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20. Juni 1926
Blick in die Bücherwelt
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das
Arnold Ulitz : Barbaren . Berlag A. Langen, München . Das finnvoll- unsinnige Leben hat es Arnold Ullig angetan. Sein Roman ,, Barbaren " ist ein grausames Buch. Barbaren ist ja eigentlich nur eine leere Bokabel;„ Anderssprachige" bedeutete fie den Griechen, Menschen, die sich ihrer Zivilisation verschlossen, den römischen Eroberern; für Ulih heißt sie nur„ Menschen" schlechthin. Präziser noch: der Mensch als Sammelbegriff. Und daß sein Roman um mehr als einen Menschen kreist, hat seinen Grund vielleicht nur darin, daß eine erdachte Gestalt unmöglich die Bielseitigkeit einer wirklichen haben kann, wenn sie glaubhaft fein soll. So stellt er sie nebeneinander: Falton, den Gelehrten, der als Rest einer untergegangenen Polarexpedition zu dem Nomadenstamm tommt, und Wigwag, den verseuchten Europaaus wurf, der, von den Gesetzen verfolgt, hier Zuflucht suchte, Pantuf, den Herren- und Turrwull, den Usurpator, und schließlich das Weib Lüma, die Lächlerin. Unendlich weit scheint die Entfernung zwischen ibrer findhaften Demut und der unflätigen Niedrigkeit Wigwags, aber grausam läßt Uliz alle Seelenregungen schillern und wo bleibt Gut" und" Bose"? Das bist du; eins wie das andere. Der Mensch als Geschöpf ist Uliz undefinierbar und elementar, tiernah und doch nicht Tier. Er findet die Vokabel„ Barbar" für ihn, aber das Wort ist hier fast ohne Antlänge, ein schönes, neues beinahe geworden. Ein trauriges zugleich: derm dunkle Sehnsüchte klingen daraus, die unerfüllt zwar Reichtum find, aber durch törichte Zielsetzung eng und arm machen. Wissen, Reichtum, Macht
was
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Beilage
des Vorwärts
Dem Verfasser ist es gelungen, ohne Anwendung der Mathematik in das schwierige Gebiet der Relativitätstheorie einzuführen; freilich liegt es in der Natur der Sache, daß man einen solchen Stoff nicht durch einfaches Lesen, sondern nur durch eindringende Dent arbeit beim Lesen bewältigt. Wer solche Arbeit nicht scheut, sie viel mehr geradezu sucht, dem kann das Buch auch in der neuen Auflage aufs beste empfohlen werden. Dr. Bruno Borchardt .
Technik.
Alfred Naud: Der wissenschaftliche Schlosserbe trieb. Berlag der Deutschen Schlosserzeitung, Berlin . 92 Seiten. Das knapp, aber übersichtlich gefaßte Wert spricht in überzeugender Weise vom Klein- und Mittelbetrieb. Die Krebsschäden der Kundentrauterei" werden mit rücksichtsloser Schärfe aufgedeckt. Dann aber macht der Verfasser den Versuch, den Kleinmeister zum Nachdenken zu veranlassen. Er zeigt ihm Wege zur Produktionsteigerung, er gibt die Mittel zur Unkostenverminderung an, macht ihn mit dem Wesen der modernen Reklame vertraut und sagt ihm endlich, daß er die Pflicht habe, an den Errungenschaften der modernen Technik nicht nur schlechthin teilzunehmen, sondern, daß er sie auch geistig zum Nutzen seines Betriebes zu verarbeiten und zu verwerten habe. Handelten die Kleinmeister im Sinne dieses Buches, so könnten sie auch in der Zeit des Hochfapitalismus sich manchen Freund gewinnen, denn sicherlich bleibt auch für sie noch genug zu wirken übrig. Willy Mobus.
eigenem Wissen und Schauen aufbauende und den Stoff vollkommen beherrschende Forscher an der Arbeit sind, Schriftsteller zugleich, die flar und anschaulich zu schildern und Gedanken einleuchtend zu ent wickeln wissen aber mehr, als gediegene und erafte Literaturgeschichten alten Stils tommen dabei, wenigstens was Golther und Schneider anlangt, nicht heraus, neue Beschreibungen und neue Gruppierungen sind der ganze, für Fachgelehrte gewiß sehr beträcht liche Ertrag. Vielleicht dürfte man den Band über die fruchtbaren Jahrzehnte von 1700-1785 anders beurteilen, wenn Professor Schneider, seinem ursprünglichen Plan getreu, die Auseinandersetzung der Deutschen mit dem barocken Erbe des 17. Jahrhunderts zum einzigen Gegenstand des Buches gemacht hätte, denn damit wäre der ganze Gesellschaftswandel jener Tage, soweit er sich in der Kunstform ausdrückte, mit zur Darstellung gelangt. Aber das zeitliche Brinzip, nach welchem Schneider seinen Bericht schließlich doch anordnete, schädigt die große Linie allzusehr durch Einzelheiten. Hans Naumann ist seinen Kollegen gegenüber dadurch unbestreitbar im Vorteil, daß er einen wissenschaftlich noch nicht so durchpflügten Boden bearbeiten und auf die lebhaftefte Teilnahme der Leser rechnen darf, und, was das Wichtigste ist: er hat uns über Naturalismus, Neuromantik und Expressionismus wirklich Neues, Eigenartiges und Tiefes zu sagen. Von vornherein und grundfäßlich seelischer Umstellungen zugewandt, führt uns Naumann zuerst den der Entwicklung der Formen als dem charakteristischen Ausdruc Weg, den das Drama zwischen 1885 bis 1923 ging, um nach den hier gefundenen Gefichtspunkten die Gestaltungsgefeße von Erzählungskunst und Lyrik zu untersuchen. Kunsterzieherisch leistet Naumann dadurch sehr wertvolle Dienste. Denn er erzieht dazu, ist daran? Wenn ich befehlen tann: was gewinne ich dabei? Aus statt auf das Roh- Stoffliche und dessen Verfeinerung, die psychologische Kunst, auf die Art des Dichters im Schauen und Gestalten zu Quecksilber Gold machen, wie Falton: wozu? Reichtum: tann man achten, er schärfst das Ohr für die Plastik des Ausdruckes, der Gemehr als essen, als ausschlafen, als sich kleiden? Was hilft dann Ueberfluß? Und trostloser noch als all die Fragen ist die Antwort, überzeugend, wie in den Dichtern des Expreffionismus das Berantfühle und Leidenschaften. Beispielsweise verfolgt er, so hellhörig wie daß nicht der Gewinn für den einen, sondern der Verlust für den anderen das Ziel ist, daß die Furcht die Welt regiert, die den Haß wortungsgefühl für ihre Zeit erwachte und wie sich damit der Rhythmus von Gefühl und Sprache notwendig änderte. Desto störender gebiert. Haß aber bezwingt das Leben, verkehrt es in Widerfinn, Hans Boeschel: Einführung in die Luftfahrt. läßt die Menschen für die furze Spanne Zeit ihres Daseins sich fällt allen diesen Vorzügen gegenüber Naumanns Mangel an sozio- R. Boigtländer, Leipzig . 1925. 162 Seiten mit 31 Abbildungen und bekriegen und unterjochen, und die Wissenschaft ist gut, um dabet logischem Tiefblick auf. Ganz eingesponnen in die geistesgeschichtlichen drei Karten. Preis geb 2,30 M. tischen Zeitidee, verleiht er diesen Ideen ein völlig selbständiges, un Vorgänge, in den Wandel und Ausbau der realistischen und romanabhängiges Leben, als ob nicht der Wandel der gesellschaftlich- wirtschaftlichen Grundlagen den letzten Anlaß zur Zurückdrängung des Realismus hinter die Seelen- und Phantasiekunst geboten hätte. Was hat denn in Wahrheit die Kunst des inbrünstigen Aufschwunges, Triebkräfte eines starten, früher nie vorhandenen Gemeinschaftsdes neuen menschheitsverbindenden Ethos ausgelöst, wenn nicht die gefühles, dieses ersten Boten fünftiger Massenkultur? Der Sozialis die Geister nach seinen Bedingungen zu formen, das Zeitalter des mus hat begonnen, die eng- politische Umhegung zu überschreiten und Egoismus läuft, mag uns gegenwärtig der Eigennuz in noch so widerlichen Formen umbräuen, mit Naturnotwendigkeit seinem Ende entgegen und in der Ahnung fommender Gemeinschaft saugt sich die Dichterseele, die ihrer Zeit immer um eine Generation voraus ift, mit den Idealen der Zukunft voll. Der Literarhistoriker, der wirklich Geistesgeschichte betreiben will, hat da die Pflicht, nicht nur die in der Dichtung sichtbar zutage tretenden Veränderungen zu verzeichnen, sondern auch deren treibende Ursachen aufzudecken, ,, Literaturepochen" gerade lassen sich nur darstellen, wenn man sie als Ueberbau über sozialen Epochen erkennt. Dr. Alfred Kleinberg.
zu helfen. Vier Jahre hat der Gelehrte Falton im Eise verbracht, er weiß nichts vom Weltkrieg, der vorübertobte. Aber sein Gift: gas, das er in ziellofer Gelehrtenleidenschaft erfand, tötete an einem Tag vierzehntausend Menschen. Er hört es und erschauert einen Augenblid, um dann die erlösende Formel zu finden, daß Stephen son, der Erfinder der Lokomotive, ja auch kein Massenmörder set, obgleich die Eisenbahn dem Kanonentransport diente. Das flingt nach Zynismus und ist in der Umkehrung doch nur eine einfache Wahrheit: daß Kultur und Massenmord, infolge des Widerfinns der bestehenden Gesellschaftsordnung, Hand in hand gehen. Ulig philosophiert nicht viel darüber, er stellt es nur im Geschehen der Handlungen fest.
Und in all diese Sinnlosigkeiten hinein leuchtet eine schöne, föftlich schöne Welt. Denn Ulig ist ein Dichter, wenn auch sein Buch ihm und dem Leser oft nicht Zeit läßt, daran zu denken, da Grauen vor der Menschheit, die hier so sachlich und beinahe anatomisch appetitlich zerlegt wird, raftlos vorwärts peitscht, durch schillernde Sagen und glänzende Säße und harte, rauhe Wahrheiten, wie es eben fommt. T. E. Schulz.
Literaturgeschichte.
Epochen der deutschen Literatur." Herausgegeben von Brof. Dr. Julius 3eitler. 1. Band: Wolfgang Bolther: Die deutsche Dichtung im Mittelalter. 800-1500", 3. Band: F. 3. Schneider: 3wischen Barod und Klassifizismus. 1700-1785", 6. Band: Hans Naumann :„ Die deutsche Dichtung der Gegenwart, 1885-1923". ( Stuttgart , Berlag J. B. Mezler.)
Eine Sammlung literarhistorischer Einzelschriften, die sich programmatisch Epochen der Literatur" nennt, muß vor allem den Charakter der einzelnen behandelten Epochen herauszuarbeiten trachten, fie darf also nicht im engen Sinne ,, Literaturgeschichte" bleiben. Zum Epochalen" gehört die ,, Kultur" im weitesten Sinne mit dazu, die sozialen, politischen und weltanschaulichen Voraussetzungen ge= statten überhaupt erst, von Epochen als einem organisch gerundeten Ganzen zu sprechen. So betrachtet, kann die Einteilung des Werkes nicht befriedigen: Das Jahr 1500 hat weder in der Geschichte noch in der Dichtung jene Bedeutung, die man ihm gewöhnlich der Entdeckung Ameritas wegen zubilligt; mas um 1500 eintrat, waren Höhenerscheinungen einer Entwicklung, die lange vor jenem Jahr eingesetzt hatte und erst viel später ablief. Darum muß Golthers Darstellung ziemlich plötzlich abbrechen, und ähnliches gilt von dem Puntte, bei welchem Schneiders Buch beginnt. Einschnitte organischer Art ergaben sich weit eher beim Uebergang von der feudalen zur frühkapitalistischen Ordnung des ersten Kaufmannskapitals, dann bei den Anfängen des Merkantilismus, des bürgerlichen Mittelstandes, des Industrialismus und Spätkapitalismus, mögen auch die geistes- und formgeschichtlich gerichteten bürgerlichen Gelehrten bei diefem ,, wirtschaftlichen" Einteilungsgrundsay Aerger und Entrüstung
erfaffen.
Auch in der inneren Anlage der einzelnen Bände stört der gleiche Mangel: Jede Seite bezeugt wohl, daß hier fachkundige, auf
Naturkunde.
Robert Henjeling: Mars; feine Rätsel und seine Ge schichte. Stuttgart , Verlag Franch. 78 S. mit 54 Abbildungen.
Geh. 1,50 M., geb. 2,40 m.
Ein empfehlenswertes Büchlein, das einen klaren Ueberblick forschung gibt, sich dabei jeder phantastischen Uebertreibung enthält, über die Geschichte und den gegenwärtigen Stand der Mars sondern deutlich auf die Schwierigkeiten aufmerksam macht, die fich einer sicheren Deutung dessen, was man im Fernrohr auf dieser in seiner größten Erdnähe ist der Mars noch 8 Millionen Meilen von uns entfernt erblicken fann. Von einer einheitlichen Ausdeutung der Gesamtheit der Beobachtung sind wir noch weit entfernt.
uns benachbarten und doch so fernen Welt
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Friedrich Becker: Eine Fahrt durch die Sonnenwelt. Berlin und Bonn . Ferd. Dümmler, 1925. 131 S. mit 29 Abbildungen.
Das empfehlenswerte Büchlein jetzt keine besonderen Borkennt nisse, sondern nur die gewöhnliche Bolfsschulbildung voraus und wendet sich an Leser, die zum Durcharbeiten eines umfangreicheren Werkes über astronomische Dinge weder die Zeit noch die genügende Vorbildung haben, aber sich für diese Dinge lebhaft interessieren und sich gern darüber unterrichten wollen. Das Buch gibt feine phantasie vollen Schilderungen, sondern die Resultate des nüchternen wiffen schaftlichen Forschens, diese aber in unterhaltender, anregender Weise.
Paul Kirchberger: Was fann man ohne Mathematik von det Relativitätslehre wissen? Bierte vermehrte und verbesserte Auflage. Karlsruhe , C. F. Müller. 1925. 104 S.
Luftfahrlwesen.
Boeschel eine Reihe im Luftfahrtwesen bekannter und bedeutender Im Auftrage des Deutschen Luftfahrtverbandes hat Hans Persönlichkeiten zur Bearbeitung der einzelnen Teile des großen sind. Auf die Luft- und Wetterkunde von Kurt Wegener und Karl Gebietes der Luftfahrt gewonnen, die dann systematisch geordnet Schneider folgt eine Vorgeschichte der Luftfahrt von Boeschel selbst; Luftschiff von Eberhard Lempertz, einem Mitarbeiter des Dr. Eckener , er behandelt auch die Fahrt mit dem Ballon, während die mit dem vorgesehen war, het biefer ein kurzes Geleitwort mitgegeben. Die bearbeitet ist. Diesem Abschnitt, für den ursprünglich Dr. Eckener Entwicklung und die verschiedenen Arten des Fliegens werden von Walter Georgii , Kurt Wegener , Hugo Kromer behandelt. Es folgt ein kurzer Abschnitt über Modellbau und Modellflugzeug von Oskar Urfinus, worauf Hermann von Wilanowitz- Moellendorf den Luftverfehr schildert. Die Bedeutung der Luftfahrt im Dienste erkundlicher Forschung und der Vermessung schildert Erich Ewald; den Abschluß bildet eine kurze Aufforderung von Ernst Brandenburg an die Jugend zum Fliegenlernen.
Das Buch will die Bedeutung der Luftfahrt im weltwirtschaftlichen Verkehr zeigen und betont ganz besonders die wichtige, geradezu ausschlaggebende Rolle, die die Entwicklung dieses modernsten Zweiges der Technik beim Wiederaufstieg Deutschlands zu spielen beaufen ist, weshalb es für jedermann, der lebendigen Anteil am mirt schaftlichen Leben der Nation nimmt, eine Notwendigkeit ist, sich damit zu beschäftigen.
Es liegt in der Natur der Anlage des Werkes, daß nicht alle Abschnitte gleichmäßig anregend geschrieben sind, auch wird nicht jeder mit allen einzelnen Wendungen einverstanden sein können, besonders, wo sie das politische Gebiet streifen, aber als ganzes fann das Buch warm empfohlen werden.
Polarforschung.
Cuh Mäden: Der Flug zum Pol. Frandsche Verlagshandlung, Stuttgart .
Das Büchlein schildert in fesselnder Weise nach einer kurzent Uebersicht über die Geschichte der Polarreisen und einer Darlegung ihrer Bedeutung etwas eingehender Amundsens Schicksale und seinen berühmten Flugversuch zum Nordpol vom 21. Mai d. 3., der befanntlich mißlang und mit dem Verlust des einen seiner beiden Flugzeuge endete, während das andere sich vom Eise wieder erheben und die Rückfahrt antreten konnte. In Würdigung der Erfahrungen dieses Fluges spricht sich der Verfasser für das Luftschiff als das für Bolfiüge geeignetere Instrument aus, und gibt der Hoffnung Raum, daß in Deutschland die Mittel für Dr. Eckeners Plan zum Bau eines Riesenluftschiffes zusammenkommen und Eckener der Flug über den Nordpol gelingen werde. Allen, die eine knappe Einführung in die in Froge stehenden Probleme wünschen, kann die Lektüre des ftisch geschriebenen Büchleins empfohlen werden.
KON
NON
Kenner bezeichnen mit Recht
die Marke
Josetti Eljen 5Pfg.
als die bei weitem beste Cigarette dieser Preislage. Jhre Vorzüge rechtfertigen dieses Urteil aber auch vollkommen.
JOSETTI
ELJEN
JOSETTI
CIGARETTEN