Vereine und Versammlungen.
Berlin . Hier tagte eine Versammlung aller in der Papier branche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, woselbst Frau Rohrlack über„ Die wirthschaftliche Entwickelung und die Arbeiterbewegung" referirte. Ueber den Vortrag entspann sich eine rege Diskussion, wo besonders die Streitfrage besprochen wurde, welche Organisatiosform die beste sei. Die Referentin vertrat den Standpunkt der Zentralisation, wo ihr von verschiedenen Seiten und zwar von Männern, die sich zu den ,, allweisen" zählen, klar gemacht werden sollte, daß die Frauen mit den Männern schon deshalb nicht dem gleichen Verein angehören können, weil es immer sehr spät wird, wenn Sigungen stattfinden, und die Mädchen dann nicht so allein über die Straßen gehen könnten." Die Referentin widerlegte den Gegner" gründlich, indem sie unter Anderm darauf hinwies, daß die Mädchen ja auch allein gehen müßten, wenn sie bis spät in der Fabrik Ueberstunden " machen, und daß auch in dem empfohlenen Frauenverein die nöthigen Sigungen in den Abendfiunden stattfinden würden. Des neiteren erklärt Referentin alle Entgegnungen des Betreffenden für durchaus nicht stichhaltig, da ja das Vorgehen des Unternehmerthums feinen Zweifel aufkommen laffen kann, daß nur mit vereinter Kraft das arbeitende Volk im Stande ist, der maaßlosen Ausbeutung Aller einen Damm entgegenzusetzen, um so einigermaßen das Volk der Arbeit vor völliger Degeneration zu schüßen, bis einst diese privatkapitalistische Produktionsweise einer sozialistischen gewichen sein wird.
Bernau . Hier fand am Sonnabend, den 5. Dezember eine Bersammlung des Fachvereins der Textilarbeiter u. Arbeiterinnen statt, in der Frau Rohrlack aus Berlin referirte. Der Vortrag über Die Prostitution und die anarchistische Produktionsweise" wurde sehr beifällig aufgenommen, doch nahm die Versammlung von einer Diskussion darüber Abstand, da noch verschiedene Wahlen zur Ergänzung des Vorstandes auf der Tagesordnung standen. Wenn nun auch Bernau ein kleiner Industrieort ist, so kann doch die Theilnahme der Frauen in den stattfindenden Versamms lungen sowohl, als auch in Bezug auf die Zugehörigkeit zur Organisation den Arbeiterinnen mancher größeren Stadt zum Muster dienen. Jedenfalls ist es charakteristisch, daß bei den Versammlungen, ob gewerkschaftliche oder öffentliche, die Zahl der anwesenden Frauen die Majorität bilden.
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Quedlinburg . Am 20. November sprach Genosse Hoffmann über" Die zehn Gebote und die befizenden Klassen. Der geräumige Saal des goldenen Anter war überfüllt. Es waren auch viele Gegner erschienen, von denen jedoch die meisten schon bei der Besprechung des dritten Gebotes verschwanden. Die Zuhörer folgten mit gespannter Aufmerksamkeit den Ausführungen des Redners, welcher in vielen Beispielen und Erläuterungen die Hinfälligkeit der chriftlichen zehn Gebote gegenüber der Produktions- und Wirthschaftsweise der heutigen Gesellschaft bewies. In der darauf stattfindenden Diskussion sprach ein Gegner, Profeffor Hynisch vom hiesigen Gymnasium, seine Meinung über den Vortrag dahin aus, daß er die Religion" als Ausgleich des Kampfes zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Armuth und Reichthum empfahl. Genoffe Hoffmann widerlegte scharf und ausführlich jeden Satz des Gegners, troßdem ergriff derselbe zum zweiten Male das Wort, darauf bestehend, daß ein ,, gläubiges Gebet" dem Arbeiter mehr nügen würde, als der stundenlange Besuch öffentlicher Volksversammlungen. Der Unwille der Zuhörer machte sich in lauten Aeußerungen Luft und das mit Recht nach dem flaren, einleuchtenden Vortrage des Genossen eine stundenlange Phrasenpredigt, denn anders kann man es nicht nennen daß immer von Seiten der Gegner der Versuch gemacht wird, das hungrige Volk mit Religion sait zu machen; mit Religion", welche jederzeit dem Mächtigen die Waffen gab, das Volk zu knechten und zu fnebeln. Trotzdem hatten die Worte des Herrn Professors ihren, wenn auch gegentheiligen Zweck erreicht sie belehrten Viele, daß von den herrschenden Klaffen eben nichts anderes zu erwarten ist, als nur:„ Schöne Worte." Neumünster , 27. November. Am Donnerstag fand im ,, Conventgarten" eine öffentliche Frauen und Mädchenversamm lung statt. Frau Kähler- Wandsbeck sprach zunächst über die Gewerkschaften und ihren Nußen für die Arbeiterbewegung. In etwa einstündigem Vortrage führte die Referentin dies in klarer, leicht verständlicher Weise aus. Sie besprach eingehend, wie die Frau stets als minderwerthiges Geschöpf angesehen wurde und auch heutigen Tages noch werde und dadurch in ihrer Bildung zurückgeblieben sei. An der Hand der Statistik wies die Rednerin nach, wie die Frau zur Lohndrückerin werde gegenüber dem Manne und erklärte die Ursachen davon. Sie fordert die Anwesenden auf, sich der Gewerkschaftsorganisation anzuschließen. Eine Resolution, wonach sich die Versammlung mit den Ausführungen der Referentin einverstanden erklärt und für die Gewerkschaftsbewegung einzutreten verspricht, wurde hierauf einftimmig annenommen. Dann gab Frau Kähler nähere Aufschlüsse über den Zentralverband der Frauen und Mädchen Deutschlands und ersuchte hier eine Zahlstelle des genannten Verbandes zu gründen. Nachdem eine Pause von zehn Minuten eingetreten, meldeten sich 74 Frauen zum Eintritt in obigen Verband und 7 zum Schneider- und Schneiderinnenverband. Es wird sofort zur Wahl eines Vorstandes geschritten und wurden Frau Egers ( Borsigende), Frau Wöbse( Kassirerin), Frau Drtmann( Schrift führerin), Frau Naschte und Frau Rohwer gewählt. Dieselben nehmen auch jederzeit Beitrittsanmeldungen entgegen. Sprachen noch die Genoffen Lienau, Horst und Straßburger. Der lettere ersuchte, man solle sich von einzelnen Beamten nicht bange machen lassen, sondern immer wieder frisch darauf los gehen. Nach einem auf die Arbeiterbewegung ausgebrachten Hoch, in das auch die Frauen begeistert einstimmten, wurde die intereffante, zahlreich besuchte Versammlung geschlossen.
Dann
Verbot eines Arbeiterinnenvereins. Der allgemeine Arbeiterinnenverein für Frankfurt und Umgegend ist polizeilich geschlossen und zwar mit folgender Motivirung: Nach§ 8, Abjazz la des Vereinsgesetzes dürfen Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände zu erörtern, keine Frauenspersonen aufnehmen. Der Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen sei aber nach den obengenannten§§ 1 und 2 seiner Statuten ein solcher, welcher bezwecke, politische Gegenstände in Bersammlungen zu erörtern und habe nicht nur Frauenspersonen als Mitglieder aufgenommen, sondern bestehe nur aus solchen. Auf Grund des§ 8, Absatz 2 des Vereinsgesetzes sei daher, vorbehaltlich des gegen die Betheiligten einzuleitenden Strafvers fahrens, der Verein bis zur ergehenden richterlichen Entscheidung zu schließen. Wer lacht da über solche logische Beweisführung? In London fand am 26. November die Jahresversammlung der Frauengewertschaften statt. Dieselbe beschloß u. A. die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren zu fordern. Eine neue Auslegung" des Vereins- und Versammlungsgesetzes hat die Berliner Polizei vorgenommen, die alle bisher dagewesenen Auslegungen" in den Schatten stellt und dem polizeilichen Scharfsinn" alle Ehre macht. Eine Bersamm lung des allgemeinen Abeiterinnenvereins, die angemeldet und auch überwacht war, soll sich mit Politik beschäftigt haben. Die Polizei erklärt nun, daß deswegen die Versammlung eine andere als die angemeldete gewesen sei, obgleich sie zur angemeldeten Stunde in dem angemeldeten Lokale abgehalten wurde. Die
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angemeldete Versammlung habe nicht stattgefunden und die abge: haltene sei nicht angemeldet gewesen. Die Einberuferin wurde daher in Strafe genommen wegen unterlassener Anmeldung der Versammlung. Daß das Gericht dieser merkwürdigen Auffassung der Polizei beitreten sollte, ist nicht anzunehmen.
Lübeck . Am Donnerstag, den 3. Dezember fand in den Räumen der Zentralhalle eine von zirka 600 Personen besuchte Versammlung der Frauen und Männer Lübeck's statt. Auf der Tagesordnung stand: 1. Voltsernährung. 2. Diskussion. Zu Punkt 1 der Tagesordnung war Frau Ihrer aus Velten ( Mark) bei Berlin als Referentin erschienen. Nachdem sich das Bureau tonftituirt, erhielt Frau Ihrer das Wort, lettere entledigte sich ihrer Aufgabe zur Zufriedenheit aller Anwesenden. Wir lassen hier die Grundzüge des Vortrages folgen: Die Volfsernährung fei eigentlich ein Gegenstand, dem von allen Seiten viel zu wenig Intereffe entgegengebracht werde. Vor allen Dingen sei es, wenn man über dies Thema sprechen wolle, nothwendig, daß man sich vergegenwärtige, wie die Volksernährung sein sollte und wie sie thatsächlich sei. Die Professoren Pettenkocher Feut und König hätten nachgewiesen, daß zur Erhaltung des Menschenförpers hauptsächlich Eiweis, Fett, Kohlenhydrauthe und Salz nothwendig sei. Auch hatten die Herren ausgerechnet, wie viel von diesen Stoffen in den verschiedenen Mitteln enthalten sind. Schade sei es nur, daß diese Leutchen der Wissenschaft nicht auch dafür eingetreten sind, daß dem Volke diese Nahrung zu Theil werde. Es sei zum Beispiel nothwendig, daß in den Volksschulen Küchenchemie gelehrt werde, anstatt englisch und franzö sisch. Auf der ersten Stufe der Nahrungsmittel ständen die aus dem Thierreich stammenden und zwar in folgender Abstufung: Geflügel, Wild, Rind-, Schweine- und Kalbfleisch und Fische. Doch wüßten wir ja, daß der Arbeiter selten einmal Rinderoder Schweinefleisch, geschweige denn Geflügel und Wild auf den Tisch bekomme. Ein erwachsener Mensch braucht zu seiner Ernährung 1 Pfund Fleisch täglich und zwar sei es am besten in gebratenem Zustande. Wie es in Deutschland unter den Proletariern mit der Fleischnahrung aussehe, daß zeige am besten der Konsum von Pferdefleisch und Heringen . Es sei seiner Zeit von den Zeitungen der Bourgeoisie das Pferdefleisch so gepriesen, trok und alledem sehe man auf den Tafeln derselben diese Leckerbissen nie. Auch dürfe man nicht vergessen, daß man bis heute noch nicht darauf gekommen sei, junge gesunde Pferde zu schlachten. In der letzten Zeit sei es durch die Viehausfuhrverbote und Kornzölle noch weit schlimmer geworden, es beweisen die Kaninchen und Hundeschlachtereien in den großen Städten. Von den vegetabilischen Nahrungsmitteln sei das Brod und zwar Roggenbrod. das beste für einen der angestrengt arbeiten müsse, doch würde der Roggen dadurch, daß er so theuer sei, mit Gerste und schlechtem Weizen untermengt und dadurch minderwerthig. Wie seiner Zeit das deutsche Volk gegen die Kornzölle protestirt hat, habe man auf diesem Gebiete wieder eine neue Erfindung gemacht, man hat nämlich den amerikanischen Mais empfohlen und versucht es für sehr nahrhaft zu erklären, doch sei auch dies nur ein Betrug, den man an dem Proletarier begelen wolle zu Gunsten des Geldsacks der Agrarier. Das Maismehl habe etwas mehr Nährgehalt wie Kartoffelmehl, über diese Sachen solle man hauptsächlich die Frauen aufklären, schlechte Ernährung des Volkes bedeute einen Rückgang in der Kultur. Von den Hülsenfrüchten werde behauptet, daß sie sehr eiweishaltig seien, doch würde dies dadurch sehr vermindert, indem an den Schalen ge= rade die meisten Eiweistheile hängen bleiben, man betrüge seinen Magen damit. Was in Deutschland die so sehr eingebürgerte Kartoffel betreffe, so sehe man am besten an den schlesischen Webern, die ja hauptsächlich von Kartoffeln und Heringen leben, daß deren Nährwerth nicht besonders groß ist. Die Milch habe noch einen ganz besonderen Nährwerth, daß beweise die Muttermilch ja schon, doch sei auch hier wieder der Proletarier im Nachtheil, er würde schon am Tage seiner Geburt betrogen, da seine Mutter ihm nicht die Milch geben könnte, wie sie sein sollte, weil sie eben nicht die nöthige Nahrung, Pflege und Ruhe haben könne, die eine Mutter bedarf. Rednerin kommt dann zu den Genußmitteln, es feien dies Kaffee, Thee , Bier, Taback und Branntewein; den Kaffee, den der Arbeiter trinke, sei ja auch meistens Cichorienwasser, da der Kaffee durch die Zölle zu sehr in die Höhe getrieben sei. Gerade bei den Genußmitteln seien die Fälschungen am allerschlimmsten. Der Branntewein sei ja nach der Behauptung verschiedener Reichstagsabgeordneten haupt sächlich Schuld an den schlechten Verhältnissen in welchen die Arbeiter lebten und seien ja auch deshalb die Herren so für die Zölle des Brannteweins, daß aber gerade die großen Brennereibesitzer diese Zölle, die, wie alle anderen Zölle hauptsächlich der Arbeiter bezahlen muß, in die Tasche stecken, davon sagen diese Herren nichts. Man habe bei der Debatte über die Brannte meinzölle gesagt, daß die Frau Schuld daran sei, wenn sich der Mann dem Trunte ergebe, fie könne nicht kochen usw, man habe aber nicht daran gedacht, daß die Töchter der Proletarier in den Küchen der Bourgeoisie wohl kochen könnten, weil sie da eben alles hätten was man brauche, um eine gute Mahlzeit zu be= reiten, daß habe aber die Arbeiterfrau in den meisten Fällen nicht. Und aus nichts könne auch nicht viel werden. Es sei das aber nicht alles was zur richtigen Volksernährung gehöre, es gehöre auch nach dem Effen noch eine bestimmte Ruhepause in gesunder Luft dazu, auch diese habe der Arbeiter nicht und sei schon von dem Standpunkte aus die. Forderung des Achtstundentages eine gerechte. Was die gesunde Luft betreffe, so sei man von oben herab ja sehr besorgt um die Arbeiter, wenn es sich um Versammlungslokale handle, hier habe jeder seinen bestimmten Raum, die Wohnungen derselben Arbeiter seien manchmal schlechter wie die Viehstelle der Agrarier. Es sei vom Regierungstische bestritten worden, daß ein Nothstand vorhanden sei, daß aber einer da sei, bewiesen uns die vielen Wohlthätigsanstalten, womit sich die Bourgeoisie so gerne brüste, doch sei auch hier der Arbeiter der Bezahler, zwar richte die Bourgeoisie diese Anstalten ein, doch müsse sie nachher der Arbeiter erhalten, weil man den Bettelsack dafür schwinge. Hauptsache sei es nun, daß wir auch das weibliche Geschlecht in die Bewegung einführen. Wenn erst die Frauen geschlossen in unseren Reihen mitkämpfen, dann werde auch eine Zeit kommen, wo das Volk sich und seine Kinder er nähren könnte. Reicher Beifall lohnte die Rednerin für ihren Vortrag. Der Vorsitzende forderte etwa anwesende Gegner auf sich zum Worte zu melden. Da sich nach zweimaliger Aufforderung keiner zum Worte meldete, erhielt Frau Ihrer das Schlußwort. Hierbei verlas Rednerin noch einige Rezepte aus einem Kochbuche, welches Don einer Kommission des Verbandes Arbeiterwohl in München= Gladbach herausgegeben ist und welches hauptsächlich zur Anleitung zum Rochen für Arbeiterfrauen dienen soll. Es waren hiernach Gerichte für 4 erwachsene Personen für 35-40 Pfg. herzustellen, doch waren die Bezugsquellen von all den schönen Sachen, die man so billig kaufen konnte, wie in dem Kochbuch stand, nicht angegeben, auch nicht, wie man es anfangen müsse, mit den verzeichneten Gerichten 4 abgearbeitete Menschen zu sättigen und wieder zur Arbeit fähig zu machen. Zum Schluß wurde noch folgende Resolution eingereicht: Die heute Abend in der Zentralhalle tagende öffentliche Versammlung der Frauen und Männer Lübeks erklärt sich mit den Ausführungen der Referentin voll und ganz einverstanden und verspricht auch die Frauen dahin aufklären zu wollen, daß sie mit den Männern
zusammen stehen und kämpfen für unsere Sache, damit endlich bem gesammten Volke ein besseres Dasein zu Theil werde.
Die Resolution wurde einstimmig angenommen und um 10 Uhr 20 Minuten die Versammlung vom Vorfizenden geschlossen. Köln . Am vorigen Sonntag, Vormittags 1012 Uhr, sollte Frau Hedwig Henrich Wilhelmi auf Veranlassung des dortigen Freidenkervereins einen öffentlichen Vortrag über das Thema ,, das Christenthum in Wort und That" halten. Die städtische Verwaltung hatte dazu dem genannten Vereine den großen Gürzenichsaal laut schriftlicher Bestätigung vom 13. Novbr. cr. vermiethet und der Verein eine rege Agitation ins Werk gesetzt, um bei zahlreichem Besuche vermittels eines geringen Eintrittsgeldes die hohen Kosten für den städtischen Saal aufzubringen. Am 28. Novbr., Abends 7 Uhr, also ganz kurz vor Thorschluß, empfing der Vereinsvorstand von der städtischen Verwaltung den Bescheid, daß die Bewilligung des Gürzenichsaales zurückgezogen werde. Als Grund dafür war angegeben werden, es sei unbekannt gewesen, daß es sich um einen sozialdemokratischen Vortrag handele, da dazu die städtischen Gebäude laut Stadtverordnetenbeschluß nicht hergegeben wftrden. Die Rednerin Wilhelmi habe fich vor 2 Jahren öffentlich zur Sozialdemokratie bekannt. Der Borstand des Freidenfervereins erließ daraufhin heute folgende Erklärung: Wie bereits durch Plakatanzeige mitgetheilt, hat das Oberbürgermeister- Amt das uns für Sonntag, den 29. Novbr., ertheilte Benugungsrecht des großen Gürzenichsaales noch Sonnabend, den 28. November, Abends 7 Uhr, zurückgezogen. Diese Zurückziehung erfolgte nnter der Angabe, daß die von uns zu einem Vortrage geladene Rednerin, Frau Hedwich HenrichWilhelmi, sich vor zwei Jahren öffentlich zur Sozialdemokratie bekannt habe, und daß es sich um einen sozialdemokratischen Vortrag handele. Abgesehen davon, daß uns die politische Ueberzeugung der Rednerin als Verein nichts angeht, da wir politische Tendenzen nicht verfolgen, erklären wir diese Behaup tung für unrichtig.
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Das Thema des in Frage stehenden Vortrages war, wie sodann aus unseren Veröffentlichungen ersichtlich, freireligiöser Natur; im Uebrigen ist Frau Wilhelmi Vorstandsmitglied und beauftragte Agitatorin des deutschen Freidenker bundes. Das Verfahren des Oberbürgermeisteramtes ist also unbegründet und kontraktwidrig; wir empfinden es überdies als unbillig und ungerecht."
Wir sind verwundert über diese Erklärung. Wenn Frau H. W. mit der Sozialdemokratie nichts zu thun haben will, warum wendet sie sich denn stets an die Vertrauensleute der selben? Wahrscheinlich nur, weil ihr fein anderes Publikum zur Verfügung steht.
Wir haben dann auch nicht weiter Lust, diese Halbheiten der Freidenker zu unterstügen. Für Freidenkerthum braucht man nicht apart Propaganda zu machen. Wir wollen die Frauen zu tüchtigen Sozialisten machen, dann kommt das freie Denken ganz von selbst. Unter falscher Flagge zu segeln ist meist das gefährlichste Beginnen und besonders bei den noch nicht aufge flärten Frauen und Mädchen.
Wenn Frau Wilhelmi angestellte Agitatorin ist, dann fallen wohl auch in Zukunft für die betreffenden Orte die hohen Kosten fort, welche bestehen in 30 Mt. für den Vortrag, Reise- und Unterhaltungsspesen. Dann steht doch der Verein für die Kosten ein und haben die Sozialisten auch gar kein Intereffe daran, ihre Mittel für solche Zwecke herzugeben.
Hier möchten wir gleich noch auf eine Agitatorin aufmerksam machen, die bei wenig Aufgeklärten recht viel Schaden anrichten tann. Es ist Frau Cl. Muche Berlin . Sie wendet sich mit ihren Ueberspanntheiten ebenfalls an das Arbeiterpublikum und in der Provinz wird es wohl selten vorkommen, daß ihr so ge wandt und schlagfertig geantwortet wird, wie vor mehreren Jahren in einer Versammlung der Arbeiterinnen in Berlin . Ihre Lehren gehen dem Sozialismus ftritte entgegen und es giebt in der Provinz leider Vertrauensleute, die für eine solche Propaganda eintreten, ohne sich von dem Werth oder Schaden derselben überzeugen zu können, weil nur Frauen zu den Vorträgen Zutritt haben.
Dazu sind die Kosten für diese Art Vorträge so hoch, daß man staunen muß. Während unsere Agitatorinnen taum ihre Auslagen, von Zeitversäumniß ganz abgesehen, erhalten, wirft man hier mit vollen Händen hinaus.
Wir wünschen, daß die Frauen selbst Acht haben auf solche Unfug und selbst darüber entscheiden, was gut für sie und wa schädlich ist.
Sprüche.
Wir fordern alle Erdengaben, Nur um den Himmel winselt ihr Den Himmel sollt ihr künftig haben, Allein die Erde nehmen wir.
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G. Kinkel.
In Deutschland klagt man, daß über Gebühren Sich mehren die krummen, verwachsenen Rücken. Kein Wunder, wo alle Frauen sich schnüren Und alle Männer sich bücken.
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Wenn der Reichthum Freiheit giebt, Laß ich ihn dennoch laufen, Soll ich, um morgen frei zu sein, Heute mich verkaufen?
Literarisches.
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G. Kinkel.
G. Kinkel.
Hasenclever's Vermächtniß. Jalustrirter deutscher Jugendschat. Schönstes Weihnachtsgeschenk für Knaben und Mädchen. Pracht- Ausgabe M. 2, billigere Ausgabe ebenfalls eleg. geb. M 1.50. Bu beziehen durch Wörlein& Comp., Nürnberg , sowie in allen Arbeiterzeitungs- Expetitionen. Die Organisationsfrage. Ein Beitrag zur Entwicklung ber deutschen Gewerkschaftsbewegung. Herausgegeben von der General- Kommission der Gewerkschaften. Preis 10 Pf. Die Arbeitsverhältnisse der Müller Deutschlands . Sehr inter essante Aufschlüsse über dieses Gewerbe und dessen Arbeits bedingungen enthaltend. Bon Interesse für Alle. Preis 60 Pf. Herausgeber: Redakteur Räppel, Altenburg . Die Einschränkung des polizeilichen Verordnungsrechts mit besonderer Berücksichtigung des Droschkenfuhrgewerbes. Von W. Schütte. Im Verlage des Vereins Berliner Droschkentutscher. Preis 25 Pf.
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Bibliothek politischer Reden. In Heflen á 25 Pf. Wörlein& Co., Nürnberg .