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ERSTE BEILAGE

Altes Weberhaus

Weber- Ehepaar

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AM

Vorwärts

WEBSTUHL

Stillgelegter Betrieb

DER ZEIT

Es wäre ihnen immer so leidlich gegangen, meinten die Weber von Now awes, allzuviel hätten sie allerdings nie in die Milch zu brocken gehabt, aber jetzt sei es doch wie abgeschnitten. Nicht die ältesten Leute können sich erinnern, jemals solche Jammer­zeit durchgemacht zu haben wie heute. Gut. Aber jeder Städter stellt sich doch unter einem Weber erstmal einen bitterarmen Mann vor, man denke nur an Gerhart Haupt­ manns   ,, Weber"?" ,, Diese Meinung über uns Weber kennen wir" antwortete der Ge­schäftsführer der Filiale Nomames des Deutschen Textilarbeiter- Verbandes. Ein Zufall hat es gefügt, daß sich das schlichte Büro in dem gleichen alten Weberhause befindet, in dem er als junger Mann noch am Webstuhl gesessen hat. Aber fährt er fort unsere Kollegen von Langenbielau und Peterswaldau   hatten es wohl auch besonders schlecht, bei uns mar es so: man konnte auf Jacquard- Muster mitunter 50 Mk. in der Woche verdienen und dann saß man auch wieder mit 12 Mk. in der Woche da. Manchmal rissen sich die Fabrikanten um uns und einer bot immer 10 Pf. mehr an Lohn für den Meter Stoff, ein andermal konnten wir uns die Hacken ablaufen und bekamen nicht einen Meter Arbeit. Es war ein ständiges Auf und Ab, aber heute geht es ja nur bergab."

Es war einmal

Da wir gerade bei den alten Zeiten sind: Nowames ist noch sehr jung, eine seit 1752 be­stehende Siedlung wegen ihres Glaubens ver­triebener Weber aus Böhmen  . In der Tschecho­flowakei gibt es noch ein Nowawes  ; manchmal velaufen sich deshalb die Briefe, sie fahren dann erst im Böhmerwald   spazieren, ehe fie nach Nowawes   bei Berlin   zurückfinden. Von diesen alten Weberhäusern stehen noch genug. In der Mitte war die Haustür und rechts wohnte eine Weberfamilie und links eine. Jede hatte zwei Stuben, eine große nach der Straße, da stand der Webstuhl und eine kleine nach dem Hof, da schlief der Weber und die Weberin. Die Kinder schliefen

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Krim  , heute eine Plüschart mit Loden und Kräufeln als Pelzersaz.) Je Meter erhält der alte Herr von seinem Fabrikanten aus Berlin   72 Pf."

4 mal 72 find 288 Kupferpfennige und das scheint selbst für einen 71jährigen alten Herrn ein magerer Tagelohn zu sein, aber, sagt man, so hätte die Partie bis in die neunziger Jahre nicht gestanden. Sondern die Frage lautete so: wer hatte 50 Taler zur Hand, wer konnte mit zwei Mann die 14 Tage Borbereitungsarbeit für neue Muster durchhalten, wer hatte 75 Mark für einen Jacquardstuhl und für Geschirr, Harnisch  , Lizzen und Blatt und allem anderen womöglich noch

neben dem Webſtuhl auf der Erbe befog Mode, sagten dieser Tage die alten Weber

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und

in der Dachkammer schließen die Gesellen. Durch die Dächer, ſchienen Sonne, Mond und Sterne, ,, Als ich noch Geselle war, damals in den neun­erzählt unser Gewährsmann

ziger Jahren

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da war ich eines Morgens vollkommen einge­schneit. Ich mußte erst den Schnee vom Bett fegen, so hatte es in meine Kammer geschneit. Manchmal waren bei uns in Nowawes   bis zu 800 fremde Gesellen, meist aus Schlesien  . Die Leute waren dann für 2,50 Mark in der Woche bei unseren Meistern in halber Kost und Logis. Also schlafen auf dem Dach oder besser gesagt unter dem Dach, morgens Kaffee und Schrippen und Mittagbrot. An Lohn gab es zwei Drittel vom Gesamtlohn, den der Meister erzielte. Ein Drittel bekam der Meister für Stuhl und Haus.. Das Fertigprodukt ging nach Berlin   an die Fabrikanten. Wieviel Tuch wir damals geschafft haben? Nun, ein Hausweber macht etwa 6 Meter Tuch pro Tag; ein ganzes Stück ist immer 36 Meter lang, so daß man an einem Stüd immer eine Woche zu tun hatte. Dazu kommen allerdings noch umfangreiche Vorrichtungsarbeiten. Der alte Kollege Schröder fikt heute noch an seinem Webstuhl, er schafft mit seinen 71 Jahren noch vier Meter Krimmer je Tag.( Krimmer ist eigentlich das Fell neugeborener Lämmer aus der

Letzter Zag

Wählerlisten einsehen

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Heute, Sonntag, ist letter Tag zur Ein­sicht der Wählerlisten. Kein Wähler darf versäumen, sich sein Wahlrecht zu sichern. Nur wer in die Wählerliste ein­getragen ist oder sich auf Grund seiner Eintragung einen Stimmschein hat aus­stellen lassen, kann am 5. März abstimmen.

Stimmscheine für Reisende

Wer sich am 5. März außerhalb seines Wohn­figes aufhält, lasse sich rechtzeitig durch die Ge­meindebehörde seines Wohnorts einen Stimm= schein ausstellen. Besonders wichtig ist die Besorgung von Stimmscheinen für Seeleute, für die Besatzung der Binnenschiffe, für Angehörige der Reichsbahn, der Reichspost wie aller Ver­fehrsunternehmungen. Auf Grund des Stimm­scheins tann in jedem beliebigen Stimmbezirk des Deutschen Reichs abgestimmt werden. Der Stimm­schein ermöglicht auch die Stimmabgabe im Reise­verkehr auf den größeren Durchgangsbahn­höfen sowie an Bord der für die Abstimmung in Betracht kommenden Seeschiffe.

einmal 75 Mark dazu. Wer das hatte, der konnte den Spizenpreis der Mode abfangen und 50 Mark in der Woche einstreichen. Wer zu spät tam, er= zielte dann nur noch 36 Mark und wer zulegt aufstand gar nur 25 Mark in der Woche. Es muß damals ähnlich zugegangen sein wie heute bei der Jagd nach dem Spizenpreis für Frühgemüse. Wer damals gar kein Geld hatte, der ging zum Pfarrer Koller, der pumpte dann 10 Taler als Einrichtungskredit. In den Wintermonaten war es dann mitunter sehr schmal; es mußte mit 6 bis 9 Mark die ganze Familie durchgebracht werden. Und diese alten Hausweber bildeten den Gründer­stamm des Deutschen Tertilarbeiter- Verbandes.

Das Trümmerfeld

So wie alle hatte auch der alte Michaelis in der Priesterstraße angefangen. Gleich das Nachbarhaus neben dem Verband. Heute existiert noch die Teppichweberei Michaelis u. Behrendt mit 200 Arbeitern. Dazu noch eine Garngesell­schaft mit 150 Beschäftigten, die Nezfabrik von Franz Klinder mit ebenfalls rund 150 Beschäftig­ten und dazu ein paar Kleinbetriebe. Das ist die ganze Textilherrlichkeit, die in Nowawes   noch übrig geblieben ist. Und Nowames hat es in 180 Jahren immerhin auf 29 000 Einwohner ge= bracht. Die nur noch mit ostdeutschen Grenzstädten vergleichbare, aber doch wohl beispiellose Verlust­liste der Textilindustrie von Nowawes   sieht so aus:

einst Beschäftigte rund Ad. Pitsch, Wollwarenfabrik.. 800 Norddeutsche Rammgarnspin­

stillgelegt

nerei( Lahusen) Jute- Spinnerei u. Weberei Seidenweberei Michels

700

·

4

"

500

A

.

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200 100

"

" 1

R. Hozat, Teppichweberei

Dazu noch eine Reihe kleinerer Betriebe. Nir­gends rührt sich mehr eine Hand, verlassen und verödet liegt das Fabrikenviertel von Nowawes  da. Als erster machte Michels zu, das war noch während der Rheinland  - Besatzung und hing damit zusammen. Da Michels Hoflieferant war, hatte er in Nowawes   einen Musterbetrieb errichtet mit Speise- und Baderäumen. Heute werden dort Schallplatten fabriziert. Anfang 1926 machte die Jutespinnerei ihren Betrieb zu.

Diese Stillegung, die mit Absatzschwierigkeiten gar nichts zu tun hatte, ist eines der trübsten Kapitel aus der Geschichte des Jutekapitals. Da fizen im Jute- Kartell ein paar Magnaten und je nachdem es ihre Quotenfämpfe erfordern, be­schließen sie eines Tages: das Wert Nowames wird stillgelegt und 500 fleißige Männer und Frauen fizen hungernd auf der Straße. Die Pro­duktion wurde nach Meißen   verlegt und jezt ist das Meißner Jutewerk mit seinen 600 Ar­beitern an der Reihe, von den Jutemagnaten ab­gewürgt zu werden. Wie damals Nowawes   würde nunmehr Meißen   durch die Stillegung wie von einer Katastrophe getroffen werden, ein ganzer Stadtteil wäre dem Ruin verfallen, aber der Profit und die Quote stehen den Konzerngewalti­

SONNTAG, 26. FEBRUAR 1933

gen höher als jene 600 Familienväter. 1928 schloß der Lahusen- Betrieb seine Tore. Ein an­derer Konzern wollte dann in den Räumen eine Weberei einrichten, aber das waren nun erst Athleten: als sie die Webstühle in die Arbeitssäle trugen, bog sich die Decke. Denn Webstühle sind schwerer als Spinnmaschinen, genauer gesagt, auf den Raum, der einer Spinnmaschine Plaz gibt, kommen vier Webstühle, die Spinnmaschine ver­teilt mehr die Last. Ehe jedoch die Decken gerade gebogen waren, hatte der andere Konzern bereits das Zeitliche gesegnet; es war die ,, Toga".

Und die Tuchfabrik von Adolf Pitsch ging 1928 mit 800 fleißigen Männern und Frauen zu Ende. Man wandelte noch den Betrieb in eine Aktiengesellschaft um und versuchte mit 200 Mann weiterzuarbeiten, aber das war Ende 1930 dann auch aus. Als sich schließlich der Nachfolger des alten Pitsch, der selber schon alte Levi einer Schuldenlast von 7 Millionen Mark gegenübersah, nahm er einen Revolver und schoß sich tot. Und der alte Hozat, der mal mit 100 Arbeitern die feinsten Teppiche knüpfte z. B. für die Riesen­fäle von Potentaten oder die Lurusdampfer des Lloyd und der Hapag-, dieser Mann läuft auf seine alten Tage herum und sucht Aufträge für Flickarbeit heranzuholen.

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Von den 29 000 Einwohnern der Stadt samt Säuglingen und Greisen sigen heute rund 6000 auf dem Arbeitsnachweis. Dennoch bekennen fich von den bisherigen 32 Stadtverordneten 16 zur Sozialdemokratie. Die armen Nowaweser werden sich auch am 5. und 12. März tapfer für die Frei­heit schlagen. Das ist gewiß.

Karl Marr 1883-1933

Gedenkfeier zum 50. Todestag

Die Sozialdemokratische Partei   ver­anstaltet am Montag, dem 27. Februar, im Sport palast zur 50. Wiederkehr des Todestages von Karl Marg eine große volkstümliche Feier. Die Gedenkrede: Der lebendige Marg hält Ge nosse Artur Crispien. Das Programm weist folgende Nummern auf: Beethovens Mufit zu Egmont"( Orchester). Karl Mary, Hymnische Dichtung von Wladimir Kirrilow, übersetzt von Mar Barthel. Das heilige Feuer, Männerchöre von Uthmann mit Orchesterbegleitung. Friedrich Engels   Rede am Grabe von Karl Marg, 1883. Sprecher Alexander Stein. Kampflied der Arbeit, Männerchor von Lendvai mit Orchesterbegleitung. Lied der Gemeinschaft, Gedicht von Max Barthel  . Trozige Faust, Männerchor von Otto Siegel  , Worte von Taefs. Aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx   und Fr. Engels  , ge­sprochen von einer Gruppe Einzelsprecher. Das Volk will..., eine Dichtung von Walter Dehmel  ( Sprechgruppe). Die Internationale von Deganter, gemeinsamer Gesang.

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Es wirken mit: Chöre des Arbeitersängerbundes, Berliner   Lendvai- Chor, Neuköllner Sänger­chor, Sängerchor Berlin   1900 sowie das Orchester des Berliner   Konzertvereins. Dirigent der Chöre und des Orchesters Georg Oskar Schumann.

Karten zu 50 Pf. und für Erwerbslose 25 Pf. find noch im Bezirksverband und an der Abend­taffe zu haben.

Für Freiheit, Volk und Sozialismus

Auf zur Massenkundgebung des Sozialistischen Kulturbundes am heutigen Sonntag vor mittag 11% Uhr( Einlaß von 10% Uhr an) in der Neuen Welt, Hasenheide. Redner: Kultusminister Grimme, Chefredakteur Stampfer, Dr. Kurt Löwenstein  . Einlaß 30 Pf.

Zeppelin- Weltfahrten

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