Nr. 233.
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Vorwärts
18. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Eine neue Sozialreform
in Bicht.
Sonntag, den 4. Oktober 1896.
werden."
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Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
Erleichterung der Fideikommißbildung ta um empfohlen! fibgrenze, die eine Fideikommißbildung gestattet, würde nicht nur einem Haufen minderbegüterter Landjunker zur Bes Also taum eine durchgehende Erleichterung"! Diese gründung eines festen Hausgutes Anlaß geben, sondern offfziöse Bortfügung erinnert lebhaft an jenes junge auch eine Anzahl von Kommerzienräthen ermuthigen, diese Die Agrarier bei guter Laune zu erhalten, ohne ihnen Mädchen, das auf die Frage, ob sie schon einmal einen bequeme Brücke zum Barontitel zu betreten. bie st aatlichen Echeunen und Futterkrippen völlig zu über Kuß erhalten habe, verschämt erwiderte: Kaum jemals!" liefern, ist eine der wesentlichsten Aufgaben, die sich das Es müssen doch recht harmlose und genügfame Leute sein, Ministerium Hohenlohe angelegen sein läßt. Dennoch die einem solchen offigiösen kaum eine beschwichtigende fühlt sich die Mehrheit der Minister in ihrem Gewissen Rraft beimeſſen. Build gebunden, dem Antrag Kanit ihre Zustimmung zu ver- Wir können nicht ohne Genugthuung diesen ganzen weigern. Ob nicht Herr Miquel, der Anwalt der Agrarier Vorgang registriren, weil sich in ihm wieder einmal abim Ministerium, stillverschwiegen den Keim zu einem fanit fpiegelt, wie denn eigentlich die für Deutschland erstrebensartigen Gelegentwurf in seinem wandlungsfähigen Herzen werthe Sozialreform" sich in den Köpfen vieler hervor hegt, läßt sich weder bestreiten, noch behaupten. Jedenfalls ragender Staatslenker darstellt. muß man mit der Wiöglichkeit rechnen, daß er eines schönen Tages ben preußischen Steuerzahler mit einem voll ausgereiften agrarischen Umsturzplan überrascht.
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Der auf diese Weise dauerud fendalisirte Grund und Boden ist aber feineswegs geringfügig in Preußen. Die Fideikonimisse hatten auch ohne die geplante Miquel'sche Erleichterung während der letzten Jahrzehnte bereits bes trächtlich zugenommen. In den fieben östlichen Provinzen Preußens giebt es 154 Latifundienbefizer, die über 1761 Güter und 1637 963 Hektar verfügen. 1014 dieser Güter sind Fideikommißbesig. 65 Fideikommißherren besitzen 956 Güter mit 5 857 034 M. Grundstener Reinertrag. 24 dieser Besizer nennen 610 Güter ihr eigen mit einem Durch die Fideikommißbildung wird ein Gut oder ein Grundsteuer Reinertrage von 3 269 554 M. Unter den Güterfomplex auf unabsehbare Zeit der freien Verfügung gräflichen Fideikommißherren find 53 mit mehr als 5000, des Besizers entzogen. Der Befizer kann weder bei seinen 21 mit mehr als 10 000 Hektar Landes. Unter diesen 21 Zunächst sorgt er indeß dafür, daß durch allerhand Lebenszeiten den gesammten Fideikommiß Besiz oder kommen auf den einzelnen im Durchschnitt fast 30 Güter. Kleinere Geschenke die nothleidenden Großgrundbefizer unter Theile desselben veräußern, noch testamentarisch über dessen von 150 000 M. Grundsteuer Reinertrag. Nach einer im ihren geflickten Strohdächern bei einigermaßen erträglicher Vererbung nach seinem Tode irgendwelche Verfügung treffen. vorigen Jahre veröffentlichten Statistik find in Preußen Laune erhalten werden. Und das letzte Mittelchen, zu dem Das Fideikommiß- Gut geht als Ganzes nach dem Tode des 1835 621 Heftar mit 22 661 965 M. Grundsteuer- Reinertrag er da gegriffen hat, ist äußerst charakteristisch für das Erblaffers an dessen ältesten Sohn oder den sonstigen in Fideikommisse gebunden. In einzelnen Provinzen erreicht wahre Wesen des Agrarierthums. Professor Max Weber nächstberechtigten Erben zum Nießbrauch über, und so fort der Fideikommißbesiz 11,99 v. H. des Flächeninhalts. Es aus Freiburg hat in der Gesellschaft für internationale von Generation zu Genevation. Es hat also für das Ge- liegt auf der Hand, daß der schwerste Nachtheil aus diesem Rechtswissenschaft und Volkswirthschaft die Mittheilung meinwesen den ganzen Nachtheil eines Besitzes der todten Zustande, den kleinen Landwirthen erwächst, denen er die gemacht, daß die preußische Regierung einen Gesezentwurf Hand ohne dessen mögliche Vortheile, daß die Jahres- Wöglichkeit erschwert, durch Ankauf kleiner Landstücke sich plane, burch den die Mindeſtgrenze für die Errichtung erträge ganz oder theilweise gemeinnügigen Zwecken zu gute eine eigene bäuerliche Wirthschaft zu gründen, während von Fibeikommissen herabgesetzt und somit die Bildung kommen. obendrein zur Arrondirung der Fideikommißgüter ständig biefer unzertheilbaren Latifundien erleichtert werden soll. Herr Miquel wurde dann von anderer Seite direkt als Zweck der Erhaltung und Erweiterung dieser Einrichtung Bauernhöfe angekauft und so dem freien Verkehr entzogen Bater dieses neuesten Volksbeglückungsplanes genannt. Das ist, auf fünstlich em Wege in einer Anzahl adliger Familien werden. Durch ein derartiges Bauernlegen" hat einer unverhohlene Staunen, dem diefe Mittheilung in den nicht einen gefchloffenen Großgrundbesitz zu erhalten. Nur die der jüngsten Fideikommißbesitzer, der Fürst Bismard, Herzog agrarischen Schichten der Gesellschaft begegnete, hat einen Familienhäupter selbst und ihre direkten Erben werden da- von Lauenburg , die Fideikommißgüter arrondirt, die ihm ber üblichen öffigiösen Beschwichtigungsartitel in bder Post" durch begünstigt; nicht einmal die nachgeborenen Söhne durch Dotationen aus öffentlichen Mitteln in die Finger hervorgerufen. Es wird darin weitläufig erzählt, daß der und Töchter haben Anlaß, das Fideikommiß zu fegnen. gekommen waren. Dieser hervorragende Bauernleger und FideikommißBlan zur Erleichterung der Fideikommißbildung einer Es ist ein Ueberreft des Feudalsystems innerhalb der Resolution des Herrenhauses sein Dasein verdanke und dem tapitalistischen Wirthschaftsordnung. Es muß seinem gründer ist aber der angesehenfte Schutzpatron jener agra Finanzminister zur Begutachtung vorgelegen habe. Herr ganzen Wesen nach auf erbitterte Gegnerschaft stoßen bei rischen Bewegung, die den Schutz der Bauern auf den Miquel habe teine Einwendung dagegen gemacht. den Vertretern der fapitalistischen Wirthschaftsordnung, Lippen trägt. Der Sozialdemokratie könnte die Verwirklichung der Nunmehr unterliege er der Prüfung des Ministeriums die darauf drängt, auch den Grund und Boden als Waare für Landwirthschaft. Dieses habe eine Erhebung über die in ungehinderten Verkehr des des Kapitalmarktes Miquel'schen Pläne nur willkommen fein, denn Thatsachen denen die haben eine eigene aufklärende Kraft; auch der Bauer ent Fideikommißgüter veranlaßt. Lägen die Ergebnisse dieser hineinzuziehen. Nur die Großkapitalisten, Der Glaube an den Erhebung vor, dann würde das Ministerium zu einem Möglichkeit, Fideikommiffe zu errichten, Gelegenheit giebt, zieht sich ihrem Einfluß nicht. endgiltigen Beschluß tommen. Somit ist alles im schönsten sich mit dem erborgten Schimmer eines feudalen Grand- Kapitalismus ist bei ihm bereits start erschüttert. Es ist Gauge. Der Offiziosus hängt dann seinen Mittheilungen feigneurs zu schmücken, sehen diese Institution mit sehr dankenswerth, daß Herr Miquel sich daran macht, dem nur den folgenden sanften Beschwichtigungssah an: günstigen Augen an. Können sie sich doch mit der Hoff- Bauer auch die Schädlichkeit des Feudalismus, die der Soweit wir die Auffassung der Dinge im Landwirthschafts- nung schmeicheln, daß die Abelstitel bald der Errichtung Bauer fast schon vergessen hat über seine Tagessorgen, aufs Minifterium zu fennen glauben, dürfte eine durchgehende eines Fideikommisses nachfolgen. Die Herabseßung der Beneue zu Gemüthe zu führen.
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Rienzt.
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entgegen, nicht allein aus selbstsüchtigen Motiven, sondern sie keine Vorwürfe; jeder hatte gehandelt, wie es seine infolge düsterer Ahnungen für ihren Bruder. In Adrian Stellung gebot. Sie war das unglückliche Opfer jener Er di Castell, der zugleich ein Patrizier und ein Volksfreund eignisse und des Schicksals. Sie war wie erstarrt durch war, hatte jede Partei einen Vermittler gefunden, und das Unglück, welches sie betroffen hatte; sie weinte und seine Abwesenheit wurde täglich fühlbarer, bis end- tlagte nicht; fie beugte sich dem Sturme, der über ihr lich die Verschwörung der Barone ausgebrochen war. wüthete, und er ging vorüber. Während zweier Tage nahin Das unsichere Fundament des Gebäudes. Seit jener Stunde wagte sie es kaum noch zu hoffen; ihr sie keine Nahrung zu sich, und auch der Schlaf floh sie; sie Die schnelle und sich drängende Folge der Staats- ruhiger Sinn fühlte, daß eine verhängnißvolle Entschloß sich ein und verlangte nur als einzige Gunst, daß ereignisse hat uns längere Zeit von der Schwester des Tri- scheidung herannahe; und in allen Ereignissen, die sich jetzt man sie allein lasse, aber am dritten Morgen erholte sie sich wie bunen und der Verlobten Adrian's entfernt. Auch sind die drängten, konnte sie nur zwei Gedanken festhalten: die durch ein Wunder, denn am dritten Morgen wurde ein füßen Gedanken und schwärmerischen Träume jenes schönen Gefahr für ihren Bruder und die Trennung von ihrem Brief folgenden Inhalts abgegeben: ob " Frene, die Ursache meines tiefen Schmerzes ist Dir und so innig liebenden Mädchens, obgleich fie für sie selbst Verlobten. von einem Interesse waren, das über alle Stürme und Nur Nina fonnte sie ganz ihr Herz eröffnen, denn schon bekannt geworden, Du wirst es mit mir fühlen, daß Gefahren des Ehrgeizes erhaben war, doch nicht ausführ- Nina war, trotz der Verschiedenheit ihrer Charaktere, ein für einen Colonna Rom länger teine Heimath, noch der lich für die Mittheilung geeignet, ihre sanfte Gleichförmig- Weib, welches liebte, und dieses vereinigte sie und ließ sie Tribun Roms nicht Bruder sein kann. Indem ich diese feit tann mit wenigen Worten geschildert werden. Sie einander verstehen. In der ersten Zeit des Emporkommens Worte schreibe, ist es nur die Ehre, die mich noch aufrecht tannte nur ein Bild; sie strebte nur nach einem Ziele. Von Rienzi's hatten sie manche ihrer glücklichsten Stunden mit erhält. Alle meine Hoffnungen und Aussichten, alle die dem Glanze des Hofes ihres Bruders sich zurückziehend, einander zugebracht, entfernt von dem Treiben der Liebe, die ich zu Dir fühlte und noch fühle, werden zurücks und, wenn sie gezwungen wurde, dort zu erscheinen, durch Menge, allein und ungestört in dem Mondschein der gedrängt in mein Herz, und ich empfinde nur das Gefühl, die Gegenwart Nina's in Schatten gestellt, schien ihr das Sommernächte auf den Balkonen sigend und ihre Ge- daß ich unglücklich bin. Frene! Frene! Dein holdes Treiben der Menge und die sie umgebende Bracht ein un- danken, jene Sympathien und jenen Trost austauschend, Antlitz zeigt sich meiner Phantasie, und in diesen geliebten wahres Gaufelspiel, von dem sie sich zu der Wahrheit welche für zwei gefühlvolle und unschuldige weibliche Augen lese ich, daß Du mir verzeihst, daß Du mich verstehst, des Lebens, zu den Hoffnungen und süßen Träumereien Wesen einen so entzückenden Reiz haben. Aber seit einiger und daß, so sehr Du, wie ich weiß, mich liebst, Du lieber ihres Herzens zurüdzog. Das arme Mädchen! Zeit war dieser Umgang unterbrochen worden. Seit dem mich verloren geben, lieber wünschen würdest, daß ich mit Trog aller ihrer Zuneigung für Rienzi fonnte sie eine Morgen, an dem die Barone begnadigt worden waren, meinen Verwandten im Grabe läge, als wissen, daß ich gemisse Befangenheit in seiner Gesellschaft nicht überwinden, bis zu jenem, an dem sie gegen Rom vorrückten, hatten sich meinem Stande zum Vorwurf und meinem Stamme zur welche, vereint mit dem Unterschiede des Geschlechtes und die aufregenden Ereignisse zu sehr gedrängt. Jedes Ge- Schande lebe. Ach! weshalb war ich ein Colonna? Wesdes Alters, fie verhinderte, über den Gegenstand, der am ficht, das Frene sah, hatte einen düsteren und unruhigen halb machte mich das Schicksal zum Patrizier und die meisten ihr Herz erfüllte, sich ihm vertraulich zu eröffnen. Ausdruck, aller gesellige Frohsinn war verschwunden, ge- Umstände und Verhältnisse zum Feinde des Volkes? Ich Da die Abwesenheit Adrian's an dem neapolitanischen schäftige Räthe oder bewaffnete Krieger waren seit einigen bin gleichmäßig ausgeschlossen von der Liebe und von der Hofe länger dauerte, als es anfangs bestimmt worden war Tagen der einzige Besuch im Palaste gewesen. Rienzi ließ Rache; alle meine Nache würde auf Dich und auf mich ( denn an teinem Hofe bedurfte der Tribun eines ge- sich nur auf kurze Augenblicke mit düsterer Stirne sehen. zurückfallen. Angebetete! Wir sind vielleicht getrennt für wandteren und einfichtigeren Repräsentanten, und Intriguen Nina war zärtlicher gegen ihn, als jemals, aber ihr Be- immer; aber bei allem Glücke, das ich durch. Deinen Umund Gegenintriguen verzögerten seine Abreise von Woche nehmen trug mehr den Charakter des Mitleids, welches gang genoffen habe, bei aller Seligkeit, von der ich träumte, zu Woche) so wurde sie beunruhigt und ängstlich. Wie unglückliche Ereignisse voraussieht. Wenn sie versuchte, ihn bei jener entzückenden Stunde, in der Liebe zu Dir zuerst schon so oft mancher ungemerkte und nicht mithandelnde zu trösten, so erwiderte er in abgebrochenen Worten, und mein Herz erfüllte, als ich Deinen milden Geist in Deinen Zuschauer der Szene, sah auch sie richtiger die nächste Frene war schon durch die Ahnungen ihres eigenen Herzens Augen und auf Deinen Lippen zurückkehren sah, bei dem Zukunft voraus, als der tiefere Geist des Tribunen auf das, was da fommen würde, vorbereitet. Ihr Bruder ersten erröthenden Geständniß der Liebe, bei unserm ersten oder Nina's; und die gefährliche Unzufriedenheit der Patrizier siegte, feine Feinde waren überwältigt, Rom war frei, Kuß , bei unserm letzten Lebewohl schwöre ich, Dir ewig treu wurde ihr in Blicken und im Geflüster sichtbar und hörbar, aber das stattliche Haus der Colonna hatte seine festesten zu bleiben! Reine andere soll jemals Dein Bild aus meinem welche selbst schärfere und mißtrauische Augen und Ohren Säulen eingebüßt und Adrian hatte sich für immer ent- Herzen verbannen! Und jetzt, da die Hoffnung verschwunden nicht erreichten. Sorgenvoll sah sie der Rückkehr Adrian's fernt! Sie tabelte ihn nicht; auch ihrem Bruder machte ist, wird die Treue doppelt geheiligt und Du, meine füße
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