№ 42.
Die
Beiblatt zur„ Berliner Volks- Tribune".
Sonnabend, den 20. Oktober 1888.
II. Jahrgang.
Arbeiterklasse und die Landtagswahlen wie ein Kampf von Hofschranzen und Lakaien. Gewiß, im Weißen Saale des Berliner Schlosses feierlichst erin Preußen.
schiedenheit mehr.
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I.
es stecken auch dahinter sehr durchsichtige politische Bestre öffnet.
bungen, aber um dieser ganz belanglosen Bestrebungen Das war vielleicht der Gipfelpunkt der damaligen willen soll uns der Selbständigkeitssinn, das Mannes- konstitutionellen Bewegung, mit der es darauf sehr rasch gefühl des Volkes nicht in der Weise zu Grunde ge- rückwärts ging, weil die Reaktion die Fäden der Macht richtet werden, wie es durch den fortgesetzten Gößendienst mehr und mehr wieder in ihre Hände bekam. Ueber die gewaltige agitatorische Bedeutung, der bürgerlichen Parteien geschehen muß. Zunächst erklärte das Ministerium Camphausen der welche Wahlen für unsere Parteibewegung haben, besteht Treiben dem Volke wieder große politische Strebeziele vor sung, so wie es ihr beliebe, festzustellen", sondern sie In diesem kleinlichen, charakter- und gedankenlosen Nationalversammlung, sie sei nicht berufen, eine Verfas= wohl heute unter den Genossen keinerlei Meinungsver- Augen zu rücken, es aus den niedrigen Tagesstreitigkeiten habe die Verfassung mit dem Königthum zu vereinbaren", wieder emporzuführen zu wahrhaft demokratischen Forde- die Zustimmung des Königs sei erforderlich, damit die Sind die Wahlen für uns erfolgreich, so bieten fie rungen welche schönere und lohnendere Aufgabe könnte Grundrechte des Volkes Geltung erhielten. uns auf Jahre hinaus den Vortheil, daß bei allen Fragen, es für die Arbeiterpartei geben, welche wirksamere Anregung welche die Gesetzgebung beschäftigen, unsere Vertreter fort könnten gerade hierdurch die Berliner Arbeiter ihren Damit war bereits der Keim zum Konflikte gelegt. und fort den Standpunkt des Proletariates, die Forde Genossen draußen im Lande bieten! Welches Element der dem unausbleiblichen späteren Konflikte gewachsen zu zeigen. Die Nationalversammlung that jedoch nichts, um sich rungen der großen, befißlosen Mehrheit des Volkes be- Gährung und Zerseßung könnten sie damit auch unter die Sie tagte und tagte, sie verwies den Verfassungsentwurf tonen können daß die Abgeordneten, indem ihre Reden Anhänger anderer Parteien werfen! weit hinaus in alle Lande schallen, unausgesezt dazu beider Regierung an eine Kommission, die Kommission Wir sind also, aus Gründen verschiedener Art, ent- arbeitete ihrerseits einen ganz neuen, selbständigen Enttragen, die Arbeiter über ihre eigenen, oft nur ganz un- schlossen, die Zeit der Wahlbewegung für das preußische wurf aus; man beschloß ein Jagdgefeß, welches den Kleinbestimmt gefühlten Interessen aufzuklären, sie in der Er- Abgeordnetenhaus nicht unbenüßt vorübergehen zu lassen, bauern gegen das Wild der Großgrundbesitzer schüßen kenntniß ihrer Klassenlage und der Ursachen davon zu nur kann unsere Theilnahme nicht in der Aufstellung von sollte, man erklärte Adel und Orden für abgeschafft, alles fördern. Siegreiche Wahlen gewähren die Möglichkeit, Kandidaten und in der Abgabe von Stimmen bestehen, ganz vortrefflich, aber man that nichts, um dem Volke Kritik an allen Vorschlägen und Handlungen der herrschen- sondern sie muß sich wenden gegen das ganze politische eine wirkliche Machtstellung zu schaffen. den Parteien zu üben, diese Parteien vor aller Welt ins System, welches den überlebtesten Parteien noch ein Unrecht zu setzen, indem man sie durch Einbringung ungestörtes Dasein ermöglicht. Die Regierung hingegen arbeitete unausgesetzt mit fieberhaftem Eifer an der Festigung ihrer Stellung. Am wirklich arbeiterfreundlicher Anträge schende Maske zu lüften und offen gegen diese Forde dieser Protest wird sich mit schneidendster Schärfe richten Berlin einmarschirt Unser Protest wird unsere Agitation sein und 7. Juli waren die zurückgezogenen Truppen wieder in sie standen der Regierung zur Ver= rungen aufzutreten und damit sich als Arbeiter feinde müssen fügung. Am 26. August wurde mit Dänemark an den bloßzustellen. Schleswig- Holsteinischen Grenzen der Friede von Malmö geschlossen, und damit standen die Truppen Wrangels bereit, bei schwankenden Entscheidungen ihr Schwert in die Wagschale zu werfen zu Gunsten der Regierung. Nachrichten aus Wien verstärkten ebenfalls den Muth der Königlichen. Am 28. Oktober hatte Fürst Windischgräß den Sturm auf die Hauptstadt Desterreichs begonnen, am Nationalgarde wurde aufgelöst, Standrecht und Belagerungs31. Oktober befand sich die Stadt in seinen Händen, die zustand waren erklärt.
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- zwingt, die täu
gegen das System der Dreiklassenwahl.
II.
So wird unter den Arbeitern fortschreitende Klarheit über die Ursachen ihrer Noth und ihrer Abhängigkeit in der Gegenwart und über ihre nothwendigen Strebeziele in der Zukunft geschaffen. So werden die Massen aufEs dürfte Manchem noch unbekannt sein, daß den gerüttelt aus ihrer Gleichgültigkeit und Unwissenheit. So Wahlen zur Volksvertretung wird zwischen den Parteien der Besißenden und der Partei
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der Besißlosen die große geistige Scheidung gefördert, die in Preußen anfangs das allgemeine Wahlrecht vollzogen sein muß, wenn unsere Bestrebungen dereinst zu Grunde gelegen hat, daß man also früher dem preußiAussicht auf Verwirklichung haben sollen. schen Volke ein Recht zugestand, dessen Gewährung zu Aber selbst erfolglose Wahlbewegungen dienen fordern die heute maßgebenden Parteien in hervorragendem Maße dem Fortschritte unserer Sache. ihrem linken Flügel nicht einmal den Muth haben. selbst in So lagen die Dinge, als eine Demonstration in Freilich sind es nur wenige Wochen, in denen wir uns Schon im Jahre 1815 gelobte die preußische Ne- schuf. Vor dem Schauspielhause, in dem die NationalBerlin den gewünschten Anlaß zu energischem Vorgehen hier nach Verlauf von drei oder fünf Jahren den gierung, eine Verfassung und eine Volksvertretung zu versammlung tagte, hatte eine aufgeregte Menge ihren Massen zuzuwenden vermögen. Aber in diesen Wochen schaffen. Aber wie es so oft geht: Versprechungen, dem Unwillen gegen die Rechte kundgegeben. Um ein festeres gerathen Schichten der Bevölkerung in Fluß und Regung, Volfe in der Noth gemacht, werden im Glücke nicht ge- Regiment einzuführen, wurde darauf am 1. November die sonst ganz leblos, in Theilnahmlosigkeit und Vor- halten. Das Volt, welches den wankenden Thron wieder bereits ein Ministerium Brandenburg eingesetzt. urtheilen erstarrt, daliegen. In Wahlzeiten werden sie aufgerichtet hatte, mußte sich mit der alten Einflußlosigkeit Nationalversammlung spürte jetzt endlich, wie der Wind Die wachgerufen, sie reiben sich den Schlummer aus den Augen, begnügen. Was allein geschah, das war, daß man im wehte: der Graf Brandenburg war wegen seiner reaksie wohnen dem Meinungskampf der Parteien bei, und Jahre 1823 für jede der acht Provinzen Provinzial- tionären Gesinnungen allgemein bekannt und aefürchtet wenn sie sich vielleicht auch noch nicht für uns entscheiden, stände" schuf, ganz nach dem alten überlebten Wuster| und ebenjo der Winter ves Innern, Freiherr v. Manso wird doch der Keim neuer, unausrottbarer Gedanken in der ständischen Vertretungen. Da waren die„ Standes- teuffel. Trotzdem blieb die Volksvertretung demühtig und ihre Brust gelegt und die Frucht davon fällt uns doch herren" und bildeten ihre Curie allein oder mit der unterwürfig, sie wagte es nur, im Frack und mit der schließlich zu. Ritterschaft", den Vertretern der Rittergutsbefizer, zu- Supplikantenmiene" den König zu bitten, die Berufung Wo also unsere Partei irgendwie in der Lage ist, sammen. Herren" und" Ritterschaft" hatten stets der zurückzunehmen. Die Antwort darauf war, daß Graf wird sie auch ohne Aussicht auf unmittelbaren Erfolg Bahl nach das Uebergewicht. Die Abgeordneten der Brandenburg blieb, daß die Nationalversammlung aber, in ihrem eigenen Interesse in den Wahlkampf eintreten. Städte" und des kleinen„ Land" besizes bildeten immer nach einem Regierungsukas vom 8. November, bis zum Um so unbegreiflicher wird es Manchem erscheinen, die Minorität. Grundbesitz, christliches Bekenntniß und 27. November vertagt wurde und dann nicht wieder in daß wir bei den preußischen Landtagswahlen bisher unbescholtener Ruf das waren die Erfordernisse, welche Berlin , sondern in Brandenburg zusammentreten sollte, tein Lebenszeichen von uns gegeben haben. jeder Abgeordnete erfüllen mußte. wo sie offenbar für etwaige oppositionelle Gelüste nicht Die folgenden Ausführungen werden zeigen, warum Als 1847 die Regierung dem immer drohenderen denselben Rückhalt an der Bevölkerung hatte wie in Berlin . das kaum anders sein konnte. Aber andrerseits würde Rufe nach Schaffung einer allgemeinen preußischen Volks- Jezt sah die Nationalversammlung endlich ein, daß man einen großen politischen Fehler darin erblicken vertretung nicht mehr widerstehen konnte, bildete sie durch es biegen oder brechen hieß. Sie widerstand zunächst und müssen, wenn unsere Partei ihr vollständig thatenloses den Zusammentritt aller der so bestehenden Provinzial richtete am 15. November sogar an das Volk einen AufBeiseitestehen in alle Ewigkeit hinein fortseßen wollte. stände den sogenannten„ Vereinigten Landtag " ruf zur allgemeinen Steuerverweigerung, um der volks
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Freilich, bei der jetzt begonnenen Wahlbewegung wird eine zweifellos sehr würdige Versammlung, die aber heute feindlichen Regierung die Mittel zu ihrem Fortbestande fich kaum noch eine große, umfassende Agitation für unsere eines gewissen komischen Eindruckes nicht verfehlen würde, abzuschneiden. Darauf wurde die Bürgerwehr - dieselbe Forderungen, und besonders für unsere erste Forderung denn ihre Mitglieder saßen gesondert nach Provinzen und Bürgerwehr, welche nach der Revolution geschaffen worden die Abschaffung der Dreiklassenwahl
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innerhalb jedes solchen Kreises von Provinzialen waren war, um die geseßlichen, Freiheiten" des Volkes zu wieder die ,, drei Curien der Stände", mit der„ Curie der schüßen" ins Leben rufen lassen. Aber dem demnächst gewähl- Herren" an der Spitze, geschieden. von oben aufgefordert, die Nationalvernach den sammlung zur Aufgabe ihrer Sigungen zu zwingen. Die ten Abgeordnetenhaus wird vielleicht Ehe dieser Vereinigte Landtag " noch Proben seiner Bürgerwehr weigerte sich; die Antwort war, daß sie aufErfolgen, welche die freisinnige Partei wohl erwarten darf Leistungsfähigkeit geben konnte, brach in Berlin die Regelöst wurde. So war der Volksvertretung das letzte nur ein kurzes Leben beschieden sein und dann, in volution( 18. März 1848) aus, und da sie zunächst Machimittel, auf das sie sich stüßen konnte, zerschlagen. Der neu entbrennenden entscheidenden Wahlschlacht soll siegreich war, so wurde nothgedrungen die Begründung einer Sie wollte troßdem weiter tagen; als ihr der Zutritt man uns wenigstens nicht ungerüstet finden. wirklichen Volksvertretung für das ganze Land und die zum Schauspielhaus durch Kanonen und Bajonnette verAber sei dem, wie ihm wolle, auch jetzt noch sollten Schaffung einer Verfassung auch von der Regierung als sperrt wurde, trat sie in Lokalen zusammen, welche ihr wir in letzter Stunde alles thun, um die alte Thaten- nothwendig zugestanden. Am 2. April trat der Vereinigte die städtischen Behörden bereitwillig zur Verfügung stellten. losigkeit abzuschütteln, nicht durch Sammeln von Stim- Landtag nochmals, zur letzten Session, zusammen, am Sie wurde mit Gewalt auseinandergetrieben. men sondern um durch Protest versammlungen 8. April 1848 nahm er ein Wahlgefeß für Preußen Da dachte sie ans Nachgeben, aber ehe sie in Bran
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gegen die ganze heutige Form der Volksvertretung an. Auf Grund desselben sollte sofort eine„ National denburg noch beschlußfähig war, wurde sie aufgelöst und in Breußen und gegen die Art ihres Zustandekommen versammlung" zur Feststellung einer Verfassung vom Bolke zu gleicher Zeit( am 5. Dezember 1848) eine neue Verbie Boltsmassen zum Bewußtsein ihrer politischen Recht gewählt werden. Am 10. April ging der alte Ver- fassung oftroyirt. losigkeit zu bringen, zur Einsicht ihres Gegensabes einigte Landtag " bereits auseinander, um den neuen, aus Am 6. Dezember 1848 schuf die Regierung zugleich zu den alten, mehr und mehr alle sachlichen Bestrebungen freiheitlicherem Geiste geschaffenen Bildungen Platz zu ein neues Wahlgeset, das zwar bereits einschränkender verlassenden und in bloßen Hofschranzenkämpfen ver- machen. kommenden Parteien. Die alten Parteien, die in ihrem Gößendienst sei es gegen todte oder lebende Herrscher gar kein Wort mehr für wirkliche Volksbestrebungen zu
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finden vermögen, sollen fühlen, daß in ihrem Rücken noch eine breite Masse der Nation steht, die nicht gewillt ist, sich dem jammervollen Todtentanz anzuschließen, der, mie es scheint, das freisinnige" Bürgerthum noch weit über diejenigen Grenzen des Servilismus hinausführen soll, welche konservative Leute jemals erreicht haben.
war wie das vom 8. April, aber immer noch unendlich Das zwischen der Regierung und der damaligen freisinniger wie das heutige Wahlrecht: die Wahlberechtigung Volksvertretung vereinbarte Wahlgesetz vom 8. April 1848 fam weiter allen Preußen zu, welche das 24. Lebensjahr geftand nun dem Volke zu vollendet hatten, nur mit der weiteren Bedingung, daß sie ,, selbständig sein mußten.
das allgemeine Wahlrecht.
Das Gesetz proklamirte gleich im Anfang:
Auch die so gewählte Kammer erwies sich nicht ge= fügig genug, am 27. April 1849 wurde sie ebenfalls aufgelöst.
Jeder Prerße, welcher das 24. Lebensjahr vollendet und nicht den Nollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat, ist in Nunmehr beschloß die Regierung eine Radikalkur der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsiz gegen alle unliebsamen Parlamente und erließ am und Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er 30. Mai 1849 durch Verordnung diejenigen Bestimmungen, nicht aus öffentlichen Mitteln Armenunterſtügung bezieht. Das preußische Volf schritt sehr bald auf Grund wirksamen Einflusses auf die Gesetzgebung berauben. Das die heute noch die Masse des preußischen Volkes jedes weitgehenden Wahlberechtigung zur Ernennung seiner Dreiklassenwahlsystem
Wahrlich, kaum jemals seit dem Bestand einer Verfassung überhaupt ist in Preußen ein Wahlkampf in so würdeloser Weise geführt worden, wie gerade gegenwärtig Der Barteien mehr, kein Kampf um verschiedene politische Vertreter. Um 22. Mai bereits wurden die Sizungen wurde eingeführt. seitens der alten Parteien. Das ist überhaupt kein Kampf dieser das alles nimmt sich vielmehr aus der so gebildeten Nationalversammlung vom Könige
Ideale und Ziele
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