Nr. 221.
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Vorwärts
13. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Die ethischen Werth- Metheile im Strafrecht.
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Sonntag, den 20. September 1896.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3:
Politische Webersicht.
an
Entwickelungsstufe hebt, und daß dieser Fortschritt auf das innigste verknüpft ist mit der Einsicht in die nothwendige Bedingtheit der menschlichen Entschließungen und HandBerlin, 19. September. lungen( Willensakte) durch die verursachenden Umstände Recht charakteristisch für die Eigenarten des Im August d. J. hat zu München ein psychologischer( Motive). Diese Einsicht ist also das Palladium, das wir Zickzackkurses sind die unermüdlichen Spekulationen, in Rongreß getagt, der dem bekannten Strafrechtslehrer von uns nicht rauben lassen dürfen, wenn wir je zu siegen denen sich die patriotischen Blätter über die möglichen Liszt Gelegenheit gab, sich über die strafrechtliche Zurech hoffen. Nachfolger des Fürsten Hohenlohe im Reichskanzleramt und nungsfähigkeit zu verbreiten. Wenn wir von seinen Ausein Daß alle wirklich tiefen Denker aller Zeiten, so ver- die Modalitäten seiner Ersetzung äußern. So war der andersetzungen Notiz nehmen, so geschieht es, weil schieden auch ihre sonstigen Ansichten sein mochten, Fürst Haßfeld als Reichskanzler- Kandidat genannt worden. von Liszt den Ruhm eines Vorkämpfers für den darin übereinstimmten, daß sie die Nothwendigkeit der Darauf schreibt der„ Hannoversche Courier": Fortschritt im Strafrecht beansprucht und thatfächlich gegen Willensatte bei eintretenden Motiven", d. i. das Gegentheil Die Meldung ist in dieser Form zweifellos falsch. Denn wärtig unter den Universitätsprofefforen des Strafrechtes der Willensfreiheit, behaupteten, hält nun aber unsern die Kandidatur des Fürsten Haßfeldt für das Amt des Reichsin Deutschland am meisten bedeutet, auch den stärksten bürgerlichen Professor nicht davon ab, den Streit über fanglers ist fast ein Jahr alt. Sie ist schon anläßlich der Einfluß auf die heranreifende Generation ausübt. Wir haben die Willensfreiheit, der längst entschieden ist, Verabschiedung des Ministers v. Köller aktuell gewesen.... Die er sich bekannten Umstände, unter denen Herr v. Köller kurz vor dem so an ihm einen Gradmesser dafür, was von der staatlich für unaustragbar zu erklären, womit weiter eigentlich jeden Rechtes, privilegirten Wissenschaft für das Strafrecht in absehbarer dann mitzureden, Busammentritt des Reichstags durch den Fürsten Hohenlohe veranlaßt worden war, dem Kaiser sein Abschiedsgesuch zu unters Beit zu erwarten ist. Das Resultat ist sagen wir es nur selbst begiebt. Er will ein Strafrecht, das ebenso gut für breiten, hatten in legterem ein Gefühl der Verstimmung gleich- dasselbe, wie auf allen anderen Gebieten des den Fall paßt, daß es eine Willensfreiheit gäbe, als daß zurückgelaffen, und dieses war die Ursache, weshalb der Monarch öffentlichen Lebens: Das ist natürlich unmöglich, denn das in Breslau dem Fürsten Hazfeldt die eventuelle die jämmerlichste Feigherzigkeit es keine gäbe. bürgerlicherseits den Forderungen eines wirklichen Fort- Strafrecht muß grundverschieden sein, wenn es den als Nachfolgerschaft des Fürsten Hohenlohe an frei handelnd vorgestellten schritts gegenüber, und ein hohles Phrasenwesen, das den willkürlich Miffethäter trug. Fürst Haßfeldt scheint damals wenigstens teine erwünschten Hinterhalt zum Entwischen bietet. Das Straf mit Vergeltungsübeln verfolgt oder den mit moralischen ablehnende Antwort gegeben zu haben. Weitere recht ist an einem Wendepunkt angelangt. Indem die Gebrechen behafteten behandelt, wie man auch einen mit Konsequenzen aber hat die damalige Besprechung des dem Raisers mit Oberpräsidenten von Schlesien moderne Naturforschung den innigen Zusammenhang zwischen gefährlichen förperlichen Gebrechen( ansteckender Krankheit, scheinend nicht gehabt. Thatsache, trotz aller Dementis fest der physischen und psychischen Wesenheit des Menschen Wahnsinn) behafteten behandeln würde, nämlich, soweit stehende Thatsache ist es jedenfalls, daß der Kaiser später, als nachwies und die Bedingtheit unserer guten oder es oder es die Sicherheit erfordert, einschränkt und bevor- am Anfang dieses Jahres die Stellung des Fürsten Hohenlohe schlechten Eigenschaften von der Artung und Funktion mundet. Folglich mußte das ganze Gerede trotz allem zeitweise erschüttert schien, weil er es ablehnte, weit.. unserer Körpergewebe und insonderheit unseres Gehirns, Brimborium schließlich darauf hinauslaufen, daß feigberziger ge hende Marinepläne vor dem Reichstag zu vertreten, als Dentapparates, klarlegte, heilte sie zugleich jeden weise nichts entschieden wird. So tam es denn auch, und mit dem General der Kavalleries. D. Graf Wartens. Urtheilsfähigen von aller Gehässigkeit gegenüber schädlichen nur der erwünschten Phraseologie halber läßt unser Selb leben- Garow wegen der event. Uebernahme des Reichstanzler. Mitmenschen, gegen welche wir uns zweifellos durch Sicher die überlieferten und heute noch herrschenden ethischen Bor- amts unterhandelt hat. Diese Unterhandlungen scheiterten, heitsmaßregeln schüßen, doch die wir vom Stanpunkt dieser urtheile" aufmarschiren, denen eine vorsichtige Kiminalpolitit weil Graf Wartensleben ebenso wenig wie Fürst Satzfeld geneigt Erkenntniß gewiß nicht mehr mittels Vergeltungsstrafen Rechnung tragen müsse, auch wenn sie wissenschaftlich sie gewesen wäre, Reichskanzler zu werden mit dem mehr oder minder bestimmten Biele, einen Konflikt mit dem martern, foltern, entehren oder gar abschlachten dürfen, wie man als Vorurtheile verwirft." Ja, fo! Wenn man am Reichstag auszufechten. Später find noch vers es bisher, im verhängnißvollen Bann der Willensfreiheits. Ende doch wieder in den altgewohnten Stall zurück schiedene andere Persönlichkeiten als muthmaßliche Kandidaten Sypothese stehend, so überaus reichlich und grausam gethan trabt, dann war es kaum der Mühe werth, die für den Reichstanzlerposten genannt worden. Jezt, nachdem der Wer An stelle der bisherigen Vergeltungsstrafen, der Krippe überhaupt zu verlassen. zum Nach große neue Marineplan vertagt oder fallen gelassen ist, sind Bellengefängnisse, Zuchthäuser und der Todesstrafe ver- theile von Sträflingen Mitgefühls- Ausnahmen( das sind vielleicht die Chancen des Fürsten Haßfeldt wieder langen wir, sei es unter der Form der Isolirung, sei die überlieferten ethischen Werth- Urtheile!) zuläßt, wird sich gestiegen. Man wird aber gut thun, sich in dieser Hinsicht es unter anderen Formen der Bevormundung die bloße auch zum Nachtheile von Nichtsträflingen zu solchen verstehen, auf keine Prophezeiungen einzulaffen, sondern stets auf le berraschungen gefaßt zu sein. In dem Augenblick, Sicherung der Gesellschaft vor solchen Individuen, die sie und wer es sogar für gerecht hält, daß jene unglückliche wo Fürst Hohenlohe wirklich einmal zurücktreten wird, kann die gefährden. Wird der durchgeführte Sozialismus auch durch Menschengruppe abfichtlich gequält werde, wird sich auch Wahl des Kaifers ebensowohl auf den Fürsten Haßfeldt oder Die Ausgleichung der wirthschaftlichen Lage, die Ausscheidung leicht über die Ungerechtigkeit hinwegsehen, daß man andere den Grafen Philipp Eulenburg , wie auf einen in weiteren der Produktionsmittel aus dem Verkehr und die Aus Menschen unabsichtlich verkommen und zu grunde gehen läßt." Kreisen völlig unbetannten jüngeren General merzung so vieler Ausbeutungsmöglichkeiten, die heute noch Ober, sollte es mehr eine vorsichtige Privatpolitit sein, fallen." Ja, warum auch nicht? Vielleicht erleben wir auch als verbrecherische Anreize wirken, die strafbaren Delifte die den bürgerlichen Workämpfer auf die überlieferten erheblich vermindern, so pflichten wir doch unserem Werth- Urtheile, richtiger: überlieferten Brutalitäten der noch eine neue Aera Köller, in der dieser treffliche italienischen Genossen Ferri darin bei, baß es Bestrafung zarte Rücksicht nehmen ließ? Trifft es sich doch Mann selbst den Kanzlersiz ziert. Wurde doch nach Ver fentimentaler Optimismus wäre, zu glauben, daß in einer wunderbar, daß der den Kongreß begrüßende bayerische sicherung der Deutschen Tageszeitung" der Kaiser durch sozialistischen Gesellschaft all und jede Form von Verbrechen Minister sich der bedrängten Willensfreiheitbesonders an- den Rücktritt Köller's schmerzlich berührt". verschwinden werde. nehmen zu sollen für nöthig hielt.
hat."
Es ist klar, daß die von uns geforderte Wandlung das Strafrecht auf eine humanere, vom Rachewahn geläuterte
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Rienzt.
Der letzte der römischen Volkstribunen. Roman von Edward Lytton Bulwer . Siebentes Rapitel.|
sel ja Das Fest.
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Es Annehmlichkeiten der weltlichen Allmacht. giebt heute in Europa nur noch zwei absolute Monarchen, d. h. zwei Fürften, deren Willen allmächtig ist und un
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von Spoleto und von unzähligen andern kleineren Staaten Ihr müßt Euch nicht so ängstlich zeigen. Dieses kann und Städten, sondern auch die des furchtbaren Visconti, nur eine Ehrenbezeigung, feine Rache, beabsichtigen. Ich Fürsten von Mailand , des Obizzo von Ferrara und die denke, wir werden beide dieselbe Einladung erhalten haben." der Beherrscher von Verona und Bologna . Selbst der„ Er, er ladet ladet mich zum Abendessen im Kapitol stolze Malatesta, Herr von Rimini , der später für eine ein; eine freundliche Einladung( die Pest auf seine FreundZeit lang die Macht Monreals an der Spize seiner schaft!) nach diesem geräuschvollen Tage." großen Kompagnie brach, hatte einen der angesehensten Daffelbe hat er mir sagen lassen," erwiderte Orsini , Männer als seinen Repräsentanten geschickt. Johann sich an einen der Frangipani wendend. Das Fest dieses Tages war das glänzendfte, daß man di Vico, der grausamste und boshafteste Despot seiner Diejenigen, welche eingeladen worden waren, fanden in Rom seit langem erlebt hatte. Die Andeutung des Cecco Zeit, der den Waffen des Tribunen anfangs getroßt hatte, sich bald zusammen. Einige riethen zur Flucht, aber diese del Vecchio, welche so treu den Charakter seiner Mitbürger war jetzt, unterworfen und gedemüthigt, in Person gegen sah einem Geständniß gleich, ihre Zahl, ihr Rang, die malte, wie er noch jetzt, wenn auch nicht in solchem Grade, wärtig, und die Gesandten Ungarns und Neapels unter- lange Straflosigkeit, deren sie sich erfreut hatten, und welche in ihrer Liebe zu festlichen Aufzügen und zu äußerem Pomp hielten sich mit denen von Bayern und Böhmen , deren Ge- fast durch die Gewohnheit geheiligt war, beruhigte sie, und fich fund giebt, war für Rienzi nicht verloren. Ein Bei- bieter an jenem Tage vor den römischen Gerichtshof zitirt sie beschlossen, sich einzufinden. Nur der alte Colonna, der spiel von der Pracht des Bankets möge den mehr als worden waren. Das Wehen der Federn, der Glanz der einzige von den Eingeladenen, der von dem Komplot nichts töniglichen Aufwand, welcher auf demselben vorherrschte, Juwelen und der mit Gold gestickten Kleider, das Rauschen wußte, schlug die Einladung aus. bezeugen. Vom Morgen bis zum Abend flossen Ströme der Seide und das Erklingen goldener Sporen, die Töne O!" sagte er, wir haben heute Festlichkeiten genug Weins, wie ein Springquell aus den Nasenlöchern des der Minnesänger von den Galerien her, die Banner und gehabt. Sagt dem Tribunen, daß, wenn er zu Abend speist, großen Pferdes von Erz, daß den Kaiser Konstantin trägt. Wappen an den Wänden, alles bot ein so glänzendes und ich schon hoffe, eingeschlafen zu sein. Graue Haare können Die großen Gäle des Palastes waren jedem geöffnet und prächtiges Gemälde, daß der größte der feudalen Könige so viele Lustbarkeiten nicht mehr mitmachen." reich geschmückt, und die Spiele, Luftbarkeiten und es nur mit funkelnden Augen und mit hochathmender Als Rienzi fich erhob, um aufzubrechen, welches früh Gaukeleien der Zeit wurden überall emfig betrieben. Die Brust hätte ansehen können. In diesem Augenblick war geschah, denn das Banket fand nah am Morgen statt, Tribunessa, wie Nina unklassisch genug genannt wurde, die Ursache und der Herr alles dieses Glanzes traurig und wollte Raimund, der sich gern mit einigen seiner geistunterhielt sich mit den römischen Damen, während der zerstreut, indem er sich des Abenteuers der vorigen lichen Freunde über den Bericht berathen hätte, den er dem Tribun den guten Bischof, der neben ihm saß, schon voll- Nacht erinnerte und der unheimliche Gedanke ihn Bapst machen wollte, sich empfehlen, als der unbarmherzige tommen beschwichtigt und versöhnt hatte. Wenn das Auge erfüllte, daß die Anftifter des Mordversuchs unter seinen Tribun in ernstem Tone zu ihm sagte: die Säle und Hallen überblickte, so sah es den ganzen Adel, Gästen seien. Unter dem Gesang der Minnesänger und die Ritterschaft, den Reichthum und die Macht, die dem fröhlichen Treiben der Menge fühlte er, daß der VerGelehrsamkeit und die Schönheit der Hauptstadt Italiens , rath ihn umschleiche, und das Bild des Skeletts, das in vermischt mit Gesandten und vornehmen Fremden, selbst früheren Zeiten bei jeder Festlichkeit an den Tod erinnerte, von jenseits der Alpen , nicht allein Abgesandte der freien verdüsterte auch ihm den Eindruckt seiner freundlichen Um Staaten, sondern auch der stolzen Tyrannen, die anfangs gebung. Während das Fest am geräuschvollsten war, sah den Uebermuth des Tribunen belacht hatten, jezt aber seiner man Rienzi's Bagen mehreren Patriziern etwas zuflüstern, ift Macht huldigend sich ihr anschlossen. Man sah nicht allein jeder verbeugte sich tief, wechselte aber die Farbe, indem er die Gesandten von Florenz , von Siena , von Arezzo ( welches die Botschaft vernahm. lettere dem Tribunen die Regierung übertrug), von Lodi,
Würdiger Herr, wir bedürfen Eurer in einer dringenden Angelegenheit im Kapitol. Ein Gefangener, eine Untersuchung, vielleicht( fügte er mit unheimlichem und prophetischem Ausdruck hinzu) eine Hinrichtung wartet auf. uns. Rommt!"
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Aber, Tribun!" stammelte der gute Bischof, dieses eine ungewöhnliche Zeit für eine Hinrichtung. Die vorige Nacht war eine noch ungewöhnlichere Zeit tommt!"
( Fortsetzung folgt.)