ftt« zu holten— durch da? gleichzeitige Abhalten von ver»sammlungen mit sensationellen Referaten— mar sie überauszahlreich besucht und hatte einen gute» Verlauf. Die Referateder Redner Henri Polak und Dr. P. I. T r o e l st r awurden mit begeisterte», Beifall aufgenommen. Bei dieser Ge-legenheit hat es sich unwiderleglich gezeigt, daß unsere Prinzipienunter den Amsterdamer Arbeitern imnier mehr Anhang gewinnen.Polizeiliches, GerichtlichcSlzc.Der Redakteur der„Niederrheinischen Volks-tribüne" in Düsseldorf, Genosse W e s s e l, war derBeleidigung des Fabrikanten Ernst Springornm angeklagt; dasLandgericht sprach ihn kostenlos frei.— Wegen Beleidigung des Rechtsanwalts Schütte inHalle war der frühere verantwortliche Redakteur des dortigen„ V o lks b l a tt s Genosse Franz Lehmann, vomSchöffengericht zu 1 Monat Gefängniß, sein Gewährsmann,Tischlermeister Franz Gröber, wegen verleumderischer Be-leidigung nur zu 1 Woche Gefängniß verurtheilt worden, weilsie dem genannten Rechtsanwalt den Vorwurf der Akten-fälschung und der Gebührenüberhebung gemacht hatten. DasLandgericht als Berufungsinstanz vernrtheilte beide Angeklagtezu je I Monat Gefängniß, den Tischlermeister jedoch nicht wegenVerleumdung, sondern, wie Lehmann, wegen Beleidigung nach§ 186 des Straf- Gesetzbuchs; beiden wurde zugebilligt, daßsie in gutem Glauben gehandelt haben. Die Kosten der Be-rufung sind betreffs Lehmann's der Staatskasse auserlegt. Gröberhat die seinen selbst zu tragen. Dem Rechtsanwalt Schütte istdie Publikationsbefugniß zugesprochen.— In Essen wurde am 12. September eine Versammlungpolizeilich aufgelöst als Genoffe H u e die Berichte kritisirte,die die bürgerliche Presse Essens über den Londoner inter-nationalen Kongreß gebracht hat. Am letzten Sonnabend fandnun die Forlsetzung der aufgelösten Versammlung statt. GenosseKohns berichtete, daß er wegen der Auflösung persönlich Rück-spräche mit dem Ober-Bürgermeister Herr» Z w i g e r t genommenhabe; derselbe sei, trotz Durchsicht des amtlichen Protokollsder Versammlung vom 12. September er. nicht in der Lagegewesen. einen Grund für die Auflösunganzugeben. ebenso nicht der zuständige Polizei-kommissar. Ans die Beschwerde Kohns, warttm mankeine fähigen Beamten als Ueberwachende delegire, habeder stellvertretende Bürgermeister erwidert: Wir können sie unsdoch nicht malen! Das spricht Bände.— Nun, die Versammlungwar stark besucht, dafür Dank der Polizei. Nach einem Referatdes Genossen H u e über die Presse, wurde ein für den GothaerParteitag bestimmter Antrag angenommen, der eine Bekämpfungder sog.„unparteiischen" Blätter bezweckt. Als D elegirterzum Gothaer Parteitag für den Wahlkreis Essen wurde KarlSelbeck aus Werden a. d. R. bestimmt, als ErsatzmannJoseph Schröter ans Steele. Zum Kreisvertrauensmannwählte man den Genossen Wilhelm Oskamp aus Essen.— I» Schwerte in Westfalen hatte Genosse K ö st e r amI. August die Spedition der„Rheinisch-W-stsälischen Arbeiter-Zeitung" und de» damit verbundenen Vertrieb sozialistischerParteischriften bei der Polizei angemeldet, das nach der Gewerbe-Ordnung vorgeschriebene Verzeichniß eingereicht und den erforder-lichen Legitimationsschein erbeten. Die Polizeiverwaltung hatnun die Aushändigung dieses Scheines von der vorherige» Ein-sichtnahme der zirka 26 Druckschristen abhängig gemacht undKöster aufgegeben, je ein Exemplar der 20 Schriften aus derPolizei zur Einsicht vorzulegen. Hiergegen legte Köster Be-schwerde beim Regierungspräsidenten in Arnsberg mit der Be-gründung ein. daß dieses Verlangen nach der Gcwerbe-Ordnungnicht gerechtfertigt und es Sache der Polizei sei, sich selbstKenntniß von den, Inhalt der Schriften zu verschaffen. Die Be-schwerde wurde für begründet erachtet und der Legitimations-schein erlheilt._GetoevksÄMNlirlzes.An die Buchbinder Deutschlands!In folgenden Werk st üben Berlins wird ge-streikt: Lüderitz u. Bauer, Mauerstraße: Vogt u.Sohn, Kochstr. 7; Bollsras n. Apel(Jnh. Kammer),Petristr. 4; Lein, Kronenslr. 7; Frentsch, Wallstr. 11;Karl Schreiber, Sebastianstr. 16; Leo Simson,Spandauerstraße 72; Zach, vormals Matern, Scharrn-straße 18; Stein, Rilterstraße 34; He r m. Franz,Steglitzerstraße 7: Otto Viehler, Wilhelmstraße 20;Kirchner u. Schwedthelm, Prinzessinnenstr. 17; Ed.Jost, Jägerstr. 4; Karl Rechlin, Engel-Ufer 3; S e l m a rBayer. Dresdenerstraße; Alexander Weber, Linden-straße ö3; Bernhard Paul, Wilhelmstr. 22s.; Büxen-stein, Friedrichstr. 240; W i l h. S ch l e i s i n g, Reichen-bergerstraße 24; C. L e w i n s o h n, Fehrbellinerstr. ö4;A. Weich ert, Andreasstraße; A. Franz, Kursürstenstr. 42;M o n n i e r, Königin-Augustastr. 13; Imberg u. L e v s o h n,Alte Jakobstr. 64»; August Reim an», Mauerstr. S3;E i n b r o d t u. Kalb, Alte Jakobstr. 86; Alexandern. Bernhardt, Mohrenstr. 42; A. D e m u t h, Mohrenstr. 58;Max Krause, Beuthstr. 7; Gebr. Gruner», Juukerstr. 16;S i t t e n f e l d, Mauerstr. 44.Zuzug ist streng fernzuhalten!Die Lohnkommission.Achtung, Vergolder! Seit 16. September stehen 17 Ver-golder der Firma Heinsius in Grabow i. M. imStreik. Es wurden dort äußerst niedrige Löhne gezahlt. Soerhallen z. B. die Bergolder 15 M. und die Berufsgenossen 9 M.,10,50 bis 12 M. Wochenlohn. Die Arbeiter habe» nach sorg-fältigen Erwägunge» den Prinzipal ersucht, diese Wochenlöhneum 20 pCt. aufzubessern, ferner forderten sie den Zehnstundentag,sowie einen Ausschlag von 10 Pf. für die Ueberstnnden. für welchebisher nur 2 Pf. mehr gezahlt wurde. Diese Forderungen wurdenvon dem Unternehmer mit dem Bemerken abgelehnt, er lasse sich ausnichts ein, die Arbeiter könnten machen, was sie wollen. Dasomit der Weg gütlicher Verhandlungen ausgeschlossen war, habendie Kollegen am 16. September einmüthig die Arbeit niedergelegt.Der Geist der Streikenden ist gut, Streikbrecher sind nicht vor-Hände». Es ergeht nunmehr an die Kollegen Deutschlands dasdringende Ersuche», streng für Fenihaltnng des Zuzuges sowiefür materielle Unterstützung zu sorgen. Etwaige Unterstütznngensind an den Unterzeichneten zu senden. Der Vorstand des Ver-dandes der Vergolder Deutschlands. I. A.: Franz Nary,Vorsitzender, Berlin S.v., Oppelnerstr. 43.Achtung, Schuhmacher! Der Streik der Ball.schu Harbeiter dauert unverändert fort. Der Geist unterden Streikenden ist gut. Beivilligt haben bis jetzt Leiser,Kaiserstr. 6—7. Brohm, Weberstr. 60, Gerlach, GroßeFrankfnrterstr. 73. K u n e r t. Große Frankfurterstr. 60. Kollegenallerorts, wir bitten Euch, uns in unserem gerechten Kampf« zuunterstützen. Alle Sendungen sind zu richten an C. Will,,« r,Schilliugstr. 24, in, Restaurant. Die Agitations-Kom-Mission der Schuhmacher Berlins.Achtung, Schuhmacher! In der Schuhfabrik vonT e s ch» e r u. L ü d e r i tz in Berlin. Nene Frledrrchftr. 87,sind Differenzen ausgebrochen, weshalb sämmtliche Arbeiter dieArbeil niedergelegt haben. Zuzug ist streng fernzuhalten. I.A.:Die Agitationskommission.Achtung, Glaser Berlins und Umgegend! In der Be-kanntmachung vom 22 September muß es heißen: Auerbachu Co., Halensee. hat nicht bewilligt. Bleislein(InhaberI Schmidt) und G r e g o l e i t, Markgrafenstraße, haben be-willigt. Wir ersuchen die Kollegen, uns stets umgehend Mit-theilung zu machen, wo Bewilligungen eingetreten oder wiederzurückgezogen sind. Die Slreikkoinmission. I. A.: W. Starke,Boeckhstr. 34.Verantwortlicher Redakteur: Wilhelm Schröder, Berlin. FürDer BerbandStag der Schuhmacher ist am 21. Eep-tember auf dem Bunten Bock in Kassel eröffnet worden. Essind 29 Delegirte anwesend. Zu Vorsitzenden wurden gewähltKölker aus Hamburg und Appel aus Stettin. Die Tages-ordnung wurde wie folgt festgesetzt: 1. Die Lage und Organi-sation der Schuhmacher in Deutschland. Referent Bock ausGotha; 2. Die Lohnbewegung in der Schuhindustrie von 1894bis 1896, Referent Markus aus Erfurt; 3. Wahl eines Ver-träuensmannes resp. Schiedsrichters in Streikangelegenheiten;4. Anträge aus der Mitte der Versammlung.Die Agitationskommission der deutsche» Gastwirths-gehilfcn wird demnächst mehrere Agitationstouren ver-anstallen.In der Dachpappen- und ASphaltfabrik von H. C o n s-b r u ch in Altona-Ottensen ist ein Streik ausgebrochen.Die Arbeiter hatten von Herrn Consbruch gefordert, er mögedrei gemaßregelte Kollegen wieder einstellen und dafür sorgen,daß dem Personal bessere Behandlung seitens des MeistersKrüger zu theil würde, oder diesen entlaffen. Die Antwortdes Herrn Consbruch war, daß er Arbeiter annehme und ent-lasse, wie es ihm passe, und daß er sich auf nichts entließe. Darauflegten sämmtliche Arbeiter die Arbeit nieder. HerrConsbruch sucht nun Ersätzkräfte von Berlin heran-zuziehen. De» Berlinern diene daher noch zur Kenntniß, daß dieArbeitsverhältnisse in Ottensen überhaupt viel zu wünsche»übrig lassen, sowohl was den Lohn als was die Arbeitszeitbetrifft.In Köln hat die Verwaltung der Kölner B a u m w o l l-spinnerei und Weberei, wo ca. 200 Arbeiter undArbeiterinnen im Streik stehen, einige der Zlnsständigen, welcheKrankenkassenbeiträge einsandten, um sich die Rechte an dieFabrik-Krankenkasse zu erhalten, mit der Molivirung zurück-gewiesen, daß sie gestrichen seien. Das geschah, obwohl der§ 2 des Fabrik-Krankenkassen-Statuts besagt, daß jeder Arbeiter,der nach seiner Entlassung oder seinem Austritt in einem ver-sicherungspflichligen Betrieb Beschäftigung nicht findet und inner-halb 8 Tagen den vollen Krankenkassenbertrag einsendet oder dieAbsicht seines fernereu VerHarrens in der Kasse kundgiebt, auchweiter als Mitglied anzusehen ist.Auf Anregung des Vorsitzenden des Gewerbegerichtshaben sich die Ausständigen bereit erklärt, dieses als Einigungs-amt anzuerkennen.AuS Magdeburg meldet die„Volksstimme": Wir hattenmitgetheilt, daß die Gehaltserhöhung der Eisenbahnarbeiter„vor-läufig" abgelehnt sei. Auf telegraphiscdem Wege war die Eisen-bahndirektion benachrichtigt worden. Wir knüpfte» an diese Mit-theilung die nöthigen Bemerkungen. Das scheint geholfen zuhaben. Denn unerwartet lesen wir in der„Magdeb. Zeitung",daß nunmehr den im Bezirke der kgl. Eisenbahndirektio» Magde-bürg beschäftigten Arbeitern eine Lohnerhöhung, vom LS. Augustan gerechnet, gewährt worden ist.Der Vorsitzende der Magdeburger Filiale des Zentral-Verbandes der Maurer Deutschlands ist von der Polizeiausgefordert worden, außer dem bereits vorgelegten Statut desZentralverbandes und dem Mitglieder- Verzeichniß auch dieStatuten des Zweigvereins einzureichen. Der Polizei wurde ge-antwortet, daß der Zweigverein Statuten nicht hat, sondernsei die Geschäftsordnung:c. im Verbandsstatut, Seite 13, vor-gesehen.Ein gerichtliches Nachspiel hatte der Streik der Weberder Firma B. Neugebauer Söhne in Langenbielau.Nach den Zß 108 und 141 des Jnvaliditäts- und Alters-Versicherungsgesetzes ist strafbar, wer in Quitlungskarten Ein-tragungen und Vermerke macht. Im Juni dieses Jahres entließdie genannte Firma plötzlich, um einen Haupttrumpf aus-zuspielen, ihre streikenden Arbeiter. Als diese nun ihre Quittungs-karten besahen, fanden sie daraus den Vermerk„Streik". Mitden so gekennzeichneten Karlen konnten die Entlassenen selbst-verständlich keine andere Arbeit erhalten, weshalb sie bei derAmtsbehörde die Ausstellung neuer Quitlungskarten be-antraglen. Soweit wäre die Sache wieder in Ordnunggewesen, aber die Kennzeichnung der Karten sollte dochnicht ohne gerichtliche Sühne abgehen. Vosm Landgericht inSchweidnitz hatte sich dieser Tage der Geschäftsgehilse WilhelmHering ans Langenbielau wegen Vergehens gegen die bereitserwähnten Paragraphen des Gesetzes zu verantworten. Heringhatte bei der Firma B. Neugebauer Söhne die Marken in dieQuittungskarten zu kleben: in die Karte» der Streikenden klebteer selbstverständlich keine Marken ein, dafür kennzeichnete er sieaber durch den Vermerk:„Streik". Der Gerichtshof sah dieThat sehr milde an, er erkannte ans die niedrigste gesetzlich zu-lässige Geldstrafe von 3 M. Möchten Arbeiter, wenn sie wegenSlreikvergehen vor Gericht stehen, immer auch eine so mildeBeurtheilung ihrer Strafthal seitens der Richter finden.In Breslau hat der Vorsitzende des Gewerkschaftskartells,Genosse K ü h n e l, S a m m e l l i st e n zur Unterstützung desdortigen Maurerstreiks vertheilt. Wegen„unerlaubtenKollektirens" erhielt er ein Strafmandat über 20 M.; dasSchöffengericht sprach ihn frei, die Staalsamvaltschast legte gegendies Urtheil Berufung ein und so kam die Sache vor das Land-gericht. Dort führte Kühnel an, daß die Sammellisten gar nichtfür die Oeffenlichkeil bestimmt waren, sondern nur für dieTelegirten, die sie in ihren Werkstätten ic. bei ihren Kollegenzirkuliren laffen sollten. Von einer Kollekte im Sinne des Ge-setzes könne deshalb keine Rede sei». Das Gericht nahm jedochan, daß die Listen sicher auch in weitere Kreise gekonimen sind.zudem würden ost neue Delegirte in das Gewerkschastskartell ge-wählt, während andere austreten, so daß der Begriff der Oeffcnt-lichkeit wohl begründet wäre. Kühnel wurde auf grund dieserAnnahme, die jedes Beweises ermangelt, zu 20 M. Geldstrafeverurtheilt.Aus Leipzig. Wie in einer Buchbin der-Versamm-luug mitgetheilt wurde, habe» bis jetzt etwa 1170 Arbeiter undArbeiterinne» der Buchbindereien die bekannten Forderungenbewilligt bekommen, darunter die Personale der Großbetriebe:Buchbinderei-Aktieiigesellschast vorm Fritzsche mit 350, Vaumbachu. Co. mit 225, Böttcher u. Bongartz mit 100, BibliographischesInstitut mit 150, Köllner mit 50, Spamer mit 40, F. A. Brock-Haus mit 150, Ktinkhardt mit 100— 120 Arbeitern und Arbeiterinnen Bei H. Fi kentsch er streiken 78 Personen; 35(meistArbeiterinnen) sind stehen geblieben.Die Rahmenkröpfer haben einen Theil ihrer Forde-rungen bewilligt bekommen, darunter die S6stündige Arbeitszeit.Nur in wenigen Werkstätten ist es bis jetzt zum Ausstande ge-kommen.I« einer Branerverfammlung in Zwickau theilte derVertrauensmann mit, daß die dortige Vereinsbrauereinun alle diejenigen Arbeiter bis auf einen entlasten habe, dievor ca. drei Monaten in einem der Verwaltung eingereichtenSchriftstück eine geringe Lohnaufbefferung und Arbeitszeit-Verkürzung gefordert hatten. Ungeachtet der Maßregelungenmacht jedoch die Organisation der Brauer auch in Zwickau undUmgebung gute Fortschritte.In Groitzsch i. S. steht da? Personal der Schuhwaaren-sabrit von E. W. H e y l in einer Lohnbewegung und ersuchtdeshalb eine Vermeidung des Zuzuges.Gevirkzts�eikung.Prozeß Berenb. Die zweite Strafkammer hiesigen Land-gerichts I. hatte heute gegen den Bankier Paul B e r e n d eineumfangreiche Anklage zu verhandeln, welche diesen beschuldigt:1. in der Sächsische» Lotterie gespielt zu haben; 2. seineHandelsbücher unordentlich geführt und die vorgeschriebeneBilanzziehung unterlassen zu haben; 3. Unterschlagungen be-den Jnseratenthcil verantwortlich: Zh. Glocke in Berlin. Druckgangen, 4. als Bevollmächtigter absichtlich über Vermögen?«stücke seiner Auftraggeber zum Nachtheile derselben ver«fügt und 5. Betrügereien ausgeführt zu haben. Der44 Jahre alte, bisher unbestrafte Angeklagte befindetsich seit dem 23. März cr. in Untersuchungshaft.— Der Bruderdes Angeklagten, der inzwischen flüchtig gewordene Max Berend,eröffnete Ende 1834 ein Bankgeschäft in der Roßstr. 23. ImJahre 1333 beerbten die Geschwister Berend ihren Vater undder jetzige Angeklagte will auch sein Erbtheil mit etwa 15 000 M.in das Geschäft eingelegt haben. In den Jahren 1389bis 1891 hat der Rentier Schott mit Max Berendin Geschäftsverbindung gestanden und ihm nach und nachDarlehnsweise 80 000 bis 90 000 M. gegeben; er ist auch1391 als Gesellschafter in das Geschäft eingetreten, aber imAugust 1392 wieder ausgeschieden. An seine Stelle trat der An-geklagte ein, dem sein Bruder im Januar 1393 das Geschäftgegen Uebernahme aller Forderunge», Bestände und Schuldenallein überließ. Der ausgeschiedene Max Berend, der sich inanderweite unglückliche und kostspielige Unternehmungeneinließ, blieb in reger Beziehung zu dem Bankgeschäft undbezog aus diesem Zuschüsse in Höhe von 8000 bis 10 000 M.jährlich. Nach Ansicht der Anklagebehörde hat auch MaxBerend schon seine Kunden durch falsche Vorspiegelungen über denKurs geschädigt; es war deshalb auch gegen ihn Haftbefehl er-lassen, dem er sich aber durch die Flucht ins Ausland entzogenhat. Der Angeklagte Paul Berend scheint anfänglichdie ihm zugehenden Aufträge seiner Kunden ordnungs-gemäß ausgeführt zu haben. Später aber zog ereinzelne seiner Austraggeber unter den mannigfachstenVorwänden mehr und mehr hin und als schließlich am 2l. März1896 auf das Andrängen des Maschinenmeisters Klatt der Angeklagte festgenommen wurde und die Beschlagnahme seines Ver-mögeus erfolgte, stellte sich bald heraus, daß für das GuthabenKlatt's und einer großen Anzahl anderer Personen Deckung nichtvorhanden war. Sie alle haben ihr Hab und Gut da-durch verloren, daß sie dem Angeklagten Geld- undWertpapiere zutrugen, die er in der Regel sofortversilberte und für sich verbrauchte. Die Hingabe er-folgte entweder zur Sicherheit für erwachsende Gegenansprüche.zum Pfände für Darlehen und zu einer sonstigen bestimmten Ver-wendung oder zum beliebigen Ankaufe von Effekten und zur nutz-bringenden Verwerthung durch Börsengeschäfte überhaupt. Der An-geklagte soll aber den Gegenwerth für die empfangenen Papierebezw. das baare Geld gar nicht beschafft haben undin letzter Zeit überhaupt nicht an die Börse gegangen sein. Nurwen» die Kunden sich nicht mehr hinhalten lassen wollten, ließer das eine oder andere Papier durch den Makler ankaufen.Er hat solches niemals irgendwo hinterlegt, wie er dies denAuftraggebern zu versichern pflegte, sondern machte die ihmaufgetragenen Geschäfte„in sich selbst", indem er bloS denKurswerlh der Papiere a» stelle des Ankaufs dem Kundenund an stellte des Verkaufs sich in Rechnung stellte unddanach den Kursunterschied dem Guthaben zu- bezw.abschrieb. Das bei der Durchsuchung beschlagnahmte Kassabuchsoll seit Jahren keine Eintragung mehr aufweisen, ebenso wenigliegen Bilanzen vor. Er behauptet, bis zu seiner Festnahmedas Kassabuch fortgeführt zu haben, kann zedoch über den Verbleib dieser Fortsetzung keine Auskunst geben. Nach den Wahr«nehmungen seines Kassenboten und einzigen Gehilfe» undBertrautennamens Schreck scheinen aber außer den beschlagnahmten andereHandelsbücher nicht vorhanden gewesen zu sein.— Die Anklage er«streckt sich auf 36 verschiedene Fälle, in denen Leute, die bei demAngeklagten speknlirte», in der angedeuteten Weise geschädigtworden sein sollen. Der gerichtliche Bücherrevisor Engelmannhat den Gesammtschaden, den der Angeklagte seinen Kunden, soweitsie sich überhaupt als Betrogene und übervortheilt gemeldet, zugefügthat, auf 94443 M. berechnet. In drei Fällen nimmt die Anklag«direkt Betrug an. In vielen Fällen haben die spekulationS-lustigen Leute dem Angeklagten ihr Hab und Gut Vertrauens-voll in das Haus gebracht und ihm überlassen, nach Gut-dünken damit zu schalten und zu walten und nurihr Interesse wahrzunehmen. Aus dem ganzen Ge«bahre» des Angeklagten, aus der Art, wie er dieihm übergebenen Werlhe sofort für sich verbrauchte, mtt Hilf»dieser Einnahmen alte Löcher zustopfte, die bedenklich gewordenenKunden zu beschwichtigen wußte ,c. hat der Anklagebehördeden Gedanken nahe gelegt, daß der Angeklagte, um sichüber Wasser zu hallen, im allgemeinen seine Opfer in betrug.licher Weise ausgebeutet hat. Aus diesem Gesichtspunkte istauch seinerzeit die Voruntersuchung geführt worden.Den Vorsitz sührt Laudgerichts-Direklor Käller, die«n»klage vertritt Staatsanwalt Caspar, die Bertheidigung führtRechtsanwalt Dr. S ch w i n d t.!Ter Angeklagte bekennt sich in den Fällen der Unterschlagungschuldig, bestreitet jedoch, sich der Untreue und des Betrugesschuldig geniacht zu haben.Dre Beweisaufnahme in dem Prozesse des Bankier? PaulBerend zog sich bis zum Abend hin, ohne besonders erwähnen?«werthe Momente zu zeitigen. Charakteristisch für daS Gebahrendes Angeklagten war solgender Fall: Ein kleiner Gewerbe«treibender, der zwei Pfandbriefe besaß, wollte ein Grab-denkmal für seine verstorbene Ehefrau setzen lassenund trat mit dem Angeklagten in Verbindung, umauf grund der Papiere 400 M. zu erhallen. Der Angeklagte hatihn darauf überredet, ihm die Papiere zu überlassen, da es schadewäre, die gute» Effekten jetzt zu verkaufen. Er erbot sich, deinManne einen größeren Posten Jndustriepapiere zu kaufenund erklärte wiederholt, daß dieser es ihm noch«in-mal danken würde. Der kleine Manu gab dem Auge-Nagten die Wertpapiere zögernd und mit dem wiederHollenBemerken hin, daß dies die Ersparnisse langer Jahre seien undviel Arbeitsschweiß daran klebe. Das Endergebniß war, daß ersein Geld verloren und die Jndustriepapiere nicht erhalten hat.Eine Zeugin schilderte recht anschaulich, wie sie immer mehrbaares Geld dem Angeklagten gebracht habe, der für sie spekulirensollte. Als sie etwas ungeduldig wurde, ging sie wiederholt indas Geschäft des Angeklagten, um wenigstens einmal die für sieangekauften Papiere zu sehen. Da hatte er sofort die Ausredebei der Hand, daß er die als Depot dienenden Papiere sofortin die Tresorräume einer ihm befreundeten Bank überführe.da es ihm zu Hause nicht sicher genug sei. Die Fraudrang dann auf den Verkauf der angeblich fürsie angekauften Papiere, der Angeklagte erklärte dies aber fürWahnsinn, da die Kurse zu schlecht ständen. Die Frau hat dannwiederholt ängstlich den Angeklagten darauf hingewiesen, daß sieTag und Nacht mit ihrem Manne„geschuftet" habe, um sichetwas zu ersparen, der Angeklagte erklärte ihr aber sehr stolz:„Sie haben bei mir ja gar nichts zu riskiren, ich bin doch keinJude!"Der Staatsanwalt beantragte eine Gesammtstraf« von 5 JahrenGefängniß, 5 Jahren Ehrverlust und 30 M. für das Lotterie-vergehen.Das spät Abends gefällte Urtheil lautete auf vier Jahr«Gefängniß(drei Monate verbüßt) und 30 M. Geldstrafe.Depeschen und letzte Mnchvichten.Leipzig, 22. September.(Privat-Telegramm des„Vorw.")Die heutige Bnchbinderversamnilnng war von über 2000 Per-sonen besucht. Das Prinzipals-Anerbieten wurde abgelehnt undfür Montag der Streik in Aussicht genommen.Konstantinopel. 22. September.(W. T. B.) Die türkischenBlätter veröffentltchen eine Liste der bisher in armenischen Kirchenund Häusern gefundenen Sprengmittel, darunter 183 geladene undungeladene Bomben, ferner Materialienzur Herstellung von Bombenbesonders Nitroglycerin, sowie verschiedene andere Munition,was sämmtlich im Artillerie-Arsenal ausgestellt ist.nd Verlag von Max Bading in Berlin. Hierz« 2 Beilage«