Einzelbild herunterladen
 

BEILAGE

Vorwürts

Wer zerstört die Familie?

Nationalsozialistische Phrasen und Wirklichkeit

In Millionen Frauen lebt noch das alte Ideal der Familie, das heißt der Traum von eigener Bohnung, ausfömmlichem Berdienst des Mannes, jorgjamem Schaffen der Frau in ihrem Haushalt, fröhlichem Kinderlachen; einem kleinen friedlichen Glüd. Verklungene Afforde einer anderen Zeit. Einer Zeit, die für viele die äußere Form dieses Traumes erfüllte, sich um die innere Gestaltung einer Ehe, einer Familie nicht viel fümmerte und, wenn durch Wirtschaftskrise oder Krankheit der Bater nicht mehr der Erhalter der Familie sein fonnte, es genau wie jezt getrost der Frau über­ließ, diese Pflicht zu übernehmen. Gute, alte Zeit? Ach nein! Nur durch die Not der Gegenwart perklärt; aber einst, als Gegenwart, für Millionen Mädchen und Frauen

fast schlimmer als heute.

Als die kapitalistische Wirtschaftsmeise sich nach dem Kriege von 1870/71 im Giltempo in Deutsch­ land   entwickelte, als die Maschine die Hausarbeit, die Industrie das Handwerk zu verdrängen be= gann, mußte die Familie in hrem ursprünglichen Zusammenhalt zerfallen. Flinke Finger brauchen die Maschinen, aber auf die gelernten, teuren Männerkräfte konnte immer mehr verzichtet wer­den. So wurden Frauen und Kinder in die Fabriken geholt für geringen Lohn; die Waren mußten billig sein, denn der deutsche Ka­ pitalismus   wollte den Weltmarkt erobern. Je mehr Kinder in der Familie waren, um so meniger reichte der Verdienst des Vaters aus, alle fatt zu machen und um so notwendiger mußte die Mutter. mitarbeiten. War aber nicht ihre natürliche Auf­gabe, das Haus zu hüten, es dem Mann behaglich zu machen, die Kinder zu pflegen und zu erziehen und der gute Geist der Familie zu sein? Das war für die anderen. Die proletarische Mutter hatte zuerst die billige Arbeit für den tapitalistischen Unternehmer zu lie­fern, damit er tonfurrieren. verdienen und sein bürgerliches Familienideal aufrechterhalten fonnte. Haushalt, Mann, Kinder mußten auch versorgt

Frau wirtschaftlich selbständig wurde und zur Er­haltung der Familie beitragen mußte. Dadurch murde die Ehe gemiß nicht schlechter, son­dern beffer in gegenseitiger Achtung und ge­meinsamem Streben.

Mit der immer meiteren Ausdehnung des Kapi­talismus murden immer breitere Volksschichten in diese gesellschaftliche Umformung hineingezogen. Der Weltkrieg, mit seiner fast restlosen Erfassung der Frauenarbeitskraft zur Aufrechterhaltung des deutschen   Wirtschaftslebens hätte eigentlich der Ab­schluß dieser Entwicklung sein müssen. Frauen, die alle Männerarbeit selbständig verrichtet die ganze Verantwortung für Haushalt und Kinder, die öffentliche Lasten getragen hatten, durften auch in der Ehe, in der Familie nicht mehr Abhängige, Untergeordnete sein. Und die Kinder, die kleinen tapferen Kameraben ihrer Mütter in dem täg­lichen Kampf um die rationierten Nahrungsmittel, aber auch in seelischen Nöten, durfte über sie je= mals wieder der Autoritätsgeist, das blinde Gehorchenmüssen der Vorkriegszeit herrschen?

Diese blinde Autoritätsherrschaft war im Felde und damit im Staate zerbrochen; mußte nicht auch für die Familie, die kleinste Zelle des Staates, die Konsequenz aus der wirt­schaftlichen und politischen Entwicklung ge­30gen werden?

Das hätte der Vernunft aber auch einem flaren, sauberen Gefühl entsprochen.

Und doch kam es anders Vergangenheit, Herrschsucht, verjchwommene Gefühle, himmel­blaue Sehnsucht waren stärkere Kräfte. So, schwer fann eine neue Zeit sich gestalten, wenn so viele Menschen in die Bergangenheit anstatt in die Zukunft streben.

Bir durchleben die größte Krise der tapitalistischen Wirtschaftsordnung. Ueberreichtum, volle Warenlager, volle Kohlen­

halden, Bernichtung von Lebensmitteln, um die Preise nicht sinten zu lassen, auf der einen Seite und auf der anderen Hunger, Frost, Not, die zum Himmel schreit. Hände und Hirne von fast 8 Mil­lionen Menschen allein in Deutschland   müssen feiern, weil der Kapitalismus ihnen keine Arbeit geben kann. Weil dieses Wirtschaftssystem un­fähig ist, die hergestellten Güter so zu verteilen, daß die 8 Millionen mit ihren Angehörigen ihre einfachsten Lebensbedürfnisse befriedigen können.

Menschen hassen sich. meil sie in engstem Raum miteinander leben, hungern, frieren müssen, weil keiner dem anderen aus dem Wege gehen fann. Liebe verwandelt sich in Haß, weil einer um den anderen leidet und feiner dem anderen helfen kann. Ja, wenn alle Arbeit haben, morgens fort­gehen, abends wiederkommen, dann erträgt sich die Enge der einen Stube und Küche. Aber wenn zwei oder vier oder sechs Menschen den ganzen Tag miteinander hausen sollen, dann wird der enge Raum unerträglich, dann fann schließlich einer den anderen kaum noch sehen. Mütter flagen über Kinder, die ihre Arbeitslosigkeit auf die Straße treibt, Frauen über mürrische, grobe Männer, und Männer über verbitterte, zankende Frauen. Die Kinder verfluchen die Zeit, in der sie leben; sie versuchen sich zu rächen auf ihre Weise. Das ist das Familienschicksal Millionen Arbeitsloser.

So hat der Kapitalismus   die Familie zerstört. Und da kommen die Nazis und erzählen den verzweifelten Menschen daß das alte Familien­ideal wieder hergestellt werden müsse. Der Mann Oberhaupt und Verdiener der Familie, die Frau Wirtschafterin im Hause und Erzieherin der Kinder zu Gehorsam und Untertänigkeit Die Kinder auf­blickend zu dem Oberhaupt Aber eine neue wirt­schaftliche Ordnung an Stelle der kapita­ listischen   Unordnung wollen sie nicht! Der Besiz soll heilig bleiben; der Reiche soll

werden, aber hinterher und so gut es eben ging. Aus dem Preisausschreiben des ,, Vorwärts"

Das Familien leben ging oor die Hunde.

Als die Sozialdemokratie im Jahre 1891 bei der Reform der Gewerbeordnung im Reichstag   den elfftündigen Arbeitstag für Fabritarbeiterinnen und etwas mehr Gesundheitsschuß für Frauen und Jugendliche durchfegen konnte, wurde das Leben der erwerbstätigen Frauen und Mütter ein wenig leichter; wie schwer es aber auch noch bei 8- und 9ftündiger Arbeitszeit ist, weiß jede, die es dura, machen muß.

Je mehr der Kapitalismus   wuchs, je schärfer im Spiel der freien Kräfte" der Konkurrenz­tampf der Industrie und des Handels im eigenen Lande und auf dem Weltmarkt wurde, u'm so unbeständiger wurde die Existenz­grundlage der Arbeitnehmer und ihrer Familie Die Wirtschaftskrisen mit Arbeitsmangel, Lohndrud, Abwehrstreifs der Ge­wertschaften, Aussperrungen der Unternehmer folgten in immer fürzeren Zwischenräumen.

Arbeitslosenunterstützung durch Bersicherung, Staat oder Gemeinde gab es bis November 1918 nicht.

Nur die organisierten Arbeitnehmer hatten sich in ihren Gemertschaften Selbstversicherungen ge= schaffen, die in solchen Zeiten über die schlimmste Not meghalfen und im übrigen mußte die Frau durch Heim oder Betriebsarbeit den Familienunterhalt verdienen genau mie heute.

Die Frauenerwerbsarbeit stieg unaufhaltsam. Waren es 1895 noch nicht ganz sechs Millionen Frauen und Mädchen, die in Deutschland   ihr Brot selbst verdienen mußten. so waren es 12 Jahre später, 1907, schon fast neun Millionen und 1925 mar ihre Zahl auf 11,5 Millionen gemachsen, von denen 4,5 Millionen verheiratet oder verheiratet gewesen waren Für diese 4,5 Millionen hatte sich also das alte Familienideal des schützenden Heims nicht erfüllt. Und für die vielen Millionen, die mitverdienen müssen durch Heimarbeit aller Art oder durch Mitarbeit im fremden Haushalt und die in den obigen 4,5 Millionen eingerechnet sind, auch nicht.

und durch

Daß mit dieser Zunahme der Frauenerwerbs­arbeit bie Geburtenzahl fiel, ist für jeden Menschen eine Selbstverständlichkeit, der an der ungeheuren Belastung der Frau durch Berufs= arbeit, Hausfrau- und Muttersein nicht gedanken­los vorübergeht. Hier Ausgleich und Möglichkeiten zu schaffen durch Schwangeren Wöchnerinnenunterstützung, weitgehenden Schutz von Mutter und Kind, ist die Arbeit der Sozialdemokratie in der Gefeßgebung gewefen und der Erfolg auf diesen Gebieten ist ihr zu danken. Wenn sie einen Abbau durch die reaktionären Regierungen der letzten Bahre nicht hindern konnte, so liegt viel Schuld bei den Frauen, die bürgerliche Parteien in ben Reichstag und damit in die Macht wählten.

Natürlich wandelten sich unter diesen wirtschaft­fichen Verhältnissen die inreren Bedingungen der Ehe. Das alte Abhängigkeitsverhältnis der Frau nom Manne foderte sich in dem Maße, mie die

SONNABEND, 25. FEBRUAR 1933

herrschen über den Armen. Die Frauen sollen von den Arbeitsstellen entfernt werden. Dabei müssen Millionen Frauen arbeiten, meil die Männer feine Arbeit haben; müssen 2 Millionen Mädchen arbeiten, für die keine Männer vorhanden sind, meil der Krieg sie totschlug.

So vergrößern die Nazis den gegenseitigen Haß, der aus der Not ermächst; treiben sie Men­schen gegeneinander, die eine geschlossene Gemein­schaft zum Aufbau einer neuen, gerechteren Wirt­schafts ordnung seir sollten. Der alte Autori­tätsgeist soll neu erwachen in Familie, Staat und Wirtschaft. Blinder Gehorsam in Haus, Betrieb und Staat; lebermenschen und Untermenschen. Unser Ideal ist der freie Mensch, dessen Ber­antwortlichkeitsgefühl gegen alle die Grenzen jeines Handelns beftimmt.

Die Familien gemeinschaft aus der alle guten Kräften ihrer Mitglieder erwachsen, um sie in den Dienst des Ganzen 31: stellen. Die Mutter, die in stolzer Freude, ohne die drückende Sorge um Raum und Nahrung, ihr Kind empfängt und zum Lichte trägt. Es erzieht in Frohsinn und Ernst zu einem Glied menschlicher Gemeinschaft, deren Wohl ihm oberstes Gesetz ist. Der Vater, der Kamerad feiner Frau und feiner Kinder, Kampf­genosse seiner Klasse ist. Menschen, in denen die hohe Freude an ihrer Arbeit lebt, weil sie wissen, daß sie mit jeder Verrichtung dem Kulturfortschritt der Menschheit dienen.

Das alte Familienideal des Verjorgtseins in der Ehe hat der Kapitalismus gründlich zerstört. Die neue Familiengemeinschaft wächst auf dem Wege zum Sozialismus, kann sich erst zu ihrem flaren, hellen Glüd entfalten in der sozialistischen   Wirtschafts- und Ge­sellschaftsordnung. In dem Schaffen aller für alle liegt die neue Zukunft. die Arbeit und Brot für alle gibt. 2lle, die ersehnen, alle, die verzweifeln wollen unter den drüdenden wirt­schaftlichen und seelischen Lasten der Gegenwart, sollen sich der Sozialdemokratischen Partei ein­reihen und mit uns für die neue, die glüdliche Zeit kämpfen. Mädchen Frauen Mütter! Geht nicht den Irrweg zurück in die Nacht der Ver­gangenheit, steigt mit uns auf zu einem neuen Tag! Clara Bohm- Schuch  .

Zwei Mädchen von uns

" P

Greifen wir hinein in die Mappe, die die Einsendungen zum Preisaus­schreiben des Vorwärts" enthält, so finden wir genug Beispiele, die die Ausführungen der Genossin Klara Bohm- Schuch bestätigen. Für heute mögen zwei Arbeiten genügen, die einen Preis von je 50 M. erhielten, weil sie erschütternde Dokumente für die Not der Arbeiterfamilie und den dornenvollen Weg der weiblichen An­gestellten im kapitalistischen   System sind.

Ein Kriegskind

Ich erblickte am 13. Ottober 1914 als 5. Kind einer armen Proletarierfamilie dos Licht der Welt. An meiner Wiege schien die Sorge und der Hunger Bate gestanden zu haben, denn aus lauter Sorge und Hunger bestand meine Kindheit. Da meine Geburt leider in die Jahre des großen Krieges fiel, lernte ich meinen Water erst nach Be­endigung des Krieges fennen. Meine Mutter fannte ich nur als von Sorge um uns fünf Kin­der gebeugte Frau, die uns durch Zeitungs­austragen fümmerlich durchs Leben brachte. Während meine Mutter aus dem Hause war, waren mir kinder uns selbst über lassen. Da waren wir abends unsauber, so daß meine Mutter abends mit uns fünf Rangen ihre liebe Not hatte. Aber sie versorgte uns trotz der schweren Tagesarbeit mit sehr viel Liebe.

1918. Das große Morden ist aus und ich lerne zum ersten Male meinen Bater lennen. Aber nicht als gefunden Menschen, sondern als Krüppel Er der als gesunder Mensch hinaus­30g, fehrte als tranfer und verbitterter Mensch heim, unter dessen Launen mir schwer zu leiden hatten.

Dann famen meine Schuljahre, in denen ich wegen meines Namens von den Kameradinnen gehänselt wurde, was ich mit Prügel erwiderte, so daß ich bald als frech verschrien war, obgleich es fich nur um Notwehr handelte.

In der Zeit der Geldentwertung verlor meine Mutter ihre inzwischen auf der Boft erhaltene Stellung und meinem Vater wurde die Rente ge= nommen Wir standen vor dem Nichts, so daß wir die Wohlfahrt in Anspruch nehmen mußten, die uns wöchentlich 100 Milliarden be­milligte, wofür wir am nächsten Tage ein Pfund Salz bekamen. Diesen Saz erhöhte man uns trog aller Klagen mdt, so baß mir vollständig dem Verhungern preisgegeben gewesen wären, wenn uns mitleidige Nachbarn nicht zu essen ge­geben hätten.

Später wurde es besser. Meine Mutter und

mein Bruder hatten jetzt wieder Arbeit bekom­men und es fam wieder Brot ins Haus. So ver­levte ich meine letzten Schuljahre in etmas rofigerem Lichte als meine älteren Geschwister. Ich hatte inzwischen Anschluß an die Kinder­freunde gefunden und machte viele munder­schöne Fahrten mit diesen zusammen. Dann kam meine Jugend weihe, die einen feierlichen Augenblick in meinem Leben bedeutete. In einer größeren Firma wurde ich als Tippmamsell aus­gebildet. Zum erstenmal brachte ich etwas Geld nach Hause, worüber ich mich sehr freute. Die Lehrzeit wurde durch den Tot meines Bruders unterbrochen, der bei den Unruhen am 1. Mai in Neukölln bei einer Durchfahrt mit dem Rade erschossen wurde.

Bis jetzt habe ich noch Beschäftigung. Aber vielleicht merde auch ich in das große Heer der Arbeitslosen eingereiht werden.

H. Maschlock.

Vor dem Kriege geboren

Wir waren sieben Kinder. Vater verdiente die Woche zwanzig Mart. Das reichte nun natürlich nicht aus, um uns alle zu ernähren und alles andere davon zu bestreiten. Ich mar die älteste und sehr schwächlich. Einen Beruf konnte ich nicht anfangen. Ich mußte noch ein paar Jahre zu Haus bleiben und den Haushalt führen. Ich war 14 Jahre alt. Meine Geschwister waren alle viel jünger. Meine Mutter ist waschen gegangen, den ganzen Tag. Sie war dann abends so abgespannt, daß sie nichts essen fonnte. Die Stullen, die sie bekam, hob sie für uns auf, die haben wir abends gegessen.

Vater wurde eines Tages arbeitslos. O meh! Unterstützung gab es teine. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis er wieder Arbeit belam. Nun habe ich mir Stellen gesucht. Id; habe Zeitungen ausgetragen und Früh­stü d. Von dem Bäcker bekam ich dafür eine große Tüte Gebäck und jeden Tag 50 Pf. Nur den Mut nicht sinken lassen, dachte ich, es wird auch mal für uns eine bessere Zeit kommen. Aber was geschah da eines Tages? Mobil: magung Krieg. Meinen Vater haben sic genommen und einen Bruder. Sie mußten meg. Mutter betam num den ganzen Monat 40 Mart. Da ging es uns aber sehr traurig! Nun hatten wir erst menig zu effen und bald gar nichts mehr. Das schwarze Brot auf Marken. Alles auf Marfen. Margarine, Marmelade und fo meiter, mir maren alle fo unterernährt, daß wir es heute noch spüren.

-

So ging es mun nicht weiter. Ich mußte Arbeit suchen. Bei Stock, Marienfelde  , konnte ich an­

fangen als Munitionsarbeiterin Habe die Mordinstrumente herstellen miffen: Munen gedreht, Minen ausgeteffelt. Wie schmer wur diese Arbeit von früh morgens 6 1hr bis abends 6 Uhr oder umgekehrt in zwei Schichten, und Hunger und nicht fattessen! Ich mußte diese schmere Arbeit aufgeben, da ich törperlich voll­ständig heruntergekommen mar. Habe in einer Bulverfabrik angefangen und bin vom Regen in die Traufe geraten. Sprengkapseln für Hand­granaten mußte ich machen und mar Don den Menschen ganz abgeschlossen. Mein ganzes Geficht, die Hände waren quittegelb von dem Pitrin. Alles was ich, schmeckte gallebitter. Mein Arbeitsplatz war mit einem großen runden Gitter ummgeben. Einer durfte den anderen nicht sehen. Ein dicker Läufer lag. Den Pitrin mußten wir auf Millimeter in die Sprengfapfel brehen. Runter fallen durften sie nicht, sonst wären mir in die Luft gegangen.

Nun, Kopf hoch! Auch diese Zeit geht vorüber. Bater fam auf Urlaub. Mit ihm die Depesche, daß mein Bruder in Frankreich   gefallen ist. Ein furchtbarer Tag.

Schluß mit dem Krieg. Schluß mit den Mord­instrumenten. Eine neue Zeit fing an. Freiheit und vorwärts.

Aber wie sieht es heute aus? Vater und 3 mei Brüder schon seit Jahren arbeits= los. Auch ich bin arbeitslos.

-

Ein Abenteuer, das ich vor vier Jahren erlebte, hat mich sehr erschreckt. Als ich von der Gewerf­schaftsversammlung nach Hause ging, war es 12 hr nachts. Ich wohnte Marienhöhe, am Bahnhof Mariendorf   alles einsam Dort angekommen, lief plöglich vor mir ein großer, stattlicher Herr. Mir wurde unheimlich Ich merkte, er bleibt immer stehen. Ich will den Weg abkürzen und laufe den Durchgang durch, der durch ein Stückchen Feldmeg geht. Dachte mich badurch zu verstecken. Doch mit einemmal hielt mich der Mann am Arm. Er faßte in seine Hosentasche. Was er herausholte, sah ich nicht. Er packte mich mit belden Händen am Hals, drückte zu, daß ich fast keine Luft mehr bekam und riß mir die Sachen vom Leibe. Der Schweiß rann mir nur so. Plötzlich ließ er mich los und rannie davon. Ich war vollständig erschöpft. Mit einem Male stand ein Bahnwärter vor mir, der zmei große Blendlaternen bei fich hatte. Er era barinte sich meiner und führte mich nach Hause. Was ber frembe Mann im Schilde. hatte, weiß ich nicht.

Mein ganzes Leben ist ein Trauerspiel. Aber ich laffe den Stopf nicht hängen. Freiheit und pormärts in eine beffere 3eit! Else Poppe.