Berliner

Volks- Tribüne.

Social- Politisches Wochenblatt.

Die Berliner Volts- Tribüne" erscheint jeden Sonnabend früh.- Abonnements- Preis für Berlin monatlich 50 Bfg. pränumerando( frei ins Haus). Einzelne Nummer 15 Pfg. Durch jede Post- Anstalt des Deutschen Reiches zu beziehen.( Preis viertelfährlich 1 Mt. 50 Pfg.; eingetragen unter Nr. 867 der Zeitungspreisliste für das Jahr 1889.)

Inserate werden die 4 spaltige Petit- Zeile oder deren Raum mit 20 Pfg. berechnet. Vereins- Anzeigen: 15 ẞfg. Arbeitsmarkt: 10 Bfg. Inseraten- Annahme in der Expedition: Oranien- Straße 23.

Redaktion und Expedition:

S.O.( 26). Oranien- Straße 23.

No. 1.

Auf zu neuer Thätigkeit. ,, Mit Rücksicht auf bestehende Verhältnisse."

-

Sonnabend, den 5. Januar 1889.

Ausgabe für Spediteure: Merkur " Zimmer- Straße 54.

III. Jahrgang.

-

-

Arbeiter und Parteigenossen! Tretet eifrig für die weitere Verbreitung dieses

-

-

-

-

-

Fortschreitende Steigerung der Güterproduktion auf ,, Mit Rücksicht auf bestehende Verhältnisse." Die Politik allen Gebieten und daneben fortschreitende Lebensverküm­des Kleinbürgerthums. Der Panamakrach. merung der großen Mehrheit des Volkes das ist die Nimm immer hübsch Rücksicht auf die bestehenden Ein sozialistischer Roman. Das Beitrags- Signatur unserer Zeit. Während die arbeitende Klasse Verhältnisse und auf den Standpunkt Andersdenkender" jahr der Altersversicherung. Das Ende des vordem ungeahnte Reichthümer schafft, geht das Gespenst zu diesem Programm muß man jedem tüchtigen Geschäfts­Zwistes unter den deutschen Maurern. der Armuth und Brodlosigkeit immer mehr in Kreisen um, mann gratuliren; denn damit läßt sich vorwärts kommen, Novelle.- Die soziale Gleichheit eine die früher davon verschont blieben, und selbst bessergestellte läßt sich Karriere machen. Forderung der Moral. Der Berliner Männer überfällt heute ein Grauen bei dem Gedanken, Und das ist ja die Hauptsache in der Welt: Karriere Maurerprozeß und das Reichsgericht. Ein wohin dieser rasende Niedergang aller geordneten Ver- machen. Arbeiterinnenstreik in Frankreich . Wie hältnisse führen soll, wenn ihm nicht zu rechter Zeit noch Was geht uns Recht und Wahrheit, was Freiheit müssen es die Arbeiter bei Streifsammlungen Einhalt geschieht. und Fortschritt an! Davon kann Niemand leben halten?- Arbeiterkongreffe in Deutschland . Aber ist denn dieser Niedergang nicht zugleich ein Karriere, sein Glück muß man machen! Aufschwung, ein herrlicher, nie gekannter Aufschwung, Wie macht man das aber am besten? Ei! indem wie ihn nur je der Menschengeist bewirkt hat? Wenn man beim Schreiben was sage ich! schon beim früher die Menschheit sich in der Qual härtester Arbeit Denken und natürlich auch beim Sprechen und Handeln, verzehrte, um nur den nackten Unterhalt des Lebens für immer auf die bestehenden Verhältnisse und auf den Stand­sich gewinnen zu können ist es da nicht tröstlich, daß punkt Andersdenkender Rücksicht nimmt. Lebt man z. B. wir heute jeden Bedarf auf das Reichlichste mit verhält in einem großen Weltreiche, sagen wir um nicht neuere nißmäßig so geringer Anstrengung decken können? Giebt Namen zu nennen und damit auf die Verhältnisse und den Bestellungen nehmen in Berlin alle Spediteure entgegen. das der Menschheit nicht das Anrecht, dereinst die rein Standpunkt Andersdenkender keine Rücksicht zu nehmen Listen zum Sammeln von Abonnenten sowie Agita- physische Arbeit auf ein geringes Maß zu beschränken und sagen wir also in dem des Nero oder des Caligula, tionsnummern jederzeit durch unsere Expedition, Oranien- alle freigewordene Zeit der Erziehung, der Bildung und so wird man selbstverständlich nichts Christenfreundliches straße 23, zu beziehen. den edlen Genüssen der Kultur zu, widmevitsch Wenn uns sprechen oder schreiben, den damit, adve ine Seani Fr. Nuks vee, Beraner weits- Trivane. Que ver" Modernek zelonit, Dampfes und der zu wenig Ruchicht auf die de rehenden Verhältnisse und Eleltrizität der Strom der Produktion immer gewaltiger auf den Standpunkt der ganzen guten, braven, römischen Berlin S. O., Oranienstr. 23. fließt- wird er nicht dereinst die Tiefen des Volkes be- Gesellschaft nehmen. Das wäre aber unanständig und so­fruchten, die heute brach liegen und verdorren? gar gefährlich. Das thun nur religiöse Märtyrer, fanatische Auf zu neuer Thätigkeit! Wie bei den alten Römern der Gott Janus, so hat und übergeschnappte Rechts- und Wahrheitsfreunde- im auch unsere ganze moderne Entwicklung ein Doppelgesicht: Ganzen eine Gesellschaft, unter der sich selten ein ,, anstän­Wenn wir, ein sozialdemokratisches Wochenblatt, am nach der Vergangenheit hin das des Jammers und der biger Mensch" findet. Die zeitgenössischen Geschichtsschreiber Beginne des neuen Jahres einen Blick zurückwerfen auf Verzweiflung, nach der Zukunft zu aber das des Trostes sprechen in der Regel mit großer Entrüstung von diesen die verflossenen Monate, so wird er in erster Linie den und der unerschütterlichen Hoffnung. ,, götterverachtenden, sittenverderbenden, staatszerstörenden wirthschaftlichen Ereignissen gelten müssen, von denen Und wenn wir jetzt den Blick dem kommenden Jahre Elementen." hauptsächlich unsere Gegenwart und unsere Zukunft und der weiteren Zukunft zuwenden, was sollte uns denn Und doch, wo stände die Welt ohne diese Leute? abhängt.

Blattes ein!

in unseren fröhlichen Hoffnungen erschüttern?

-

Cornje

val

Zu ihnen gehören ja die chriftlichen Märtyrer im alten

Und er verlohnt sich wohl, dieser Nückblick, denn Während drüben, in dem ehemals so ausgedehnten Rom , zu ihnen die christlichen Sendboten des Mittelalters, immer drängender und treibender wird die Entwicklung, Reiche des Besizes, cine Welt versinkt, haben die Besitz- zu ihnen die Märtyrer des freien Gedankens aller Zeiten, die sich schon seit langer Zeit in Deutschland wie in allen losen rastlos daran gearbeitet, eine neue Welt des Friedens zu ihnen die Reformatoren, zu ihnen die Bahnbrecher in anderen industriellen Ländern abspielt, die anfangs schnecken- und des Glückes zu errichten. Wie beim Untergang der Kunst und Wissenschaft.

haft langsam vor sich ging, jetzt aber vorwärts stürmt heidnischen Welt, waren es zuerst stille Träumer, welche Sie alle nahmen entweder gar keine oder dann zu wie mit überhitztem Kessel und gluthheißen Achsen in der Ferne die Möglichkeit einer höheren Entwickelung wenig Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse und auf verderbenbringend, wenn ihr der Mensch ferner rathlos aufdämmern fahen. Bald aber traten die Träumer hinaus den Standpunkt Andersdenkender. Hätten sie es gethan, gegenübersteht segenspendend, wenn ein zielbewußter unter das Volt, unter ihre Leidensgenossen, und Hundert- so würden sie keine Marksteine auf dem Wege des Fort­und die Zukunft schauender Volksgeist sie zu leiten und in tausende hängen heute mit ihrem Herzen an dem neuen schrittes der Menschheit geworden sein; denn aller Fort= die rechte Bahn zu bringen weiß. Glauben: daß alles einer ganz neuen Kultur zutreibt und schritt beruht auf der Kritik und Verneinung des daß fie der Fels sein werden, auf den diese Kultur sich Bestehenden. gründen wird. Aber nicht allein der Fortschritt der Menschheit beruht Mit dieser Erkenntniß aber ist ein neues Leben ein- darauf, sondern auch die Originalität der Menschen, die gezogen in die Schichten, die früher regungslos und in allein den geistigen Fortschritt bewirken und vor Ver­dumpfer Verzweiflung dalagen. Bewegung und Regung sumpfung bewahren kann.

Was sind die hervorstechendsten Züge des großen Zerseßungsprozesses, welcher die alten gesellschaftlichen Ver­hältnisse zwischen Unternehmer und Arbeiter, zwischen Besitz und Besißlosigkeit, zwischen Mensch und Mensch überhaupt, mehr und mehr untergräbt und zerstört?

Da sehen wir zunächst auf der Seite des Besißes überall, wohin wir blicken! Arbeiter und Arbeiter schließen Wir halten es mit Campe, der irgendwo sagt: Ich ein immer rascheres Verschwinden der kleinen Leute. Alle sich zusammen, sie lernen, fie bilden sich gegenseitig fort; weiß es wohl, daß ich manches Vorurtheil vor den Kopf Geschäftsunternehmungen wachsen mehr und mehr ins ein edler Wetteifer, der Zukunft und dem Fortschritte zu stoßen werde. Auch weiß ich recht gut, daß diese Art zu Riesenhafte; wem kein großes Kapital zur Verfügung dienen, hat sie ergriffen und alle Verfolgungen und Maß- handeln kein sehr bequemes Mittel ist, sich bei dem größeren, steht, der kann niemals hoffen, selbständig zu werden; wer regelungen vermögen sie darin nicht irre zu machen. Es undenkenden Haufen( und bei den Mächtigen?) Beifall und früher, als die Verhältnisse noch anders lagen, selbständig lebt und webt wie in unwiderstehlichem, warmem Früh- Liebe zu erwerben. Aber ich weiß auch, daß der Freund geworden ist, vermag die Konkurrenz der großen Neben- lingstriebe, wo einst der harte Winter alles in seinen der Wahrheit und des gemeinen Bestens sich darum nicht buhler nicht auszuhalten, er geht als Unternehmer, als Banden hielt! Das Licht der Erkenntniß und die Wärme bekümmern soll. Er schreibe, rede und thue, was selbständiger Mann zu Grunde und geräth als angestellter der Begeisterung breiten sich überall aus und alles, ihm recht, wahr und gemeinnüßig erscheint." Arbeiter in die Abhängigkeit der wenigen, im Kampf um alles muß sich wenden!

Mollis ( Kanton Glarus ).

Nt. Seidel.

Großbourgeoisie, Kleinbürgerthum und

Proletariat. I.

den Markt siegreich gebliebenen Großbefizer. Das Groß- Aber nichts im Bereiche der menschlichen Gesellschaft tapital saugt wie ein Riesenschwamm allen Absatz und geschieht von allein, überall ist der Mensch dazu berufen, schließlich alle kleinen Geschäfte auf und läßt neben sich an der Gestaltung seines Daseins selber mitzuarbeiten. nur noch hunderttausende, von allem Besiz entblößte Großes ist bereits geschehen, aber eine noch größere Arbeit Arbeiter übrig. der Aufklärung und der Aufrüttelung der Massen steht Und diese Arbeiter? Immer verzweifelter und ver- uns bevor. Da gilt es, selber zu lernen und zu wirken, zweifelter wird deren Stellung in dem Ringen um Brod die Indifferenten zu gewinnen und die schon Gewonnenen 3 Zu den Kreisen, welche vielfach den grundlosesten und Existenz, um Menschenwürde und Unabhängigkeit. mit neuem heiligem Eifer zu erfüllen. Das neue Jahr Hochmuth gegen das Proletariat, die schroffste, unver­Die Maschine macht täglich mehr und mehr Arbeiter über- muß für uns ein Jahr neuer Errungenschaften sein, sonst ständigste und unanständigste Haltung gegen die Sozial­flüssig, der technische Fortschritt gestattet es, mit immer haben wir unsere Pflicht nicht gethan und Verrath geübt demokratie an den Tag legen, gehört das klein bürger­weniger Arbeitern dasselbe zu leisten. Und während hier an der Zukunft.

thum. durch ein künstliches Ueberangebot von Arbeitskraft ent- Darum Glück auf zum neuen Jahre! Gerade der Kleinbürger macht sich mit Vorliebe zum steht, drängen dann auch noch die bankerott gewordenen Glück auf zu neuer Thätigkeit und zu neuem Kampfe! Apostel der widersinnigen Anschauung, daß Jedermann bet Kleinmeister herbei und vermehren die Zahl der Beschäf Glück auf zu neuen Fortschritten der Sache aller guter Aufführung und Sparsamkeit den Marschallstab des tigungsuchenden und erschweren dadurch den oft schon so Arbeiter! Kapitalisten im Tornister trage. Gegen alle Massen­armuth, alle sozialen Konflikte hat er immer das

schwierigen Lohnkampf.