Einzelbild herunterladen
 
  

ZWEITE BEILAGE

Ü

DIENSTAG, 28. FEBRUAR 1933

Wichel de Wonlaigne Zu feinem 4100. Qeburlstage/ Von Stermann Wendel

Der kühne Denker, der, am 28. Februar 1533 geboren und MicheldeMontaigne zel)eiben. durch seine vier Bände..Essais " oder..Der- smi>e" einen der gröhten Namen in ber sranzösi- schen. ia, in der Weltliteratur errang gab sich im Politischen gern storkkonleroativ. Umsturz? Bürger- krieg? Revolution? Um chimmelsroiueni Unter. tan sein der Obrigkeit pries er als erste aller Tugenden und predigt» Achtung vor den Gesetzen. nicht wel, sie gut. sondern weil sie Gesetze waren; bei einer gewaltsamen Umwälzung rauschte man nach seiner Meinung einen Zustand, der vielleicht n.chts taugt«, gegen einen anderen ein, von dem man nicht wußte, ob er besser war Daß die Gegenwart allen Lobes ermangelte, blieb Man- taign« nicht sreind, da Frankreich von Macht- kämpsen unter religiöser Berkleidung zerrissen wurde, seuszte er über die.kranke Zeit", aber er hielt sich abseits und nahm nicht Partei; er war k in mutiger Bekenner wie sein jüngerer Zeit- gmosi«. der Dichter Azrippa d'Aubignä, der cls eingefleischter hugenottischer Ketzer viermal zum Tode verurteilt ward« und in der Derban- l'.ung starb; der behagliche Lebensgemeßer Man- ! a i g n e verspürte keinerlei Sehnsucht nach Galgen und Scheiterhause». Don Drang nach öftentiicher Betätigung lebte nicht» in ihm; den ehrenvollen Posten des Bürgermeisters von Bordeaux , den er vier Jahre bekleidet», mußte man ihm ausnötigen, und richtig wohi fühlt« er sich nur. wenn er sich ein ganz privater Mensch, in seinem Schloß Montaigne in Pörigord hinter Lücher- mauern verschanzte und all-n Scharfsinn seines beweglichen Geistes in seine..Essais " einströmen ließ; wichtiger, ei» wohlgeformtes Buch zu hinter­lassen als ein gutgeratenes Kind. Aber da Montaigne trotz sein z feudalen Namen» im Bürgertum wurzelte dos Der- mögen, das der Familie Adelssttz und Adelstitel verschaffte, hatte sein Großvater durch den Handel mit gesalzenen Stockfischen erworben, führt ihm die bürgerliche Auflehnung gegen die überkommen«. noch halb mitte!oli«rlich« Welt bW Fc�-r. Schon daß er der erste und ausgesprochenste Ichmensch seines Jahrhunderts war,«ß seil« amüsanten und glänzend stilisierten P audereien > nur um die Achse seines Ich» kreisten. d>.ß er sein eigenes Wesen belauschte, behorchte, bejchlich. um Vi) selber aus die Spur zu kommen, lag(u.i dieser Linie. Denn wenn die seudal-absolutistisch Ord- nung nur Stände kannte, stellt« die bür;>,rlich« Gesellschaft eine Vielheit von Individuer von Einzelwesen dar. Den Menschen derart, vor allen Bindungen losgelöst, ois einzelnen zu nehm, n und den Rückzug auf da? eigene Och als da» töchste Glück zu verkünden, wie es M o n t a i g n ohne Unterlaß tat, grenz,« im IS. Jahrhundert schon fast an revolutionäre Gesinnung. Zumal da er über seiner ur erbittlichen Selbst- beobachtung n'cht zur Erkenntnis ewiger Wahr- heilen gelangt«, außer der einen, daß es keine ewigen Wahrheiten gib Sein Spott trai dl« anerk-.nnten und abgestempelten Philosophen, die von einem göttlichen, einem Naturrecht schwatzten. Zeichen eines Natur-echt», das der eingeborenen Natur de» Menschen entsprach, war doci) wohl die allgemeine und allseitige Aner» kennung. In Wirklichkeit hatten jede Zeit, isde» Land, jedes Volk ihr eigenes Recht, ihre eigene Sitte, ihr« eigene Wahrheit. Eine unveränderlich«, «ine ewige Wahrheit, wenn sie jenseits der Bergs schon als Lüge galt? Laßt euch nicht auslachen! ..Nichts ist", stellte Montaigne fest,steter Vewegung so unterworfen wie die Gesetze: seit meiner Geburt habe ich sie bei unseren englischen Nachbarn dreimal oder viel mehr wechsln sehen. nicht nur auf politischem Gebiet, wo man B«- ständlgkelt nicht voraussetze 1 kann, sondern im Wichtigsten, nämlich der Re tgion" Der mit der tlasstschen Bildung de» Humanismus Gepanzerte schüttelte auch Beweise au» der alten Geschichte und der lateinischen und griechisaien Dichtung nur so aus dem Aermel. umdieR latioitätaller menschlichen Erschein ingen und Ein- richtungen darzutun; welche Posten er auch zusammenzählte, Endergebnis blieb da» achsel- zuckend«: W a, weiß ich?, da» kwr Wappen­spruch seine» Wertes war. So leicht und sast frivol, so weltmännijch und lächelnd sich dies« Skepli» auch zeigte, vor ih»-m: Wa» weiß ich? zerbröckelten oll« Autoritäten Me nur durch blinden, dogmatischen Glauben zu de- stehen vermochten. Riemal» mischte sich Man- taigne unter die reformierten Ketzer: all» katho- sischen Gepflogenheiten macht« er mit di» zu der ?tzten. bei seinem Tob«, der ihn am 13. September 1 02 ereilte, eimn Priester zu bemühen. Gleich- m. hl oerraten die..Essais ", daß er im Grund« sürer Seele ein fröhlich z o tt l o j e r Heid« uar Gr durchschaut«, daß die Götter nichts als > Zpiegelbilder menschlichen Sinnen» und Trachten» oaren; für die Philosophie hotte sein» Welt» rnschauung, di» er freilich nie in ein ge'chlösiene« System zusammenfaßte, ein warme» Plätzchen. teine» für die Religion Darum feierte ihn oo den konsequenten Materialisten des 18. Jahr­hundert» de Ia M e t t r t e als den ersten ftran- zolin, der es gewagt habe, zu denken und wäh- rend der Reoolution nel Camille De»moulln,

in seinemBleux Tordelier" als er von dem nahen schönen Tod" des Katholizismus schwärmte, den Verfasser derEsiais" als Schwurzeugen an. da er die Kirchen als Anstalten sür Schwachsinnige betrachtet habe, die man bis zur allgemeinen Ver- brestung der Vernunft bestehen lasten müste. aus Angst, daß sonst die Narren tobsüchtig würden Aber auch irdische Dinge, an denen kaum ein Zeitgenosse zweifelte, löste dieser Zerdenker er- erbter Wertbegrisse im Scheidewasser seines Zweifels auf Die Rechtspflege, käuflich und verderbt, wie sie war. hatte keinen Bestand vor

seinem prüfenden Auge, er verwarf Folter und Todesstrafe, und der Krieg dünkte ihn ein schreckliches Uebel. eine Pest der Menschheit. Der seines Steinleidens wegen die Väder der Schweiz . Deutschlands und Italien » aufsucht«, liebte es, zu reisen, weil es eine sehr nützliche gegenseitige Rei- bung der kjirne mit sich bringe und sein Denken war ganz kosmopolitisch:.Lch schätze all« M e n- schen als meine Landsleute und drücke einen Polen wie einen Franzosen an die Brust. denn der allgemeinen und gemeinsamen Bindung ordne ich die national« Bindung unter." Leicht ge-

neigt, die ganze Gesellschaftsordnung, die Zivili- jor.on als solche zu verneinen, bestritt er seines­gleichen sogar das Recht, die Wilden Wilde zu he:ß«n. weii sie andere Sitten und Gebräuche halten. Di« Erzählung von einem Besuch dreier loicher Kannibalen oei Karl IX in Rouen benutzte er. einen seiner spitzesten Pfeile von der Sebne zu schnellen, er berichtete, sie hätten aus die Frage, was ihnen bei den Weißen am meisten ausfalle, geantwortet: daß es hier Menschen gebe, voll- gepfropft mit allem Luxus, und andere, bettelnd an deren Tür, abgezehrt von Hunger und Armut, .und sie fänden es merkwürvig. daß diese Be- dürftigen eine solche Ungerechtigkeit duldeten, an- statt die anderen an der Gurgel zu packen oder Feuer an Ihre Muser zu legen". Der in der Betrachtung der meisten Dinge seine Zeitgenosten weit hinler sich ließ, rührte hier..i� keineswegs konservativen Sinn an die soziale Frage kommender Jahrhunderte.

Wo i|l die Rechnung? Humoreske/ Ton Ztiis lUüller Marienkirchen

So leicht vergesse ich die erste Mathematitstund« nicht. Der Professor kam hereingejchossen wie zu einem Sturmangriff Aus einem verknitterten Gesicht sah ein böse» Auge:Ich weiß es", schrillte er,Mathematik liebt man nicht. Ich seh's euch an, am liebsten tilgtet ihr sie au» dem Stunden- plan. Well sie unbequem ist. Weil sie alle anderen Fächer überragt. Wa» ist Deutscher Aufsatz! Phrasendrescherei Was ist Beschichte? Kaleido­skop für Kinder. Wa» ist Geographie? Flüste, welche heute so und morgen anders laufen. Be- stand allein hat meine Wistenfchaftl Was sind Lehrer anderer Fächer? Maurer. Bestenfalls Poliere. Der Mathematiker allein Ist Architekt. In das Herz der DNnge sieht er. unerbittlich ist er. Der erste in der ersten Bank. Begreifft du da»?" Nein", sagte der Hausmann. ./sah' ich mir gedacht", höhnt« der Schrillende, .cher zweit« rn der dritten Bank, versiehst du es?" .La", sagt« der Schwegerl. Der Schrill« wurde milder: ,F>och einer. Kinder, haltet sest: Wenn ihr heut« vor den Richtersbuhl des Höchsten trätet und er fragte euch:Was stt gewiß?" was gäbst du ihm zur Antwort, Hausmann?" N ntchts", sagte Hausmann. ..Mb' ich mir gedacht. Und was gäbst du zur Antwori, Schwegerl?" Die Mathematik." schön nun wollen wir ins Reich der Zahl eintreten, wo die Logik herrscht und jeder Irrtum auc-geschiosten ist. Alles lügt, nur wer lügt nicht. Hausnwnn?" 3 ich." Unsimr!" Sie." Blödsinn! Schwegerl, wer lügt nicht?" ,L>>e Zahl." Gut, Schwegerl, lies die Regeldetriaufgabe auf Seit« dreizehn." 3Ü0 Maurer bauen einen Palast tn 270 Tagen de, neunstündiger Arbeitszeit. Wieviel Maurer

bauen den gleichen Palast in 30 Tagen bei zehn» stündiger Arbeitszeit?" .chausmamr, weißt du, wie man das heraus- bringt?" Man man probiert's." Was probiert man?" Dos Bauen." Rettungslos! Schwegerl, an die Tafel, zeig's ihm." Der Schwegerl zeigte es ihm an der Tafel mit hageldichten Kreidezifsetn: 2430 Maurer . Siehst du, Hausmann, so was braucht man nicht probieren, so wa» macht man aus dem Hand- gelenk und haargenau mit Zahlen, die' nicht lügen" ergänzte Hausmann gehorsam, aber mit einem heimlichen Zwinkern in den Augen,darf ich noch was sragen. Herr Professor?" Fragel" M u ß das Resultat bei allen eingesetzten Zahlen stimmen?" Wie oft muß ich dir noch sagen: Zahle» irren nicht!" Und wenn man den Palast tn in einem Tag« bauen wollte, Herr Professor?" So braucht man eben soviel Leute mehr. Ein- mal wirst du'» doch begreifen an die Tasel!" Hausmann ging an die Tafel, rechnete und verkündete:In einem Tage wird der Palast gebaut von zweiundsiebzigtausend neunhundert Maurern." Stimmt", sagte der Schwegerl. .Am', sagte der Prosefsor. Und in einer Stunde, Herr Profestor, nein in einer halben?" Schwegerls Kreide hagelt«:Sine Million vierhundertachtundfünfzigtau'end Maurer" ver- kündet« er. Darf ich noch was sragen, Herr Professor?" sagte der Hausmann scheinheilig. Wir kommen jetzt zu anderen Dingen", sagt« der Profestor eilig. Ob ich noch was fragen darf?" beharrte der Hausmann.

Friedrich tberl »um Qed&chlnis an feinen Todestag am 28, Sebruar 1925 Wir tragen alle da» gleiche Gewand, Und keiner ist geringer unter den Brüdern; Denn alle sind wir geboren unter der gleichen Sonne. Wer mehr sein will alt der andere, Optert den Göttern der Vergangenheit. Gleich Redliche» tun, da» eine, wat dich grofi macht und deine Gestalt schönt, deutsche Republik, Ist uns gegeben, Und tausend Bautag' hinzu für die ewige Heimat: Recht und Freiheit(Ur allel So wie der Genius einherführt alle großen Gedanken der Ueber die deutsche Erde, Menschheit Und der Wind tränkt Glauben und Träume: So ist's einer aus der Masse, Der aufwächst im Tal und mahr gibt, alt er genommen, Nämlich alles, sein Leben, teine Kraft Für uns.~i Einer von den vielen, der Betten einer, Voll Hingabe, selbstlos und treu: Nicht Worte gibt et. dies Herrliche zu preisen! Er gab dem Volk, wat des Volkes Ist, Damit es ordne seine Geschicke selbst Und Richter sei über Gerechte und Ungerechte. So ward er der rechte Steuermann In des Reiches Gefahr Friedrich Ebert , erster Präsident der Republik! Millionen Herren schtuoen für fhn; Gedenken wir, nicht d»ß wir trauern. Auch uns ist h*« beschenkt, Ein Tun In Tapferkeit und Traue. Weither a. Oeehiieweki

Die ewige Fragerei! was noch?" In der Geschichte haben wir gehabt, daß an einer ägyptischen Pyramide oft viele Königs- geschlechter gebaut haben." JKa, und?" Wenn an unserm Palast 430 Jahre gebaut worden wäre, kann man da auch die Maurer- zahl...?" Natürlich kann man wir kommen jetzt zur KeUenrechnung, Kinder* Können wir nicht vorher die 450 Jahr«* Ich hab's!" schrie der Schwegerl, der'» schon vorgerechnet hatte, ,Mr Palast würde in 450 Jahren von von Er stockt«. Hausmann sah ihm ins Heft und ergänzte ehern: ,won Rull Komma fünf Maurern gebaut werden." Der Proststor wurde neroös. Gut, daß es läutete. Wa» der Hausmann und der Schwegerl mit» einander in der Pause disputierten, ist eine Ge­schichte für sich. Nur meinen Traum in dieser Nacht muß ich noch erzählen. An einem Palast sah ich eine Million viermal- hundertachtundfünszigtausend Maurer bauen. S:e wuhrllen durcheinander, untereinander, übe:« i- ander. Sie traten einander auf die Huhne: aug«" Sie schrien und. ichwangen ihre Mörtelkellen. Ein furchtbarer Kamps drohte auszubrechen. Da er- schien auf einmal ein einziger Maurer, nein, ein halber Mautsr:»Ihr seid entlasten. Ich allein werde den Btu ausführen." Wie!" brt llten die anderthalb Millionen Maurer,.chu du allein?" 3a, ich kann in der bewilligten Bauzeit das- selbe leisten wie chr all« zusammen" Er ist verrückt völlig oerrückt!" Ich bin nicht oerrückt", sagte gemesten der halbe Maurer,ein Mann aus dem Weste» ist zum Pharao gekommen und hat es ihm berechnet." »Wo wo ist die Rechnung?" Da hob der halbe Maurer«in Blatt Papier in die Höhe. Ich konnte es im Traume deutlich sehen. Unsere legt« Regelditriausgad« stand darauf. Und unterschrieben war sie mit: Theobald Kienzel» mann, Professor und vbermaurer am Ludwige- gymnastum in München . Da ergrifs die anderthalb Millionen Maurer ein fürchterlicher Zorn und sie erhoben sich und Gut, daß die Mutter mich gerade weckte.

ZfCiflorffche VHnfaluren D i e treffende Bibel stelle. Pius IX. , der große Gegner Bismarck » im Kulturkampf, der während seines Pontifikat» wohl die schwersten Kämpfe gegen revolutionäre und staatliche Mächte zu sühren hatte, von denen die Geschichte der neueren Päpste weiß, und der die Sache des Katholizismus mit Festigkeit und Ener- gie zu vertreten wußte, war im Privatleben ein welcher und gutmütiger Mensch. So bracht« er es zum Beispiel nicht über sich, auch nur einem der zahlreichen sungen Maler, die ihn porträt'eren wollten, eine Absage zu erteilen auch dann nicht. wenn der betressende Künstler von der Muse nicht eben gesegnet war. So hatte ihn denn wieder einmal«in wenig hoffnungsvoller Jüngling der edlen Malkunst tonterfelt, und man konnte nicht behaupten, daß da» in schreienden Farben prangend« Bildnis ähnlich geraten war Dennoch bat ih» der Maler, das Bild mit einer persönlichen Widmung zu ver» sehen er hoffte, daß die Unterschrift de» Papste » seine Karriere fördern werde Piu» IX., der sich über die mangelhaft« Qualität de» Werte» vollkommen im klaren war. weigert« sich zunächst, tonnt« aber dann dem inbrünitige» Bitten doch nicht widerstehen. Heiter lächelnd schrieb er unter da» Bild: Eo Marci, Kap. 8. Ber» 50 Pius lX." Freudestrahlend eilte der Künstler noch Haufe, schlug erwartungsvoll seine Bibel aus- und las: Ich bin«s, fürchtet euch nicht! Pius IX." Mecfcer.