Eine der in Paris am stärksten entwickelten Jndustrieen war die Tischlerei, sowohl Bau-, wie Möbel- und Kunsttischlerei, die ihren Hauplsitz im historischen Faubourg St. Antoine hat. Sie befand sich der Hauptsache nach in den Händen von Kleinmeistern. Da kamen neue Säge-, Hobel- und Bohrmaschinen. Der Kleinmeister verfügte weder über genügendes Kapital, sich die neuen Werkzeuge anzuschaffen, noch über genug Platz, um eine größere An- zahl von Arbeitern ausbeuten zu können. Er mußte sich damit zufrieden geben, nach alter Methode 56, wenn es hoch kam 1015 Arbeiter und etliche Lehrlinge ein- zustellen. Der Kapitalist dagegen, welcher eine Möbel- fabrik einrichtete, konnte Hunderte von Proletariern an- werben, um aus ihnen Mehrwerth auszupressen, er konnte sich die verbefferten Produktionsinstrumente anschaffen, die ihm weitere Hunderte von Händen ersetzten. Er ver- doppelte, verdreifachte und verzehnfachte seine Produktions- kraft und stellte die Waaren zu billigeren Preisen her. Der Kleinmeister verlor seine Kundschaft, und wenn er nicht für einen Großfabrikanten arbeiten konnte, so mußte er seine Werkstatt schließen und Lohnarbeiter werden. Und dieKrüppelschützen" unter den Tischlermeistern, welche der Absorption durch das Großkapital widerstanden, wurden von der ausländischen Konkurrenz dahingerafft. Die Großproduktion zog das Auftreteil auf dem Weltmärkte nach sich, auf den Export(die Ausfuhr) folgte viel­fach der Import(die Einfuhr), sowie die französische In- dustrie mit derjenigen eines unter günstigeren Bedingnngeii produzirenden Landes zusammenkam. Früher exportirte Frankreich ein bedeutendes Quantum an Artikeln der Möbclbranche, gegenwärtig findet eine starke Einfuhr der- selben statt, Norwegen und Schweden senden ihre Er- zeugniffc der Bautischlerei, und Belgien sowie Deutschland werfen zu billigen Preisen die Produkte ihrer Möbeltischlerei auf den französischen Markt. Der französische Großproduzent widersteht der Konkurrenz, der Kleinproduzent muß ihr unfehlbar unterliegen. Die Zahl der Pariser Kleinmeister der Möbelindustrie, welche ganz aufgehört oder ihr Personal verringert haben, steigt in die Hunderte. Die entwickelte Maschinerie der Möbelfabriken hat keine Verwendung für die von den zerstörten Kleinbetrieben freigesetzten Kräfte, von den ihr früher nöthigen Händen sind Hunderte und Tausende schon überflüssig gemacht. Die Krisen tragen noch das ihrige dazu bei. So haben gegenwärtig in Paris nur zirka ein Viertel der Tischler Be- sch äftigung, nämlich gegen 15 000 anstatt 60 000. Es giebt fast kein einziges Kleingewerbe, das sich dem todtbringenden Einfluß der Großindustrie entziehen konnte. Aus der Geschichte des letzten Jahrzehntes jeder Industrie, der Buchdruckerei, Buchbinderei, der Hut-, der Knopf- macherei starrt überall das gleiche Bild entgegen: der Tod und das Siechthum des Kleingewerbes, der Triumph, die Entfaltung der Großindustrie. Besonders in den letzten Jahren hat die Zahl der selbständigen Fabrikanten und Gewerbetreibenden in auffälligem Maße abgenommen, wie man ans der Gewerbe- steuertabelle ersehen kann, welche die obigen Kategorien in sich schließt. Die Zahl derPatente" betrug: 1877...... 225 332 1878...... 223 434 1880...... 221 556 1881...... 204117 1883...... 200 472 1885...... 196 776 1886...... 194 699 Dieser Tabelle nach verschwinden also pro Jahr mehr als 3000 Industrielle aus der Reihe der selbständigen ' Gewerbetreibenden. Sogar vorausgesetzt, daß sich diese Bewegung nicht beschleunigt, wird in weniger als 50 Jahren die gesammte französische Industrie buchstäblich nur noch in etlichen Händen konzen- tritt sein. Mit ebenso unfehlbarer Sicherheit, wenn auch etwas weniger schnell vollzieht sich die Konzentration des kommer- ziellen(Handels-) Kapitals durch den Ruin des Klein- Handels. Nach der Tabelle für Handelspatente des nämlichen Steuerregisters sind von 1873 1886 die Handelsfirmen von 16 710 ans 16 570 gefallen. Die Mehrzahl der für immer verschwundenen Firmen gehört dem Klein- und Mittelhandcl an, ihre Löschung fällt zu­sammen mit dem Aufschwung der Riesenmagazine des Louvre's, des Bon-Marche's und anderer mehr. Die großen Magazine fabriziren entweder selbst oder kaufen gegen Baarzahlung ein, genießen also große Preis- Vergünstigungen. Der Kleinhändler nimmt die Waaren auf Kredit, muß also theurer zahlen und wird obendrein schlechter und nachlässiger bedient. Er kann also meist weder so gute, noch so billige Waare liefern, wie sein mächtiger Konkurrent, dem die Kundschaft zufällt, welche ihn selbst verläßt. Mittels Kredit, Darlehen und Pfand- verschreibungen wird der Kamps noch etliche Zeit lang fortgeführt, bis endlich der Kleinkausmann an völliger ökonomischer Blutleere zu Grunde geht. Zola hat in seinemAu Bonheur des Dames " in meisterhafter Weise geschildert, wie der Kleinhandel eines ganzen Stadt- Viertels durch die Gründung eines großen Magazins für immer ruinirt, und das in ihm steckende Kapital von dem Großkapital aufgesaugt wird. Ein in letzter Zeit alle 14 Tage erscheinendes BlattLa Crise com- mercielle" zählt eine lange Liste alter und gutsituirter Firmen auf, welche durch die großenVampyre" Louvre, Bon-Marchö, Printemps , Potin, Hotel-de-Ville zu Grunde gerichtet worden sind und fügt der Zitirung noch hinzu, daß die Zahl leicht bis in die Tausende vermehrt werden könnte. Die Menge der Bankerotte im Kleinhandel hat infolge deffen in erschreckender Weise zugenommen, und diese Bankerotte sind meist mit vollständigem Ruin der Existenz gleichbedeutend, da solche Katastrophen nur bei Millionären ihreOpfer" bereichern. Der kleine Geschäfts- mann, der durch seine zerrütteten Vermögensverhältniffe das Interesse an der Erhaltung der bestehenden Gesellschafts­ordnung verliert, wird derselben gegenüber noch gleich- gültiger durch die Bankerottgesetze, die ihn(schuldig oder nicht) mit bürgerlicher Unehrenhaftigkeit brandmarken. Was ist da natürlicher, als daß der Sozialismus auch unter dieser Gesellschaflsschicht zahlreiche Rekruten wirbt, und daß man in den sozialistischen Versammlungen neben der traditionellen Blouse des Arbeiters den abge- schabten Rock des Kleinbürgers immer stärker vertreten sieht! Zu den wirthschaftlichen Faktoren, welche die Kon- zentration des Kapitals hervorrufen und beschleunigen, tritt die Finanzspekulation, das Börsenmanöver. Die meisten Finanzunternchmungen, Banken aller Art, welche in dem letzten Zeitraum zu Gunsten einer Hand voll Millionäre krachten, waren mit den Ersparnissen der Kleinbürger und der besser situirten Arbeiteraristokratie gespeist. Der französische Kleinbürger ist nämlich ein enragirter Anhänger des Sparfystems, aber der größte Thcil der abgedarbtenNothpfennige" ist in tausend kleinen Bächlein in den ungeheuren Ozean der großen Banken gefallen, welcher sie beim Krach etlichen Hohen- Priestern des Kapitals in den Schooß spie. Der Zusammen- bruch der Bank Bontoux u. Feder, und der damit in Verbindung stehenden Unternehmungen hat die Aktionäre von nicht weniger als fünfzig Gesellschaften ruinirt und unter den Ersparnissen derGimpel" gründlich aufgeräumt. Die Akticntheilhaber können ihre Scheine ruhig für den Papierwerth verkaufen, sie werden dabei wenigstens etwas gewinnen. Auch hierbei war es zumeist die Klasse der Kleinbürger aller Art, welche die Zeche bezahlen mußte, der Krach bedeckte den gesellschaftlichen Boden mit un- zähligen Trümmern kleinindustrieller Existenzen. Wie traurig die Lage des französischen Kleingewerbes ist, zeigt unter anderem auch der Beschluß des Pariser Stadtraths vom November 1887, dem zufolge weitere 100 000 Kleingewerbetreibende von der Gewerbesteuer befreit werden sollten. Die Zahl der von jener betreffen- den Steuer befreiten Händler und Industrieller sollte von 400 000 auf 500 000 gesteigert werden. Der Ausfall für das städtische Budget sollte durch eine progressive Gewerbesteuer der Großindustriellen und Großhändler gedeckt werden. Natürlich schlug die Bourgeoispresse ob dieses Beschlusses Lärm, die Regierung verstand den Wink und wollte der Befreiung nur unter der Bedingung zu- stimmen, daß das Budget nicht durch eine progressive Gewerbesteuer, sondern durch Erhöhung des Oktroi's schadlos gehalten würde. Da der Oktroi(sprich: Oktroa, indirekte Kommunalsteuer) aber schon an und für sich am schwersten auf der ärmeren Bevölkerung lastet, so wollte der Stadt- rath von einer Abänderung nichts wissen, die darauf hinausgelaufen wäre, aus der linken Hand zu nehmen, was man der rechten geschenkt. So wurde der Beschluß von der Regierung verworfen. Zur Vernichtung des Kleingewerbes trägt noch außer­ordentlich viel die Bildung vonRingen" seitens der Großkapitalisten bei, von Koalitionen, welche den Zweck verfolgen, durch vollständigen Aufkauf eines Roh- stoffcs oder Produktes dessen Preis für den nationalen und internationalen Markt beherrschen zu können. Von 1873 1875 schlössen z. B. die größeren Kohlenwerk- besitzet einen solchen Ring, um den Kohlenpreis beliebig zu steigern. Die Folge davon war, daß die kleineren Kohlenwerkbcsitzer Bankerott machten, daß das Publikum ausnahmsweis hohe Preise zahlte, und eine Menge kleiner Gewerbetreibender, deren Industrie der Kohlen benöthigt war, ebenfalls zu Grunde ging. Die Aktien des Ringes aber schnellten wunderbar in die Höhe, besonders die von Anzin, das an der Spitze des industriellen Raubzuges stand. Von 2000 Francs stiegen die Aktien der Anziner Gesellschaft mit einem Ruck auf 12 000 Francs, ja bis zu 16 000 Francs. DerDenier" d. h. der Antheils- schein dieser Kompagnie ä 1000 Francs hat in 33 Jahren das nette Sümmchen von 533 000 Francs gebracht. Der glückliche Erfolg dieser Koalition forderte zur Nach- ahmung auf. Ende der 70er und Anfangs der 80er Jahre bildeten sichRinge" behufs der Spekulation auf Bau- plätze, Seide, Wolle:c., und alle verliefen glänzend, d. h. sie absorbirten einen bedeutenden Theil des nationalen Kleinkapitals. Uebcr denKupferring" sprachen wir neulich schon und der manchesterliche Leroy-Beaulicu, welcher die Spekulationeinen glücklichen Streifzug" nennt, ist vor Entzücken über den gelungenenKoup" ganz außer sich und plauscht aus, daß dieser Profit der Rothschild und Konsorten durch den Ruin einer großen Anzahl von Dummköpfen" weit gemacht würde. Uilter den Dumm- köpfen sind die Kleinindustriellen zu verstehen, welche zu ihrem Betriebe Kupfer nöthig haben, und denen die Preis­steigerung zum Bankerott verhilft! Wahnwitziger Knrns. In derPhiladelphia Times", einem bürgerlichen Blatt, bringt Frank G. Carpenler über denLuxus reicher Leute" einen Aufsatz, dem wir das Folgende entnehmen: »Zur Zeit, als Caligula seine Pferde mit goldenen Hufeisen beschlagen ließ, und sie aus Marmor-Trögen fütterte, haben die reichen Leute der Welt schwerlich soviel Geld verschwendet wie jetzt. Ihre Weiber tragen Diamanten, im Werth eines königlichen Schatzes und stellen Detektives an, um ihnen zu folgen und für den Schutz ihrer Juwelen Sorge zu tragen. Ihre Mahlzeiten sind so extravagant wie die von Apicius, und ihre Hunde tragen Halsbänder, die hundert Dollars kosten. Ihre Pferdeställe sind besser eingerichtet als die Schlösser des Adels vor zweihundert Jahren, und an den Wänden ihrer Wohnungen hängen Gemälde, die mehr kosten als der Gehalt des Präsidenten beträgt." Das ist die Einleitung und dann folgen Schilderungen, aus denen wir nur kurz einige Thalsachen hervorheben. Vanderbilt's Gemälde kosten mehr als eine Million und achtzig Familien in New-Pork haben solche im Werths von mehr als hunderttausend Dollars(man bedenke immer, daß 1 Dollar= 4 Mark ist!). Die Hochzeit seiner Nichte kostete dem Eisenbahn -Magnaten Mitchell 50 000 Dollars (200 000 Mark); sein Sohn zahlte kürzlich für ein Portrait 18 000 Dollars. Die Spezial-Eiscnbahnwaggons der Nabobs kosten von 15 bis 60000 Dollars und enthalten Alles, was sich der Mensch nur wünschen kann. Solche Wagen können auch gemiethet werden und kosten 50 bis 75 Dollars per Tag. Kein richtigerAristokrat" ist ohne Dacht. So ein Schiff kostet von 50 000 Dollars aufwärts und erfordert eine beträchtliche lausende Ausgabe. Jap Gould hat auf seiner 52 Mann Besatzung, darunter vier Köche; sie kostet ihm 400 Dollars per Tag. Große Blumenliebhaber sind einige unsererAristo- kraten". Bei einer Auktion in Ncw-Dork wurden für 600 000 Dollars Orchideen verkauft. Erastus Corning besitzt solche, die ihm mehrere hundert Dollars das Stück gekostet haben. Sein Gärtner bot bei der Auktion des Nachlasses von Frau Morgan für ein Exemplar 500 Dollars, aber ein Ncw-Jerseyer Liebhaber schlug ihn mit 900 Dollars aus dem Felde. Jap Gould hat siebzehn Gewächshäuser. Alexander Mitchell gab für einzelne Pflanzen über lausend Dollars aus. Auch reinliche Leute sind die amerikanischen Snobs". Garrett in Baltimore hat in seinem Palast, der eine Million kostete, ein Badezimmer, das nach einem Muster im Versailler Schloß hergestellt wurde. Die Badewanne besteht aus Tennessee Marmor und Silber; das Wasser kommt durch vergoldete Röhren; die Wände sind reich dekorirt. Der Michiganer Senator Palmer hat in seinem Washingtoner Haus neun Badezimmer. Das des Henry Marquand kostet 4000 Dollars. William H. Vanderbilt schoß den Vogel ab; die Wände des seinigen sind mit Spiegeln bedeckt, so daß er also seine edle Physiognomie stets vor Augen hat. Auch sein Sohn William hatte diesen feinen Geschmack. Die Frau des Millionärs Mackep hat nach einer neuerdings durch die europäische Presse gegangenen Mit- theilung ihrer Angora-Katze ein mit Diamanten und Saphiren besetztes Halsband im Werthe von vielen tausend Dollars machen lassen, was das Kabel pflichtig aus Paris vermeldete.-- Immer vcrzweiflungsvolleres Elend aus der einen Seite, immer wahnwitzigerer Luxus auf der anderen das ist das Bild unserer modernen Gesellschaft, das solange nicht verschwinden wird, als die Produktionsmittel sich in den Händen einer Klasse befinden. Denn solange wird unter den Arbeitern die Konkurrenz um die Stellung an- dauern und zu Hungerlöhnen führen, solange wird sich die Masse mit dem nothdürftigsten Lebensunterhalt begnügen müssen; solange wird alles, was in immer wachsender Fülle darüber hinaus produzirt wird, lediglich den Besitzen- den zufließen, deren Luxus bis zu unerhörter Maßlosig- keil steigernd. Die Massen weiter verkümmernd, die Reichen weiter korrumpirend, so schreitet heute die wirthschaftliche Em- Wickelung vorwärts, obwohl längst alle Voraussetzungen vorhanden sind, das ganze Volk glücklich zu machen und aus eine höhere Bildungs- und Kulturstufe zu heben. Diese Aufgabe, unsere Kultur zu retten und höher zu heben und eine bessere Zukunft für die ganze Menschheit herbeizuführen, ist dem Arbeiterstande zugefallen, und er wird sie verwirklichen, indem er immer das eine Ziel im Auge behält: Ucberführung der Produktionsmittel in den Besitz des ganzen Volkes; Verwendung des Produklions- ertrages zum allgemeinen Besten, aber nicht, wie heute, zur Luxussteigerung einiger weniger Kapitalmagnaten. Vernünftig! Es ist ein alter, eingewurzelter Mißbrauch, in Feerien und Ausstattungsstücken, wie sie manche Theater verun- zieren, Kinder vom zartesten Alter an zu verwenden. Diese haben dann neben alten und jungen Dirnen und Tänzern die sehr erhebende Aufgabe, die Schaulust einer müßigen, gaffenden Zuschauerschaft mit befriedigen zu helfen. In Frankreich macht man sich jetzt daran, gegen dieses Unwesen einzuschreiten, das ebenso schlimm ist, wie die Verwendung von Kindern in Fabriken. Verschiedene Schulkommissionen von Pariser Arron- dissements wiesen zuerst auf die hier bestehenden Uebel- stände hin, aber der Polizeipräfekt glaubte sich auf Grund der bestehenden Gesetze nicht zum Einschreiten berechtigt. Weder das Gesetz vom 7. Dezember 1874 über den Ge­werbebetrieb im Umherziehen, noch das Gesetz vom 19. Mai 1874 über die industrielle Arbeit von Kindern und minorennen Mädchen konnte in Anwendung gebracht werden. Der Kultus- und der Handelsminister haben sich der Sache angenommen, und eine Kommission der französischen Kammer schlägt nunmehr vor, das Gesetz von 1874 durch einen Zusatz zu ergänzen, welcher die Verwendung