niedrigt; es schadet dieser Ehre aber durchaus nicht, wenn er mit einem derPolitiker" zusammen speist, welche jenen Plebs bei der Wahl bestechen, dre also eigentlich Zucht- Hauskandidaten sein müßten. Die Ehre bringt es mir sich, stolz auf seine Verwandten zu sein, wenn dieselben sich in günstigen Umständen befinden, und wenn sie ihr Vermögen auch durch die schmutzigsten Praktiken gewonnen haben; aber sich über sie zu schämen, wenn sie arm sind, ob sie auch keine Schuld daran haben oder durch ihr Ehrgefühl in die schlechte Lage gekommen sind. Aber wann sollten wir enden, wenn wir Alles ans- zählen wollten, was man an Schlechtigkeiten verüben kann, ohne in der heutigen Gesellschaft die Ehre zu verlieren! Wann wird die Ehre darin bestehen, jeden Neben- menschen als gleichberechtigt anzuerkennen, worauf allein die wahre Ehre beruht? Wann werden alle die heutigen falschen Ehrbegriffe, die auf der miserabelsten Heuchelei beruhen, beseitigt werden? Erst dann, wenn die Ausnutzung des Menschen durch den Menschen beseitigt ist, auf der alle jenekonventionellen Lügen der Kulturmcnschheit", alle jene Standcsvorurtheile, alle jene argen Ausgeburten des heutigen verzweifelten Kampfes um das Dasein begründet sind. Dann erst wird man keine beschönigenden Worte mehr nöthig haben für Dinge, die in ihrem Wesen das Gegen- theil von dem sind, als was man sie bezeichnet. Dann erst wird der wahre Sinn des Wortes Ehre zur Geltung kommen. Die Ehre des Menschen ist es alsdann, Mensch zu sein!___ Zerbrechen und Geistesstörung. n. In seinen weiteren Ausführungen rügt Benedikt mit Recht, daß der Richter nach dem Wortlaut des(inzwischen Gesetz gewordenen) italienischen Entwurfes den Verbrecher nach seinem Ermessen in ein Irrenhaus überführen kann.(II giudice puo ordinäre che dio ricoverato in un rnanicornio crirninale o commune.) Das ist Kautschukarbeit! Ferner tritt er ein für Scheidung der Verbrecher in solche, welche mit moralischem Jrrsein behaftet sind die will er dem Gcfängniß zuweisen, und in solche, welche im Momente der That betreffs ihres Bewußt - seins klinisch-pathologisch getrübt sind die allein seien dem Irrenhaus zu überweisen.' Scheide man nicht so, dann entstehedie Gefahr, daß die Gesängniffe leer stehen und die Irrenhäuser überfüllt sein würden," weil die überwiegende Mehrzahl der Ver- brecher für irgend wie geistig gestört erklärt werden mußten. EineGefahr" sehe ich nun in der Vermehrung der Irrenhäuser und Verminderung der Gesängniffe durchaus nicht! Dies scheint mir geradezu eine sittliche Roth- wendigkeit! Interessant sind die Einzelfälle, welche angeführt werden für Verbrechen, welche begangen wurden von Menschen, die an cykloiden(in bestimmten Pausen wieder- kehrenden) Jrrseinsformen litten. In einem südösterreichischen Gesängmß traf Benedikt einen Mann, der wiederholcntlich wegen Gotteslästerung und Majestätsbcleidigung eingesperrt worden war und endlich mit dem Anstaltsdirektor seinen ständigen Ver- bleib im Gcfängniß vereinbart hatte, umnicht immer wieder vor Gericht gesd)leppt zu werden und die Aus- regungeh der Untersuchungshaft mitzumachen... Wäre der Unglückliche aus gutem Hause gewesen, hätte er einen guten Vertheidiger zahlen können, so wäre er viel- leicht allen Repressionen entgangen, weil man vielleicht gleich bei der ersten Anklage die pathologische Natur des Deliktes erkannt hätte." Dazu macht der Verfaffer den Urhebern des italienischen Strasgesitzbuches ein wohlverdientes Kompliment, daß sie das Delikt der Gotteslästerungausgeschaltet" haben, und knüpft daran die Bemerkung: Es giebt auch keine größere Blasphemie als die Aufbietung von Polizei und Gericht zum Schutze der Ehre Gottes, der Donner und Blitz, Erdbeben, Ueberschwemmungen und Kometen zu seiner Disposition hat. Es ist wohl kein Zweifel, daß die Gotteslästerung an und für sich in jedem zivilisirtcn Lande bald aus dem Straf- kodex verschwinden wird." Wir gestalten uns einige Zweifel, daß aus unserem berühmten§ 166 der betreffende Theil(Wer dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden Aeußerungen Gott lästert, ein Aergerniß giebt:c.) so bald aufgegeben werden dürste! Deutsche wie österreichische Richter sind derzeit, nach Benedikt's Ausführungen, nicht in der Lage, wie ihre italienischen Kollegen, einen solchen Verbrecher(wie den oben genannten)nach natürlichen Verhältnisien zu be­handeln". So fand Benedikt einen Beleidigungs- und Verleum- dungsfanatiker, für den sachverständige Untersuchung gerade durch seinen Ankläger herbeigeführt wurde, die er(Benedikt) selbst vornahm und einen so eklatanten Fall geistiger Störung feststellte,der selbst dem schlichten Ver- stand eines Laien nicht entging." Er sah sich veranlaßt, die Unvollkommenheit der Ausbildung unserer(österreichi- scheu!!) Richter zu besprechen, die das nicht erkennen und sich weigern, darüber ein fachmännisches Gutachten einzu­holen." Die veranlaßte Wiederaufnahme des Verfahrens recht- fertigte Benedikts Hoffnung nicht, daß man sichzu einer Läuterung und Klärung durch sachliche fachmännische und streng sachliche Erörterung und Befferung des Gesetzes natürlich infolge dessen! verstanden hätte!

Gewisse Sittlichkeitsverbrechen sind ebenfalls hierher zu ziehen, die nach Benedikt oft vonhervorragenden Persönlichkeiten aus angesehenen Kreisen hervorgehen; und desha lb wissen die Annalen der Polizei viel mehr davon zu erzählen als die Annalen des Gerichts." Wir sehen also wieder, wie oben im ersten Falle: für den Armen die Strafe, für den Begüterten uno An­gesehenen die Repression in weit milderer Form! Mit Recht wendet sich Benedikt auch dagegen, daß der Richter, der mit diesen medizinischen Dingen heute viel zu wenig vertraut ist entscheidet, ob der irre Verbrecher in ein gewöhnliches Irrenhaus kommt oder in das Manicomio crirninale. Es sei gefährlich für die gewöhnlichen Irren, zu ihnen Verbrecherisch-Kranke zu stecken; das sei nur ausnahmsweise angebracht.*) Wie aber Benedikt empfiehlt, den Psychiater mehr zur Gerechtigkeitspflege heranzuziehen, so gesteht er dem Richter auch eine Curatel über die in Irrenhäusern unter- gebrachten Verbrecher zu. Auch Entlassung in die Familien unter Verantwortlichmachung des Hausarztes durch Eid, sieht Benedikt vor. Bei nöthig werdender Ueberführung eines Verbrechers aus einer Anstalt in die andere, z. B. bei einem Jrrthum des Psychiaters zurück ins Gefängniß, soll nichts administrativ geschehen, sondern auf Grund richterlicher Entscheidungen, die auf Grundlage von Fach- urthcilen gefällt werden müssen. Treffend ist die Bemerkung:vom Künstler verlangen wir, daß er uns das psychologische Gesetz darlege, nach dem nothwendig jedes Verbrechen begangen werde, und vom Richter, daß er annehme, es gebe keine solche Gesetze!" Benedikt wendet sich aber auch gegen den Mißbrauch, d. h. die nicht genügend begründete Annahme von Irrsinn. Er sagt wörtlich:Damit ist zunächst der Ucbclstand ge- schaffen(in Hinblick auf die lockere Erklärung derver- minderten Zurechnungssähigkeil" in§ 48 des italienischen Gesetzes), daß jeder reiche Verbrecher, der einen berühmten Vertheidiger zahlen kann, milder beuriheilt werden wird als ein Armer." Ebenso wie oben auf das umgekehrte Verhältniß der nämliche Satz angewendet ward. Je mehr psychologischer Zwang den Verbrecher zur Handlung treibt, desto stärker muß die schützende Repression sein, denn desto gefährlicher ist der Mensch für die übrige Ge- sellschaft. Auch ist bei einem thatsächlich und endgiltig degenerirten Individuum ja die Erziehung zum Nor­malen ganz unwahrscheinlich. In einer zweiten Broschüre spricht Prof. Benedikt über diesen Punkt den Satz aus: Es ist dies gewiß eine tröstliche Thatsache, wenn wir be- denken, daß gerade die entsetzlichsten Verbrecher nicht ge- sunkene, sondern für ihre That prädestinirte Jndivi- duen sind."**) Freilich, darf sich die Gesellschaft bei dieser erfreulichen Thatsache nicht beruhigen, sondern sie muß durch vernunftgemäße Organisation, Wohlfahrtsvorkehrungen, Maßregeln gegen Verarmung, Ausbeulung und Arbeits­losigkeit, das Elend und den Mangel, diese wirksamen Förderer physischer und geistiger Zerrüttung ernstlich und nachdrücklich bekämpfen! Benedikt hat den Großsiegelbcwahrer von Italien auf- gefordert, die nöthigen Abänderungen im Entwurfs des neuen Strafkodex vorzunehmen, wohl ohne Erfolg. Ein Mitglied des italienischen Parlaments hat ihm freilich auch eingewendet, seine Kollegen seien für eine solche ge- hobene Anschauung der Dinge nicht reif. Wer wüßte nicht, daß von Volksvertretern der in Klassen zersplitterten Staaten der Gegenwart nicht immer um nicht zu sagen selten ans der Höhe deS vor- handenen Wissens stehende Gesetze geschaffen werden? Wir brauchen nur aus die zahllosen Mängel und Lücken der Gesetze bei uns hinzuweisen, welche die Arbeiter be- rühren oder besser nicht berücksichtigen in gebührendem Maße, oder geradezu verkürzen und drücken. Daß der Arme und Arbeiter beim derzeitigen Stand der Kriminalistik zu kurz und zu schlecht wegkommt in solchen Fragen, wo die Psychiatrie mit zu Rathe zu ziehen wäre, das ist nach Benedikts Ausführungen vollkommen klar. Klar ist auch, daß die angewandte Psychologie d. h. die Psychiatrie in weit umfangreicherer Weise von der Kriminalistik zu Hilfe gerufen werden müßte. Mit Recht behauptet gewiß auch für unsere reichsländischen Verhältnisse! Benedikt, daß das bischen gerichtliche Medizin, welches Ankläger, Richter und Vertheidiger lernen, bei ihrerunnatürlichen Erziehung" nichts nützt,da es aus einer Zeit herstammt, wo noch keine Kliniken existirten." Wie der strenggläubigste Krieger wisse, daß sein Gott sich den Gesetzen der Ballistik(Lehre vom Wurf) füge, so habe auch der Jurist zu lernen, seine Arbeiten nicht naä) meta- physischen Glaubenssätzen einzurichien, sondern nach bio- logischen Erfahrungen. Die metaphysische, künstliche Moral- Philosophie habe einem natürlichen System zu weichen bei so sehr ins materielle Leben einschneidenden Handlungen, wie die der Kriminalistik es seien. Ganz begreiflich wird das alte metaphysische System dazu verführen, den Angeklagten gegenüber in den Fehler des Generalisirens zu verfallen; eine Psychologie auf materialistischer Grundlage verlangt, daß man individua- lisire, d. h. der Organisation des bestimmten Einzelnen auf die Näthe fühlt, ob sie in Ordnung oder ob etwas mangelhaft ist. Aus naheliegenden Gründen verlangt Benedikt auch

*) Interessant ist es, zu erfahren, daß in Belgien der oberste Chef des Gefängnißwesens das Recht hat, jeden Irren aus dem Gefängniß in's Irrenhaus überführen zu lassen, sobald er es für angezeigt hält. **) Biologie und Kriminalstatistik nach einem Vortrage in der Wiener juristischen Gesellschaft. März 1886.

von jedem Gefängnißarzt psychiatrische Bildung; der Be- obachtung im Gefängniß legt er mit Recht ganz be- deutende Wichtigkeit bei. Maufred Wittich.

UationalökouomischeIrrlehren". Ii. p. k. Ist nun die Leitung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse einzig und allein das Werk der Intelligenz einiger Privatkapitalisten? Hängt, so fragen wir diese Herren, die Entwicklung des gesellschaftlichen Bedarfes und die wirthschaftliche Befriedigung derselben nur von der Intelligenz des Kapitalisten, von seiner geistigen Arbeit ab? Um die Bedürfnisse des Marktes festzustellen, braucht der moderne Kapitalist einen ganzen Stab von Agenten und Reisenden. Und um diesen zu unterhalten, bedarf es der Kapitalien und abermals der Kapitalien. Die Versorgung der Gesellschaft mit wirthschaftlichen Gütern wiederum ist nur eine Geldfrage. Je mehr Arbeitskräfte und Arbeits- mittel er in seine Hand zu vereinigen weiß, je mehr Aus- ficht hat er, den Markt durch billige Preise zu beherrschen. Geniale Gedanken bringen nicht die Goldströme Kaliforniens in Fluß und leiten sie in die Tasche der Kapitalisten, sondern die große Kollektivkraft der Arbeiter des Pro- duklions- und Zirkulationsprozesses. Mit den besten Gedanken kann der begabteste Unternehmer verhungern, wenn er nicht über diese große gesellschaftliche Macht gebietet. Dieser verdankt der Kapitalist seinen Kapital- gewinn, sein riesiges Einkommen. Dem Kommando über gesell- schastliche Mächte, über gesellschaftlich zusammenarbeitende Arbeitermassen und gesellschaftlich ausgebeutete Arbeits- mittel, also ihren ökonomischen Machtmitteln, nicht ihrer Intelligenz, schuldet die Kapitalistenklaffe ihre ebenso machtvolle wie vortheilhafte soziale Position. Ihre Kapitalien sind das Produkt fremder gesellschaftlicher Arbeit, nicht der eigenen. Zu diesem Resultate mußten wir schon nothwendig gelangen, wenn wir die Ergebnisse der Einkommensstatistik mit klarem, von keinem Parteistandpunkte getrübtem Blicke betrachteten. Wir ersahen daraus, daß eine übergroße Masse der gesummten Bevölkerung 41 Prozent sämmt- [icher Zensiten kaum die nothwendigsten Lebensbedürfnisse befriedigen kann, und daß dieselbe mit ihren 400 Mark durchschnittlichen Einkommens fast unter dem Niveau der in einem Volke gewohnheitsmäßigen Lebenshaltung steht. Hunderttausende von Hausindustriellen, Millionen von ländlichen Arbeitern, namentlich von Einliegern, vegetiren nur bei Kartoffeln, Schnaps und Schwarzbrot fort. Ja das grausigeeherne Lohngesetz" ist sogar für bestimmte Schichten der Bevölkerung ein ganz abscheulich-schönfärberischer Ausdruck für ihre wahre Klassenlage. Wir erfahre« z.rBl von der oberschlesischen Bevölkerung, daß sie noch nicht 3/4 der wünschenswerthen Eiweißstoffe und nicht die Hälfte der erforderlichen Fettstoffe zu sich führt.*) Und was sagt uns der Geheimrath Professor Schmoller von der Lage des Landproletariats im Osten Deutschlands ! Der ganze Osten der preußischen Monarchie hat zu große Güter und ein zurückgebliebenes, für die technischen Fortschritte hinderliches Proletariat, das kaum in besserer Lage ist, als seine Großeltern im Jahre 1800 waren, theilweise durch die Geld- wirthschast und die Separatio nsgesetzgebung sich sogar erheblich verschlechtert hat."**) Kann man da von einer gewohnheitsmäßigen Lebens- Haltung noch sprechen, wenn dieselbe in einer Zeit der größten gesellschaftlichen Forlschritte und der all- gemeinen Hebung ver Lebenshaltung noch auf dem Niveau von 1800 steht? Gerade diese eigenthümliche Organisation der Gesell- schuft, welche die wirklichen Produzenten des gesellschaft- lichen Reichlhums auf die nothwendigsten Lebensbedürfnisse beschränkt und denselben nicht die Fortschritte der gesteigerten Produktivität der Arbeit zu Gute kommen läßt, ist die wahre Grundlage der Kapitalgewinne. Diese heutigen ungeheuren Reichthümer müssen von der gesummten Gesellschaft erarbeitet werden, denn sie fallen nicht wie die Wachteln in der Wüste vom Himmel. Aber nur, weil eben wenige Hände sich darnach ausstrecken können, sind sie voll überall. Dieser eigenthümlichen Organisation der Gesellschaft und nicht ihrer Genialität verdanken die Kapitalisten ihre Reichthümer. Weiler ist die heulige Produktion und Konsumtion und die Ordnung derselben gar nicht das Werk der Kapitalisten. Liest man die romanhaften Darstellungen der bürgerlichen Nationalökonomen über diesen Gegenstand, so erhält man fast den Eindruck, als hänge die gesellschaftliche Produktion und Konsumtion einfach von der Willkür der Kapitalisten ab, als könnte sie von denselben einfach beliebig erweitert und verengt werden. Nun sind aber die Bedürfnisse der Lohnarbeiter- klaffe vermöge ihrer sozialen Klassenstellung auf das Engste an die Höhe ihrer Löhne geknüpft; die Lohnarbeiter können nur eine bestimmte Menge von Lebensmitteln und billigen Luxusartikeln in ihren Konsum übergehen lassen. Die Lebenshaltung der Kapitalisten hängt von der Größe ihrer Kapitalgewinne ab. Auch die Konsumtion dieser Klasse hat also bestimmte, allerdings nicht so eng gezogene Grenzen. Die Konsumtion der Gesellschaft ist also in einem gegebenen Augenblicke vollkommen bestimmt. Mithin auch der Absatz der Kapitalistenklasse. Es handelt sich nur darum, ob dieser oder jener Kapitalist, ob Peter oder Paul vorzugsweise für denselben zu sorgen hat. *) Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung. 5. Jahrgang. **) Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung ze. 6. Jahrg. VI