selben wüthete der schrecklichste Orkan, welcher sich jemals bivischen Himmel und Erde erhoben hat; und doch, den ganzen Morgen, ja selbst bis tief in den Nachmittag hinein, hatten wir gelinden und beständigen Wind aus Südwest, während die Sonne glänzend schien, so daß die ältesten Seefahrer unter uns nicht vorher sehen konnten, was folgen sollte. (Schluß folgt.)

Die Literatur und die Arbeiterbewegung. m. y. Aus dem Gesagten ergeben sich für die Literatur der Gegenwart, in welcher der immer mächtiger sich ent- faltende Riese Arbeiterbewegung die Bewunderung oder die Furcht aller Geister mit zwingender Nothwendig- keit erzeugt, neue Aufgaben und neue Darstellungs- Methoden. Jeder Gedankengang besitzt eine um so klarere Wahr- heit, eine um so packendere Logik, auf je weniger Voraus- fetzungen er sich zurückführen, von je weniger Ursachen er sich ableiten läßt. So in der Philosophie, in der Mathe- matik, in den Naturwisienschaften, und so am drastischsten in der naturalistischen Literatur. Nachdem der modernen Literatur an Stelle des alten Prinzips der Schönheit das neue Prinzip der Wahrheit sich durch die Entwickelung der neuen Gesellschaftsfaktoren von selbst aufgedrängt hatte, war es nothwendig, den Katechismus der alten Aesthetik einer Revision zu unter- werfen und zu prüfen, ob nicht ein neues Prinzip auch neue Forderungen in seinem Busen trägt. Und in der That muß man anerkennen, daß mit der Entthronung der alten Kunstgöttin auch alle ihre Attribute und Anhängsel beseitigt sind, daß, wo der Lebensnerv getödtct ist, der Tod seinen Einzug hält, und neues, frisches Leben nur in der entwickelteren jüngeren Form gefunden werden kann. Die moderne Kunst war gezwungen, mit dem Grund- fatz der Vergangenheit, den der römische Dichter Horaz in die Worte zusammenfaßt:Ich hasse das gemeine Volk und halte es mir fern", zu brechen. Das Prinzip, in der künstlerischen Darstellung nur der Wahrheit zu folgen, enthielt in sich zugleich die Nothwendigkeit, demjenigen Volkstheile die Hauptaufmerksamkeit zu widmen, welcher in den Mittelpunkt der lebhaften Kulturentwickelung ge- rückt war. Daß dieses der arbeitende Theil des Volkes ist, wird von den Feinden nicht weniger als von den Freunden eines fteiheitlichen, volksthümlichen Fort­schrittes anerkannt. Die ganze geistige Athmosphäre aller Kulturländer ist in der Gegenwart von Gedanken erfüllt, auf welche Weise die Wunden geheilt werden könnten, welche die moderne sozialpolitische Entwickelung den Massen geschlagen hat. Sollte in einer Zeit, in welcher die soziale Frage der be- stimmende Faktor in der Politik aller Länder geworden, die Kunstgöttin vor der modernen Sphynx ihr Haupt ver- hüllen und sich von dem Mittelpunkte alles öffentlichen Lebens, in welchem alle geistigen und politischen Strö- mungen zusammentreffen, fernhalten? Die moderne Literatur beginge einen Selbstmord, wollte sie nicht ihren Hebel einsetzen in die Zersetzung der alten Gesellschaft und in daS Werden der neuen. Wo Wahrheit herrschen soll, muß das Vorurtheil, die Gewohnheit, der Klaffengedanke und der Klasseninstinkt fliehen. Wie der Mensch ganz nackt, ftei von jeder Hülle in die Welt eintritt, so muß auch der moderne Dichter frei von allen Vorurtheilen und Ueberlieferungen die Welt des sozialpolitischen Ringens der Gegenwart betreten. Studiren und schauen, das ist seine Devise. Jedes Vor- urtheil wird für den modernen Dichter zu einem unüber- steiglichen Berg, welcher eine weite Aussicht beschränkt und der Wahrheit Luft und Licht raubt. Aber schon darin ist er Partei! Wer VorurtheilS- losigkeit auf sein Banner geschrieben, der tritt bereits in einen bewußten oder unbewußten Gegensatz zu der alten im Absterben begriffenen Welt. Und wenn, was selbst- verständlich nothwendig ist, der praktischen Erfahrung theo- retisches Wissen sich beigesellt, dann ist es unmöglich, dem nach Lust und Leben ringenden neuen Weltgeiste gegenüber neutral zu bleiben. Er ist Partei in des Wortes höherer Bedeutung, und daS Werdende, das sich Neugestal- rende ist der rothe Faden in allen seinen künstlerischen Lebensäußerungen und Gestaltungen. Wenn der Künstler dann dem sich zersetzenden alten und dem sich bildenden neuen Lebensprozeß ein literarisches Denkmal setzt, dann erfüllt er die soziale Mission des mo- dernen auf der Höhe seiner Zeit stehenden Dichters. Daß die Muse eines Uebergangszeitalters kühn und begeistert Partei ergriffen, ist keine neue Erscheinung. So hat auch Juvenal über die im Zersetzungs- und Ver- wesungsprozeß befindliche Gesellschaft des alten Römer- reiches die Geißel der Satyre geschwungen. Als der finstere Geist des Mittelalters in den letzten Zügen lag da stieg auch die Muse von den Aetherhöhen des abstrakten Fabulirens herab in den Kreis der leidenden Menschheit warf alle vererbten Gewänder aus vergangener Zeit von sich und suchte sich den erstaunten Blicken der Menschen in ihrer nackten Natürlichkeit und in ihrer natürlichen Nacktheit zu zeigen. Natur! Natur! war das Losungs- geschrei in jener Zeit, da Schiller seine drei Jugenddramen geschrieben, da Rousseau seinen Dithyrambus:Die neue Heloise" gedichtet, da Hölderlin imHyperion " das Blut seines Herzens verspritzt. Der mächtige Geist der Neugestaltung hatte sich allgewaltig gezeigt und die Herzen der Dichter mit zündender Begeisterung erfüllt.

Aber was jene Dichter gemalt und geschrieben und gesungen, war ebensowenig Natur wie diejenige Literatur, u der sie in einen schneidenden Gegensatz traten; es war nur das Extrem des Neuen, dem Extrem des Alten ent- gegengesetzt. Aus den früher angegebenen Gründen, welche in dem Zustand der damaligen Wissenschaften lagen, war es der Literatur unmöglich, ihre Zeit mit naturgetreuen und wahren Farben zu malen. In dem Bestreben, den neuen Gesellschaftsgcdanken mit dem Schwert der Natür- ichkeit zu umgürten, und in ihrer hell auflodernden Feind- chaft gegen die verbildete Kunstathmosphäre der alten Welt, konnten jene humanistischen Dichter es nur zu einer unnatürlichen Natürlichkeit bringen. Daher folgte diesem revolutionären Auflehnen gegen die vererbten Kunstgedanken die Reaktion auf dem Fuße. Anders in der Gegenwart! Alle Voraussetzungen für eine Kunst, welche sich in den Dienst des sozialen Ge­dankens und der Entwickelungsidee stellt, sind im Laufe unseres Jahrhunderts kräftig emporgewachsen, und so ist es der Kunst in der modemen Zeit möglich, Werke zu er- j engen, welche in einen gesunden Gegensatz zur Vergangen- seit treten und für die Zukunft von maßgebendem und dauerndem Einfluß sein werden. Darum kann man be- jaupten, daß das Kunstprinzip des Naturalismus auch das Kunstprinzip der kommenden Gesell- chast bleiben wird. Ein verändertes Kunstprinzip macht eine veränderte Darstellungsmethode nothwendig. Gerade der Grundsatz, ein wahres Bild des Lebens zu malen, sei der Kunst an- gemessen, verhindert die Literatur, das Leben nur zu photographiren. Ich habe bereits nachgewiesen, wie die Oberfläche des Lebens, auf welcher wir nur Willenslhätig- eiten sich vollziehen sehen, ein durchaus falsches Bild alles Fühlens und Denkens giebt. Derjenige Dichter, welcher also nur diese Oberfläche darstellt, entwürdigt die Kunst n derselben Weise, wie ein Porträt-Maler, welcher dem Ideal einer Photographie nachzukommen strebt. Wodurch unterscheidet sich ein Porträt von der Photographie? Während das Porträt in dem Gesichte des Darzustellenden ein Ensemble seines ganzen Charakters, ich möchte sagen, die mittlere Diagonale des ganzen, durch alle Stimmungen des Lebens erzeugten Mienenspiels giebt, zeigt die Photo- graphie nur eine Augenblicksmiene, welche durch eine momentane Stimme erzeugt wird und in einem nur schwachen Zusammenhange mit der Gefühls- und Denkweise des In- dividuums steht. Die moderne Kunst, welche auf der Höhe der Zeit 'tehen und der Wahrheit den Spiegel vorhalten will, muß in ihrem Forschen tiefer hinabsteigen, das Gehirn und Herz der gesammten Menschheit und des einzelnen Menschen öffnen und den Zusammenhang zwischen Fühlen, Wollen und Handeln ausdecken. Manche Gesellschaftsklasse wird unter den Schmerzen einer solchen Sektion laut ausschreien, während die andere, arbeitende Klasse aus der finsteren Tiefe, in welcher sie bis dahin unbeachtet und verachtet gekauert, zu dem hellen, erquickenden Tageslicht empor- teigt. Was bereits der geniale Shakespeare für das Drama gefordert, bleibt für die ganze schildernde Kunst eine unabweisliche Forderung.Denn alles, was so über- trieben wird, ist dem Vorhaben des Schauspieles entgegen, dessen Zweck sowohl anfangs als jetzt war und ist, der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten: der Tugend ihre eigenen Züge, der Schmach ihr eigenes Bild und dem Jahrhundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen." (Hamlet ). Darum ist die Psychologie eines der hauptsächlich- ten Darstellungsmittel der modernen Literatur. Hand- ung war die erste Forderung, welche an die Literatur, mit Ausnahme der Lyrik, in früheren Zeiten gestellt wurde. Seelenschilderung ist die erste Bedingung, welche die moderne Zeit an die schildenide Kunst stellt. Wo diese ehlt, da stellt der ganze Bau nur eine rohe, das Auge >es Gebildeten beleidigende und auch unwahre Widergabe )er Natur dar. Nicht der Künstler mit seinem Meißel, sondern der Zimmermann mit seiner Axt hat den Gesammt- eindruck erzeugt. Wenn gegen die psychologische Schilderung in den Dramen Ibsens von den Gegnern mit Waffen ange- kämpft wird, welche dem Arsenal der Vergangenheit ent­nommen sind, so zeigt sich das Verhältniß von Kritiker und Dichter, welche in zwei verschiedenen Welten leben, in seinem wahrhaft tragikomischen Lichte. Der Satz Göthe'S : Wer den Dichter will versteh'n, muß in Dichters Lande geh'n, bleibt immer und immer wahr. Jene Mängel, welche die in den alten, vererbten Anschauungen und Wissenschaftssätzen wurzelnden Kritiker an den Werken eineS Dostojewski, Ibsen und anderer vorzüglicher Vertreter naturalistischer Seelenschilderungen zu finden glauben und welche sie in die Worte komprimiren: Es ist zu wenig Handlung und zu viel Philosophie, verwandeln sich vom Standpunkte der modernen Aesthetik in nicht zu unter- schätzende Vorzüge. Es giebt keinen Menschen, weder in den geistigen Niederungen noch auf den Höhen der Wissenschaft, der nicht in den meisten Lebenslagen philosophirte. Jeder analyftrt und philosophirt auf seine Weise, der Bauer, der Verbrecher, der Politiker, der Arbeiter. Jeder besitzt einen eigenen Moralkodex, auf welchen er alles bezieht, was meinem aktiven oder passiven Zusammenhange mit ihm lieht. Jeder Mensch besitzt auch eine eigene Gefühls- welt, welche in ihren Einzelheiten ebenso von der des Nachbars verschieden ist, wie das Gesicht Peter's von dem Paul's sich unterscheidet. Die Handlung bildet bei den

meisten Menschen den kleinsten Theil ihrer Thätigkeit. DaS Gefühl, der Gedanke, der Wille nehmen den gerechten Raum ein auf dem Schaffensfelde des Menschen. Und eine Literatur, welche den Menschen in seiner ganzen Wahrheit malen will, sollte dem Fühlen, Denken und Vollen des Menschen nicht den gerechten Theil ihrer Dar- tellung widmen? Doch bei dem Gedanken, daß es für die Kunst der Gegenwart nothwendig ist, dem Geistes- und Gefühlsleben >er Menschen eine größere Aufmerksamkeit zu widmen als lisher, stößt man auf eine neue Schwierigkeit. Wäre das Denken und Fühlen jedem Menschen angeboren, so brauchte zie Literatur nur zu schildern, wie die dem einzelnen Menschen von Natur anhaftenden Gedanken und Gefühle rch in verschiedenen Situationen äußern. Der Dichter önnte ihn von seiner Zeit und den Einwirkungen der ozialen Konstellation isoliren, wie es die Dramatiker und Romanschriftsteller der Vergangenheit meistens gethan. Die Frage, aus welchem Grunde taucht das Denken und Fühlen )es einzelnen Menschen empor, ist zwar in früheren Zeiten Kreils gestellt, aber erst in der Gegenwart durch Marx' materialistische Geschichtsauffassung beantwortet worden. In der Neuzeit, in welcher der Gedanke des Werdens alle Geisterdisziplinen beherrscht, sollte die Literatur sich ziefer geistigen Hauptströmung entziehen dürfen? Nur der Entwicklungsgedanke konnte Klarheit verbreiten über die dunkeln Tiefen des menschlichen Denkens und Fühlens. Der Zusammenhang der Außenwelt mit dem Menschen muß dargestellt werden, damit die eigenthümliche Denk- und Gefühlsweise jedes einzelnen Menschen erklärt und verstanden werden kann. Die Stellung des einzelnen Menschen gegenüber der Außenwelt wurde von der früheren Wissenschaft als eine Herrschafts st ellung aufgefaßt. Der Mensch gestaltet zie Außenwelt ganz nach seinem ihm immanenten Willen. Je höher die gesellschaftliche Stellung, in welche ihn das Schicksal gedrängt, um so weiter der Raum für den Flügel- chlag seines freien Willens. Daher spielt auch in den dlnstwerken der Vergangenheit der Mensch die Rolle eines Helden, eines guten oder bösen. Er ist ein fertiger Mensch, welcher seine Kräfte an seiner Umgebung erprobt, wie ein Athlet, der siegesbewußt umherblickt und einen Gegner er- wartet, an dem er seine Kräfte zeigen kann. In der Neuzeit hat aber die Wissenschaft gefunden, daß die frühere Auffassung eine falsche gewesen, daß im Gegeniheil, um mit Heine zu reden, die Chöre zu Helden und die Helden zu Chören geworden seien. Dieser Um- wälzung in der Wissenschaft von dem Verhältniß des Menschen zur Gesellschaft kann sich die Literatur nicht ent- ziehen. Die Anschauung, daß der Wille des Menschen ftei und daß die Gestaltung der Außenwelt von dem Willen des Menschen abhängt, feiert seine schönsten Triumphe in zer klassischen Zeit der deutschen Literatur. Die Romane Jean Paul s behandeln das Schicksal der Helden von der Wiege bis zum Tode, sie sind Biographien der Helden und stellen uns dieselben ohne jeden Zusammenhang mit den geistigen und sozialen Strömungen der Zeit dar. Anders die auf dem Piedestal moderner Wissenschaft ruhende naturalistische Literatur. DaS Sphynxräthsel dcS menschlichen Fühlens und Denkens kann nur gelöst werden, wenn man die Ideenwelt in ihrem Werden, in ihrem Zu- sammenhang mit der Außenwelt betrachtet. Wie Lessing den Grundsatz ausstellt: daß der Dichter die Gemälde nur dadurch plastisch vor unser geistiges Auge zaubern könne, wenn er sie in ihrem Werden und nicht in ihrem Sein zarstcllt, so können auch die Gebilde des menschlichen Fühlens und Denkens nur dadurch zur Klarheil deS Lesers kommen, wenn ihre Ursachen und die Athmosphäre, in welcher.sie emporgewachsen sind, in den Kreis der Schilderung gezogen werden. Die Auffassung von der Freiheit des menschlichen Willens hatte für die Literatur eine individualistische Dar- stellung zur Folge. Die Bourgeoisie, welche in den so- zialen Produktionsverhältnissen den Individualismus auf die Spitze getrieben, hat diesen Standpunkt auch in die Literatur verpflanzt. Erst der Sozialismus treibt den neuen Gedanken der Assoziation und der gesellschaftlichen Produftion an die Oberfläche. Und auch der Sozialismus setzt in der Literatur an Stelle des Individualismus den Gattungszusammen- hang. Der Gedanke deS Sozialismus befteit nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Literatur von den Tobten. Wo er hintritt, schießen die Blumen der Wahrheit, der Schönheit und der Freiheit üppig empor.

Di- v-tttfche nud die englische Arbeiterpresse in den D-r-inigten Staaten. Als gegen Ende des vorigen Monats der große Reading-Eisenbahn-Streik begann, da überschüttete die ge- sammle amerikanische Presse die Arbeiter mit einem wahr- hasten Kreuzfeuer von Lügen, um die Streikenden zu schä- digen und womöglich selber wankend zu machen. DasPhiladelphia Tageblatt" benutzt diesen Anlaß, um beim Jahreswechsel folgenden Mahnruf an die deutsch und englisch redenden Arbeiter der Vereinigten Staaten zu richten: Das ist also die Presse, welcher die Arbeiter jährlich Millionen von ihrem sauer verdienten Lohn hingeben! die sie erhalten, großziehen, während sie ihre eigenen Zeitungen zu Grunde gehen oder den schwersten Kamp! um die Existenz führen lassen. Wir meinen hier hauptsächlich die englisch sprechen-