Beiblatt zur Berliner Volks- Tribüne.

37.

Ferdinand Laffalle.

( Nach dem Prolog zur Feier des 25 jährigen Todestages.) Er ist nicht todt, der heute ruft. Er lebt. Der frische Muth, der uns're Brust durchbebt, Der Stolz der Arbeit, uns'rer Eintracht Wall, Er lebt, er athmet Ferdinand Lassalle ! hört! Blank zieht er seine Worte. Ein Kolbenschlag auf springt der Zukunft Pforte.

Er redet

-

-

-

Er predigt Gluth, und rastlos wallt der Brand Der neuen Botschaft durch der Arbeit Land. Zwei Jahre nur! Zwei Jahre nur der That Für uns gebrochen war der Freiheit Pfad. Auf seines Führers Spur in sichren Säulen Vordrang das Volk mit seiner Schlagkraft Keulen.

-

Wir denken deiner, kühner Volkstribun, Nicht, um beim Kranzeswinden auszuruh'n. Nicht, um dein Ich anbetend zu vergöttern

Und deinen Ruhm in's Schmeichelhorn zu schmettern, Nicht faul zu feiern, prahlend müß'ger Troß, Wir denken kämpfend deiner, Kampfgenoß!

An Wissen reich, gesättigt mit Genie,

Begriffst du, wie das Recht nach Geltung schrie. Der Leidenschaften schönster Kataraft,

Die Sturzfluth der Idee hat dich gepackt,

Und sturmfeck schreitend durch Gewalt und Lüge Rangst du das Recht der jungen Macht zum Siege.

Du fielst abseits. Für uns dein Werk fiel nicht, Weltdrama ward dein Nationalgedicht.

Und keine Grenze kennt- tönt's von Paris Die Zeitenwende, die dein Mund verhieß....

-

Lassalle! Die Zahl, die du begehrt, ist voll, Von Herd zu Herde glimmt des Volkes Groll. Breit schwillt die Macht der Streiter im Gefecht, Das Unrecht bebt, ernst rüstet sich das Recht, Mit Würde die Entscheidung zu gewinnen Und des Programms Vollendung zu beginnen.

Karl Henckell .

Ein troftloses Leben.

Von Holger Drachmann .

Aus dem Dänischen .

-

Sie waren drei Geschwister; zwei erwachsene Burschen, Julius und Jakob, und dann das Mädchen: Ane. Die Eltern waren todt, der Vater auf der See er trunken und die Mutter im Bette gestorben an etwas " Inwendigem", hieß es. Julius und Jakob fischten zusammen im Boote des Vaters - dem einzigen, was von ihm wieder zum Vor­schein gekommen war.

-

Sonnabend, den 14. September 1889.

III. Jahrgang.

Menge Schillinge gefunden hatte, die im Halbkreis um sagen, und dann sagte er endlich doch: Na, ihr habt es einen dreibeinigen Holzbock mit einem Kompaßhäuschen wohl gut zusammen?" gereiht waren.

"

Er ist zur Zeit Kellner!" antwortete Ane ernst und fuhr mit der Hand über das Gesicht des Bildes, auf welchem Julius' Finger einen feuchten Fleck hinterlassen hatten. Er wird sich nächstes Frühjahr etabliren." Als Gastwirth?"

"

Ja

"

-

Restaurateur. Vielleicht bekommt er die Dampfschiffe, aber es ist nicht sicher. Es bewerben sich so viele darum, sagte er."

"

Wie heißt er?"

Ludwig!"

" Nein, ich meine, wie er sonst heißt."

"

Na Bisserup!"

-

-

-

-

-

Herr Bisserup beugte den Kopf und machte die Stimme dumpf, und er antwortete: Ich sorge für alle Pflege, so gut ich kann; thu' ich es nicht, mein vieltheures Mädchen?" Und über des ehemaligen Kellners nervöse Züge mit diesem unbeschreiblichen gebildeten Anstrich glitt ein feiner, momentaner Ausdruck eines echten Gefühls so viel sich eben aus dieser Vorausseßung davon ergeben konnte; und Ane nickte.

Hierauf ging Julius.

-

Das leßte, was sie zu ihm sagte, war: Grüße sie daheim und sei gut gegen Mussi( die graue Kaße)."

Aber Julius dachte unterwegs beständig darüber nach, was für ein Kloß er gewesen sei, und daß er nichts von dem gesagt habe, was er hatte sagen wollen, hingegen gerade das gesagt habe, was er nicht hatte sagen wollen: na, ihr habt es wohl gut zusammen?"

Julius mußte fich winden vor Lachen. Er war ja rein zum Sterben dieser Name. Er war zu lächerlich! Aber auf den Namen kam es ja nicht an. Db er sonst ein guter Mensch sei? Ja, das sei er. Was Und als Jakob zu Hause ihn fragte, wie die Sachen er ihr gegeben hätte? Zumeist Geld, nicht sehr viel; stünden, kamen die Hobelspäne und der feuchte Kalk und aber wenn er einen Ertraverdienst gehabt, hätte sie ihren die Medizin, und es ekelte ihn davon, während er gleich­Antheil bekommen.- Worin dieser Antheil bestände, ob es zeitig Ane's Hand fühlte, und er drehte sich um und ant­Geschenke wären? Nein, etwas von den Trinkgeldern; wortete haftig und entschieden: Schlecht!" auch sei sie häufig mit ihm in's Theater gegangen; denn Aber zehn Minuten später, als er unten beim Boote er liebe das Theater und er könne es später selbst sagen, stand, konnte er sich nicht mehr zurückhalten; er mußte und er spreche überhaupt so schön und trinke nicht mehr, lachen, so ein wenig in sich hinein. Dieser Kellner mit als die Stellung es mit sich bringe und sie wollten der feierlichen, tiefen Stimme, mit seiner Umarmung und heirathen, so bald er sich etablirt und entweder ein Wirths- mit den langen Künstlerhaaren war doch zu komisch. geschäft oder die Dampfschiffe erhalten hätte.

Julius kniff das eine Auge zu, blickte etwas auf die Seite und fragte die graue Kaße, die vorbeiſtrich, ob sie vielleicht schon beisammen gewesen wären?

-

Ane steckte die Photographie zu sich, ganz ruhig. ,, Bist Du närrisch?" fragte sie. Da könnte er mich ja zum besten haben und mich fißen lassen!"

Acht Tage darauf war Ane todt.

Herr Ludwig Bisserup kam selbst hinaus und meldete es. Er warf sich an den Hals zuerst dem Julius, den er ja kannte, und dann dem Jakob, der verlegen und verdrießlich wurde.

Hierauf gingen sie zusammen die Verwandtschaft besuchen. ( Schluß folgt.)

Benoit Malon. *)

Aus dem Leben eines Proletarierführers.

III.

Im Winter machte der Kaufmann, bei dem Ane diente, Bankerott. Man war gezwungen, sich einzuschränken, und das Mädchen mußte zur Unzeit einen Dienst an­nehmen, wo sie einen solchen bekommen konnte. Sie erhielt einen von diesen bekannten Kopenhagener Dienstplägen, wo die Nahrung aus dünner Fruchtsuppe und Mehlspeise besteht, und wo das Mädchen in einem Loche schläft, das entstandenen Arbeiterbewegung, die immer entschiedener c- n. Mit der jungen in Frankreich nach der Kommune bemerken, daß ihre Kräfte schwanden, sie bekam Huften während seines Erils in Beziehung getreten. zu schlecht ist für eine Rumpelkammer. Sie begann zu einen sozialistischen Charakter annahm, war Malon noch und Blutbrechen, man kündigte ihr den Dienst.

Sie ging zu ihrem Kellner.

größeren Restaurationen. Es gab Arbeit vom Morgen Er verschaffte ihr einen Platz in der Küche einer der bis über Mitternacht hinaus. Sie wurde immer schlechter, verbarg es jedoch vor ihm. Endlich aber ging fie doch zu ihm und sagte, sie wolle heim zu den Brüdernheim, um in Ruhe zu sterben.

arbeitete

habe!"

-

-

Kaum konnte er infolge der Amnestie den Fuß auf Vorfämpfern und Führern und leistete sowohl nach seite den heimischen Boden seßen, so schloß er sich voll und ganz der Bewegung an, gehörte zu deren hervorragendsten der aufklärenden Agitation wie der Organisation hin Treffliches. Die große Beliebtheit, der sich Malon noch von früher her erfreute und die sich noch steigerte, trug fast ebenso viel zum Erfolg seiner Thätigkeit bei, wie seine Befähigung, sein Wissen, feine Energie.

Julius glich dem Tordenskjold auf den Zündhölzchen schachteln; er lachte gewöhnlich, ausgenommen wenn etwas ganz ungewöhnliches Ernst erheischte; und dann lachte er hinterdrein doppelt, um sich zu entschädigen. Er war Er blickte sie an und glättete seinen Haarbuckel, indem fleißig, flink, und sprang wie eine Kage bei jeder Arbeit. er den Kopf auf die Seite legte und den Mund schief zog, Doch, wenn er die Gelegenheit wahrnehmen und sich ein wie der Provinzschauspieler, wenn er tiefe Entmuthigung zwischen Boffibilisten und Marristen**) eintrat, stand Malon Als die verhängnißvolle aber unvermeidliche Spaltung paar Minuten Ruhe gönnen konnte, saß er, frumm nach ausdrücken soll. porn gebeugt, und hielt sich die Seiten, wie ein Mann, infolge seiner Auffassung und seines Charakters auf seite Sie hatte eine ganz aschgraue Gesichtsfarbe und be- der ersteren; ja man kann ihm sogar nicht den Vorwurf der Magenschmerzen hat. Er lachte über dies oder jenes, gleichgiltig was, wenn er nur lachen durfte. Seinem ginnende dunkle Ringe unter den Augen; und dies stand ersparen, daß er sich von Brousse in die Intriguen gegen in einem gar seltsamen Gegensatz zu ihrem starken Körper- Guesde hineinziehen ließ. Der Umstand erscheint seitens Magen fehlte nichts; er artete dem Vater nach. eines bis zur weichsten Sentimentalität versöhnlichen und verdroffen, zäh bei der Arbeit, schwer zum Lachen zu Aber ich liebe Dich Jakob hatte die Mutter beerbt. Er war wortfarg, bau und ihren schönen Zügen. " Ja, Ane," sagte er, Du siehst schlecht aus; sehr. toleranten Mannes wie Malon unbegreiflich, erklärt sich bringen. Es war inwendig" etwas nicht in Ordnung! Du nicht, daß wenn wir ein Geschäft anfingen... weiß Gott ! so heiß! Glaubst aber zum großen Theil aus seiner eklektischen Auffassung Aber die Nothwendigkeit zwang ihn und trieb ihn an; ist nämlich ein Keller im neuen Stadtviertel, den ich be- seitig und unvollständig hält und die ihn im Gegensatz zu Da des Sozialismus, welche die marristische Theorie für ein­die beständige schwere Arbeit härtete ihn ab, die gezwungene tommen fönnte- Diät Fisch und Brei, Brei und Fisch abschon ich allerdings noch kein Geld den Vertretern der Schule brachte, deren prinzipielle Un­dem Inwendigen" entgegen. Es war dabei kein Hinder­beugsamkeit für ihn gleichbedeutend mit Autoritarismus Sie sprachen hierüber. Sie bejah den Keller und er und Sektarismus war. Brousse's Geschicklichkeit, welche niß, daß er sich in frischer Luft aufhielt, im Gegentheil; und der Landdoktor erklärte, daß er ganz alt werden könne, beſtellte die Trauung beim Pfarrer. Aber Ane wurde auf diese Auffassung spekulirte, trug dann das Uebrige und der Landdoktor erklärte, daß er ganz alt werden könne, immer schlechter und schlechter, und sollte nun in's Spital. Dazu bei, Malon in die Parteizwistigkeiten hineinzuziehen. trotz des schlechten Magens. Ane hieß sie. Blond, wohlgebaut, gutgewölbte Das wollte sie nicht; dann lieber heim. Das wollte Uebrigens zögerte der bekannte Intrigant nicht, nachdem er Brust, feste Hüften, Fischerraffe. Aber sie war auffallend er nicht. So mietheten fie den Keller, nahmen eine Malon's Popularität gegen Guesde und Freunde aus­blaß. Das war auch die Mutter gewesen. Und mit der halbe Einrichtung auf Abzahlung und hierauf legte sie sich gespielt hatte, auch gegen Malon selbst zu intriguiren: der Unbefangenheit, mit der man in Vangaa Familienange- dort zu Bette und blieb liegen und wurde immer schlechter. Mohr hatte seine Schuldigkeit gethan, der Mohr konnte legenheiten bespricht, sagten die Brüder gleich nach der die Sache einen Tag lang nach und reiste am nächsten Julius erhielt darüber einen Brief. Er sann über nun gehen. Konfirmation zu ihr: Du stirbst wohl jung, Ane!" Die widerlichen Parteizwiftigkeiten, mit ihren Ver­leumdungen und Kabalen haben wesentlich dazu beigetragen, Das war der Troft, den sie in die Hauptstadt mit Tage in die Stadt. Er fand richtig den Keller in einem ganz neuen daß sich Malon in den letzten Jahren mehr und mehr bekam, als sie sich dahin begab, um in einen Dienst zu Viertel, wo in allen Fenstern vermiethet" geschrieben von dem Parteileben zurückgezogen hat, obgleich dies auch Sie kam den ersten Sommer mit ihrer Herrschaft stand; aber Leute gab es hier nicht. Das Wirthslokal theilweise auf Rechnung seiner großen Kränklichkeit zurüd­zurück, welche in Vangaa Sommeraufenthalt nahm. Die war auch nicht überfüllt. Herr Bisserup saß bei einem zuführen ist. Jedoch ist unter diesem Zurückziehen vom Augen waren etwas matt geworden, aber sie bekamen einzigen Gaste, vor einem frischlackirten Schanktisch, mit Parteileben nicht zu verstehen, daß er troßend abseits in einigen Glanz, als fie Julius auf die Seite nahm und der Hand in gedankenvoller Stellung das Kinn stüßend. seinem Zelt fißt. Nach wie vor ist er ein kämpfender ihm eine Photographie zeigte. Er warf sich sogleich dem Schwager um den Hals, was Sieht er so aus?" fragte Julius, während es in Julius in einige Verlegenheit brachte; er wußte nicht, ob ihm leise zu glucksen begann. er lachen, oder was er überhaupt mit seinem Kopf an Es war der Geliebte. Ein Herr in schwarzem Rock, fangen sollte. Er fragte nun nach Ane. einen Cylinderhut( er war zu groß gerathen) in der einen Sie ist da drinnen in ihrer Kammer. Ich habe Hand und die andere Hand auf ein Geländer mit Schling- die meinige drüben.- Hier ist Dein Bruder, mein viel laub gestemmt, das jeder Stüße zu bedürfen schien, die theures Mädchen!" es erhalten konnte. Eine nachdenkliche Stellung, halb Sie standen vor dem mit Ocker angestrichenen Bette Profil, das sehr lange, glänzende Haar mit einem kleinen in der halbdunklen Kammer; das einzige Fenster derselben Buckel über das Dhr gekämmt; vorne, auf der tiefausge- befand sich hoch oben. Es roch nach der nassen Mauer, schnittenen Weste, hing ein Zwicker an einem breiten, nach Hobelspähnen und nach Medizin. Und hier lag Ane schwarzen Bande. unter einer Decke mit geblümtem Ueberzug; fie gab Julius und sie " Ift er ein Schauspieler?" fragte Julius, nachdem die Hand so eine feuchte, warme Hand **) Bergl. Berl. Arbeiterbibliothek" Heft 4: Der Sozialis­er die Rückseite des Porträts untersucht und darauf eine fah ihn an und er blickte sie an, und er konnte nichts mus in Frankreich ( Preis 20 Pfg.).

treten.

"

-

-

-

--

Sozialist geblieben, und zwar der fleißigsten und geschäßte­sten einer, nur daß sich seine Thätigkeit ausschließlich auf das schriftstellerische Gebiet beschränkt und außerhalb jeder bestehenden sozialistischen Fraktion geübt wird.

Greifen wir in seinem Wirken als sozialistischer Schriftsteller bis zu seiner Rückkehr nach Frankreich zurück, so müssen wir zuerst der Herausgabe der Emancipation " von Lyon gedenken, an der bekanntlich Malon als Haupt­redakteur und Mitarbeiter thätigen Antheil nahm- ferner der Artikel, welche er für den" Prolétaire", das Prolé­tariat", den Citoyen"( Bürger) sowie eine Reihe sozia­

*) Sprich: bönoa malong.