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Nr. 228.

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Vorwärts

13. Jahrg.

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Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Benth- Straße 2.

Was erwarten wir von den

bürgerlichen Frauen?

Dienstag, den 29. September 1896.

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3:

auch den proletarischen Frauen zu gute zu gute kommen lassen indeß diese Frage gern auf sich beruhen als einen häuslichen Bwist der Bourgeoisie.

würde.

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nachfolgen und uns unterstützen.

In dieser Hinsicht den geringsten Nugen versprechen Völlig falt läßt es uns ferner, wenn Bourgeoisdämchen Der internationale Kongreß für Frauenwerke und wir uns von denjenigen Bestrebungen, die der Mehr- die Bekämpfung der Prostitution durch Polizeimittel Frauenbestrebungen ist zu Ende. Geredet wurde sehr viel, zahl der Kongreßbesucherinnen augenscheinlich und auch predigen. Das heißt, den Teufel austreiben wollen durch wenigstens vielerlei; daß etwas gethan wurde, läßt sich nicht ganz natürlich am meisten am Herzen liegen: von der Er- Beelzebub. behaupten, wenn man nur das" Thaten" eines Kongresses weiterung der Erwerbsthätigkeit der bürgerlichen Frauen, Mehr Interesse erregen bei uns die Bestrebungen, nennt, was irgend eine Einzelaufgabe einer Bewegung der womöglich bis zur völligen Gleichstellung mit ihren die auf Erweiterung der öffentlichen Rechte der Frauen Lösung näher führt. Das wird aber doch von diesem Pot- männlichen Konkurrenten in den respektablen Be- in Staat und Gemeinde hinzielen. Doch haben wir pourri von 100 viertelstündigen Vorträgelchen, mit deren Anrufen. Selbst die weitgehendste Erfüllung dieser da nicht auf die bürgerlichen Frauen zu warten, wir hörung sich die versammelten Damen so trefflich eine Woche Wünsche und Hoffnungen würde kaum etwas ändern sind ihnen, wie bei Betreibung der Arbeiterschutz- Geseze für lang unterhalten haben, wohl niemand behaupten, selbst an der Gestaltung des Klassenkampfes. Sie würde prat- Arbeiterinnen, werkthätig vorangegangen. Mögen sie uns nicht Frau Lina Morgenstern  , die, ein weiblicher May Hirsch, tisch   nur hinauskommen auf eine Personalverschiebung es verstanden hat, ihre eigene selbstgefällige Unfähigkeit in innerhalb des Gefüges der herrschenden Klasse. Wie wenig Bleibt noch die Förderung der gewerkschaftlichen Kämpfe den Vordergrund einer unausgegohrenen Bewegung zu man aber an sich von der Universitätsbildung einzelner der arbeitenden Frauen durch ihre bürgerlichen Schwestern. drängeln und sie durch ihre Reklamemäßchen zu kompro- Frauen oder von deren Rechtsstudium eine Erschließung des Von Frau Schwerin   und anderen wurde sie auf dem Kongreß mittiren. Verständnisses für die großen Fragen unserer Zeit befürwortet. Frau Kamp wies auf die thatsächliche Nicht was auf dem Kongreß geredet wurde, giebt ihm erwarten darf, dafür lieferte einen überzeugenden Unterstützung der streitenden Konfektionsarbeiterinnen in feine Bedeutung. Sondern, daß überhaupt in der Heimath des Beweis die Rechtskandidatin" Fräulein Anita Augspurg  , Dresden   durch bürgerliche Frauen hin. Auch wir halten Philisterthums, in der die Lehre ,,, mulier taceat in ecclesia", beren mit selbstgefälligem Applomb vorgetragene Plattheiten das für eine durchaus ersprießliche Bethätigung des das Weib schweige in öffentlichen Dingen", als ein selbst über die blutigen" Absichten der Sozialdemokratie denn Frauengemeinsinns und wir sind überzeugt, nirgends verständliches Axiom verkündet wird, zahlreiche bürgerliche doch nicht über das Niveau der durchschnittlichen Garde- würden unsere Genossinnen eine solche Unterstützung, wo Frauen zur Wahrnehmung ihrer Geschlechtsinteressen gegen- lieutenants oder Korpsburschen- Einsicht hinausragten. sie ihnen loyal angeboten wird, zurückweisen. Ja, wir über dem männerbevorzugenden Klassenstaat zusammenströmen Bezeichnend ist es nun, daß gerade für diese Ausdehnung können den Konfektionsarbeiter Streit in Berlin   als fonnten, verleiht dem Kongreß Wichtigkeit. Es ist die erste der Damenberufsthätigkeit, allein unter Ablehnung aller Beweis dafür anführen, daß von unserer Seite solche Hilfe Maffenbewegung der aus dumpfer Gedrücktheit zum Be- sonstigen Frauenbestrebungen sich zwei Organe der bürgerlichen stets willkommen geheißen wird. Mehrere bürgerliche Frauen wußtsein ihrer entwürdigenden Gesellschaftsstellung er- Preffe ausgesprochen haben, denen, wenn sie einmal zu hatten sich bemüht, Gelder für die Streifenden zu sammeln. wachenden bürgerlichen Frauen in Deutschland  , eine Re- sammenwirken, ein für die Durchschnittsmeinung der Als es dann darauf ankam, Kräfte für die Arbeit in den volte, wenn auch eine zahme, ihres Revoltencharakters bürgerlichen Gesellschaft repräsentativer Charakter nicht ab- Bahlstellen zu gewinnen, trat die Kommission auch an fich nicht bewußte. gesprochen werden fann: die tonservative Kreuz- Beitung" bürgerliche Frauen aus anderen Parteien mit dem Er Gar viel hätten diese Frauen durchzuführen, wenn und die liberale Bossische Zeitung". Das erklärt sich auch suchen um Uebernahme einer Zahlstellen- Verwaltung heran. fie die volle Gleichstellung mit den Männern fich erringen sehr leicht. Der respektable Bürgersmann mittleren Leider hatten aber die Damen keine Zeit. Die Streifs wollten und sie könnten dies nur erreichen, wenn sie als Ginkommens, auch der zeitungsschreibende, kann sehr kommission war ausschließlich auf Genossinnen angewiesen. Theilnehmerinnen in den Klassenkampf eintreten würden, selten noch seinen Töchtern eine solche Mitgift mitgeben, Die christlich- soziale Gruppe der Frauen weigerte sich sogar der die Beseitigung aller Klassenunterdrückung sich zum daß sie auf dem Heirathsmarkte für Karrièreschnaufer in direkt, die von ihnen gesammelten Gelder in die allgemeine Biel   gesetzt hat. Doch diesen Gedanken hier weiter Uniform und Zivil begehrliche Partien werden. Und es Streiftasse zu zahlen. Sie wollten ihre Gelder nicht als auszuführen, erübrigt sich für uns, da einzelne ist ein seltener Glückszufall, wenn die höhere Tochter mit Streitgelder, sondern als christlich soziale Wohlthaten in unserer Genofsinnen auf dem Rongreß selbst und so viel Reizen des Geistes und Körpers ausgestattet ist, einem eignen Bureau an Unterstützungsbedürftige" auss in den großen Boltsversammlungen, zu denen er Anstoß daß sie auch mitgiftlos für Kommerzienräthe oder un- zahlen. So wenig dieses Verlangen mit der Grundidee des gab, bereits gründlicher, als das an dieser Stelle geschehen verschuldete Rittergutsbefizer erster Ordnung einen sicheren Gewerkschaftskampfes im Einklang stand, ist das Komitee fönnte, dargelegt haben, wie die Lösung der sogenannten Köder abgiebt. Es muß für sie eine ergiebige Stellung ge- dennoch darauf eingegangen, weil es nicht glaubte, an Frauenfrage nur ein Theil des Emanzipationstampfes des schaffen werden, und deshalb schlagen die zeitungsschreibenden gesichts der großen Noth unter den Streifenden dies Proletariats sein fann und sein wird. Und wir geben uns Gesellschaftsstüßen da mit großer Gemüthsruhe ein Loch in an sich unbillige Verlangen zurückweisen zu dürfen. auch nicht der Täuschung hin, als ob sich eine Massen- ihre Paute auf der sie von der Pflicht des Weibes, als Also, wie damals sind unsere Genossinnen auch fortan betheiligung bürgerlicher Frauen an den Bestrebungen Kindergebärerin, Dekorationsstück und Hausgeräth für den zum Zusammenwirken bereit; sie müssen allerdings er und Kämpfen der Sozialdemokratie erwarten ließe. Dazu kämpfenden und erwerbenden Mann zu dienen, eintönig zu warten, daß die hilfsbereiten bürgerlichen Frauen sich sind sie in ihrer Mehrzahl zu mollig in die Klassen- Trommeln pflegen. fünftig nicht in der Pose der Patronessen gefallen, sondern, interessen der herrschenden Gesellschaftsschichten eingebettet. Unsere Sache könnte von der Erweiterung des Ron- wenn sie wirklich erfüllt sind vom Geiste des Frauens Dennoch kann die bürgerliche Frauenbewegung, auch soweit kurrentenkreises in den respektablen Berufen durch Einstellung gemeinsinnes, als Gleiche unter Gleichen mit ihren proles fie sich abgesondert hält vom Proletariat, auf manchen neuer weiblicher Mitbewerber höchstens den Vortheil der tarischen Schwestern arbeiten werden. Gebieten nügliches leisten, das direkt oder oder indirekt rascheren Proletarisirung der gelehrten Berufe ziehen. Wir

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Rienzi.  

rührte sich; und die Tribunessa schien verwundert und un- Blick auf die Gesellschaft warf. Ihr habt uns noch nicht willig über die geringe Aufmerksamkeit zu sein, welche man verlassen? Beim heiligen Kreuz, Euere Gatten erzeigen Der letzte der römischen Volkstribunen. ihr bezeigte. Als sie die anwesenden Damen überblickte, be- uns eine schmeichelhafte Ehre, indem sie uns so holde Roman von Edward Lytton Bulwer.  merkte sie, daß mehrere, deren Gatten, wie sie wußte, Rienzi's Pfänder zurücklassen, oder sie müßten denn schlechte Ghe­Unfähig, den Edelmuth des Tribunen zu würdigen, Feinde waren, mit bedeutsamen Blicken unter einander männer sein. Euer Gemahl," sagte er zu der Gattin des fühlten sich die Barone noch mehr beunruhigt, als Rienzi   flüsterten, und mehr als ein schadenfrohes Lächeln entging Gianni Colonna, ist nach Balestrina entwichen; der Eurige, am nächsten Morgen fie einzeln zu sich einladen ließ, sie ihr nicht. Signora Orsini, nach Marino, Euer Bräutigam, schöne mit Geschenken überhäufte, fie bat, das Vorgefallene zu aber Sie gewann jedoch ihre Fassung bald wieder und Frangipani, ist mit ihm- ihr famt hierher, um vergessen, und ihnen neue Würden und Ehren gewährte. sagte lächelnd zu der Signora Frangipani:" Dürfen wir an ihr seid sicher, selbst vor meinen Worten." In der Thorheit eines Herzens, dem ein königlicher Eurem Scherz theilnehmen, Ihr scheint irgend einen Sinu angeboren war, glaubte er, daß es feine Mittelstraße luftigen Einfall zu haben, den Ihr uns nicht vorenthalten gebe, und daß die Feindschaft, die er durch den Tod seiner werdet."

Gegner nicht bezwingen wollte, durch Zutrauen nud Die Dame, welche durch sie angeredet worden war, Gunstbezeugungen besiegt werden könne. Ein solches Be- antwortete erröthend: Wir dachten daran, Signora, daß, nehmen konnte, wenn ein für den Thron geborener König wenn der Tribun gegenwärtig gewesen wäre, sein Ge­es gegen seine Untergebenen anwendete, vielleicht mit Er- lübde der Ritterlichkeit jetzt in Anspruch genommen sein folg gekrönt werden. Aber die Großmuth eines Mannes, würde."

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der plöglich über seine früheren Gebieter erhoben wurde, Und inwiefern, Signora?" wird meist nur als eine aufs tiefste kränkende Demüthigung Es wäre seine angenehme Pflicht gewesen, dem Be­aufgenommen. Rienzi   beging hierin einen gefährlichen drängten beizustehen." Und die Signora blickte bedeutsam Fehler der Politit, den die grausame Staatsflugheit auf das Schnupftuch, das noch auf dem Boden lag. eines Viconti, oder in späteren Zeiten die eines Borgia fich nicht würde haben zu schulden kommen lassen. Aber es war der Fehler eines großen und erhabenen Geistes!

Der Tribun hielt einen Augenblick inne, um, wie es nicht zu verkennen war, seine Aufregung zu unterdrücken, als er den Schrecken bemerkte, den er erregt hatte. Seine Blicke begegneten denen Nina's, welche, die Kränkung ver geffend, die ihr kurz vorher widerfahren war, ihn besorgt und verwundert ansah.

" Ja", sagte er zu ihr, in dieser schönen Versammlung wißt vielleicht Ihr allein es nicht, daß die Patrizier, die ich erst kürzlich vom schmählichen Tod errettete, zum zweiten Mal Verräther geworden sind. Sie haben in dieser Nacht fich heimlich entfernt und bereits werden sie durch die Herolde für Verräther und Rebellen erklärt. Rienzi  verzeiht jest nicht mehr!

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Es war also Eure Absicht, Signora's, mich zu kränken," sagte Nina, mit stolzer Majestät sich erhebend. Ich Tribun," entgegnete die Signora Frangipani, in weiß nicht, ob Eure Gatten eben so tühn gegen den beren Adern kühneres Blut floß, als in denen ihrer ganzen Tribunen sind, aber ich weiß, daß die Gemahlin des Familie, gehörte ich Eurem Geschlecht an, so würde ich Nina saß in dem großen Saal des Palastes; es war Tribunen in Zukunft Eure Anwesenheit entbehren kann. Die Worte:" Verräther und Rebell", deren Ihr Euch der Audienztag für die römischen Damen. Vor vier Jahrhunderten konnte ein Frangipani vor einem gegen meinen Gemahl bedient, auf Euch zurückweisen. Der Besuch war gegen früher so wenig zahlreich daß Roselli sich wohl beugen, jetzt dürfte das Weib eines Uebermüthiger Mann! Der Papst wird diese Pflicht bald es fie befremdete, und in den Anwesenden glaubte sie eine römischen Patriziers in dem des ersten Staatsbeamten erfüllen!"

Kälte und eine Entfremdung zu bemerken, die ihre Eitelkeit Roms wohl eine Vornehmere anerkennen. Uebrigens Euer Gemahl ist mit einer Taube beglückt, schöne etwas verlegten. bin ich keineswegs geneigt, Eure Höflichkeit erzwingen zu wollen."

" Ich denke, wir haben die Signora Colonna nicht be­leidigt, fagte sie zu der Gemahlin des Gianni Colonna, fie pflegte uns mit ihrer Gegenwart zu beglücken, und wir vermissen sie sehr."

Signora, meine Schwiegermutter ist unpäßlich." So? wir scheinen heute überhaupt wenig Besuch zu haben." Mit diesen Worten ließ sie nachlässig ihr Schnupftuch fallen, die stolze Colonna hob es nicht auf, teine Hand

Wir find zu weit gegangen," flüsterte eine der Damen ihrer Nachbarin zu. Die Unternehmung könnte mißlingen,

und dann"

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Der plögliche Eintritt des Tribunen verhinderte fernere Bemerkungen. Er trat mit großer Haft ein, und auf seiner Stirne zogen sich jene Runzeln zusammen, die immer eine schlimme Vorbedeutung hatten.

" Wie, schöne Damen," sagte er, indem er einen schnellen

Dame," sagte der Tribun verächtlich. Fürchtet nichts, Signora," so lange Rienzi   lebt, bleibt das Weib, selbst seines heftigsten Feindes, ungekränkt und geehrt. Das Volt wird sich bald hier versammeln, unsere Wachen sollen Euch nach Hause begleiten, oder dieser Palast möge Euch als Bufluchtsort dienen, denn ich kann Euch sagen, daß Eure Gatten sich einer großen Gefahr ausgesetzt haben, und in einigen Tagen werden die Straßen Roms mit Blut getränkt sein."

( Fortseßung folgt.)