Statt der vom NuSstellnngSbmeau gebückten gewöhnlichenEintrittskarte» hat sie, der Bequemlichkeit halber, indessen ein Abkommen getroffen, daß die abgestempeltenGeschäftskarten der Firma zum Eintritt berechtigen sollte». Amnächsten Morgen bei der Abrechnung stellte sich nun heraus, daßnur der vierte Theil der Arbeiter die Ausstellung besucht hatte.Die anderen haben den freien Tag, den Lohn und die 2 M.cilzeptiren wollen und sind nicht in die Ausstellung gegangen.Eie hatten Furcht, daß die„Unentwegten" der Partei es ihnenverübeln könnten. Sie lebten in der Furcht der Herren Partei-fuhrer, die ihre Fuchtel über den Sklaven unbarmherzigerschwingen, als es je ein Tyrann in einem autokratisch regiertenStaate gethan."So. Da haben wir's. Dem Arbeiter, der etwa einwendenwürde, daß mit dieser Art Beweisführung die Sozialdemokratieebensogut von den Agrariern für den Mißwachs der Kartoffelnhaftbar gemacht werden kann, dem ist nun einmal nicht zu helfen.Die Tyrannen der sozialdemokratischen Parteileitung sind schuldan dem 20 prozentigcn Garantiefonds- Verlust, und den groß-industriellen Hintermännern des Verlagsprodukts der Aktien-gesellschaft„National-Zeitung" bleibt nur noch übrig, desweiteren darzulege», daß die sozialdemokratischen Parteityrannenvon zivil- und ftrafrechtswegen eigentlich für den gesammtenTingeltangel- Dalles dort draußen h a s t b a r gemacht werdenmüssen. Die Kapitalisten, die ihre Untergebenen zu derart würde-losen Thorheiten beauftragen, verdienen alles andere eher alsMitleid in ihrem Pech. Hätte das Unternehmerthum ein wenigSinn für Anstand, so müßte es seinem Schöpfer dafür danken,daß es, im Gegensatz zu der bekannten Presse, die»m des un-saubersten Geldgewinnes willen das Publikum geflissentlich durchbezahlte Neklamenotizen irreführt, in dem„Vorwärts"wenigstens ein Blatt in Berlin giebt, das bei aller Anerkennungfür den kleineren, ernstein Streben gewidmeten Theil der Aus-siellung sich Unabhängigkeit und moralischen Much genug bewahrt hat, die große Kneiperei- und Tingeltangel-Veranstaltungdort draußen, die das Gute entwürdigt, rückhaltlos beim rechtenNamen zu nennen. Das gegenwartige Betragen der Aus-stellnngs-Juteressenten kann dem Publikum aber nur Verachtungeinflößen.DaS AnSstellungShotel am Treffpunkt der TreptowerChaussee und der Köpnickerlandstraße macht jetzt einen rechttraurigen Eindruck, nachdem die größte Zahl der Pächter infolgeder ungünstigen Lage dieses Gebäudekomplexes in demselben ihrGeld verloren, zum theil exmittirt, zum theil bei Nacht undNebel gerückt sind. Von den vierzig Läden des Hotels sind nurnoch neun vcrmiethet. Abgesehen von einigen„Destillen" sindnur die Heilsarmee und die evangelische Bibelgesellschaft in derLage gewesen, ihren Verpflichtungen»achzukommen. Die Pacht-preise in dem Hotel waren außerordentlich hohe und die Bc-dingungen sehr harte. Die Ladenpächter mußten ein Drittel derMiethe beim Abschluß des Vertrages, das zweite Drittel am1. Mai zahlen, während das letzte Drittel im Laufe des Sommersfällig sein sollte. Der Zahlung der letzten Quote haben sichallerdings viele der bedauernswerthen Miether durch plötzlichesVerschwinden entzogen, während andere, wie bereits erwähnt,exmittirt wurden und ihre Maaren und Einrichtungen im Hotelzurücklaffen mußten. Der Pächter des eigentlichen Hotels undHauptrestaurants, ein Herr M. aus Friedenau, welcher nichtweniger als 60 000 M. bei dem Unternehmen verloren, befindetsich infolge der ausgestandenen Aufregung in einem so hochgradignervösen Zustande, daß er nach einer Kaltwasser-Heilanstall über-führt werden mußte.Die Erhebnng von einer Mark Entree für das Betretender Ausstellung hat bei zahlreichen Pächtern derselben arge Miß-fiinnnung hervorgerufen, da sich diese hierdurch in ihrem Geschäftgeschädigt glauben; die betreffenden haben gegen die„Mark-woche" Protest erhoben und beabsichtigen eventuell für allen Aus-fall den Arbeitsausschuß regreßpflichtig zu machen.Der Sonntagsbesuch der Ausstellung beziffert sich auf rund62 000 zahlende Personen.Die Freigabe der Treptower Chanssee wird nicht amId. Oktober, wie mehrfach berichtet wurde, sondern erst mit dem1. November erfolgen._UlunTf unfc ÄVMenZAzaift.Die kassubische Köchin war in diesen Tagen mehrfach ge-nannt worden. Die kassubische Köchin ist eine alte Bekannte.Immer wenn ein Hintertreppenroman aus die Bretter kommt, istvon der kaffnbischen Köchin die Rede. Sre ist es, auf die derZeitungsschreiber im Namen der„gebildeten deutschen Well" mitVerachtung herabblickt, und die gute kassubische Köchin wurdeaufs neue zitirt, als im Berliner Theater dasneue Schauspiel„Die offizielle Frau" nach einem anglo-amerikanischen Sensationsroman des Gavage von HansO l d e n aufgeführt wurde. Ist die kassubische Köchin dafürverantwortlich, daß sechs„deutsche Dichter" wie verhungerteWölfe sich auf den üppig- sensationellen Roman werfenund seine Heldin, eine schreckliche russische Nihilistin, die sogargegen wirkliche geheime Exzellcnzen-Attentate plant, dramatisch„verarbeiteten?" Das war ein Konkurrenzwettlaufen. Windhundekonnten es nicht besser machen. Und sind es wirklich die kaffubischenKöchinnen, die Parkett und Logen des Berliner Theaters füllenund den„Bombenerfolg" der„offiziellen Frau" durchsetzten? Alsolästert nicht mehr die arme kassubische Köchin, ihr gerade, dieihr gut bürgerlich fristrt und dressirt und vorgebildet aufGymnasien und höheren Töchterschulen vor jeder gruseligenKolportage-Erzählnng in bewunderndes Staunen versinkt!„Eine wilde Sache", die Poffe, die jetzt im Central-Theater aufgeführt wird, erinnert an gewisse VerlaaSartikelim Buchhandel, bei denen das Titelblatt aus vielverheißendePikanterien hinweist. Der Inhalt aber ist geschwätzige Langeweile. So ist auch die Sache des Zentral-TheaterS erschrecklichwenig wild; und schwer zu begreifen ist es, wie man um solcherläppischen Geschichten willen noch Aufhebens machen kann.Zwar möchten die Autoren Freund und Mannstädtgerne einige freche Teufeleien aushecken. Da sie aber im Grundeganz kleine Spießbürger sind, wie die große Heerde auch, die sichä In Do» Juan amüsirt zu haben glaubt, wenn sie schwächlichenLüsternheiten schmunzelnd folgt, so begnügen sie sich mitstumpfen Bühnenbildern, die daS„sinnberückende" Treibenauf der Ausstellung Kairo(nebst obligatem Bauchtanz)oder den Tanz von aufgedonnerten Dirnen in irgendeiner Ball- und Räuberhohle Berlins nachahmen. Tief-sinnige Betrachtungen darüber anzustellen, ob„Die tolle Nacht"derselben Verfasser nicht doch ein wenig geistvoller gewesen war,verlohnt sich wirklich nicht. Sie sind allesammt einander werth,die Dichter, die an der Verblödung arbeiten, da? Publikum, dasihnen nachläuft, und die Schauspieler, die sich, wie sogar dervielgerühmte„Komiker" Thomas, zu entwürdigenden„Späßen"herleihcn. Wer sich zu Entkleidungsszenen bequemt, wie sie dieDichter der„wilden Sache" vorschreiben, der entkleidet sich auchseines Selbstgefühls.Ei» Premißren-Theater will Herr Direktor M ax E a m stins Leben rufen. Dies soll erstens den dramatischen Autorenden schweren und langen Weg durch die Theaterkanzlei bis zuröffentlichen Aufführung dadurch erleichtern, daß das Premiären-Theater durch gute Darstellung seines Werkes dieses und seinenAutor schneller bekannt werden läßt. Es soll ferner den Theater-Direktoren zur Verfügung stehen.„Ich glaube", so führt HerrSamst aus,„daß das Premiören-Theater besonders von denDirektoren mit Freude begrüßt werden wird. Wie viel Zeit und Geldwird durch die vielen Proben, durch Anfertigung von Dekora«tione», Kostümen, Requisiten w. dem Theater erspart, wenn einDirektor das betreffende Stück vorher im Premisren-Theatervon guten BerufSschauspielern dargestellt sieht. DaS Premiören-Theater soll für würdige Vorstellungen Gewähr durch ein be-währtes Künstlerpersonal leisten.— Wir haben von je HerrnSamst für den muthvollsten Theaterdirektor Berlins gehalten.„Das Einmaleins", das neue Lustspiel von OskarBlumenthal, ist in den Hauptrollen folgendermaßen besetzt:Felix Eichelberg— Georg Engels als Gast; Hubert Härtung,Baumeister— Ludwig Stahl; Lili, feine Frau— Jenny Groß;Käthe, ihre Schwester— Meta Jäger; Fr. Professor Cornelius,ihre Mutter— Marie von Moser-Sperner; Rothmüller, Guts-besitzer— Franz Guthery; Dr. Philipp Rothmüller, sein Sohn—Franz Schönfeld; Fr. Böhlke— Johanna Walther-Trost.InkernÄktonÄlev MongveHfür Frauenwerke und Frauenbestrebungen.Iii.Am Dienstag Vormittag gab es unter Vorsitz der FrauJeanelte Schwerin eine Sektionssitzung, die sich schon deshalbinteressanter als die Plenarverhandlungen des Montags gestaltete,weil über die Vorträge debattirt werden durfte. Auch warendie Gegenstände, über die gesprochen wurde, von größerer Be-deutung, als das Thema des gestrigen Tages. Die Theilnahmeder Frauen an der Sektionssitzung war eine sehr rege und derweite Festsaal deS Rathhauses wieder bis aus den letzten Platzgefüllt.Die beiden ersten Stunden der Tagung waren der R e f o r mder Frauen kleidung gewidmet. Dr. med. Spenerreferirte unter dem merkwürdig gewählten Titel„Noch ein be-deutsames Hinderniß für die Bewegung der Frau in der Frauen-bewegung" über die Gesundheitsschädlichkeit des Korsets undverlangte die Abschaffung dieses Marterwerkzeugs der Mode-damen. Die Korreferentin Frau Sera Proelß löste ihre Aus-gäbe besser, als der männliche Redner. Sie forderte eine gesund-heitsgeinäße praktische und schöne Kleiderresorm und meinte,daß es am besten wäre, auf die sogenannte KöniginLuisen-Tracht— die Tracht stammt aus dein revolutionärenrankreich und ist eine stilisirle, den Bedürfnisses unseres Klimasechuung tragende Modifikation der antike» Frauenkleidung—zurückzugehen, ohne den tiefen Ausschnitt natürlich und dieLänge der Röcke. Auch die Unterkleidung müsse reformirtiverden, nicht die Hüsten, sondern die Schultern mühten dieUntergewänder trage«.*)Eine Dame, Frl. Möller ans Kopenhagen, wurde alsTrägerin der Reformtracht der Versammlung vorgestellt. DieKleidung ist in der That reckt geschmackvoll.Dies Thema, dem offenbar großes Interesse entgegen-gebracht wurde, war damit erschöpft und es wurdezu dem zweiten Punkt der Tagesordnung, zu derBesprechung der sogenannten Sittlichkeitsfrage ge-schritten. Die Verhandlungen hierüber waren recht interessantund gewannen durch das Eingreisen von Sozialdemokratinnen indie Debatte noch erhöhte Bedeutung.Das Referat hatte Frau Hanna Bieber-Böhm. Siebezeichnete die Sittlichkeitsfrage als eine ökonomische, hygienischeRechls- und Erziehungsfrage. Reform auf der ganze»Linie sei die Losung. Lange Zeit hätten die Männerversucht, den Frauen die Augen zu verbinden undsie darüber zu täuschen, daß bei uns die Viel-weiberei gesetzlich erlaubt fei. Die denkfaulen Frauen sagtennoch'immer: Mein Mann sagt, es müsse nun einmal so sein,Prostitntion hätte es immer gegeben. Die dummen und krank-haflen Frauen riefen: Wir wollen es ebenso machen, wie dieMänner, Freiheit für alle! Die denkenden Frauen aber sagten:Wir dulden solche Zustände mit Herzeleid und Zähneknirschen;es ist ei» Martyrium für uus, in einer Well zu leben, in deräußerlich alles gut, innerlich aber alles verfault ist. DieFrauen müßten darüber aufgeklärt werden, daß min-bestens 39 Prozent der jungen Leute vor der Ehe ein»»sittlichesLeben führen, daß 30 Prozent von ihnen durch Verkehr mitden Prostituirtcn sich gefährliche, ansteckende Krankheiten holten,die auch auf die Kinder übergehen könnten. Wenn diese That-fachen bekannt wären, würde ein Schrei der Empörung durchdie Frauenwelt gehen.„Wir protestiren gegen die alt- Lüge,daß die Prostitution ein nothwendiges Uebel sei. Sie ist nurniemals ernstlich bekämpft worden, immer nur ist gegen dieOpfer, gegen die Prostiiuirten vorgegangen worden". Aufdie ökonomischen Grundlagen der Erscheinung ging dieRednerin nicht ein, obwohl ihr auch dieser Theilder Frage, wie sie sagte, bekannt sei. Als Heil-mittel wußte sie nur die ideale Forderung zu präsentiren,daß die Männer ihren starken Instinkten Zügel anlegen müßten.Sie verwies auf die Arbeiten einiger Hygieniker und Aerzte,die den Nachweis geliefert zu haben glauben, daß der normalkonstruirte Mensch keusch leben könne, wenn er keinen Alkoholgenieße, keine schlechten Bücher lese, keine frivolen Stücke sich anseheund Nachtcafe's und Kellnerinnenkneipen meide. Aus das bedenk-liche„Wenn" in diesem Nachweise ging die Rednerin nicht weiter ein.Sie forderte Keuchheit der Jünglinge und Mädchen bis zur Ehe,die nur aus Liebe geschlossen werden dürfe und strengste Keusch-heit in der Ehe. Die Mütter sollte» mit Löwenmuth ihre Töchtervertheidigen und sie keinem polygamisch verwöhnten, heimlichkranken Mann anvertrauen. Junge Leute, die ein liederlichesLeben führten, sollten vom Verkehr in der Familie ausgeschlossensein.— Außerdem verlangte die Rednerin gesetzliche Reformenauf dem Gebiet der Sittlichkeit. Es sei ein unwürdigerZnstand, daß gegenwärtig ein vierzehnjähriges Kindunter dem Schutz des Staates Prostitution treibendürfe. Noch gebe es kein Gesetz gegen Arbeitgeber, die den Ar-beiterinnen Hungerlöhne zahlen und sie dadurch zwingen, ihre»Körper zu verkaufen. In diesem Herbst werde wahrscheinlich dielex Heinze wieder austauchen. Gegen die darin wenn auch inverhüllter Form vorgeschlagene Kasernirung der Prostitutionmüßten die deutschen Frauen als Entwürdigung ihres Geschlechtsprotestiren. Jede Frau muß— so schloß die Rednerin unterlebhaftem Beifall— wie die Bibel sagt, ihren Mund austhnnfür die Stummen und für die Sache aller derer, die ver«lassen sind!Das Korreferat hielt Frau Stadtschulrath Cauer. Ichstehe, sagte sie, in vieler Hinsicht auf anderem Boden als FrauBieber-Böhm. Ich sehe die einzige Hilfe gegen die Prostitutionvorläufig darin, die wirthschaftliche Selbständigkeit der Frau zuerhöhen. Ich kenne auS dem Hilfsverein für weibliche Angestellte heraus die Lage der jungen Mädchen. Wie es mit denArbeiterinnen steht, kann ich nicht so genau sagen, da muß ichnoch viel lernen und darüber würden unS die sozialdemokratischen Frauen, deren Kritik an der bürgerlichenfrauenbeivegung nothwendig und berechtigt ist, genaueres-richten können. Was aber die weiblichen Handels-angestellten betrifft, so muß ich sagen: Bei den Lohnverhältnissen,die dort vielfach herrschen, ist es unmöglich für junge Mädchen,sittlich hoch zu bleiben.(Lebhafte Zustimmung.) Erst muß dieMöglichkeit für diese Mädchen geschaffen werden, daß sie wirklichleben können, dann kann man ideale Forderungen an sie stellen.Es ist ja auch sehr bezeichnend: zur Zeit des wirthschaftliche»Ausschwungs geht die Zahl der Prostituirtcn zurück. Kann ei»junges Mädchen mit 25 oder 30 M. monatlich auskommen?Dabei verlangen die Chefs noch elegante Toiletten. Nichtnur den harten Kampf ums tägliche Brot führendiese Mädchen, sie müssen sich noch vertheidigen gegen die Ver-führungs-Bersuche mancher Vorgesetzten.(Lebhafte Zustimmung.)Die sozialdemokratischen Fronen machen uns den Vorwurf, daßwir diese Zustände nicht öffentlich zur Sprache bringen, aber*) Das Radlerinnenkostüm verwarf Frau Proelß. Es geltezwar als„chik", beruhe aber doch auf dem korrumpirten Korset-geschmack.die jungen Mädchen flehen unS an, zu schweigen, weil die ChefSdie Macht haben, sie durch schlechte Zeugnisse jahrelang brotloszu machen. Wir wollen aber trotzdem unsere Taktik ändern.Die bürgerliche Gesellschaft hat kein Recht, einen Stein aufgefallene Mädchen zu werfen. Man soll die Pharisäernur fragen, ob sie schon gehungert und kein Obdach gehabt haben.(Lebhafter Beifall.) Zur Hebung der Sittlichkeit in der Ehe isteine Erleichterung der Ehescheidung das wirksamste.(Bravo.)Es wird der sozialdemokratischen Partei vorgeworfen, daß siesortgesetzt von freier Liebe spricht. Die sozialdemokratische Parteiversteht unter freier Liebe aber doch nur leichtere Ehescheidung.Rednerin erwähnt kurz die Vorschläge der ursprünglich alsKorreferentin in Aussicht genommenen Engländerin Miß Hogg—Einschränkung der Einwanderung von Französinnen und Deutschennach England, wo sie häufig der Prostitution in die Arme fallen,weil der Arbeitsmarkt überfüllt ist, internationales Vorgehen derRegierungen gegen den furchtbaren Handel mit weißen Mädchen— und schließt: Arbeiten wir daran, daß die Arbeiterinnen-Verhältnisse besser werden!(Lebhafter Beifall.)Nachdem ein Fräulein Ottilie Hoffmann den Kampfgegen den Alkoholgennß als Pflicht der deutschen Frau bezeichnetund empfohlen, wurde die Debatte über die drei Referate er-öffnet.Frau Schlesinger-Eckstein glaubte den Sinn dervortrefflichen Rede der Frau Cauer in den Satz zusammeiifassenzu könne»: Die Prostitution steht und fällt mit der kapitalistischenGesellschaft! So lange es den Männern des Bürgerthums erstmit 30 oder 40 Jahren zu Heirathen möglich ist, wird es auchProstitution geben. Die Vorschläge der Frau Bieber-Böhm seienaussichtslos. Zudem sei es nicht erwiesen, ob die Unterdrückungeines Zentraltriebes im Menschen nicht direkt schädlich sei.Hierauf erhielt Frau Zetkin das Wort. Sie sagte: DerWunsch der Frau Bieber-Böhm. daß den Stummen und Ver-lassenen ein Wortführer und Vertheidiger erstehe, ist auch in derSittlichkeitsfrage bereits erfüllt. Der Wortführer ist daskämpfende Proletariat. Die wirthschaftlichen Verhältnisse sindder Suinpfboden, aus dem die Prostitution emporwuchert, und esnützt nichts, nach Art schlechter Kurpfuscher einzelne Symptomedes Uebels zu bekämpfen. Die Prostitution ist engverquickt mit der Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft.Von der berufsmäßigen Prostitntion abgesehen, prostituiren sichtausende von Mädchen gelegentlich, weil ihr Arbeitsverdienstnicht zum Leben hinreicht. Ganze Industriezweige mit niedrigenArbeitslöhne» für die Arbeiterinnen verdanken ihre sog. Blüthedieser schändlichen Thatsache. Tie wirthschaftlichen Verhältnisseerzeugen also das Angebot von Prostiiuirten, sie erzeugenaber auch die Nachfrage, weil es vielen Männernunmöglich ist, zu richtiger Zeit eine Ehe zu schließen.Daß der Mann vor der Ehe im Zustande absoluterKeuschheit lebt, wird sich bei der großen Mehrzahl nie verwirk-lichen lassen. Nur einzelne Jdealmenschen werden dieser Forde-rung genügen. Ein gesetzliches Verbot der Prostitution würdedas Laster nicht beseitigen, sondern nur in Höhlen undSchlupfwinkeln treiben, wo es unter der Oberflächenur noch giftiger wirken würde. Um so mehr würdesich auch das häßliche Gegenstück der weiblichenProstitution, das männliche Zuhälterthum, entwickeln. Es liegtpsychologisch auf der Hand: je mehr die Prostiluirte von derPolizei verfolgt wird, desto größer wird ihr Bedürfniß. einenBeschützer zu habe», um mit seiner Hilfe die Polizei zu täuschen.Nicht bei der Krönung des Gebäudes darf begonnen werden,erst n>nß die gesunde Grundlage in wirthschastlicherBeziehung gelegt werden. Deshalb muß jede denkendeFrau für soziale Reformen im großen Stile ein-treten, die es der breiten Masse erst ermöglicht, sittlich zuleben.(Lebhafter Beifall.)Herr von E g i d y war der letzte Redner in der Debatte.Er wollte„aus der ernsten Stunde nicht ohne versöhnendes Wortscheiden" und glaubte, daß Frau Bieber-Böhm zu schwarz gemalthabe. So schlimm stehe es doch nicht mit den jungen Leuten; sozerrüttet sei das innerste Gemüthsleben des Mannesin der Gegenwart nicht. Reines Familienleben weckein den jungen Leuten, die unkeusch lebten, daSBewußtsein des Unrechtes; grade diesen Sündern dürfe nichtdie Thür gewiesen werden; die Reinheit der Töchter strahl« aufsie über.Frau Bieber-Böhm bezeichnete in ihrem Schlußworte diesenVorschlag doch als ein gefährliches Experiment. daS sie nichtmachen würde, wenn sie Töchter hätte und erinnerte Frau Zetkingegenüber daran, daß sie Reform auf der ganzen Lime verlangthätte und auch die Verbesserung der ökonomischen Verhältnissedazu rechne.In der Nachmittagssitzung deS Kongresses wurde überMädchengymnasium. Universitäts- und Kunst-studium der Frau verhandelt und von den verschiedenenRednerinnen die mehr oder weniger verzopften Zustände in deneinzelnen Ländern in dieser Beziehung geschildert. Theilnahmeder Frau an dem vollen Kulturleben der Gegenwart, Fort-räumung der bestehenden Hindernisse war die allgemeine Parole.Soziales.Das EinigungSatut des Berliner GewerbegerichtS giebtden am 14. August gefällten Schiedsspruch, betreffend den allge-meinen Ausstand in der Herren- und Knaben-konfektion Berlins, nunmehr öffentlich bekannt. Der„Vorwärts" hat schon damals die wesentlichsten Bestimmungendes im Schiedsspruch festgesetzten Miniinal- Lohntarifs undwörtlich die Gründe des Schiedsspruchs gebracht. Wir sehendeshalb von der Wiedergabe der jetzigen Publikation ab. DasEinigungsamt macht weiter bekannt:„Innerhalb der denParteien seitens des Einigungsamtes des Gewerbegerichts zurAbgabe ihrer Erklärung festgesetzten Zeit von 14 Tagendarüber, ob sie sich dem Schiedssprüche unterwerfen,haben die Vertreter der Arbeitnehmer ihre Unterwerfungunter den Schiedsspruch abgelehnt. Von den inleresstrte»92 Konfektionären haben vier bedingungslos und zivei unter derBedingung, daß die Mehrzahl der Konfektionäre den Mindest-tarif annehmen, sich dem Schiedsspruch unterworfen. NeunKonfektionäre haben sich gegen denselben erklärt. Von denübrigen Konfektionären und den Vertretern der Zwischenmeisterist eine Erklärung nicht abgegeben worden. Es wirdbemerkt, daß die Nichtabgabe einer Erklärung binnen derbestimmten Frist und die von zwei Konfektionären abgegebenebedingungsweise Erklärung in Gemäßheit des Z 68 des Gewerbegerichts-Gesetze? und ß 77 des OrtsstatutS für die Stadt Berlinals Ablehnung der Unterwerfung gilt."Die Arbeiter waren gezwungen, den Minimaltarif abzu»lehnen, weil die Konfektionäre, welche höhere Leistungen an dr»Arbeitskraft stellen, ihn zur Lohnreduzirung ausnutzen, und die,für welche der Schiedsspruch in erster Linie berechnet war, sichnicht daran kehren. Sie wollen nach wie vor die Nothlage derArbeiter zu ihrem Vortheil ausnutzen. Das beweisen jene Unter-nehmer damit, daß. trotzdem die Sätze des Minimaltarifs inallen wesentlichen Punkten mit den von den Konfektionären am19. Februar vorgeschlagenen übereinstimmen, sie sich dennochweigerten, sich dem Schiedsspruch zu unterwerfen.Hinein in die Organisation! Das ist die Lehre.welche den Arbeitern der Ausgang dieses Einigungsverfahrensvon neuem giebt; nur so können sie ihren Forderungen Gsttungverschaffen.Ueber die Erwerböthätigkeit der schulpflichtige« Kinderin der Stadt Hannover hat der dortige L eh r e r v e r e i»eine Statistik aufgenommen, aus der hervorgeht, daß 12 Prozentder Knaben und 6 Prozent der Mädchen außer der Schulzeitdem Gelderwerb nachgehen müssen. Um de» mit dieser Thälig-