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Abend- Ausgabe

Nr. 98 B 41 50. Jahrg.

Rebattion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher A7 Amt Dönhoff 292 bis 29T Telegrammabreffes Gostalbemotrat Berlin  

Vorwärt

BERLINER

VOLKSBLATT

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Sozialdemokraten

2

MONTAG

27. Februar 1933

Jn Groß Berlin   10 Pf. Auswärts... 10 Pf.

Bezugsbedingungen and Angetgenpreife febe Morgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Mordüberfall auf Löwenstein  

Uniformierte SA.- Leute dringen nachts in die Wohnung ein acht Schüsse ins Schlafzimmer

Heute gegen 3,15 Uhr morgens wurde ein mörderischer Ueberfall auf die Wohnung des Reichstagsabgeordneten und Stadtrates Genossen Kurt Löwenstein   in der Geygerstraße in Neukölln verübt. Zwei uniformierte SA.- Leute drangen gewaltsam in die im 4. Stock gelegene Wohnung ein, sie feuerten zehn Schüsse in das Schlafzimmer ab und zerstörten das Arbeits­zimmer. Einer der beiden Verbrecher wurde vom Ueberfallkommando verhaftet. Die Polizei gibt den Namen des Verhafteten noch nicht bekannt.

Genoffe Löwenstein   gibt uns die folgende. Schilderung der Borgänge: Nachts gegen 3.15 Uhr wurden wir durch andauerndes Läuten an der Tür gemedt. Bir öffneten nicht, denn wir hörten, mie fofort heftige Schläge gegen die Tür erfolgten.

Wir riefen das Ueberfallfonimando an und ver bárritadierten die Tür unferes Schlafzimmers. Troz aller Rufe um Hilfe rührte sich niemand im Hause und auf der Straße! Baffanten, die die Hilferufe hörten, riefen lachend: das ist ein hysterisches Weib, das feit einer halben Stunde um Hilfe schreit. Bahr jcheinlich arbeiteten diese Leute im Einverständnis mit den Angreifern in der Absicht, jede Störung des Angriffs zu verhindern.

Die beiden Eindringlinge, die offenbar die Lage des Schlafzimmers gefannt haben, persuchten unn, ins Schlafzim mer einzudringen. Sie schossen mehr. fach durch die Tür, so daß im Schlaf­zimmer acht Kugeleinschläge sind. Mit wildem Gebrüll..Ihr Strolche tommt noch alle dran", schlugen sie immer wieder gegen die Schlafzimmertür. Einer der Eindringlinge ging ins Ar­beitszimmer, zerschlug dort Bücher schränke und Bücherregale, Stühle und Beleuchtungskörper.

Schließlich tam gemeinsam mit meinem Schwager das Ueberfallfommando an. Der eine der Eindringlinge lief die vier Treppen herunter, nachdem er seine Pistole unter den Treppenläufer im vierten Stod gestedt hatte. Er zeigte dem lleberfallfommando, wie fie durch die eingeschlagene Türfüllung gefrochen feien, troch wieder hindurch und schloß die Tür von innen auf. Er stellte sich, als ob er den anderen habe zurüdhalten wollen und sagte: Ich kann den Kerl nicht zurückhalten, der will den Löwenstein totmachen" Diefen Eindringling ließ das Ueberfalltommando laufen!

Der andere wurde noch in der Woh­nung festgenommen. Beide trugen

SA.- Uniform!

Die Eindringlinge haben die obere Füllung der Haustür zerschlagen und find dadurch ins Haus gelangt. Sie haben weiter die Türfüllung des Korridors eingetreten und sind durch die Lücke in die Wohnung hineingetrochen.

Wer ist Dr. Löwenstein? Dr. Rurt 85 menftein und feine tapfere Frau find in der legten Nacht wie durch ein Bumber bem Tode entgangen. Wer ist dieser Dr. Löwenstein, und welche Schandtaten hat er auf dem Gewissen, daß er in der Nacht von poli­tischen Gegnern in seiner Wohnung überfallen, belagert und mit dem Tode bedroht wird?

Genoffe Dr. Löwenstein, Reichstagsabgeordneter und Stadtrat, steht im 48. Lebensjahr und ist von Beruf Pädagoge. Er steht an der Spitze der Bewegung der Kinderfreunde, die das junge Geschlecht zu geistiger Wehrhaftigkeit

unter Ablehnung jeder rohen Gewalt erzieht. Er gehört zu den geistig vornehmsten Er­fcheinungen unferes öffentlichen Lebens und ist Meister einer Bolemit, die sachlich wirft, ohne persönlich zu treffen. Noch nie ist auch nur von feinen Gegnern behauptet worden, er hätte sich irgendeine rednerische Entgleisung zuschulden tommen lassen! Doch nie ist auch nur von seinen Gegnern der geringste Vorwurf gegen seine per fönliche Chrenhaftigtett erhoben morben! Nur mit feinen pädagogischen Grundsägen sind sie nicht einverstanden. Darum haben sie gegen ihn jene Heze getrieben, die jetzt, nach ungezählten Droh briefen, in einem Mordüberfall ihren Niederschlag gefunden hat.

Feige Presse!

Die B3. am Mittag", die fich neulich in Be­geisterung überschlug, weil Kriegshelden zu Polizeipräsidenten ernannt" werden, berichtet heute auf der ersten Seite über den japanischen Bormarsch in Dchehol und fiber die Banftrise in Amerika  . Auch von Berliner   Ereignissen wird eines für wert gehalten, auf der ersten Seite registriert zu werden, nämlich die Inbetriebseßung des neuen Bahnhofs Schöneberg  , die am Mittwoch erfolgen wird.

Ueber den Mordanschlag auf Löwenstein   berichtet fie auf der zweiten Seite in 16 Zeilen und in der unauffälligsten Form. Das Ganze wird wie ein nebensächlicher Erzeß behandelt, mit feinem Worte wird angedeutet, daß das Leben des lleberfallenen

Achtung! Einschalten!

Der Wiener   und die übrigen österreichischen Sender bringen heute, Montag, 18.30 Uhr, einen Vortrag von Benediff Kautsky: 3st Autarkie möglich?"

bedroht war. Bon politischen Hintergründen kein Wort.

Es ist also someit, daß eine gewisse liberale Bresse nicht einmal mehr das offenfundige Berbrechertum zu befämpfen wagt aus Angst, geschäftlichen Schaden zu erleiden. Auch dies ist ein Zeichen der Zeif.

Poesie und Praris

Wenn ich das Bort Kultur höre. dann entsichere ich meinen Brom. ning." So hörten mir es am Freitag durch den Rundfunk näfeln. Diese Gesinnungsäußerung, die ein Programm umschließt, entstammt dem Drama Schlageter". Berfasser ist der vom jeẞigen

System zum Intendanten der Staatstheater er­hobene Hanns Jobst Des Dichters Aug' in holdem Bahnsinn rollend? Der Mordüberfall auf Genoffen Löwenstein   erscheint als haargenaue praktische Ausführung dieses Grundfazes. Einer, der tm Banne der Johstschen Lebens­anschauung steht, hat in Verbindung mit der

Tätigkeit des Genofen Löwenstein das Wort Kultur gehört und schon hat sein entsicherter Browning geschossen.

Herr Johst tann mit Stolz feststellen, daß seine dichterischen Erleuchtungen in der Praris bereit millige Schüler finden. Welch ein Segen für die deutsche Kultur, daß diefer Mann Intendant der Staatstheater ist.

G2. besetzt Volkshaus

Die Polizei schützt die Eindringlinge! Breslau  , 27. Februar. Zwei SA.- Stürme besetzten am Sonntag in den späten Nachmittagsstunden nach einem Umzug der NSDAP  . das sozialdemo­fratische Voltshaus in Beuthen  . Die Nationalsozialisten hißten auf dem Dach des Gebäudes eine Hafenkreuzfahne.

Sie gaben die Erklärung ab, daß sie das Haus lebend nicht mehr räumen würden.

Am Abend nahmen Polizeibeamte vor dem besetzten Bolfshaus zum Schuh

Wolfs

Blatt

Die Spur der Braunen

Das Haus des Boltsblatts" in Gleiwiz wurde mit Sprengtörpern völlig demoliert.

der Eindringlinge Aufstellung. Bom Gleiwiher Polizeipräsidium war bis mitter­nacht eine Auskunft über den Vorfall nicht zu erhalten. Die Beuthener Hakenkreuzler ver­breiten die Nachricht, daß neun Eierhand­granaten und eine Menge fommunistischer Jerjehungsschriften von ihnen im Bolfshaus gefunden worden seien. Mit diesen Aus­ftreuungen will man scheinbar verhindern, daß das Boltshaus seinen rechtmäßigen Eigentümern wieder übergeben wird!

Kriegsbild aus Altona  

Hamburg  , 27. Februar. Altona   war am Sonntag der Schauplah eines Aufmarsches der gesamten S2. und SS aus Süd- Schleswig- Holstein, Hamburg  und weiteren Gebieten Norddeutschlands. Ueber­all hinterließen die Anhänger der gegenwärtigen Regierung Spuren ihrer Anwesenheit. Während ihres Aufmarsches wurden zahlreiche Per­jonen verleht. An und vor den Verkaufs­läden der Konjumgenoffenschaft, die auf dem Marfch passiert wurden, hausten die aufbauwvilli­gen Kräfte wie Bandalen.

Jn offensichtlich provokatorischer Absicht waren zu dem Aufmarsch wieder die Straßen des Alt­stadt- Gebietes und der Arbeiterviertel gewählt worden, wo sich bereits im Sommer vorigen Jahres blutige Ereignisse abgespielt haben. Schon in den frühen Morgenstunden des Sonntag wurde das ganze Gebiet von starten Polizeikommandos befeht. Fast alle Beamte waren mit Stahlhelmen und Sandgranaten ausgerüftet. Auf den Dächern zahlreicher Häufer waren ebenfalls Polizeipoffen mit Maschinengewehren aufgestellt worden. Panzerwagen durchfahren die Stadt Bor dem kommunistischen   Parteibüro, an dem der SA.- Aufmarsch vorbeiführte, wurden

Heute, Montag, 1930 Uhr, Sportpalast

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