Beilage zum„Vomiirts" Berliner Volksblatt.Nr. 230.Donnerstag, den 1. Oktober 1896.13. Jahrg.Sin Sozinliptentödkev nov Gericht.Aus Tilsit erhalten wir folgende Mittheilung: AmDonnerstag beginnt vor dem Schwurgericht des hiesige» könig-lichen Landgerichts ein Prozeß, der in ganz Deutschland dasgrößte Aufsehen erregen dürfte. Auf der Anklagebank erscheint,aus der Untersuchungshaft vorgeführt, der frühere PolizeiVerwalter Tilsits, Stadlrath Witschet, unter der Anfchuldigung, in verschiedene» Fällen wissentlich einenMeineid geleistet zu haben. Stadtrath Witsche!,der viele Jahre Ches der hiesigen Polizei war, hatte indieser seiner Eigenschaft die Ausführung des GerhardtHauptmann'schen Dramas:»Die Weber" verboten.Russische Händler, die in Rußland verbotene Bücher ver-triebe», hatte er an die russische Grenze transportiren und sieder russischen Polizei ausliesern lassen. Ersoll außerdem Russen, die sich geschäftshalber in Tilsit aushielten, sehr rigoros behandelt haben. Eures Tages soll Witsche!ohne jeden Grund den Befehl gegeben haben, eine» bekanntenTilsiter Sozialdemokraten. Schuhmacher HermannKuntze, zu verhaften. Nachdem Kuutze eingebracht war, sollWitschet mit einem Polizeisergeanten zu Kuntze in die Zellegekommen sein und geschrien haben:„Euch Schweinehunde»werde ich schon helfen." Als Kuntze ihn„Herr Witsche!" anredete,schrie er:„Ich heiße Stadtrath Witschet. Ihr Kerls habtleine Religion, Ihr internationales Gesindel.Wenn Calame, der Kerl, noch einmal aus Königsberg kommt,lasse ich ihn binden oder erschießen. Ich gedenkenoch 10 Jahre Polizeiverwalter zu sein, und wenn Ihr noch maldie Marseillaise singt oder die Sozialdemokratie hochlebenläßt, so lasse ich schießen. Ich habe meinen Beamtengesagt, daß sie Sie zuerst auss Korn nehmens ollen." Wilsche! hatte unseren Parteigenossen Klintze26 Stunden ohne jede Nahrung im Polizeigewahr-sam behalten. Diese und noch andere ähnliche Borkomnuniste machten den Stadtralh in den Kreisen der hiesigen Bürgerlschaft sehr unbeliebt. Selbst der Oberbürgermeister Thesing, derdem Witschet die Polizeiverwallung übertragen hatte, warmit dem Verhalten des Witschet keineswegs einverstanden,zumal er dasselbe zum theil für ungesetzlich hielt.Es kam infolge besten zwischen dem Oberbürgermeister und demStadtrath zu sehr heftigen Auseinandersetzungen. Bei dieserGelegenheit erklärte der Oberbürgermeister dem Witsche!, daß erihm die Polizeiverwaltung wieder abnehme und ihn auffordere,das Bureau zu räumen. Witsche! erklärte jedoch, daß nicht derOberbürgermeister, sondern nur der Regierungspräsident befugtiei, ihn als Polizeiverwalter abzusetzen, er werde daher dasZureau der Polizeiverwaltung nicht räumen und nur der Gewaltweichen. Witsche! soll dabei den Oberbürgermeister mitdem Revolver bedroht haben. Den äußeren Anlaß z» diesemRenkontre soll daS Verbot des Witsche! betreff? der Aufführungder„Weber" gegeben haben. Nachdem der Oberbürgermeisterdie Polizeiverwaltung wieder übernommen, gestattete er die Auf-führung.?tls Witschet dies erfahren hatte, begab er sich in dasExpeditionsbureau der„Ttlsiter Allgemeinen Zeitung" und ver-langte dort die Ausnahme einer Anzeige, wonach er in seinerEigenschaft al? Polizeiverwalter die Aufführung der„Weber"verbot. Der Verleger der.Tilsiter Allgemeinen Zeitung", HerrOtto v. Mauderode, verweigerte aber die Ausnahme der Anzeigemit dem Bemerken, daß er(Witsche!) doch nicht mehr Polizei-Verwalter sei. Witsch«! versetzte darauf:„Wenn meine Anzeigeheute nicht in Ihrer Zeitung steht, dann werde ichdieselbe von meinen Beamten konsi?zirenlassen. Ich werde Ihnen den Beweis liefern.daß ich doch noch Polizeiverwalter bin!" Dieseund ähnliche Vorkommnisse wurden in der„Tilstter AllgemeinenZeitung" zum Segenstande der Kritik gemacht. Durch dies«suhlt« sich Witsch«! beleidigt. Er stellte[deshalb gegen den verantwortlichen Redakteur, Georg Epstein, den Strafantrag.Letzterer hatte sich au? diesem Anlaß am IS. Dezember 1895 vorder dritten Strafkammer des Tilsiter Landgerichts zu verant-warten. In dieser Verhandlung bezeichnete Witsche! die er-wähnten Thatsachen zumeist als f a l s ch und bestritt außerdem.zu dem Stadtverordneten« Vorsteher Schlegelberger gesagt zuhaben:„Wenn die Stadtverordneten mir ein Mißtrauens-votum gäben, dann würde ich sofort zurücktreten." Erstellte ferner in Abrede, daß er bezüglich eines Grenzstein? der königlichen Regierung falsche Angaben gemachthabe. Durch diesen falschen Bericht soll der GrundbesitzerStöttger geschädigt worden sein. Auch daß ihn der Fleischer-gesell« Vawehn einmal mit Gewalt aus dem Hofe seines Meistershinausgeworfen, bezeichnete Witsche! als unwahr. Er befand sichdamit»n Widerspruch mit allen anderen Zeugen.Di« Verhandlung endete mit der Verurtheilung desRedakteurs Epstein zu 100 M. Geldstrafe, eventuell 10 TagenGefängniß u. s. w. Das eidliche Zeugniß des Wilsche!muß aber nachträglich bei der Staatsanwaltschaft Bedenkenerregt haben. Witsch«! wurde plötzlich wegen Verdachtsdes wissentlichen Meineids verhaftet und hatsich nun dieses Verbrechens wegen vor Eingangs bezeichnetemGerichtshose zu verantworten.Lokales«.Die Wirkung der Tauf« hat sich vor kurzem so glänzendbewiesen, daß wir unseren Lesern den merkwürdigen Fall nichtvorenthalten wollen. An einer hiesigen Gemeindeschule hospitirleseit langer Zeit eine jüdische Lehrerin, welche unverdroffen jahraus jahrein aus ihre Anstellung wartete in der Hoffnung, daßwenn ihr endlich das Glück der Anstellung blühen sollte, derMagistrat über die Uederschreitung der Altersgrenze hinwegsehen würde. Da plötzlich kam das Reskript des Provinzial-ScdulkollegiumS bezw. des Kultusministers, wonach jüdischeLehrerin„«n fortan nur angestellt werden dürfen, wenn dasBedürfnitz vorliegt, die Lehrkräfte für den jüdischen Religions«Unterricht in den Gemeindeschnlen zu vermehren. Der betreffendenDame wurd, von der Echuldeputation der Rath gegeben, voneinem weitere» Hospitiren an den Gemeindeschulen abzusehen,da es nach La,e der Sache nunmehr aussichtslos sei, daß sieein« Anstellung»lS Lehrerin erhielte. Im vorliegenden Fallscheint es sich um»ine sehr resolute, die Forderungen des Tagesbegreifende Dame zu handeln, denn nach wenigen Wochen erhreltdie Echuldeputation ein erneutes Anstellungsgesuch, demdie psarramtliche Bescheinigung beigelegt war, daß dieDame in die evangelische Glaudensgemeinschaft auf-genommen sei. Di« Schuldeputation beschicd die Lehrerindahin, daß sie erst den Befähigungsnachweis für die Erthetlungevangelischen Religionsunterrichts beibringen müsse, ehe ihremGesuch näher getreten werden könne. Noch einige Wochen unddie Neubekehrte konnte auch diese Forderung erfüllen,indem sie eine Prüfung über ihre Fähigkeit zur Er-theilung evangelischen Religionsunterrichts bestand, welcheihr ein sehr befriedigendes Zeugniß einbrachte. Nun-mehr konnten Schuldeputation, Magistrat und Stadt-verordnete nicht länger widerstehen und seit heut fungirt dieDan,« als wohlbestallt« Lehrerin an einer Berliner Gemeinde-schule. Es ist wieder einmal da? Ei de» Kolumbus entdecktworden. Jüdinnen dürfen an Volksschulen nicht unterrichten—also taufen! krodatuva sstlDie Angelegenheit der städtischen GaSarbeiter kommtheute Abend in der Stadtvertretung zur Sprache. Die sozialdemokratischen Stadtverordneten wollen die Angelegenheit in derStadtverordneten-Versammlung zur Sprache bringen und denAntrag stellen, daß die Forderungen der Arbeiterschaft bewilligtwerden. Diese lauten: Einstellung sämmtlicher AusgesperrtenAbschaffung der 13 stündigen Sonntagsschicht; EinführungUtägiger Kündigung; Einrichtung eines Arbeitsausschusses.Sollten diese Forderungen nicht bewilligt werden, so wird zumFreitag ei» Generalstreik sämmtlicher städtischen Gasanstaltsarbeiter in Aussicht gestellt. Zur Beilegung des Streites habendie Arbeiter das Gewerbegericht als Schiedsinstanz angerufenDie Arbeiter der Gasanstalt Müllerstraße haben sich mit denAusständigen der Anstallen Danzigerstraße und Schmargendorfsolidarisch erklärt.— Es wird sich heute Abend also zeigenwelche Aueflüchte die freisinnige Majorität der Berliner KommunalVertretung finden wird, um die Berechtigung so bescheidener,selbstverständlicher Forderungen wie die hier gestellten, zu bestreiten.Die Arbeite» an der Torfstraßen-Brücke sind soweit gediehen, daß die Brücke am 3. Oktober d. I. dem Verkehr übergeben werden wird.Nach amtlichen Ermittelungen war der Preis fürRoggenbrot für 1 Kilogramm i» Pfennigen(im Durchschnittvon 34 Bäckereien) am 17. August 20,94 Pf., der niedrigste Preis16.39 Pf., der höchste Preis 25.00 Pf.; am I. September 20,90 Pf..der niedrigste Preis 16,45 Pf., der höchste Preis 25,00 Pf.Weizenbrot(Schrippe») für 1 Kilogramm in Psennigen(imDurchschnitt von 34 Bäckereien) am 17. August 35,93 Pf., derniedrigste Preis 23,57 Pf., der höchste Preis 44,54 Pf.; am1. September 35,77 Pf., der niedrigste Preis 23.49 Pf., der höchstePreis 43.33 Pf.Ter Männerbund zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit versendet zur Zeit an die Inhaber von Papierwaare»u. s. w. Geschäften in Zirkular, in welchem er bittet, keine sittlich an-stößigen Neujahrskarten einzukaufen. Nach den Erfahrungen desMännerbundes finden jene gemeinen Darstellungen immer mehrVerbreitung und wirken entsittlichend auf alle, die damit in Berührnng kommen, auch auf die Verkäufer und VerkäuferinnenVielleicht findet der Männerbund in seinem nächsten Zirkular andie Geschäftsinhaber auch noch, daß die kärgliche Entlohnungund die lange Arbeitszeit, welche in Ladengeschäften üblich ist.entsittlichend wirkt auf alle, die damit in Berührung komme»auch auf die Verkäufer und Verkäuferinnen.Die Fachklasse für Typographen an der erste» Handwerkerschnle zu Berlin bietet Buchdrucker-Gehilfe» Gelegenheitzu der für ihren Beruf nothwendigen Ausbildung im Zeichnen.im Berständniß und Entwerfen von Drucksachen und zurAneignung sonstiger Fachkenntnisse. Die Nnterrichtsgegenstände im Winterhalbjahr sind: Sonntag 8-10 Uhr vormittags Entwerfen und Skizziren von Arbeiten für diePraxis; Farbenlehre und Farbenamvendung. Sonntag, 10 bis12 Uhr vormittags: Arbeiten in Schriflzeug(Graviren, Ausbessern, Löthen), Herstellen von Tonplatten; Vierteljahr OktoberDezember: Zurichten von Illustrationen, Schattenlehre; Vierteljähr Januar— März: Zinkätzung, Galvanoplastik, Papierknnde.Dienstag und Freitag 7—9 Uhr abends: Fachzeichnen(Schriften, Ornamente) und Entwerfen, verbunden mit Etillehre.Außerdem giebt die Handwerkerschule in ihren Abendklassen Gelegenheit zu einer umfassenden Ausbildung in den verschiedenenZweigen des Freihandzeichnens, im Zirkel- und Projektions-zeichnen, in der Schatlenkonstruktion und Perspektive, in derMathematik, Physik, Mechanik, Chemie, im Rechnen und in derBuchführung. Das Schulgeld für den Besuch der Fachklasse fürTypographen wie der Abendklassen der 1. Handwerkerschule istim voraus bei der Anmeldung zu entrichte»; es beträgt für dasHalbjahr: für 8 oder weniger als 8 wöchentliche Stunden 6 M..für 9 bis 12 wöchentliche Stunde» 9 M., für 13 und mehrwöchentliche Stunden 12 M. Das Winterhalbjahr beginnt amII. Oktober. Anmeldungen werden im Schulhaule, Lindenstr. 97.entgegengenommen. Nähere Auskunft ertheilt Herr O. JessenDirektor der 1. Handwerkerschule am Montag, Mittwoch undFreitag von 6—7 Uhr abends.Ein Sänglingsasyl in Berlin. Hiesige Blätter schreiben:Der Lion'sche Kindcrbrutapparat auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung hat zur Gründung eines Säuglingsasyls in BerlinAnregung gegeben. Seit langem wird von den ärztlichen KreisenBerlins darauf hingewiesen, wie nothwendig für Berlin einesolche Anstalt wäre. Zur Zeit ist ein Komitee in der Bildungbegriffen, welches sich zur Aufgabe gemacht hat, die Errichtungeines Säuglingsasyls durchzuführen. Diesem Komitee gehört eineAnzahl bekannter Professoren an, u. a. einer der berühmtestenBerliner Gynäkologen. Das SäuglingSasyl, welches nach demMuster des KinderbrutpavillonS auf der Gewerbe-Ausstellnngeingerichtet werden soll, ist hauptsächlich dazu bestimmt, zu frühund schwächlich geborene Kinder auszunehmen. Dieselben sollendort in der Lion'schen Conveuse aufgezogen werden. Herr Lion,der Erfinder der Couveuse, hat sich bereit erklärt, dem zugründenden Institute die nöthige Anzahl von Apparaten gratiszur Verfügung zu stellen.Die Ttaatötmie der EngroS-Schlächtermeister scheinteinen Stoß erlitten zu haben. In der„Slaalsbüraer-Zeitung"lesen wir:„Großes Befremden hat es in den Kreisen der Ber-liner Engros-Schlächtcrmeister erregt, daß, wie wir bereitsmeldeten, die Lieferung für die Armee-Konservenfabrik zu Hasel-Horst für die bevorstehende Winler-Betriebsperiode dem EngrosSchlächter S. Jsaac übertragen worden ist. Man hat in be-hördlichen Kreisen seit längerer Zeit Werth darauf gelegt. Lieferungen nur an solche Lieferanten zu vergeben, welche das betreffende Geschäft wirklich erlernt halte», ja, man ging so weit,Jnnungsmeister zu bevorzugen, und dies mit recht. Nun hataber Herr Jsaac, wie die„Deutsche Fleischer-Zeitung" schreibt,nie das Schlächtergewerbe erlernt, noch ist er Mitglied derInnung, wohl aber war er um den Bruchtheil eines Pfennigspro Pfund Mindestfordernder, auf grund dessen ihm die Lieferungübertragen worden ist."Wahnsinnig! Die„Volks- Zeitung" schreibt: Der imvorigen Jahre wegen Falschmünzern in Berlin zu fünf JahrenZuchthaus verurtheilte anarchistische Sendling, der Tischlerf. Püschel, ist als geisteskrank nach der Strafanstalt Moabitberführt worden. Püschel hat viele Jahre hindurch als inter-nationaler revolutionärer Propagandist fast ganz Europa durch-streift, er war ein persönlicher Bekannter Ravachol's und desanarchistischen Millionendiebes Pini. In Berlin hatte er sich mitder Ausgabe gefälschter Markstücke verdächtig gemacht.Kleinlich. In der„Nordd. Allg. Ztg." lesen wir: Währendder gestrigen Sitzung d«S Städtetages ereignete sich auf der Be-richterstalter-Tribüne ein eigenartiger Vorfall. Es erschienen plötz-lich zwei Magistratsbeamte, die sich an einen der aus der Tri-büne arbeitenden Herren mit den, Ersuchen wandten, die Tribüne»u verlassen. Dieser Herr war der vielgenannte Bureaubeamt«M a h l i tz. Er entgegnet« dm Dimer», daß«r für«ine hiesig«'Zeitung Berichte über den Städtetag schreibe, was aber nichthinderte, daß die Beamten bei ihrem Verlangen blieben und er-läuternd bemerkten, sie kämen auf direkten Befehl des HerrnOberbürgermeisters Zelle. Muhlitz verließ natürlich die Tribüne,kehrte aber nach einigen Minuten wieder auf seinen Platz zurück,denn die Maßnahmen gegen ihn, so hieß es, seien nur auf einenSekretär zurückzuführen und beruhten„auf Jrrthum"!Di« Aufstellung bon Droschken auf den Theater«Halteplätzen von 3 Uhr abends an, um die der Fahrvereinder Berliner Droschkenbesitzer in einer an das Kommissariat füröffentliches Fuhrwesen gerichteten Eingabe gebeten hatte, ist nochnicht genehmigt worden. Dagegen ist dem genannten Vereinaufgegeben, in der Nähe der Theater geeignete Halte-plätze anzugeben, an denen die Droschken aller Gattungendann von 8 Uhr abends ab anfahren und eine Stunde vor Be-endigung der Vorstellung auf die direkt vor der Theatern ge-legenen Halteplätze nachrücken dürfen. Der Verein ist diesemVerlange» nachgekommen und hat in seiner letzten Sitzung eineListe von geeigneten Plätzen aufgestellt, die vom Vorstande demKommissariat für öffentliches Fuhrwesen übermittelt worden ist.Durch eine heftige Explosion wurden gestern früh um7 Uhr die Passanten und Anwohner des Spittelmarktcs inSchrecken versetzt. A» der Ecke der Niederwallstraße befindet sichein Einsteigeschacht der elektrischen Leitungen, der mit großenGranitplattcn bedeckt ist. Plötzlich flogen diese Platten mit einemgeivaltigen Krach in die Höhe. In demselben Moment flogenauch die Platten der Jsolirungsstationen an der Ecke der Beuth«nnd Leipzigerstraße und a» der Ecke der Wallstraße empor. Einedieser Platten zertrümmerte beim Aufschlagen auf das Pflasterin viele kleine Stücke. Glücklicherweise war der sonst so belebtePlatz in der frühen Morgenstunde an jenen Stellen ziemlichmenschenleer, so daß sich kein weiterer Unfall ereignete.— Wahr-scheinlich liegt ein Kurzschluß der ungenügend gesichertenLeitungen vor, wodurch die Bleisicherung geschmolzen ist nnd dieGase entzündet ivurden. Es ist dies die zweite Explosion, diesich binnen kurzer Zeit an derselben Stelle ereignete.Der wegen Unterschlagung verhaftete Bankier ErnstSchneider hat sich gestern Nachmittag auf der Wache des26. Polizeireviers mit einem Revolver erschossen.Beim Aufstelle» eines Leitergerüstes ist am MittwochMorgen 7>/« Uhr der verheirathcte Arbeiter Albert Voß vondem dritten Stockwerk des Neubaues Zimmerstr. 21 abgestürzt.Der Verletzte erlitt lebensgefährliche Verletzungen und wurde»achdem Krankeuhanse am Friedrichshain gebracht.Durch einen Sturz aus dem Fenster hat sich MittwochMorgen um 5 Uhr die 54 Jahre alte Frau Rosalie des Kauf-manns A. vom Kottbnser Damm 4 getödtet. Frau A. soll denSelbstmord im nervenkranken Zustande begangen haben.Nahezu 12 000 M. Werthe wurden bei der Leiche einesalten Mannes vorgefunden, die gestern Vormittag vor dem HauseFriedrichsgracht 45 aus dem Wasser gezogen ivnrde. Die Leichewurde als die des Büdners Johannes Draube aus Leopolds-Hägen in Pommern rekognosjirt; ein Sparkassenbuch über11292 M., von dem Vorschnßverein in Uckermünde ausgestellt,deutete darauf hin. Außerdem wurden bei der Leiche 146,60 M.in Silber vorgefunden, die in einem rothen Taschentuch einge-Kunden waren. Ferner fand man eine silberne Taschenechr vor.Die Leiche wurde nach dem Schauhause gebracht, während dieWerthsachen von dem Polizeirevier in Verwahrung genommenwurden.Aus dem Polizeibericht vom 30. September. AmMontag Abend sprang am Halleschen Ufer ei» Post- Unter-beamter in den Landwehrkanal und ertrank. Die Leiche istbisher nicht aufgefnnde» worden, vermuthlich ist es der beimPostamte in Groß-Lichterselde beschäftigte Postschaffner Paul St.,der sich wegen eines kleinen Fehlbetrages in seiner Kassean demselben Tage aus dem Dienst entfernt hatte.In der Schnlstraße wurde die achtjährige Tochter des Schutz-manns Schreiter durch eine» in schneller Fahrt umdie Ecke biegenden Wagen der Brauerei Hohen-Schönhausenüberfahren und auf der Stelle getödtet. Der Führer des Wagensentzog sich seiner Feststellung durch schnelles Davonfahren, wurdeaber nachträglich als der Kutscher August Kanapenn aus Neu-Weißenfee ermittelt.— Ebenfalls durch die Schuld des Kutschers,des 25jährigen Gustav Trockner aus Friedrichsberg, geriethmittags vor dem Hause Diefenbachstr. 10 der 6jährige Sohn desMalers Karl Schmidt unter die Räder des von Trockner ge«führten Schlächterwagens und erlitt eine so schwere Verletzungam Kopse, daß er in das Krankenhaus Am Urban gebrachtwerden mußte.— Nachmittags wurden die Pferde einesauf dem Hofe des Grundstückes Adalbertstr. 16 stehendenKutschwagens scheu und liefen quer über die Straße, wobeidurch die Deichselstange das Schaufenster eines Schneidermeisterszertrümmert wurde. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden.—Gegen Abend verunglückte die eine Droschke benutzendeWittwe Maria Hüttig, geb. Knoblauch, indem einPostwagen bei der Einfahrt in das Grundstück Unter den Linden 12 imit der Droschke zusammenstieß, die hierbei aus dem Wage» ge«schleuderte Frau erlitt Verletzungen am Arm und an der Hüfte.Die Schuld trifft nach Angade der Zeugen den Postillon.— Alsabends ein Schutzmann den Arbeiter Hermann Strache wegenBelästigung Vorübergehender zur Wache des 72. Polizeireviersbringen wollte, leistete er heftigen Widerstand und griffschließlich den Beamten thätlich an, so daß dieser von seinerWaffe Gebrauch machen mußte. Strache erlitt eine leichte Ver«letzung am Kopfe und konnte dann überwältigt werden.— Inder Prinzen-Allee fand ein Zusammenstoß zwischen einem Wagender elektrischen Straßenbahn und einem in das Grundstück Nr. 22einbiegende» Geschästswagen statt, wobei die auf diesem sitzendanKutscher Reinhold Zwickau und Karl Fröhlich herabgeschleudertwurden. F. trug«ine Verstauchung des Armes davon, Zwickaublieb unversehrt.Aus de« Nachbarorte».� lieber einen in Oranienburg verübte» Gattenmordwird berichtet: In de»» Vorort Oranienburg wurde der Grund-besitz«! Franz Tromczyk von seiner Gattin erschossen. T.>varfrüher als Polizeiwachtmeister in Berlin auf dem Polizei«Präsidium angestellt. Er war bereits früher einmal verheirathetund hatte aus der ersten Ehe zwei Kinder; diese Ehe warjedoch nicht glücklich, und zwar durch die Schuld desT., welcher seinerzeit viel mit seiner jetzigen Frau,der damaligen Wirthschafterin Ottilie Uugnad, ver-kehrte. Die T.'sch« Ehe wurde auf gemeinschaftlichen Wunfchwegen gegenseitiger Abneigung geschieden und der Polizei-Wacht-meister heirathete die inzwischen durch Erbschaft zu einem be-deutenden Vermögen gelangte Ungnad. T. quittirte seinen Postenund errichtete in dem Hause Tieckstraße 7 ein Zigarrengeschäft.Auch feine zweite Ehe war als höchst unglücklich zu bezeichnen.ebenso durch die Schuld des Mannes als auch der Frau, welchesich untereinander nicht recht verstanden. T. ließ sich in Oranien«bürg eine Villa bauen und zog nach dort hinaus. Nach wieder-holten Streitigkeiten mit feiner Frau trennte er sich vor«twa zwei Jahren von dieser und zog nach B«rli». Jedoch nach