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Nr. 48.
Beilage zur Arbeiterin."
Neue Ideen.
Noch jede große weltbewegende und weltumgestaltende ! Was Wahrheit hat das Schicksal gehabt, zuerst als„ thörichte solchen Idee bedauernswerther Schwärmer" verlacht und verspottet Iben ja zu werden. Aber es liegt nicht im Wesen der Wahrheit, Schule vor den Mächten der Unwissenheit und des Vorurtheils zu fapituliren; sie behauptet sich und dringt vor. Dany verstummen Spott und Hohn; Verwünschungen und Bannflüche donnern auf den„ Frevler" nieder, der es wagt, ein Verkündiger der Wahrheit zu sein und die Verfolgung, oft mit den rohesten und brutalsten Mitteln der herrschenden Gewalten, trifft ihn. Der Kampf um die Wahrheit, für und gegen sie, beginnt von dem Augenblicke an, wo das herrschende Interesse sich durch sie ernsthaft bedroht sieht. Die Geschichte lehrt uns, wie alle großen Wahrheiten nur unter hartem Kampf und Streit zum Siege gelangen konnten, Vorurtheil, den Fortschritt der Menschheit zu bewirken. Selbstsucht, Hochmuth verhindern die ruhige Entwickelung, indem sie die neue Idee zu unterdrücken suchen. Aber Widerspruch und Gewalt schrecken den im Dienste der Idee wirkenden energischen Geist nicht ab, sondern sie stählen ihn. Die Wahrheit will ihre Märtyrer haben, welche sich's gefallen lassen müssen, vom privilegirten Sonderinteresse und Vorurtheil verschrieen und behandelt zu werden als„ Neuerer" und„ Empörer".
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Das gilt sowohl von den neuen Wahrheiten, welche gegen wissenschaftliche und religiöse Vorurtheile und Irrthümer sich richten, als insbesondere auch von denen, welche die staatlichen und Gesellschaftlichen Einrichtungen betreffen.
Immer hat es die neue Idee zu thun mit festgewurzelten alten Vorurtheilen und Irrthümer, die für Wahrheit genommen werden und stets dann am hartnäckigsten sich geberden, wenn sie in den Formen erworbener, sogenannter ,, unantastbarer" Rechte privilegirten Intereffen dienen.
Die Philosophen und Staatsmänner des klassischen Alterthums waren von der Vernünftigkeit der Sklaverei so fest überzeugt, daß sie sich gar keine andere Gestaltung denken konnten. Den privilegirten Ständen des Mittelalters und ihren Gelehrten galt das System der Leibeigenschaft und Hörigkeit als in der unabänderlichen göttlichen Weltordnung" begründet und die Unfreiheit und Armuth der arbeitenden Massen als selbstverständlich.
Fulton, der Erfinder des Dampfschiffes, wurde von der französischen Akademie für„ halb wahnsinnig" erklärt und diese selbe Akademie der Wissenschaften erachtete etliche Jahrzehnte später den Techniker, der an den Eisenbahnbau gehen wollte, als„ reif zur Zwangsjacke". Verächtlich urtheilten der berühmte Colbert über Maschinen, Napoleon I. über Dampfschiffe, Thiers über Eisenbahnen und Arago, der hervorragende Physiker, meinte, nimmermehr würden die Eisenbahnen Lasten befördern können. Bei Eröffnung der Nürnberg - Fürther Eisenbahn beschloß das bayrische Obermedizinal- Kolleg: Der Fahrbetrieb mit Dampfwagen sei im Interesse der öffentlichen Gesundheit zu verbieten, denn die schnelle Bewegung erzeuge unfehlbar Gehirnfrankheiten, ja schon der bloße Anblick eines rasch dahinfahrenden Dampfwagens könne dasselbe bewirken.
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Professor Paulsen schildert in seinem System der Ethit" den starren Widerstand des Bestehenden, dieses Beharrungsvermögen" der alten Anschauungen, das neue Ideen stets überwinden müssen, ehe sie zur Geltung ge langen, an folgenden Thatsachen:
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Als die kopernikanische Theorie der himmlischen Bewegungen zuerst auffam, da wurde sie von den Autoritäten für einen unfruchtbaren oder lächerlichen Einfall gehalten, mit dem sich ernstlich zu beschäftigen der Mühe nicht lohne, oder, wenn es sich lohne, so doch nur, um ihn zu widerlegen, damit nicht etwa der Teufel sein Spiel habe und dem Wort Gottes zum Hohn damit Possen treibe. Zur Erklärung der Erscheinungen fand man die neue Anschauung gar nicht geeignet; die alte geozentrische Vorstellung erklärte alle Dinge so natürlich, daß die neue dagegen unbequem, ja absurd und widersinnig erschien. Fühlen wir denn auch nur das Mindeste von jener fabelhaften Bewegung, welche die Erde haben soll? Auf das Zeitalter der Verhöhnung folgte mit dem Ausbau der neuen Ansicht durch Keppler und Galilei das Zeitalter der Widerlegung und Verfolgung; die alten Anschauungen begannen sich wirklich bedroht zu fühlen, was im 16. Jahrhundert noch nicht der Fall gewesen war; sie reagirten nun mit allen Mitteln, die ihnen zu Gebote standen, man fann sie aus den Biographien Kepplers und Galileis kennen lernen. Nicht anders ging es der Entdeckung des Blutum laufes durch Harvey. Die Mediziner, die so viele Jahrhunderte lang auf Grund der Galenischen Theorie die Dinge gesehen und die Menschen behandelt hatten, vermochten von der Neuerung sich keine Vortheile zu versprechen, weder in theoretischer noch in praktischer Absicht. Und wie unbillig zu verlangen, daß man um jenes Querkopfes willen seine eigene Vergangenheit verleugnen und die Autorität der Jahrhunderte verwerfen solle. Ebenso wurden in einem späteren Jahrhundert von den Autoritäten Darwins biologische Theorien oder Strauß' Untersuchungen über die evangelische Geschichte als unwahr, unnüß und gefährlich verworfen."
Ohne Zweifel treten beim Kampfe gegen neue Ideen nicht nur rein materielle Erwägungen der sich bedroht sehenden Selbstsucht in's Spiel, sondern auch die Gesetze der Psychologie. Sonst wäre es oft geradezu unfaßbar, wie geistig hervorragende Menschen, die an der Erhaltung des von der neuen Idee angegriffenen Alten gar kein Interesse haben, die neue Ideenfolge nicht zu begreifen vermögen. Eine sehr zutreffende diesbezügliche Erklärung John Stuart Mills möge hier Platz finden:
Es giebt keine Thatsache der menschlichen Natur, die allgemeiner anerkannt wäre, als die außerordentliche Schwierigkeit, die wir zuerst empfinden, wenn wir uns irgend etwas als möglich vorstellen sollen, das mit altvertrauter Erfahrung im Widerspruch steht, oder auch nur mit alten, langgehegten Gewohnheiten des Denkens... Der geübteste Geist bildet keine Ausnahme von den Grundgesehen unserer Denkkraft. Wenn die tägliche Gewohnheit irgend Jemanden durch einen langen Zeitraum zwei Thatsachen in beständiger Verbindung zeigt, und er niemals während dieses Zeitraums weder durch Zufall, noch durch Absicht darauf geführt wird, Sasalandort fich norauitellen fo mird er mahrscheinlich mit
der Zeit unfähig werden, dieses selbst durch die stärkste Anstrengung zu bewirken, und die Annahme, daß die beiden Thatsachen sich in der Außenwelt trennen lassen, wird sich seinem Geiste zuletzt mit allen Merkmalen der Unbegreiflichfeit darstellen."
Seine Ausführungen zu erhärten, verweist Mill auf einige Beispiele aus der Geschichte der Wissenschaft:
Es gab eine Zeit, in der Männer von der höchsten und freiesten Geistesbildung nicht an das Dasein von Antipoden glauben konnten, weil sie völlig außer Stande waren, sich im Gegensatz gegen ihre alten Ideenverknüpfungen die Schwerkraft nach aufwärts statt nach abwärts wirkend zu denken. Die Kartesianer verwarfen lange Zeit die Lehre Newtons von der Anziehung, welche alle Körper vermöge der Schwerkraft auf einander ausüben, auf Grund eines allgemeinen Sazes, dessen Gegentheil ihnen undenkbar schien des Sates nämlich, daß ein Körper nicht dort wirken fann, wo er nicht ist.
Wenn so die Macht der alten Anschauungen, des Irrthums und des Vorurtheils schon auf wissenschaftlichen Gebieten, in Fragen, die nicht unmittelbar von Einfluß sind auf die Gestaltung der Dinge in Staat und Gesellschaft, sich äußert wie sollte man sich darüder wundern können, wenn jene Macht sich erhebt gegen neue Ideen, welche bestehende staatliche und soziale Einrichtungen durch andere, bessere, ersetzen wollen. Da verbindet sich mit dem psychologisch leicht erklärlichen Vorurtheil, daß die bestehende Ordnung der Dinge im Grunde die denkbar beste sei, die Zweckmäßigkeitserwägung der durch die neuen Ideen sich gefährdet sehenden Erwerbs und Herrschafts- Privilegien. Der allgemeine soziale Kampf ist da unausbleiblich; er entwickelt sich ganz von selbst aus dem Streite der Meinungen, er wird nothwendig zu einem Kampfe um das Recht; eine neue, bestimmte Interessen umfassende Rechtsidee ringt gegen die herrschende, in den staatlichen und sozialen Einrichtungen verkörperte.
Solch ein Kampf ist es, den der Sozialismus, die Idee einer gesellschaftlichen Neuorganisation, zu bestehen hat. Je mehr das angegriffene privilegirte Interesse in Bedrängniß geräth, je eifriger ist es bemüht, alle die von ihm vertretenen, weil ihm nüßlichen, alten Vorurtheile und Irrthümer der Welt als die lautersten, unanfechtbarsten Wahrheiten" mit stärkstem Nachdruck zu verkünden. Der sogenannte
geistige" Kampf gegen die Sozialdemokratie, was stellt er Anderes dar, als die verzweifelte Auflehnung des Irrthums, des Vorurtheils, der Selbst- und Herrschsucht gegen die immer mächtiger werdende neue Idee, von der die„ Gebildeten" ja auch einmal, allerdings nicht lange, geglaubt haben, daß sie sich aus der Welt höhnen und spotten lasse." Seine eigenthümlichsten Blüthen treibt dieser geistige" Rampf in den literarischen Leistungen, welche dazu bestimmt sind, den sogenannten sozialdemokratischen Zukunftsstaat" in abschreckendster Weise zu schildern. Da zeigt sich, wie leicht Derjenige, welcher Irrthümer gegen neue Wahrheiten vertheidigt, dem Blödsinn verfällt.
Wir müssen diese Bekämpfer der sozialistischen Idee immer wieder auf's Neue an einen Ausspruch Kants erinnern:
Die Jdee von der größten menschlichen Freiheit und Vollkommenheit ist eine nothwendige Idee. Welches der höchste Grad sein mag, bei welchem die Menschheit stehen bleiben müßte, das kann und soll Niemand bestimmen. Es ist pöbelhaft sich gegen die Verwirklichung der neuen Jdee auf vergeblich wiederstreitende Erfahrung zu berufen."
Solche Böbelhaftigkeit charakterisirt den geistigen" Kampf gegen den Sozialismus. Die Vertheidiger des Bestehenden, spielen Komödie, indes die neue Idee sich unaufhaltsam dem Zeitpunkte ihrer Verwirklichung nähert.
( Echo.)
Ueber die Entwicklung der menschlidien Kultur
entnehmen wir einem Vortrage des Bonner Professors Schaafhausen folgende Zusammenstellung von allerlei Einrichtungen, Sitten und Gebräuchen der Gegenwart, in welchen noch die Erinnerung an eine graue Vergangenheit sich erhalten hat.
So ungern wir es hören, unsere Vorfahren waren Kannibalen, und die Erinnerung daran ist noch nicht erloschen. Wenn die Amme singt:„ Schlaf, Kindchen schlaf, Deine Mutter ist ein Schaf, Dein Vater ist ein Buzemann, der die Kinder fressen kann", so ist das nicht ein Märchen, wie noch Grimm geglaubt hat, sondern eine urgeschichtliche Ueberlieferung. Ich habe in einer Abhandlung über die Menschenfresserei zeigen können, daß dieser Gräuel in der Vorzeit aller Völker nachweisbar ist. Im Nibelungenlied trinken die burgundischen Völker das Blut ihrer Feinde, wie es heute noch die Markesas Insulaner thun. In italienischen und portugiesischen Höhlen, in Hannover und am Rhein sind die Spuren des Kannibalismus, wenn nicht mit Sicherheit, doch höchst wahrscheinlich gefunden worden. Noch heute giebt es in unserem täglichen Leben Erinnerungen aus ältester Vorzeit, die man Ueberbleibsel zu nennen pflegt. Die ewige Lampe in den katholischen Kirchen ist ein Symbol, wie das Feuer, welches nach Numa's Vorschrift die Vestalinnen in Rom hüten mußten. Wir sagen noch: es ist Feierabend, das ist das Ignitegium der Römer, man deckte am Abend das Feuer auf dem Herde mit Asche zu, um es am andern Tage wieder anzufachen. Dieses sorgsame Unterhalten von Licht und Feuer stammt aus einer Zeit, in der es schwer war, künstlich Feuer zu machen. Die Kunst, Feuer zu machen, ist überhaupt eine schwierige für die rohen Völker gewesen. Vor nicht langer Zeit wurde noch von wilden Völkern Australiens berichtet, daß, wenn ihnen das Feuer ausgeht, sie zu ihren Nachbarn gehen und sich dasselbe erbitten.
Liebig glaubte, man könne aus dem Verbrauch der Seife den Kulturgrad eines Volkes beurtheilen; bezeichnender für diese Kultur verschiedener Zeiten und Völker ist aber die Fertigkeit des Menschen, künstlich Feuer zu erzeugen, dessen ursprünglicher Vortheil weniger der Schutz gegen die Kälte ist, als daß es die Speisen wohlschmeckender macht, dessen späterer Nutzen für die Kultur der Umstand ist, daß es die Metalle schmilzt. Wenn wir jetzt das gemeinschaftliche Essen die Mahlzeit nennen, so stammt dieser Ausdruck aus jener Zeit, wo Jeder, um zu essen, sich die Körner selbst auf einem Steine mahlen mußte. In alten Ansiedelungen, wie am
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1. Jahrgang.
Oberwerth bei Koblenz , fand sich in jeder Wohnung die Handmühle aus Niedermendiger Lava. Der alte Feuerbohrer von Holz zeigt, daß durch Reibung Wärme entsteht. Die Wärme ist aber das bemerkenswertheste Zeichen des Lebens, welches aus dem todten, kalten Körper entflohen ist. Daher lag die Vorstellung nahe, daß die Menschen auf den Bäumen gewachsen sind, wie es auf Mithras - Denkmälern dargestellt ist. Aber feurige Funken sprühen auch aus den Steinen, wenn sie angeschlagen werden. Daher entstammen nach einer anderen Deutung aus den Steinen, die Deukalion und Pyrrha hinter sich warfen, die Männer und Weiber.
Die Form der Brote erinnert an die Urzeit: der rheinische Kirmesplatz und die runden Brote anderer Länder, auch die Mazza der Juden stammen, wie die Hörnchen aus Zeiten, in denen man Sonne und Mond verehrte. Am Halsschmuck der Pferde unserer Frachtfuhrleute hängen glänzende Metallscheiben, wie sie zur Tracht der alten Franken gehörten, die solche durchbrochenen Scheiben oft mit symbolischen Zeichen am Gürtel als Zierde trugen. Der goldene Ohrring unserer Damen ist ein Rest jener Sitte der Wilden, sich einen Körpertheil zu durchbohren, um darin einen Schmuck zu tragen. So durchbohrten sich Botokuden, Australier und Estimos die Lippen, Nasen und Wangen. Unsere Studenten trinken bei festlichen Gelagen aus Ochsenhörnern, wie es nach Gäfar und Plinius die Germanen thaten. Wir machen, um etwas zu behalten, einen Knoten in das Taschentuch, und wissen nicht, daß das eine alte Art zu schreiben ist. Die Knotenschrift der Japaner und Peruaner hat sich daraus entwickelt. Auch die Heilkunst besitzt alte Erinnerungen. Was ist der Schröpfkopf anders als die Nachahmung des saugenden Mundes, den der Wilde an die Wunde legt, um dem Körper Blut zu entziehen. Und das jetzt bei uns eingeführte Kneten franker Theile ist ein Verfahren, welches allgemein die wilden Völker üben und das uns aus Java durch die Holländer zugebracht ist. Es reicht Vieles in unserer Kultur bis in die älteste Zeit zurück, ohne daß es die Meisten wissen oder darüber nachdenken. Vieles Andere in unseren gewöhnlichsten Anschauungen und Einrichtungen hängt zwar nicht mit der prähistorischen Zeit, aber doch mit der ältesten menschlichen Kultur zusammen.
Die Eintheilung der Woche in sieben Tage ist aus den fünf damals bekannten Planeten herzuleiten, wozu noch Mond und Sonne famen. Die Sprache bewahrt uns den Ursprung sehr vieler Dinge. Das Wort schreiben beweist, daß wir dasselbe von den Römern gelernt haben. Das englische write, ritzen, deutet auf einen älteren Gebrauch hin, auf das Einschneiden der Runen in Holz. Wenn wir eine gedruckte Schrift ein Buch nennen, so erinnert das Wort an die Tafeln aus Buchenholz, die mit Wachs überzogen waren, um mit dem Griffel hineinzuschreiben. Nachher wurde eine große Entdeckung in der Erfindung der Buchdruckerkunst gemacht, allein ihr war in Mainz , wo man sie erfand, vorgearbeitet durch die Stempel, womit die Römer Buchstaben auf ihre Ziegel drückten. Wie das Schreiben, hat auch das Rechnen seine Geschichte. Alexander von Humboldt fand es auffallend, daß bei den Wilden schon das Dezimalsystem sich finde, das wir als eine späte Errungenschaft besitzen, weil die Stellung der Null auf die einfachste Weise den Werth der Zahlen von 1 bis 9 bestimmt. Die Wilden rechnen aber mit Hilfe der Finger. Zu den 10 Fingern der Hand nehmen sie sogar die Zehen des Fußes hinzu. Die Worte für die Zahlen sind oft auch die Worte für die einzelnen Finger. So hat ihr Dezimalsystem einen ganz natürlichen Ursprung. Das Rechnen macht immer große Schwierigkeit. Nur mit Hilfe fünstlicher Vorrichtungen, durch Stäbchen oder bewegliche Kugeln, wurde der Werth größerer Zahlen bestimmt. Bei den Asiaten war das Rechenbrett lange verbreitet und ist heute in Nordasien noch im Gebrauch. Die Römer gebrauchten Steinchen, deshalb heißt rechnen calculare. Der Rosenkranz, der von den Mongolen stammt und an dem bei uns wie bei den Türfen der Gläubige seine Gebete abzählt, hat daher seine Entstehung. Und nicht nur jede menschliche Kunst und Wissenschaft und jedes Werkzeug und Geräth hat seine Geschichte, selbst für die höchsten Vorstellungen des Menschen läßt sich eine allmälige Entwicklung des Menschen nachweisen."
Einen Korb geben.
Wie die Sprache altes Leben fortführt, entwickelt Rudolph Hildebrand in der Zeitschrift für den deutschen Unterricht"( herausgegeben von Dr. Otto Lyon; Leipzig , Verlag von B. G. Teubner) an mehreren fesselnden Beispielen. In das Mittelalter weist die Nedensart: Ginem einen Korb geben, zugleich einer der merkwürdigsten Fälle, wie eine vergehende Sitte sich in einer Redensart niederschlägt, die nun halb dunkel doch fortgeführt wird und von dem lebensvollen Vorgange des Ursprungs nur die allgemein begriffliche Spitze beibehält. Der Korb stammt aus dem modischen Minneleben des Mittelalters.( In Mundarten ist bei der Redensart noch von einem„ blauen Schienbein" und Anderem die Rede.) Dazu gehörten nächtliche Besuche bei den umworbenen vrouwe( entsprechend den noch heute im Alpenlande geltenden Fensterln, oder wie es sonst landschaftlich heißt) oder Versuche dazu, auch mit Gefahr auf gewagtestem Wege. Zu dem Gelingen des Wagnisses, bei dem es meist eine Burg zu ersteigen galt( man denke an Kunz von Kauffungen und das Altenburger Schloß) war ein Entgegenkommen der Frau nöthig, wie uns ein aus dem Leben entnommenes Beispiel aus dem 15. Jahrhundert genau geschildert überliefert ist in den Geschichten und Thaten des Wildwolt von Schaumburg ( von G. Freytag benutzt in seinen Bildern aus der deutschen Vergangenheit). Die Frau, wohl nicht ohne Hülfe der Dienerin, ließ an einem Seile einen Korb hinab, in dem sie dann den Ritter hinanzog; man denkt an den Wäschekorb in Shakespeares Lustigen. Weibern von Windsor", in dem Falstaff beim Liebesabenteuer sich verbirgt. Aber und das ist das Erfreuliche bei dem Ganzen: die Frauen wehrten sich oft gegen das modische Minnewesen( wovon auch in den Minnesingern fichere Beuge genug vorliegen). und zwar so oft, daß eben unferere Redensart daraus entstehen konnte. Sie gingen wohl auf das Abenteuer ein, weil es eben Mode war, schlugen aber dieser und dem Abenteuer ein scharfes Schnippchen. Die Frau ließ nämlich einen Korb herab, der einen losen Boden hatte, und der liebeathmende Ritter fiel dann in einer gewissen Höhe hindurch, wobei es auf ein bischen Beinbruch oder doch ein geschundenes Bein nicht eben ankommen mochte.
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