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Abend- Ausgabe

Nr. 96 B 40 50. Jahrg.

Rebattion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstt. 3 Fernsprecher 7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNABEND

25. Februar 1933

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts...... 10 Bf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Hilfspolizei

Ein Aufruf und ein Erlaẞ

Aus Anlaß der bekannten Krefelder Vor­fommnisse, bei denen in einer Zentrums­versammlung der Minister a. D. Steger= wald niedergeschlagen und katholische Geistliche tätlich angegriffen wurden, erließ der Reichspolizeikommissar für Preußen, Herr Göring, einen Aufruf an Stahl= helm, SA. und SS., in dem er u. a. aus­führte:

Bon außen vermöchte euch kein Gegner etwas anzuhaben, jetzt versucht er, durch Agenten, Spigel und Provokateure euer Ansehen zu gefährden. Ich weiß, daß ihr selbst die minderwertigen Elemente in euren Reihen auffindet, sie überführen und beseitigen werdet Kameraden, hier ist die höchste Wach= samfeit geboten.

Im amtlichen Preußischen Pressedienst" wurde dieser Aufruf ausführlich erläutert. Dort wurde gesagt, daß sich in die Reihen der nationalen Verbände nicht nur provoka­torische Elemente unbestimmter Art, sondern fogar ausgesprochene Kommunisten eingeschlichen hätten. Erzesse der letzten Zeit wurden auf das Treiben solcher ver= kleideten Kommunisten zurückge­führt. Da diese Erzesse leider sehr zahlreich sind, muß man annehmen, daß sich das Einschleichen verkleideter Kommunisten in die erwähnten Verbände in erheblichem Um­fang vollzogen hat.

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So kommt nach dem Aufruf Görings zwei Tage später! sein neuer Erlaß etwas überraschend. Auch unter den gegenwärtigen ungemöhnlichen Umständen wird man die Meinung aussprechen dürfen, daß es mög­licherweise zweckmäßiger gewesen wäre, die Säuberung der Verbände von den verkleideten Kommunisten erst einmal gründlich vorzunehmen, bevor man sich zur Aufstellung der neuen Hilfs­polizei entschloß. Denn der Gedanke, daß sich auch in diese neue Hilfspolizei ver­kleidete Komunisten einschleichen würden und daß ordentliche Beamte mit verkleideten Kommunisten Hand in Hand arbeiten fönnten, muß für die Herren der neuen Re­gierung noch viel beunruhigender sein als für uns.

Der neue Erlaß sagt nun allerdings, daß zu Hilfpolizeibeamten nur ehrenhafte, wahlberechtigte, auf nationalem Boden ſtehende Deutsche " verpflichtet werden dürfen. Da der Begriff des ,, nationalen Bodens" heftig schwankt, wäre auf die Ehrenhaftigkeit zweckmäßig das ent­scheidende Gewicht zu legen. Dabei ist Ehrenhaftigkeit nicht bloß im allgemein bürgerlichen Sinn aufzufassen. Zur Ehren­haftigkeit eines Beamten gehört unbe= dingter Refpeft por Gesez und Verfassung und vollkommene Unparteilichkeit bei der Aus= übung feines Amtes. Für jede Po­fizei, die ihren Namen verdient, ist es selbst­verständlich. daß sie Leben und Eigentum aller Staatsbürger ohne Ansehen der Ver= fon in gleicher Weise zu schützen hat. Das aber ist, wie jedermann zugeben wird, für die Kandidaten der Hilfspolizei eine Aufgabe, die sie völlig unvorbe= reitet trifft

Kein Wunder, daß man sich in breiten Bolfskreisen über die neue Hilfspolizei seine Gedanken macht. Was uns betrifft, lönnen wir nur die Worte Görings unterstreichen. Hier ist in der Tat die höchste Wach= jamfeit geboten.

Aufruf an alle!

Prangert den nationalkonzentrierten Schwindel an!

In Bremen haben die Nazis wieder den gefälschten Aufruf der Volksbeauf­tragten verbreitet. Unsere Genossen haben ihn als Fälschung gebrandmarkt. Darauf haben die Schwindler behauptet, er sei echt, meil niemand von den Volksbeauftragten selber die Echt­heit bestritten habe. Um auch den legten Ausreden die Spitze abzubrechen, er­lassen die beiden ehemaligen Boltsbeauf­tragten Dittmann und Scheide mann folgende Erklärung:

Der von den Nationalsozialisten verbreitete an­gebliche Aufruf des Rates der Boltsbeauftragten, der mit den Worten An alle" beginnt und mit dem Ausruf Es lebe die Weltrevolution!" schließt, ist eine plumpe Fälschung", wie das Reichsinnenministerium schon früher fest­gestellt hat.

Der angebliche Aufruf ist vom 9. November 1918 datiert. Dabei wurde der Rat der Bolts­beauftragten erst am 10. November 1918 gebildet. Schon daraus ergibt sich die Fälschung.

Niemals ist vom Rat der Boltsbeauftragten diefer oder ein ähnlicher Aufruf veröffent­licht worden.

vom

Unser wirklicher Aufruf stammt 12. November 1918. Jn ihm haben wir den Be­lagerungszuffand, die Zensur und die Gesinde ordnungen beseitigt, die Arbeiterschutzgesetze wieder in Kraft gesetzt, die Erwerbslofenunter­

Der Oberreichsanwalt

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ftützung erstmalig in Deutschland eingeführt, an Stelle des 10- und 11- Stunden- Tages den 8- Stunden- Tag und das freie Wahlrecht für alle in Reich, Ländern und Gemeinden defretiert. Zu diesen Novemberverbrechen" bekennen wir uns mit Stolz!

Berlin , 25. Februar 1933.

Diffmann, Scheidemann .

Protest in Nowawes

Telegramm an Künstler

Eine überfüllte Wählerkundgebung der Sozial­demokratie in owawes, die von dem Bor. fitzenden, Genoffen Wache, geleitet wurde, hat an Franz Künstler nachstehendes Telegramm gesandt:

Tausende Nowaweser protestieren gegen Rede­verbot ihres Spitzenkandidaten und geloben: Nun erst recht mit Künstler zum Siege der SPD. !

Eiferne Front Nowawes."

Der Vorsitzende der Berliner Sozialdemokratie. der in dieser Kundgebung in seinem Wahl= freis sprechen sollte, hatte vom Polizeipräsiden­ten in Potsdam bekanntlich ein Redeverbot erhalten, Genosse Schale, der für Künstler eingesprungen war, riß die Versammlung zu Bei­fallsstürmen hin. In immer wiederholien, er­regten Zurufen zeigte sich die Erbitterung der

Leipzig C 1, den 20. Februar 1933

An Herrn Rechtsanwalt Dr. Franz Neumann

in Berlin SW 68 Alte Jakobstr. 138/155

Auf die Eingabe vom 18. ds. Mts. teile ich Ihnen mit, daß ich die Vorgänge gegen den Schriftleiter Rudolf Brendemühl vom Vorwärts an den Herrn Generalstaatsanwalt beim Landgericht I in Berlin mit dem Anheimgeben der Verfügung in eigener Zuständigkeit abgegeben habe, da hinreichender Verdacht einer von mir zu verfolgenden unmittelbaren Aufforderung oder einer Vorbereitung zur gewaltsamen Ver­fassungsänderung nicht begründet ist. Auch habe ich beantragt, den Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichts Berlin- Mitte vom 4. Fe­bruar 1933, der sich auf die§§ 85, 81 Abs. 2 StGB. stützt, aufzuheben.

Vertrauen für Karsen

Auch die Nationalsozialisten sind dabei

3m Schülerausschuß der& arl- Mary­Schule zu Neukölln wurde mit der Stimme des Bertreters der National­jozialisten an der Schule folgende Ent­schließung gefaßt:

Wir sprechen Herrn Karsen für die an unserer Schule geleistete Aufbauarbeit unseren Dank aus. Wir bedauern außerordentlich, daß Herr Karsen unsere Schule verlassen muß. Er befigt nach wie vor das Vertrauen der gesamten Schülerschaft. Wir bitten, daß die Lehr und Lernmethoden unserer Schule die gleichen bleiben und daß unsere Schule nicht umorganisiert wird, da uns unsere Eltern wir megen dieser Methoden auf die Karl- Marr­Schule schicken. Die Erfolge dieser fortschritt­lichen Unterrichtsmethode sind von einer amt lichen Prüfungskommission durchaus positiv be

I. V.: gez. Nagel.

mertet worden. Wir bitten, unseren bewährten Leiter wieder in sein Amt einzusetzen.

Diese Entschließung murde einstimmig ge­faßt. Daß der junge Nationalsozialist einfichtig und verständig genug war, sich nicht auszuschließen, dürfte der beste Beweis für den guten Kamerad­chaftsgeist sein, der auf dieser verleumdeten und verfemten Schule herrscht, zu der die Pädagogen der gesamten Kulturmelt gekommen sind und noch tommen. Der junge Nationalsozialist erklärte ausdrücklich, daß er die Erziehungsmethode an der Schule gutheiße und daß er außerordentlich bedauere, daß Herr Schwedte mit seinen Artikeln in der Berliner Börsen- Zeitung" und der DAZ." der Schule geschadet und Karsens Beurlaubung provoziert habe.

Aufrichtiger als Japan ist doch Paraguay . Der Präsident der Republik , Ayala, hat den Rongreß gebeten, Bolivien offiziell den Krieg zu erklären.

Wählerschaft in Nowawes über die neue Methode. Reichstagskandidaten in ihrem eigenen Wahlkreis nicht zu Worte kommen zu lassen. Die Nowamejer Arbeiter und Angestellten werden ihre Antwort am 5. März geben!

Eine Kröte

sprang über ein Grab

Eigener Bericht des Vorwärts"

Hannover , 25. Februar. In einer öffentlichen Bersammlung der Nationalsozialisten, die am Mittwoch, dem 22. Februar, auf dem Welfenplatz in einem Zelt abgehalten wurde, bezeichnete Goebbels den Reichspräsidenten Ebert als den ehemaligen Bordellwirt Ebert".

Der neue nationalsozialistische Polizei­präsident Luke, im Nebenamt nach wie vor Obergruppenführer der SA , und 150 Polizeibeamte in uniform waren in der Versammlung anwesend. Det Polizeipräsident hatte die Beteiligung seiner Beamten gewünscht". Bon einem fest­gesetzten Sammelpunkt aus marschierten sie in den Saal. Dort wurden ihnen Hakenkreuz­binden angelegt.

Wahlfreiheit- aus!

Man verbietet geschichtliche

Dokumente

Unser Parteiblatt in Luckenwalde , die Bolks­wacht", ist zum zweiten Male verboten worden. Grund: es hat ein nationalsozialisti­iches Flugblatt aus dem letzten Wahlkampf abgedruckt, ohne ein Wort des Kommentars. Das Flugblatt enthielt wilde Angriffe auf Herrn Hugenberg, Herrn v. Papen und die Deutschnatio­nale Bolfspartei.

Daß die Pressefreiheit aufgehoben ist, wissen wir. Mit diesem Berbot wird der lehte Rest der Wahlfreiheit ausgelöscht. Unsere Waffe im Wahlkampf gegen die Nationalsozia­listische Partei besteht in dem Nachweis, daß diese Partei eine vollkommene Schwenkung in wenigen Wochen vorgenommen hat, daß fie anders gehandelt hat, als sie versprochen, daß ihre heutige Koalition mit Herrn v. Papen und Herrn Hugen­berg im vollkommenen Widerspruch steht zu dem, was sie vor vier Monaten feierlich verkündete. Das Flugblatt der Nationalsozialisten, das hier in Frage fommt, ist ein historisches Doku­ment. Es ist ein unanfechtbarer Beweis für die vollkommene Schwenkung der Nationalsozialisti­ schen Partei. Die Meinungsäußerung der Natio­nalsozialisten von damals ist eine geschicht­liche Tatsache die Feststellung dieser ge­schichtlichen Tatsache aber wird verboten!

Die Tatsachen werden durch ein Berbot ihrer Beröffentlichung selbstverständlich nicht aus der Welt geschafft. Das geschichtliche Dokument über die Schwenkung der Nationalsozialisten ebenso­wenig. Es bleibt, wie die geschichtliche Wahrheit bleibf!

Verboten und beschlagnahmt

Aus der großen Reihe der Verbote und Be­ichlagnahmen, die fich täglich wiederholen, ver. zeichnen mir heute die folgenden:

Im Verlage J. H. W. Diez Nach f. wurden beschlagnahmt:

Nr. 7 des ,, Wahren Jacob"; Broschüre Das Selbst porträt Adolf