öffnete die Tür. Ja, meine Damen, ich dachte mir das so... an die Stelle des Tisches von Fräulein Meier die Maschine hinzustellen, und Sie, Fräulein Meier, fönnen sich vorläufig bei jemandem mit ransezen."
Borläufig fich bei jemandem ransetzen: was hieß diefes Borläufig" anders als bis Ultimo! Man
Angebote von wirklicher Billigkeit!
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