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Meuty-Straße 2. Donnerstag» den 24. September 1896. Spedition: 8V.l9. Wettty-Straße 3� Skvcklingv vom Sköckevflomme Unsere widerspruchsvolle Zeit, in der der Zersetzung. Prozeß der bürgerlichen Gesellschaft auch die bürgerlichen Parteien ergriffen hat, in der das Staatsschiff unberechenbar hin und her geworfen wird im widerspruchsvollen Zickzackknrs, hat auch wieder einmal eine neue Partes und damit in der That dem Zeitcharakter Rechnung tragend. eine Partei der Widersprüelie erzeugt. Eine Parteifür nationalen Sozialismus aus christlicher Grundlage" nennt sie sich vorläufig, bis ein mundgerechterer Name gefunden ist. Die christlich-soziale Partei des Hofpredigers Stöcker ist ihre Mutter und die konservative Partei somit ihre Großmutter. Sie ist ihren mütterlichen Ahnen aus dem Gesichte geschnitten, aber im Widerspruch, im Kampf mit ihnen führt sie sich ein Zunächst trachtet sie ihrer Mutter nach dem Leben, denn neben einander könne denn doch wirklich nicht trotz der Bunt- scheckigkeit, die wir im deutschen   Parteileben gewohnt sind, eine christlich-soziale und eine national-soziale Partei auf christlicher Grundlage bestehen. So erklärt es sich denn, daß die ersten Lebensäußerungen der Neugeborenen auf entschiedene Gegnerschaft mütterlicherseits stoßen und auch von konservativer Seite mit ernstem Mißtrauen begutachtet werden, während andere Parteien ihr nur Neugierde bezeigen, die Sozialdemokratie aber, trotzdem ihr von den National-Sozialen mit der christlichen Grundla eine fürchterliche Konkurrenz sür die Zukunft angedroht wird, da? ganze Unternehmen mehr als einen harmlosen Spaß ansieht. Es sind Stecklinge vom Stöckerstamm, denen die Neue Partei entsprießen soll. Nicht so morsch und ver- modert wie das alte Holz sicherlich, sondern noch grün durch und durch, recht grün in der That Diese Grüne aber ist doch ihre einzige Empfehlung, denn mit der Lupe betrachtet zeigt ihre Struktur dasselbe Ge- faser wie der alte Stock. Wir glauben allerdings nicht, daß die Naumann und Göhre je die Schleichwege wandeln werden wie der theure Gottesmann, dessen Beispiel sie aus dem Predigtstuhl auf die Rednertribüne verlockt hat, stehen ihnen doch auch keine höfischen Hintertreppen offen, die sie in Versuchung führen könnten. Aber politische Pastoren sind und bleiben auch sie, trotzdem sie mit der freudigen Unter- würfigkeit, die den Unterthanen ziert, auf den landesbischös- lichen Bannstrahl gegen das politische Pastorenthum hin die Bäffcheu schleunigst abgebunden und obendrein eine schöne neue Theorie ersonnen haben, daß ein politischer Pastor aufhören müsse, Pastor zu sein, um Politiker bleiben zu können. Wer cinmal als Pastor geamtct hat, dem träufelt der geistliche Balsam ewig von den Lippen, auch wenn er politisch sein will. Nur einem Pastorengehirn, das sich die schönsten Lebensjahre hindurch damit abgequält hat, Widerspruchs- 801 Mienzi. Der letzte der römische» Volkstribuuen. Roman von Edward Lytton Buliver. Fünftes Buch: Die Entscheidung. Erstes Kapitel. Das Gericht des Bolkstribnnen. Wenn auch die entschiedenen Worte des Tribunen gegen Stephan Colonna die Wuth des stolzen alten Patriziers erhöhten, so hielt er bei weiterem Nachdenken es doch für ralhsam, ihnen Folge zu leisten. Er fand sich daher zu der bestimmten Stunde in einem der Säle des Kapitals mit den anderen Eingeladenen ein. Nicnzi empfing sie mit noch größerer Freundlichkeit, als gewöhnlich. Sie setzten sich mit geheimer Besorgniß und Unruhe an das glänzende Mahl, als sie bemerkten, daß mit der Ausnahme Stephan Colonna's keine Gäste, außer die um das Komplot wußten, au dem Bankett theil nahmen. Rienzi  , der ihre Zerstreuung und ihr Stillschweigen nicht zu be- merken schien, war munterer, der alte Colonna mürrischer als gewöhnlich. Edler Herr Colonna, wir scheinen durch unsere Em ladung Euch nicht sehr erfreut zu haben. Einst wurde es uns leichter. Euch zum Lächeln zu bringen." Die Verhältnisse haben sich geändert, Tribun, seit Ihr mein Gast wäret." O ich denke nicht. Ich bin emporgekommen, aber Ihr habt Eure Stellung behauptet. Ihr könnt bei Tage und bei Nacht unangefochten und ruhig ans den Straßen gehen; Euer Leben ist gesichert vor den Räubern, und Eure Paläste bedürfen nicht mehr der Schutzwehren und Befestigungen, um Euch vor Euern Mitbürgern zu schützen. Ich habe allerdings meine Lage verbessert, aber wir alle aus barbarischer Unordnung sind wir in ein zivilisirtes Leben getreten. Edler Herr Gianni Colonna, den wir zum Oberherrn über die Kampagna gesetzt haben, Ihr werdet dem Buodo Stato einen Becher nicht verweigern; auch glauben wir,j Eurer Tapferkeit nicht zu nahe zu treten, volle Glaubenssätze durch das Nadelöhr der Vernunft zu treiben, konnte das widerspruchsvolle Programm entstammen, mit dem die Naumann und Göhre denArbeiterstand" zum National-Sozialismus auf christlicher Grundlage" bekehren wollen. Die Grundgedanken grundverschiedener Parteien glaubt Herr Naumann mit einander verschmelzen zu können. Er will den Sozialismus mit dem Liberalismus und dem Konservatismus, natürlich immer nurdas Berechtigte" darin, verbinden. Wie? das ist allerdings die Sache der Zukunft, der ermit leuchtenden Augen entgegengeht". Er ist vorsichtig genug, sich nicht in Einzelheiten seines Programms zu vertiefen, sondern hilft sich mit allgemeinen Redewendungen über die Gegensätze hinweg. Er will national sein, also, wie wir aus einer Aus einandersetzung eines älteren Stecklings vom Stöckerstamm ersehen, für ein starkes Heer, eine starke Flotte, eine starke Kolonialpolitik und eine starke Monarchie eintreten, und doch dabei die politische Freiheit fördern. Ein bischen Geschichtsstudium hätte ihn belehren können, daß solche Bestrebungen noch nie mit einander sich verlragen haben. Sie werden auch jetzt im Deutschen   Reiche sich nicht vereinigen lassen, selbst wenn man sie etwas in christlich-soziale Tunke taucht. Das ist nebenbei des Herrn Naumann Geheimniß, wie denn der ursprüngliche Christus, dessen Reich nicht von dieser Welt war, den Naumann aber als sein Ideal zu neuem vorbildlichen Leben erwecken will, mit der Schneidigkeit der uferlosen Nationalpolitik sich ab finden soll. Eine Ahnung, daß das absolut nicht geht, scheint denn doch einem anderen Stöckersteckling, dem Herrn Göhre, auf gedämmert zu sein, denn gleichzeitig mit den Programm� artikeln des neuen ParteiblattesZeit" veröffentlicht er in Naumann's WochenschriftHilfe" eine Betrachtung, in der er sagt: Indem wir das Christenthum als Quelle unserer sozialen und politischen Forder un gen ausgeben, geben wir die Wahl der Weltanschauung jedem unserer Genossen preis, verpflichte» ihn nur auf unser sozial- politisches Programm und beanspruchen nur für uns selber das Recht, als Christen uns wie im privaten, so auch im politischen Leben zu bethätigen." Von Göhre wird das Christenthum als Quelle der sozialen und politischen Forderungen aufgegeben, bei Nau> mann heißt es, seine Phantasiepartei komme als soziales Christenthum und greift die wahre und ewige Person Jesu   aus dem Beiwerk der Zeiten heraus, stellt ihn in die Milte, liebt ihn, will sich von ihm lehren und leiten lassen. Ein solches wahrhaft evangelisches Christenthum, das mit der Bibel ernst zu machen sucht, paßt nicht zu konservativen Traditionen und darum greifen wir es auf und lassen es unser Licht sein, eine Leuchte von unerlöschlichem Glänze, von un- ausschöpflicher Leuchtkraft. Um diese unsere Stellung zum Christenthum von vorn herein klar und fest auszusprechen, I reden wir von nationalem Sozialismus auf ch r i st l i ch e r Grundlage." Diesen Widerspruch zwischen den beiden Hauptpropheten der neuen Lehre zu lösen, ist nicht unsere Sache. Es wird das eine lehrreiche Beschäftigung sein für die beiden politischen Pastoren, die keine Pastoren, sondern nur noch Politiker sein wollen. Sind sie mit dieser Aufgabe fertig geworden, dann bleibt ihnen Zeit, einmal das Wesen des Klassenkampfes zu erforschen. Vielleicht kommen sie dann noch einmal dahinter, weshalb der Emanzipationskampf des Proletariats sich nur auf der Grundlage des demokratischen Sozialismus vollziehen kann und daß, wer zu dieser Er- kenntniß gelangt ist, sowohl den christlich-sozialen Herrn Stöcker wie dessen national- soziale Stecklinge als Eintags- erscheinungen einer widerspruchsvollen Zeit der Gährung bei Seite schiebt._ polMfche Mebevstchk. Berlin  , 23. September. Zum Zlchtstundentng. Unter Anlehnung an die be- kannten Barvus'scheii Vorschläge zum Parteitag wird von einigen Genossen gefordert, die Reichstagsfraklion solle be- auftragt werden,einen Gesetzentwurf bezüglich Einführung des Achtstundentages möglich st zu Beginn de« W i n t e r s e s s i o n imR eichstage ein zubringe n". Wie wenig überlegt die übereifrigen Reformatoren an die Arbeit gehen, ist daraus zu ersehen, daß die Fraktion bereits am 9. Dezember 1893 beschlossen hat, einen bez. Gesetzentwurf einzubringen, und ihn sodann bereits am 11. Dezember 1895 eingebracht hat. Der Gesetzentwurf ist in Nr. 288 desVorwärts" vom 10. Dezember 1895 ab« gedruckt und lautet wörtlich: Der Reichstag   wolle beschließen: die verbündeten Ne« gierungen zu ersuchen, dem Reichstage bis zur nächsten Session «inen Gesetzentwurf vorzulegen, wodurch die regelmäßige tägliche Arbeitszeit für alle im Lohn», Arbeits» und Dienst- verhältniß im Gewerbe-, Industrie», Handels» und Verkehrs« wesen beschäftigten Personen aus acht Stunden festgesetzt wird." Dieser Antrag behält, da die Session nicht geschlossen, sondern nur vertagt ist, seinen Platz unter den Initiativ« antrügen sämmtlicher Parteien. Es erübrigt sich bei dieser Sachlage, die Fraktion aufzufordern, etwas zu beantragen, was vor 9 Monaten bereits von ihr beantragt ist. In Budapest   hat nach zahlreichen anderen Kongressen vorige Woche auch ein Internationaler Friedens- k o n g r e h getagt. Wenn wir über die Verhandlungen nicht berichteten, so geschah es der Sache zu lieb, die auch die unsrige ist. Je mehr die Sozialdemokratie wächst, desto mehr greift auch die Erkcnntiiiß um sich, daß der Weltfriede ein Traum ist und bleiben muß, so lange, die heutige, de» Klassenkampf bedingende, die Menschen und Völker verhetzende kapitalistische Gescllschafrs« wenn wir uns freuen, daß Rom   jetzt keine Feinde hat, welche sie bezeugen können." Mich dünkt," erwiderte der alte Colonna trocken,wir werden, noch ehe die Ernte reif ist. Feinde genug ans Böhmen   und aus Bayern   sehen." Und wäre das auch der Fall," antwortete der Tribun ruhig,so sind auswärtige Feinde besser als der Bürgerkrieg." Ja, wenn wir Geld im Schatz haben, was aber schwerlich der Fall sein dürfte, wenn wir noch niehr solche Festtage feiern." Ihr habt wenig Zutrauen zu den Römern, edler Herr! Welcher Bürger würde sich weigern, Gold zu opfern, um dafür Ruhm und Freiheit zu erkaufen?" Ich kenne wenige in Rom  , die das thun würden," entgegnete der alte Patrizier.Aber sagt mir, Tribun," was ist besser für einen Staat, wenn das Oberhaupt zu ver- schwcnderisch oder wenn es zu sparsam ist?" Ich schiebe diese Frage meinem Freunde Luca di Savelli zu," erwiderte Rienzi.Er ist ein großer Philosoph und kann gewiß nachher ein noch schwierigeres Räthsel auf- lösen, als das, welches wir vorläufig seinem Scharfsinn vorlegen wollen." Die Barone, welche durch die kühne Rede des alten Colonna sehr beunruhigt worden waren, richteten jetzt alle ihre Blicke auf Savelli  , der mit mehr Fassung, als sie er- wartet hatten, erwiderte: Die Frage läßt eine doppelte Antwort zu. Wer als Herrscher geboren ist, durch die Furcht regiert und aus- wärtige Truppen unterhält, sollte sparsam sein. Wer da- gegen zum Oberhaupt erwählt wurde, dem Volke sich anschließt und durch Liebe regieren möchte, muß dessen Neigung durch Freigebigkeit gewinnen, und die Phantasie der Menge durch Pracht und Glanz in Anspruch nehmen. Dieses ist. wie ich glaube, der allgemein giltige Grundsatz in Italien  , welches in der Staatsklugheit am erfahrensten ist." Die Barone billigten einstimmig die vorsichtige Ant- I wort, nur der alte Colonna nicht. Ihr müßt entschuldigen, Tribun," sagte er,wenn ich mit der höflichen Entscheidung unseres Freundes nicht ganz übereinstimme, und, jedoch mit aller gebührenden Achtung, der Ansicht bin, daß selbst die grobe Kutte eines Bettel« mönchs, das Kleid der Demuth, sich besser für Euch eignen würde, als diese glänzende Pracht, daS Kleid des Stolzes." Mit diesen Worten berührte er den weiten, mit Gold ge» stickten Aermel des Purpurgewandes Rienzi's  . Still, Vater!" sagte Gianni, Colonna's Sohn, erröthend über die gefährliche Kühnheit des Alten. Nein, es hat nichts zu sagen," bemerkte der Tribun mit scheinbarer Gleichgiltigkeit, obgleich seine Lippen zitterten und seine Augen funkelten, und darauf fuhr er mit unheimlichem Lächeln fort:Wenn der Colonna das grobe Kleid des Mönchs liebt, so wird er, ehe wir uns trennen, noch genug davon sehen können! und jetzt, Signor Savelli, will ich Euch noch eine Frage vorlegen, die allen Euern Scharssinn in Anspruch nehmen wird. Ist es besser für den Beherrscher eines Staates, zu nachsichtig oder zn gerecht zu sein? Nehmt Euch Zeit zur Antwort! Ihr erbleicht? Ihr zittert? Ihr wendet Euch ab?--> Bösewicht und Mörder, Dein Gewissen verrälht Dich! Ihr Herren, wollt Ihr antworten sür Euren Mit« schuldigen?" Nein, wenn wir entdeckt sind," rief Orsini  , indeni er verzweifelnd aufsprang, so wollen wir nicht ungerächt fallen! stirb, Tyrann!" Er sprang auf den Tribunen zu, der ebeufalls auf« gestanden war, und führte mit seinem Dolche einen Stoß nach dessen Brust; die Waffe durchdrang das purpurne Gewand, glitt aber harmlos ab, und Rienzi be- trachtete den darniedergeschmetterten Mörder mit verächt» lichem Lächeln. Bis gestern Abend ließ ich es mir nicht träumen, daß ich unter meinem Staatskleide auch noch eine geheime Rüstung tragen müsse," sagte er.Ihr Herren habt mir eine schreckliche Lehre gegeben, und ich danke Euch!" (Fortsetzung folgt.)