Berliner
Volks- Tribüne
Social- Politisches Wochenblatt.
Die„ Berliner Volks- Tribüne" erscheint jeden Sonnabend früh.
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Einzelne Nummer 15 Pfg.
Durch jede Post- Anstalt des Deutschen Reiches zu beziehen.( Preis viertel jährlich 1 Mt. 50 Bfg.; eingetragen unter Nr. 850 der Zeitungspreisliste für das Jahr 1888.)
Redaktion und Expedition:
S.O.( 26). Oranien- Straße 23.
№. 49.
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Nationaler Größenwahn. Der Mutterberuf der Frau. Der wirthschaftliche Zersehungsprozeß. Frankreich .
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Bourgeoiskorruption in
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,, Cri du Peuple.". Ueber Anarchismus. Gedicht.
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Sonnabend, den 8. Dezember 1888.
Der Mutterberuf der Frau. Aus Frauenkreisen.
II.
Ausgabe für Spediteure: " Merkur" Zimmer- Straße 54.
II. Jahrgang.
geleitet wird. Hier entscheiden nicht mehr natürliche" unabänderliche Ursachen, sondern die wechselnden Bedingungen der Eristenz und des Fortschrittes der Gesellschaft. Hauptsache ist nicht die mütterliche, sondern eine verstän= Indem die neuen Produktionsbedingungen die Pro- bige und liebevolle Erziehung, welche sich auf die KenntDer Hunger. Soziale Skizze. I. duktion der Gebrauchsartikel innerhalb der Familie niß und Beobachtung der Geseze stützt, welche die EntFedor Dostojewski . Schund: und Kolpor- vernichteten, ward auch der Boden für die Erziehung der wickelung des Kindes regeln. Die Mutter war früher Kraft der primitiven Artageromane. Antisemitische Schmähschriften. Kinder innerhalb der Familie zerstört; die in der GeDie soziale Frage als Kern aller Fragen. sellschaft produzirende Frau wurde ihrem„ natürlichen" beitstheilung zwischen Frau und Mann die natürliche, d. h. Die Arbeiter und die Wirthe. Berufe entzogen, der überhaupt nur so lange natürlich die durch die herrschenden gesellschaftlichen Zustände be= Gewerkschaftliches. war, als er sich mit den ökonomischen Grundbedingungen aller Gebrauchsartikel des Familienhaushalts war, wie sie Politische Nachrichten. zeichnete Erzieherin des Nachwuchses, wie sie Produzentin Kleine Mittheilungen. Vereine und Ver- deckte. sammlungen.
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Blattes ein!
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Arbeiter und Parteigenossen! Tretet eifrig für die weitere Verbreitung dieses Bestellungen nehmen in Berlin alle Spediteure entgegen. Liſten zum Sammeln von Abonnenten jederzeit durch
Produktionsbedingungen entsprechend innerhalb des primi
Die Erziehung der Kinder ist eine gesellschaftlich noth- in ihrer Person Schneider, Schuhmacher, Bäcker, Weber, wendige Arbeit wie jede andere, fie mußte also auch bei Spinner u. s. w. darstellte. Einfach und roh wie die ihrer Ausübung demselben Entwickelungsgang folgen wie damals erzeugten Gegenstände war auch die Erziehung der die Produktion überhaupt. Sie mußte den allgemeinen Sie mußte den allgemeinen Kinder. Allein die für alle Arbeit eintretende Theilung und Scheidung der Thätigkeiten, welche der Frau einen tiven Gemeindeverbandes als gemeinsam geübte Thätig- Industriezweig nach dem andern abnahm, mußte ihr auch keit anfangen, dann zum individualisirten, in der allmählich die Erziehung der Kinder aus den Händen Familie geübten Wirken werden, um schließlich wieder aus winden, sobald die Verhältnisse an dieselbe höhere Ander Familie in die Gesellschaft zurückzukehren, vom Werk sprüche stellten, von ihr eine größere Vielseitigkeit forderten, Einzelner zur gemeinsamen Thätigkeit Vieler zu werden, die sich nur selten in einer Person vereint findet. Erſte denn auch sie unterlag dem Gebote der Arbeitstheilung Folge davon war, daß der Frau sehr bald die technische, und der Spezialisirung. Pflege und Erziehung der Kinder berufliche Ausbildung des Knaben, nach und nach die konnten nur so lange eine ausschließlich mütterliche Funt geistige Erziehung der Kinder überhaupt, der Unterricht, tion bleiben, als die Frau durch die wirthschaftlichen entzogen wurde, um Sache von Fachleuten, Spezialisten ,, Am abscheulichsten und ekelerregendsten sind die Zustände, duch die Art und Weise ihres Schaffens an das zu werden. Es fällt wohl heut zu Tage Niemand mehr ein, sich Symptome des Größenwahns dort, wo sie die Gesammt- Haus gefesselt war. Das Familienleben mußte auch nach heit aller durch eine gemeinsame Geschichte und Sprache dieser Seite hin durch die modernen Produktionsbedingun- dieser Art der Arbeitstheilung bei Erziehung der Kinder Verbundenen befällt, wo sie als nationaler Größen- gen gründlich zerstört werden, denn die Familie war keine zu widersetzen. Die Vorzüge, ja die Nothwendigkeit des wahn erscheint. moralische, sie war eine ökonomische Einheit, mit den Unterrichts durch Lehrer und hier wiederum durch Fach
unsere Expedition, Oranienstraße 23, zu beziehen.
Nationaler Größenwahn.
„ Der Verfasser dieser Schrift weiß sich von einer so ökonomischen Grundbedingungen ihres Bestehens mußten lehrer liegen auf der Hand. Niemand wird behaupten, warmen und aufrichtigen Liebe zu dem Volke, dem er an- auch alle ihre sogenannten moralischen Pflichten und Auf- daß die Mutter die natürliche alleinige Lehrerin" ihrer gehört, erfüllt, daß er den Vorwurf ,, nationalen Stumpfgaben einer Wandlung unterworfen werden, die Gesell- Kinder sein müsse. Die Rolle der Mutter als Erzieherin finnes" oder des„ Verraths an der nationalen Sache" fchaft, die Gemeinsamkeit mußte auch in dieser Beziehung hat also bereits durch die moderne Organisation des Unterrichts eine beträchtliche Einbuße erlitten. Mit Bezug und was dergleichen wohlfeile Nedensarten mehr sind, als ihr Erbe auftreten. auf den Unterricht ist die Mutter durch die Gesellschaft
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ruhig über sich ergehen lassen kann. Jeder, der es mit Der Umwandlungsprozeß ist leider noch nicht zu Ende. ersetzt; es ist leẞtere, welche diesen Theil der Erziehung seiner Nation ehrlich meint, soll und muß heute seine Der Kampf zwischen dem Alten und Neuen, die schwierigen organisirt und gewisse, ihr geeignet scheinende, für den Stimme erheben gegen die Verirrung einer künstlich er- Verhältnisse der Uebergangszeit machen sich auch der Beruf vorbereitete Vertreter mit ihm betraut. Die Verhitzten, von gewissenlosen Demagogen geschürten und an Kindererziehung gegenüber mit all ihren Härten fühlbar. hältnisse zwangen von zwei Seiten hierzu, einerseits die gefachten Leidenschaft, welche die ursprünglichsten und ge- Aber der Umgestaltungsprozeß ist bereits weit genug vor behufs einer größeren Vollkommenheit des Resultats sündesten Regungen der menschlichen Natur zur aberwißigen geschritten, daß über seinen Ausgang kein Zweifel auf- unumgängliche Arbeitstheilung, andrerseits die für die Verblendung und wüsten Heze ausarten ließ. kommen kann. Die Kindererziehung wird und Masse der Frauen eristirende Nothwendigkeit, dem Er„ Glauben die Maulhelden, die mit jener Unermüd- muß aus der Familie in die Gesellschaft verwerb- außerhalb oder innerhalb des Hauses lichkeit, deren nur der phrasenhafte Ueberschwang fähig ist, legt werden, sie wird und muß aus den Händen der zugehen. immer und immer wieder das alte Lied von der Größe Mutter in die von Pädagogen im weitesten Sinne des In geradezu absurdem Widerspruch mit diesen Thatihrer Nation, von deren Krieges- und Siegesthaten, von Worts übergehen. Die Frau wird nicht nur als Haus- sachen plärrt man es trotzdem als unumstößliches Dogma beren einzig dastehender Kultur, von deren unereichbar wirthin, sie wird auch als Mutter frei zur Ausübung ge- weiter, daß die Frau die Erzieherin der Kinder sein solle. edlen Männern, unnachahmlich züchtigen Frauen, unüber- sellschaftlicher Thätigkeit je nach ihrer individuellen Be- Sie ist es bereits nicht mehr in diesem Sinne. Man trefflich schönen Liedern, unvergleichlich schattigen Wäldern, fähigung und Neigung und in Maßgabe der gesellschaft- läßt dabei ganz aus dem Auge, daß die Erziehung süßen Weinen und duftenden Rosen singen und wieder lichen Bedürfnisse ihre Stellung wird auch hierin mehr der Kinder ein Beruf, eine Thätigkeit wie jede andere holen, glauben diese Lobpreiser ihrem Volke hiermit wirk- und mehr der des Mannes ähnlich werden. ist. Wie jeder andere Beruf hat sie also zur Vorauslich zu nützen? Alle sentimentale Heulmeierei kann an dem Faktum fegung eines möglichst vollendeten Gelingens, daß der sie Wenn ein Erzieher seinem Zögling, statt denselben tein Jota ändern. Ausübende, der Erzieher, natürliche Begabung für zur Arbeit und Tugend anzuhalten, fort und fort nur Ist diese Thatsache aber überhaupt zu bejammern, den Beruf, die nöthige technische Ausbildung und eine von dessen Ahnen, ihrem Ruhm und ihren Reichthümern ist sie der Thränen werth, welche Klageweiber männlichen möglichst hohe und vielseitige Entwicklung überhaupt be= erzählte, könnte dies nicht zur Folge haben, daß der und weiblichen Geschlechts über sie vergießen? size. Will man also der Frau den Beruf der Erzieherin
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Knabe es für angemessen hielte, auf den Lorbeeren seiner Unseres Erachtens nicht, denn die Voraussetzung: die par excellence aufzwingen, so muß man wenigsten vorausAhnen auszuruhen, daß er dumm, faul und stolz würde? Mutter ist die, von der Natur dazu vorherbestimmte Er- feßen, daß dieselbe die genannten drei, für erfolgreiche Und solche Volkserzieher, solche Volksverderber sind unsere zieherin der Kinder, erscheint uns als einer jener seichten, Ausübung ihrer Thätigkeit unentbehrlichen Bedingungen ,, nationalen" und nationalsten" Politiker. landläufigen Gemeinpläße, die noch so zahlreich durch ein in sich vereint. Dies ist jedoch bei den wenigsten Frauen Wer sein Volk liebt, der muß vor Allem für sein Jahrhundert humpeln, in dem sie nichts mehr zu suchen und Müttern der Fall. So wenig wie z. B. alle Männer Volt arbeiten, und wenn er öffentlichen Einfluß besißt, haben. mit den Keimen der Befähigung, Schuhmacher, Soldat nicht den Hochmuth der Menge kißeln, nicht auf das hin- Die Mutter ist die natürliche"( d. h. durch die oder Maler zu sein, geboren werden, so wenig sich bei weisen, was die Väter geleistet haben, sondern auf das, natürlichen Beziehungen zwischen sich und dem Kinde be- ihnen allen durch die beeinflussende Mitte diese eventuell was die Söhne leisten sollen. Zwischen Selbstgefühl stimmte) Erzieherin und Pflegerin für das Säug- vorhandenen Reime entwickeln können, ebenso wenig bringt und Arroganz besteht derselbe Unterschied, wie zwischen lingsalter, die Stillungsperiode; nicht darüber hinaus. jede Frau die Begabung für den pädagogischen Beruf Nationalgefühl und Chauvinismus. Eine gute Erziehung Aufgabe der Gesellschaft muß sein für diese Periode dem mit auf die Welt. Noch weit weniger aber ist die dem wird das Selbstgefühl, eine gute demokratische Politik das Kinde die Mutter zu erhalten und zu sichern, wie sie dem- weiblichen Geschlechte zu Theil werdende Entwickelung daSolidaritätsgefühl stärken. Ein schlechter Pädagog wird selben schon vor der Geburt, während der Schwangerschaft zu angethan, etwa vorhandene Keime dieser Befähigung die Arroganz großziehen und ein Demagog den Chauvi- in Gestalt und durch Vermittelung der Mutter die denkbar so herauszubilden, daß sich dieselben späterhin günstig entgünstigsten Entwickelungsbedingungen zu schaffen hat. Hat falten können. Die Begabung für den erzieherischen Be= Größenwahn.( Gegen den Strom. Flugschriftensammlung.) das Kind aber einmal das Säuglingsalter hinter sich so ist es ruf ist wie jedes andere Talent individuell und nicht
nismus."
für seine weitere Entwickelung durchaus gleichgültig, ob nach Geschlechtern vertheilt. Leicht möglich, sogar ganz dieselbe von der Mutter oder von einer dritten Person wahrscheinlich, daß sich in Folge der Jahrhunderte lang